Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.11.2022, Az. 2 StR 142/21

2. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7576

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STRAFRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) REVISION (STRAFRECHT) STRAFVERFAHREN

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung: Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines Auslandszeugen


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. Juli 2020 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung zu vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten, die er mit Verfahrensrügen und der ausgeführten Sachrüge begründet, hat keinen Erfolg.

A)

2

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.

3

Der Angeklagte wurde im Zusammenhang mit dem Verkauf von Geschäftsanteilen wegen Betruges zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und sah sich erheblichen zivilrechtlichen Forderungen ausgesetzt, wobei [X.] auf Seiten der Anspruchsteller aus Sicht des Angeklagten das spätere Tatopfer, Rechtsanwalt [X.], war. Versuche des Angeklagten, mithilfe der [X.]     – [X.]hatte er in der Haft kennengelernt – an entlastende Unterlagen zu gelangen, die der Angeklagte in der Anwaltskanzlei vermutete, für die Rechtsanwalt [X.]tätig war, scheiterten ebenso wie Versuche, diesen durch anonyme Drohanrufe oder Einbruchsversuche einzuschüchtern. Vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Auseinandersetzung wollte sich der Angeklagte für die aus seiner Sicht [X.] Angriffe und die unnachgiebige Haltung des [X.]rächen und ihn „als Prozessgegner ausschalten“. Aus diesem Grund beauftragte er die [X.]     im Zeitraum von Mitte Dezember 2009 bis 1. Februar 2020 damit, einen gewalttätigen Anschlag mittels einer Schusswaffe auf „seinen Widersacher“ [X.] zu organisieren, bei dem dieser so erheblich verletzt werden sollte, dass er anschließend einen Krankenhausaufenthalt benötigen würde.

4

Der Anschlag wurde vereinbarungsgemäß ausgeführt, nachdem der Angeklagte einen mehrmonatigen Auslandsaufenthalt angetreten hatte. Ab 7. Februar 2010 hielten sich die [X.]    und [X.]oder zwei von ihnen beauftragte Komplizen in der Nähe der Wohnanschrift von [X.]auf. Dort wurde diesem am 8. Februar 2010, als er gerade in sein Auto einsteigen wollte, von einem unbekannten Täter unvermittelt aus ca. 10 cm Entfernung kontrolliert mit einer Pistole in das linke Bein geschossen, um ihn zu verletzen. Der Geschädigte erlitt eine potentiell lebensgefährliche Durchschussverletzung, wurde in einem Krankenhaus operativ behandelt und musste sich dort mehrere Tage lang stationär aufhalten.

II.

5

Das [X.] hat das Handeln des Angeklagten als Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung gewertet. Seine Feststellungen stützt es auf die Angaben des Geschädigten zum Anschlag einerseits sowie auf Kommunikation zwischen den [X.]und dem Angeklagten andererseits, namentlich eine [X.] des [X.]vom 3. Februar 2010, in der dem Angeklagten in verklausulierter Form mitgeteilt werde, dass der Anschlag auf den Geschädigten nunmehr planmäßig durchgeführt werden könne („ … holen die nötigen Papiere um unsere Oma zu ihre Kuraufenthalt zu ermöglichen … sie wierd ihre verdiente kuraufenthalt bekommen“), sowie ein aufgezeichnetes Gespräch, in dem sich der Angeklagte gegenüber den [X.]und einem weiteren Gesprächsteilnehmer entsprechend geäußert habe („… nachdem ich jetzt auch versucht habe, die Akten zu bekommen war das die einzig richtige Konsequenz, ihm einmal ins Bein zu ballern. Und der hat die Botschaft auch verstanden …“). Die daraus gewonnene Überzeugung werde nicht durch weitere Beweismittel, insbesondere die Angaben der Ehefrau des Angeklagten, die des Zeugen [X.]    in der Hauptverhandlung oder durch die schriftlichen Stellungnahmen der [X.]    in deren Verfahren entkräftet.

6

Soweit dem Angeklagten in der Anklage „zusätzlich vorgeworfen“ werde ([X.]), im September 2009 in einem [X.] versucht zu haben, „die [X.]     dazu anzustiften“, Rechtsanwalt [X.] ermorden zu lassen, habe sich dies nicht belegen lassen. Die Angaben der von der Staatsanwaltschaft hierfür benannten Zeugen [X.] und [X.]    seien weder hinreichend konkret noch belastbar.

B)

7

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.

8

Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Soweit die Revision ein solches in der fehlenden Identität zwischen der ausgeurteilten Tat und dem von der Anklageschrift erfassten Sachverhalt sehen will, dringt sie nicht durch.

9

1. Mit unverändert zugelassener Anklage hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Auseinandersetzung wegen des vorangegangenen Verkaufs von Geschäftsanteilen, derentwegen er auch wegen Betrugs verurteilt worden war, und der vom Angeklagten deswegen ersonnenen Rache [X.]    dazu angestiftet zu haben, einen Dritten mit dem dann am 8. Februar 2010 – absprachegemäß während des Auslandsaufenthalts des Angeklagten – mit einer Schusswaffe durchgeführten Angriff auf den Geschädigten [X.] zu beauftragen, bei dem diesem aus nächster Nähe in den Oberschenkel geschossen worden war. Hierzu habe der Angeklagte im September 2009 in einem H.     Steak-Restaurant [X.]     im Beisein auch des [X.]den Auftrag erteilt, [X.]töten zu lassen. Dieses Verhalten hat die Staatsanwaltschaft als versuchte Anstiftung zum Mord tateinheitlich zusammentreffend mit der Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung (mittels einer Waffe und einer das Leben gefährdenden Behandlung) gewertet.

2. Damit ist die Identität zwischen dem von der Anklageschrift erfassten Lebenssachverhalt und der nach den getroffenen Feststellungen abgeurteilten Tat gewahrt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung gehört zu der Tat als [X.] im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach allgemeiner Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bildet, auch wenn einzelne damit zusammenhängende oder darauf bezogene Umstände in der Anklageschrift nicht ausdrücklich erwähnt sind, und ohne Rücksicht darauf, ob sich bei der rechtlichen Beurteilung eine oder mehrere strafbare Handlungen im sachlich rechtlichen Sinne statt oder neben der in der zugelassenen Anklage bezeichneten Straftat ergeben (vgl. [X.], Urteile vom 23. September 1999 – 4 StR 700/98, [X.]St 45, 211, 212 f. mwN, und vom 7. Februar 2012 – 1 [X.], [X.], 355, 356; Beschluss vom 1. Dezember 2015 – 1 [X.], NJW 2016, 1747; [X.]/[X.], 8. Aufl., § 264 Rn. 1 mwN). Hierauf bezieht sich auch die Kognitionspflicht des Tatgerichts, die erfordert, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte [X.] – gegebenenfalls unter Erfüllung der gerichtlichen Hinweispflicht nach § 265 Abs. 1 StPO – ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zu Grunde gelegte Bewertung durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (vgl. [X.], Urteile vom 20. Februar 2003 – 3 [X.], [X.]St 48, 221, 223, und vom 1. Juli 2021 – 3 StR 84/21, NStZ-RR 2021, 273, 274 mwN). Gegenstand der Urteilsfindung ist gemäß § 264 Abs. 1 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. Die Wahrung der Identität der prozessualen Tat trotz Veränderung des [X.] ist nach dem Kriterium der „[X.]“ der Tat zu beurteilen. Diese ist – ungeachtet gewisser Unterschiede – dann gegeben, wenn bestimmte Merkmale die Tat weiterhin als ein einmaliges und unverwechselbares Geschehen kennzeichnen. Die prozessuale Tat wird in der Regel durch Tatort, Tatzeit und das [X.] umgrenzt und insbesondere durch das Täterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung und durch das Tatopfer bestimmt (vgl. [X.], Urteil vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12, [X.]R StPO § 264 Abs. 1 Ausschöpfung 5; Beschlüsse vom 19. Dezember 2017 – 1 [X.], [X.], 317, und vom 8. Februar 2022 – 3 [X.] Rn. 7 mwN).

b) Nach diesem Maßstab ist vorliegend die „[X.]“ zwischen angeklagter und ausgeurteilter Tat gewahrt.

aa) Es kann keine Zweifel an der „[X.]“ der Sachverhalte begründen, dass sich das [X.] nicht davon zu überzeugen vermochte, der Angeklagte habe – tateinheitlich – auch zur Ermordung des Geschädigten anstiften wollen, er habe vielmehr bei der Beauftragung der [X.]    „nur“ zu einer gefährlichen Körperverletzung angestiftet. Tatopfer und die der Tat innewohnende Angriffsrichtung sind identisch. Nicht nur wurde das jeweils beschriebene Handeln des Angeklagten von dem überspannenden Ziel geleitet, das spätere Tatopfer vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Auseinandersetzung um den betrügerischen Verkauf von Geschäftsanteilen „als Prozessgegner auszuschalten“. Nach Anklage wie Urteil richtet sich Tat auch gegen dasselbe Rechtsgut, nämlich gegen die körperliche Integrität des Geschädigten [X.], die ganz erheblich mittels einer Waffe beeinträchtigt werden sollte und dann auch wurde. Überdies steht außer Frage, dass ein Schuss in den Oberschenkel eines Menschen wegen der Gefahr, dort die Oberschenkelschlagader zu treffen, auch für den Laien erkennbar eine (höchst) gefährliche Handlung darstellt, die mitunter sogar Schlüsse auf einen Tötungsvorsatz erlaubt (vgl. [X.], Urteil vom 18. Mai 2022 – 6 StR 587/21 Rn. 14 mwN).

bb) Ebenso wenig verlässt die abgeurteilte Tat den durch die Anklage umfassten Lebenssachverhalt deswegen, weil sich das [X.] auch nicht die sichere Überzeugung verschaffen konnte, die Beauftragung der [X.]    habe bereits im September 2009 stattgefunden, diese sei vielmehr zu einem späteren Zeitpunkt vor der „auftragsbestätigenden“ sog. Oma-[X.] des [X.]    an den Angeklagten erfolgt. Dass die Angaben zu Tatzeit und Tatort im Anklagesatz einerseits und im Urteil andererseits divergieren, steht der „[X.]“ der Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO nicht entgegen, wenn die Beschreibung des [X.] zeigt, dass derselbe geschichtliche Lebenssachverhalt gemeint ist (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Juni 2011 – 2 [X.] Rn. 2 mwN). Das ist hier der Fall, auch wenn – wie in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ausgeführt – letztlich unklar geblieben ist, ob das vom Zeugen [X.]geschilderte Gespräch im September 2009 stattfand. Das dem Angeklagten zur Last liegende Verhalten wird maßgeblich durch die in den Anschlag auf [X.] mündende Kettenanstiftung gekennzeichnet, also dadurch, dass der Angeklagte mit Blick auf die aus seiner Sicht federführende Rolle von [X.] in dem gegen ihn geführten Zivilverfahren jedenfalls einen der [X.]     dazu beauftragte, jemanden zu finden, der mit einer Waffe – und während des Auslandsaufenthalts des Angeklagten – die Haupttat, den konkret am 8. Februar 2010 auf [X.] verübten Anschlag, ausführt; auf die [X.] des [X.] und den Zeitpunkt von dessen Beauftragung kommt es bei dieser Sachlage ohnedies nicht an (vgl. [X.], Beschluss vom 2. November 2021 – 3 StR 259/21, NStZ-RR 2022, 49, 50 mwN). Dieses von der Anklage unverwechselbar beschriebene [X.] spiegelt sich in vollem Umfang im ausgeurteilten Sachverhalt wieder. Deshalb steht die in der Anklage beschriebene Anstiftung des [X.]     bei einem Treffen des Angeklagten mit den [X.] im [X.] 2009 – von dem die [X.] offengelassen hat, ob es stattgefunden hat – und dessen von der [X.] festgestellte Beauftragung (zusammen mit seinem Bruder) durch den Angeklagten zu einem späteren Zeitpunkt in einem so engen sachlichen und motivatorischen Zusammenhang, dass die Annahme zweier prozessualer Taten zu einer unnatürlichen Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts führen würde.

II.

Auch die Verfahrensbeanstandungen dringen nicht durch.

1. Soweit die Revision geltend macht, das [X.] habe den Beweisantrag vom 12. Dezember 2019 nicht verbeschieden, ist sie aus den Gründen der Zuschrift des [X.] unbegründet.

2. Die Revision dringt auch nicht mit der Rüge durch, das [X.] habe die Beweisanträge vom 21. August 2019, vom 12. Dezember 2019 und vom 7. Juli 2020, soweit sie hilfsweise auf die audiovisuelle oder kommissarische Vernehmung der [X.]     und auf Verlesung von deren schriftlichen Einlassungen in den gegen sie gerichteten Ermittlungsverfahren gerichtet waren, zu Unrecht zurückgewiesen und die beantragten Beweise nicht erhoben.

a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Die Verteidigung des Angeklagten hat am 21. August 2019 die Verlesung der Stellungnahme von Rechtsanwalt [X.] für [X.] vom 26. Juni 2019 sowie die Ladung und Vernehmung des Zeugen [X.], zu laden über seinen Verteidiger, hilfsweise dessen kommissarische Vernehmung in der [X.], sowie äußerst hilfsweise dessen Videovernehmung in der [X.] zum Beweis näher bezeichneter Tatsachen (u.a. dieser habe keinen Auftrag vom Angeklagten erhalten, der Zeuge [X.]habe den Anschlag auf [X.]ausgeführt, dies sei nicht mit dem Angeklagten abgesprochen gewesen) beantragt.

Unter dem 12. Dezember 2019 hat die Verteidigung einen weiteren, erneut auf Verlesung „beider aktenkundiger Schreiben“ der Zeugen [X.]und [X.]und deren „Videovernehmung gemäß § 247a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 251 Abs. 2 StPO" gerichteten Antrag gestellt. [X.] war die Manipulation der Tonaufnahme vom Gespräch der Zeugen und dem Angeklagten.

Nachdem die [X.] erfolglos gebliebene Versuche unternommen hatte, die benannten Zeugen in der Hauptverhandlung zu vernehmen (u.a. wurde freies Geleit für [X.]    erwirkt), hat sie die vorbenannten Anträge mit Beschluss vom 7. Juli 2020 zurückgewiesen. Beide Zeugen seien für das Gericht unerreichbar, deren Anschriften in der [X.] nicht bekannt, eine Ladung über deren anwaltliche Vertreter erfolglos geblieben und beide Zeugen hätten – was im Beschluss näher ausgeführt wird – fortlaufend Bedingungen an ihr Erscheinen geknüpft und sodann mitgeteilt, sie würden nicht erscheinen. Auch eine audiovisuelle Zeugenvernehmung komme nicht in Betracht. Zum einen seien für die erforderliche Rechtshilfe keine ladungsfähigen Anschriften mitgeteilt worden. Zum anderen erachte die [X.] nach pflichtgemäßem Ermessen die grenzüberschreitende Vernehmung unter Inanspruchnahme visueller Verfahren im vorliegenden Einzelfall als für die Wahrheitsfindung wertlos. Und „ganz wesentlich … schließlich“ sei, dass sich aufgrund des Umfangs der Vernehmung und der dabei zu machenden Vorhalte, vorzulegenden Lichtbilder und abzuspielenden Tonbandaufnahmen eine audiovisuelle Zeugenvernehmung per Videovernehmung aus der [X.] „praktisch nicht durchführen“ lasse.

Ebenfalls am 7. Juli 2020 hat die Verteidigung des Angeklagten die Ladung und Vernehmung der Zeugen [X.]und [X.], hilfsweise deren kommissarische Vernehmung sowie hilfsweise deren Videovernehmung in der [X.] zum Beweis näher bezeichneter Tatsachen beantragt. Die Zeugen seien über ihre Rechtsanwälte (Rechtsanwalt [X.]bzw. Rechtsanwalt [X.].      ), eine im Antrag angegebene Adresse in [X.]([X.]), alternativ über ihren tatsächlichen Aufenthaltsort in einem im Antrag näher bezeichneten Hotel in I.    ([X.]) im Wege der Rechtshilfe zu laden. Eine audiovisuelle Vernehmung sei auch nach der [X.] Strafprozessordnung zulässig.

Mit Beschluss vom gleichen Tag hat die [X.] diese Anträge „auf nochmalige Ladung und Vernehmung der Zeugen ... wegen Ungeeignetheit und Unerreichbarkeit gemäß § 244 Abs. 3 Nr. 4 und Nr. 5 StPO zurückgewiesen.“ Die Zeugen hätten erklärt, „nicht bereit zu sein nach [X.]    zu einer Vernehmung zu kommen“. Eine audiovisuelle Vernehmung komme aus den im vorangegangenen Beschluss genannten Gründen nicht in Betracht. Der Umstand, dass die Verteidigung nunmehr Anschriften in Erfahrung gebracht haben will, ändere daran nichts. Die [X.] habe ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass im Zweifel Vernehmungen im Gerichtssaal erfolgen müssten, die Ersetzung der Zeugenvernehmung durch Verlesung von deren früheren Aussagen sei unter [X.] nicht geboten. Die [X.] halte die durch Vorhalte und Verlesung nach § 251 Abs. 3 StPO eingeführten Stellungnahmen der Zeugen für bereits widerlegt. Die schriftlichen Erklärungen von Rechtsanwalt [X.](unter anderem vom 26. Juni 2019) seien daher nicht geeignet, die Einvernahme der Zeugen in der Hauptverhandlung zu ersetzen, weil sie zur Aufklärung der Tat nichts beitrügen.

b) Soweit die Revision die Zurückweisung der audiovisuellen bzw. kommissarischen Vernehmung der Zeugen [X.]und [X.]beanstandet, ist sie zulässig erhoben, insbesondere ist der beanstandete Ablehnungsbeschluss nicht mit Blick auf die Regelung der § 247a Abs. 1 Satz 2, § 336 Satz 2 StPO unanfechtbar (vgl. dazu [X.]/[X.], 27. Aufl., § 247a Rn. 39 mwN). Die Rüge bleibt indes ohne Erfolg. Zwar begegnet die Begründung des Zurückweisungsbeschlusses teilweise rechtlichen Bedenken, sie ist aber im Ergebnis nicht rechtsfehlerhaft. Überdies kann der [X.] ausschließen, dass das angefochtene Urteil auf einer Zurückweisung des Antrags beruht.

aa) Nicht zu beanstanden ist, dass die [X.] die Ablehnung der Anträge auf Einvernahme der [X.] nicht auf die sachlich vorrangige Vorschrift des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützt, sondern auf den Ablehnungs-grund der Unerreichbarkeit bzw. Ungeeignetheit des Beweismittels im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO zurückgegriffen hat. Dies ist rechtlich zulässig (vgl. [X.], Urteil vom 15. September 1999 – 1 [X.], [X.]St 45, 188, 189).

bb) Soweit die [X.] die Zurückweisung des Antrags allerdings auf die von ihr angenommene Unerreichbarkeit der Zeugen stützt, weist die Revision mit Recht darauf hin, dass der [X.] nach Ort, Postleitzahl, Straße und Hausnummer individualisierte, ladungsfähige Anschriften der beiden Zeugen in der [X.] bekannt waren. Sie waren damit entgegen der Begründung des Zurückweisungsbeschlusses für eine Vernehmung im [X.] nicht unerreichbar. Dass sich eine zu ladende [X.] zum Zeitpunkt einer Ladung (möglicherweise) nicht an der angegebenen Anschrift aufhält, schließt nicht ohne Weiteres aus, dass diese [X.] über die bekannte Anschrift tatsächlich geladen werden kann.

cc) Nicht ohne rechtliche Bedenken ist auch die Zurückweisung des Antrags auf audiovisuelle Vernehmung der [X.]    mit der Begründung, diese sei angesichts der zu erwartenden erheblichen Dauer, der zu machenden Vorhalte, der vorzuzeigenden Lichtbilder und der Notwendigkeit, Tonbandaufnahmen mehrfach bzw. in mehreren Abschnitten vorzuspielen, „praktisch“ nicht durchzuführen.

Zwar kann und darf eine audiovisuelle Vernehmung nicht angeordnet werden, wenn sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht durchführbar ist (vgl. [X.], Urteil vom 15. September 1999 – 1 [X.], [X.]St 45, 188, 191 f.; Beschlüsse vom 23. März 2000 – 1 StR 657/99, [X.], 385 und vom 9. Oktober 2007 – 5 [X.], [X.], 232, 233; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 247a Rn. 6). Auch ist bei der einzelfallbezogenen Prüfung des [X.] der zu erwartenden Aussage zu berücksichtigen, ob sich der Zeuge seiner [X.] nach für diese Art der Beweisaufnahme eignet und ob die verfügbaren technischen Möglichkeiten eine hinreichende Gewähr für seine aussagekräftige Einvernahme bieten (vgl. [X.]/[X.], 27. Aufl., § 247a Rn. 17).

Ausgehend von den Gründen des Zurückweisungsbeschlusses ist jedoch nicht festgestellt, dass der Vorhalt von Lichtbildern oder das Vorspielen von [X.] technisch nicht möglich gewesen wäre oder dass die [X.] Behörden eine kommissarische oder audiovisuelle Vernehmung in dem von der [X.] für erforderlich gehaltenen Umfang aus tatsächlichen Gründen voraussichtlich verweigert hätten (zur rechtlichen Möglichkeit einer Rechtshilfe mit der [X.] Art. 10 Abs. 5 [X.] vom 29. Mai 2000, [X.]. [X.] vom 12. Juli 2000, [X.]). Allein der Umfang einer Vernehmung und der damit verbundene zeitliche Aufwand konnten die [X.] nicht von der audiovisuellen (oder kommissarischen) Einvernahme der von der Verteidigung benannten Zeugen entbinden, zumal es sich um Zeugen zu zentralen Geschehnissen des [X.] gehandelt hat.

dd) Indes ist gegen die weitere Erwägung der [X.], der Antrag auf audiovisuelle oder kommissarische Vernehmung sei auch deswegen zurückzuweisen, weil diese Form der Vernehmung „wertlos“ bzw. „völlig ungeeignet“ sei, eingedenk des nur eingeschränkten revisionsrechtlichen [X.] nichts zu erinnern.

(1) Nach § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 StPO kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines – wie hier – im Ausland lebenden und für eine Vernehmung in der Hauptverhandlung unerreichbaren Zeugen auch dann zurückgewiesen werden, wenn der Zeuge zwar für eine im Wege der Rechtshilfe zu bewirkende und grundsätzlich mögliche kommissarische oder audiovisuelle Vernehmung zur Verfügung steht, das Gericht aber aufgrund der besonderen Beweislage schon vorweg zu der Überzeugung gelangt, dass eine aus einer solchen Vernehmung gewonnene Aussage völlig untauglich ist, zur Sachaufklärung beizutragen und die Beweiswürdigung zu beeinflussen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. August 2003 – 1 [X.], [X.], 347, 348, und vom 28. Januar 2010 – 3 [X.], [X.]St 55, 11, 22). Allerdings ist bei besonderen Beweiskonstellationen, namentlich wenn es sich bei dem benannten Zeugen um einen besonders wichtiges Beweismittel handelt, die Beurteilung von dessen Beweistauglichkeit eher an den strengen Maßstäben auszurichten, die sonst allgemein für die Bewertung eines Beweismittels als völlig ungeeignet anerkannt sind; ein geminderter oder zweifelhafter Beweiswert kann bei einem besonders wichtigen Entlastungszeugen nicht mit völliger Ungeeignetheit gleichgesetzt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Januar 2010 – 3 [X.], [X.]St 55, 11, 24). In diesen Fällen kann aber eine Ungeeignetheit im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 StPO in Betracht kommen, wenn der Beweiswert einer lediglich kommissarischen oder audiovisuellen Vernehmung des Zeugen vor dem Hintergrund des Ergebnisses der bisherigen Beweisaufnahme und des zeitlichen und organisatorischen Aufwands der Ladung und Vernehmung mit den damit verbundenen Nachteilen durch die Verzögerung des Verfahrens in einer Weise zurücktritt, dass jeglicher Erkenntniswert für die Sachaufklärung sicher ausgeschlossen werden kann ([X.], Beschluss vom 28. Januar 2010 – 3 [X.], [X.]St 55, 11, 23 f.). Eine Vernehmung durch audiovisuelle Vernehmung oder durch [X.] im Wege der Rechtshilfe ist nämlich nicht sinnvoll, sondern nutzlos und überflüssig – insoweit ist der Zeuge dann ein ungeeignetes Beweismittel –, wenn durch die Verlesung der Niederschrift über die kommissarische Vernehmung oder die audiovisuelle Vernehmung das Beweisergebnis nicht beeinflusst werden kann, weil von vornherein abzusehen ist, dass nur die Vernehmung vor dem erkennenden Gericht die nach Sach- und Beweislage erforderliche Ausschöpfung des Beweismittels gewährleistet (vgl. [X.], Urteil vom 8. November 1999 – 5 [X.], [X.], 443, 447 mwN, insoweit nicht in [X.]St 45, 270 abgedruckt).

(2) Ob nur eine Vernehmung eines Zeugen unmittelbar vor dem erkennenden Gericht zur Wahrheitsfindung beizutragen vermag, hat der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden (vgl. [X.], NJW 2014, 1082, 1083; [X.], Beschluss vom 17. November 2020 – 3 [X.], NStZ-RR 2021, 22, 23). Diese Entscheidung, bei der die wechselseitigen Interessen aller Verfahrensbeteiligten zu berücksichtigen, gegeneinander abzuwägen und miteinander in Ausgleich zu bringen sind und die notwendig eine gewisse Vorauswürdigung des Beweismittels erfordert, unterliegt nur in eingeschränktem Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung. Sie kann nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]ndesgerichtshofes, von der abzuweichen der [X.] keinen Anlass sieht, nur bei Widersprüchen, Unklarheiten, Verstößen gegen Denk- und Erfahrungssätze oder damit vergleichbaren Mängeln vom Revisionsgericht beanstandet werden (vgl. [X.], Urteil vom 8. November 1999 – 5 [X.], [X.], 443, 447; Beschlüsse vom 26. August 2003 – 1 [X.], [X.], 347, 348, und vom 28. Januar 2010 – 3 [X.], [X.]St 55, 11, 22).

(3) Hiervon ausgehend ist gegen die Bewertung der [X.], für einen belastbaren Erkenntnisgewinn komme allein eine persönliche Einvernahme der beiden [X.]    in Betracht, eine audiovisuelle oder kommissarische Vernehmung sei demgegenüber ohne jeglichen Erkenntnisgewinn, revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Die [X.] hat einerseits die besondere Beweisbedeutung der Zeugen herausgestellt, andererseits den Beweisantrag anhand der bereits erhobenen Beweise gewürdigt und die Tatnähe der Zeugen gesehen, denen auch mit Blick auf die gegen bei den Staatsanwaltschaften [X.] und [X.] geführten Ermittlungsverfahren ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO zusteht. Sie hat ferner deren Verbundenheit zum Angeklagten, sowie den Umstand würdigend herangezogen, dass eine Falschaussage nicht effektiv sanktionierbar wäre und sich die auf Distanz zu [X.] Zeugen dem durch Frage und Antwort entstehenden Spannungsverhältnis leichter entziehen könnten, es der [X.] also nicht möglich wäre, sich einen hinreichenden Eindruck von den individuellen Eigenarten der Zeugen und ihrem nonverbalen [X.] zu verschaffen. Dies lässt revisionsrechtlich durchgreifende Rechtsfehler nicht erkennen.

(a) Gegenüber einer audiovisuellen Vernehmung stellt die unmittelbare Befragung eines Zeugen die Regel dar; die audiovisuelle Vernehmung weist im Vergleich zu einer unmittelbaren Einvernahme gewisse Defizite auf (vgl. [X.], Beschluss vom 17. November 2020 – 3 [X.], NStZ-RR 2021, 22, 23). Es ist anerkannt, dass sich eine auf Distanz befragte [X.] dem durch Frage und Antwort entstehenden Spannungsverhältnis eher wird entziehen können als in direktem Kontakt in ein und demselben Raum, es durch die technisch bedingte Distanz zudem schwieriger sein wird, im Vorfeld der Aussage Hemmungen abzubauen, Vertrauen zu erwecken und sich selbst einen hinreichenden Eindruck von der individuellen Eigenart der Auskunftsperson und ihrem nonverbalen [X.] zu verschaffen (vgl. [X.], Urteil vom 15. September 1999 – 1 [X.], [X.]St 45, 188, 196), zumal wenn – wie hier – der Zeuge der Beteiligung an der Tat verdächtig ist, ihm deswegen ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zusteht (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Februar 2022 – 4 [X.], [X.], 634, 635 zu § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO) und er – wie die [X.]     – Scheu gezeigt hat, vor der [X.] in [X.] Angaben zu machen, naheliegend auch aus Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung wegen Falschaussage (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 26. August 2003 – 1 [X.], [X.], 347, 348). Dieser Befund wird durch die zunehmende Verbesserung und Bedeutung audiovisueller Kommunikationsmittel nicht grundlegend in Frage gestellt. So hat beispielsweise auch der Gesetzgeber den mit Wirkung zum 1. Juli 2021 gemäß § 463e StPO ermöglichten Einsatz von [X.] unabhängig von einer vorherigen Einwilligung des Betroffenen in Fällen, in denen die gleichzeitige Anwesenheit des Betroffenen und des Richters eine bessere Aufklärung entscheidungserheblicher Gesichtspunkte verspricht, für untunlich gehalten (vgl. BT-Drucks. 19/27654, [X.]), für besonders gewichtige Entscheidungen sogar ganz ausgeschlossen (§ 463e Abs. 1 Satz 3 StPO).

(b) Auch die ungeklärte Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für eine Falschaussage im konkreten zwischenstaatlichen Verhältnis ist ein bei einer nur audiovisuell vorgenommenen Zeugenvernehmung ein weiteres Defizit, dass die [X.] in Betracht nehmen durfte (vgl. [X.], Beschluss vom 26. August 2003 – 1 [X.], [X.], 347, 348). Sie setzt sich damit – entgegen der Auffassung der Revision – auch nicht in Widerspruch dazu, dass sie für den Fall des mit weiteren Defiziten nicht belasteten persönlichen Erscheinens des Zeugen [X.]     in [X.] freies Geleit erwirkt hat.

(c) Die Gründe des Zurückweisungsbeschlusses lassen auch nicht besorgen, dass die [X.] die besondere Bedeutung der beiden als Entlastungszeugen benannten [X.]    und deshalb den für eine Vorauswürdigung des Beweismittels gebotenen Prüfungsmaßstab verkannt haben könnte (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Januar 2010 – 3 [X.], [X.]St 55, 11, 24; vgl. auch – zu § 244 Abs. 5 StPO: [X.], Beschluss vom 16. Februar 2022 – 4 [X.], [X.], 634 f. mit [X.] [X.]). Vielmehr hat die [X.] ausweislich des Zurückweisungsbeschlusses der Vernehmung der Zeugen sehr große Bedeutung beigemessen und jedenfalls nachvollziehbar dargetan, dass es angesichts dieser besonderen Bedeutung der unter Beweis gestellten Angaben der Zeugen im Lichte der bisherigen Beweisaufnahme auf einen unmittelbaren sowie authentischen Eindruck des gesamten [X.]s der Zeugen ankomme. Mit der freilich missverständlichen Formulierung, die unter Beweis gestellten Angaben der Zeugen, wie sie auch in deren schriftlichen Stellungnahmen enthalten waren, seien „bereits widerlegt“, bringt die [X.] jedenfalls auch zum Ausdruck, dass für die [X.] allein die Angaben der Zeugen zur Verfügung stehen und diese dem bisherigen, durch bereits eingeführte Urkunden (u.a. die „Oma-[X.]“) gestützten Beweisergebnis in wesentlichen Teilen widersprechen. Wenn es hiervon ausgehend Anlass zu einer besonders gründlichen Vergewisserung der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen sieht und deswegen dem persönlichen Eindruck von den Zeugen in der Hauptverhandlung erhebliches Gewicht beimisst, ist auch dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

ee) Ohnedies kann das angefochtene Urteil nicht auf der Zurückweisung des Antrags auf audiovisuelle oder kommissarische Vernehmung der [X.]    beruhen. Der im Zurückweisungsbeschluss dargelegte und auch von der Revision mitgeteilte Verfahrensgang belegt, dass die Zeugen [X.] und [X.] für eine audiovisuelle Vernehmung tatsächlich unerreichbar waren. Ein im Ausland lebender Zeuge, dessen Erscheinen nicht erzwungen werden kann, ist unerreichbar, wenn er sich definitiv weigert, vor dem erkennenden Gericht auszusagen (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Februar 2001 – 3 StR 554/00, [X.], 664 mwN). So verhält es sich hier.

(1) Für den Angeklagten [X.]    hat Rechtsanwalt [X.] dies ausdrücklich erklärt. Er hatte mit [X.] vom 11. November 2019 mitgeteilt, dass der Vernehmung seines Mandanten, „egal in welcher Form“, entgegenstehe, dass ihm Einsicht in die Akte des gegen seinen Mandanten geführten Verfahrens vorenthalten werde. Nachdem er in der Folgezeit Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft [X.] erhalten hatte und seinem Mandanten – von der [X.] auf Bitten von Rechtsanwalt [X.] erwirkt – freies Geleit zugesagt worden war, hat er die Aussagebereitschaft seines Mandanten an eine Auskunft über weitere anhängige Verfahren gegen seinen Mandanten und schließlich an die Einsicht auch in Akten der Staatsanwaltschaft [X.] geknüpft. Sodann hat er mit [X.] vom 28. Mai 2020 mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft weder bereit sei, Auskunft über „ggf. anhängige Verfahren gegen [X.]zu erteilen“, noch Einsicht in ein weiteres Verfahren bei der Staatsanwaltschaft [X.] zu gewähren, er deswegen seinem Mandanten nicht raten könne, Gebrauch vom sicheren Geleit zu machen. Er hätte sich gewünscht, dass sein Mandant zur Wahrheitsfindung beitragen könne, „dies alles“ werde aber „unter den gegebenen Bedingungen leider nicht stattfinden können“. Da die geforderte Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft [X.] nicht erlangt werden konnte, steht fest, dass sich der Zeuge [X.]    einer audiovisuellen Vernehmung nicht gestellt hätte.

(2) Gleiches gilt für den Zeugen [X.], auch wenn dieser seine Bereitschaft, zu einer audiovisuellen Vernehmung zur Verfügung zu stehen, nicht ausdrücklich in Abrede gestellt hat. Rechtsanwalt [X.].   hat aber bereits mit Schreiben vom 18. September 2019 den Gleichlauf der Aussagebereitschaft der beiden Brüder deutlich gemacht, in dem er für den Zeugen [X.]mitgeteilt hat, dass eine Videovernehmung vorstellbar sei, dem aber noch entgegenstehe, dass er keine Akteneinsicht in dem gegen seinen Mandanten und gegen dessen Bruder [X.]gerichteten Ermittlungsverfahren erhalten habe. Wie sein Bruder hat auch der Zeuge [X.]zunächst das Akteneinsichtsbegehren auf Akten der Staatsanwaltschaft [X.] bezogen; erst später ist im Verfahren gegen den Angeklagten das bei der Staatsanwaltschaft [X.] geführte Ermittlungsverfahren thematisiert worden. Insoweit bestand aber für beide Zeugen eine gleichgerichtete Interessenlage. Wie sich aus den Gründen des ersten Zurückweisungsbeschlusses ergibt, standen beide Brüder nicht nur im Verdacht, an der verfahrensgegenständlichen Tat beteiligt gewesen zu sein, sondern auch, den Versuch unternommen zu haben, den Angeklagten nach der Tatbegehung zu erpressen, weswegen „bereits entsprechende Ermittlungsverfahren gegen die beiden Zeugen bei den Staatsanwaltschaften [X.] und [X.] anhängig“ sind. Dies bestätigend trägt die Revision (Begründung vom 22. Januar 2021, [X.]) vor, dass die Bemühungen der [X.] um eine persönliche Vernehmung in der Hauptverhandlung auch deswegen gescheitert seien, „weil die Zeugen Strafverfolgungsmaßnahmen aufgrund von bei der Staatsanwaltschaft [X.] geführten Verfahren“ befürchtet hätten. Hiermit in Einklang steht, dass, nachdem Rechtsanwalt [X.] mit Einverständnis der Staatsanwaltschaft Einsicht in das der [X.] vorliegende Verfahren gegen [X.]    gewährt worden war, nicht nur dieser, sondern auch sein Bruder [X.]dem zuvor mit der [X.] vereinbarten Termin zur Zeugeneinvernahme ferngeblieben ist, und dass sich Rechtsanwalt [X.].   auf eine dem [X.] von Rechtsanwalt [X.]vom 28. Mai 2020 nachfolgende telefonische Anfrage der [X.] betreffend die Aussagebereitschaft von [X.](in [X.]) bis zum Abschluss der Hauptverhandlung nicht mehr gemeldet hat. Das belegt – jedenfalls in der Zusammenschau – zur Überzeugung des [X.]s zweifelsfrei, dass die Aussagebereitschaft des Zeugen [X.] an die gleichen Voraussetzungen geknüpft war, wie sie sein Bruder, der Zeuge [X.], sukzessive gegenüber der [X.] formuliert hat. Da diese Bedingungen nicht erfüllbar waren, war folglich auch der Zeuge [X.]für eine audiovisuelle Vernehmung durch die [X.] nicht erreichbar.

c) Die Zurückweisung des Antrags auf Verlesung der für die [X.]    abgegebenen Erklärungen bzw. Stellungnahmen ist zwar rechtlich bedenklich. Auch hierauf kann das angefochtene Urteil aber nicht beruhen.

aa) Zu Recht macht die Revision geltend, dass der Beweisantrag nicht auf eine vernehmungsersetzende Verlesung gerichtet war und daher nicht nur – wie geschehen – unter [X.] zu prüfen gewesen wäre. [X.] kann, ob die Prüfung des Antrags – wie die Revision meint – am Maßstab des § 244 Abs. 3 StPO oder – soweit es sich um „sonstige herbeigeschaffte“ sachliche Beweismittel im Sinne des § 245 Abs. 2 Satz 1 StPO gehandelt hat – nach § 245 Abs. 2 StPO zu erfolgen hatte. Eine solche Prüfung ist unterblieben und kann vom Revisionsgericht nicht nachgeholt werden.

bb) Der [X.] kann im vorliegenden Fall aber sicher ausschließen, dass das angefochtene Urteil auf der unzureichenden Zurückweisung des auf Verlesung von Stellungnahmen gerichteten Antrags beruht. Denn die [X.] hat sich ausweislich der Urteilsgründe in ihrer Beweiswürdigung umfassend und nach allen Seiten mit dem Inhalt dieser „schriftlichen Stellungnahmen der [X.]    “ auseinandergesetzt, einschließlich der Stellungnahmen, „die ihre jeweiligen Verteidiger vorformuliert hatten“, und die „umfangreich mit dem Angeklagten im Rahmen seiner Einlassung“ erörtert worden waren. Dass sich aus der abgelehnten Verlesung weitergehende – namentlich entlastende – Erkenntnisse oder Wertungen ergeben hätten, ist auszuschließen; auch die Revision zeigt nichts Derartiges auf. Auf den genauen Wortlaut der schriftlichen Stellungnahme von Rechtsanwalt [X.] kam es auch nach dem Beweisantrag ersichtlich nicht an, sondern allein auf die inhaltliche Frage, wie sich die [X.]     in den gegen sie geführten Verfahren zu dem hier anklagegegenständlichen Sachverhalt positioniert hatten; all dies hat die [X.] aber entsprechend den [X.] – wenn auch nicht mit dem vom Angeklagten erhofften Ergebnis – berücksichtigt. Auch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Inhalt der Stellungnahme, deren Verlesung beantragt war, unklar war oder im Streit stand. Demnach kann das Urteil nicht darauf beruhen, dass das besagte Schriftstück nicht verlesen wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Mai 2016 − 4 StR 458/15, [X.], 691 mwN).

d) Auch soweit die Revision wegen der soeben dargestellten Berücksichtigung des Inhalts der Stellungnahmen der [X.]     in den Urteilsgründen, ohne dass diese verlesen worden waren, einen Verstoß gegen § 261 StPO erblickt, bleibt sie ohne Erfolg.

aa) Mit der Revision ist allerdings davon auszugehen, dass die Stellungnahmen der [X.]     nicht – wie beantragt – zu Beweiszwecken verlesen worden sind. Die nicht vom Angeklagten stammenden, teilweise umfangreichen Stellungnahmen konnten weder durch Vorhalte an den Angeklagten noch durch deren Erörterung mit diesem ordnungsgemäß als Urkunde eingeführt werden. Auch die vom [X.] vorgenommene Verlesung der Stellungnahmen der [X.]     nach § 251 Abs. 3 StPO führte nicht dazu, dass sich die beantragte Beweiserhebung im [X.] erübrigt hätte (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Januar 1991 – 2 [X.], [X.] 1991, 148, 149; [X.]/Schmitt-Schmitt, 65. Aufl., § 251 Rn. 37; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 251 Rn. 73).

bb) Hierin liegt indes kein durchgreifender Rechtsfehler, auf dem im vorliegenden Fall das angefochtene Urteil beruhen könnte.

(1) Das [X.] hat nicht eine „verlesene“ Stellungnahme verwertet, auch nicht deren Wortlaut wiedergegeben oder auf eben diesen Wortlaut abgestellt; es kam – wie bereits dargelegt – ersichtlich auch nicht auf den genauen Wortlaut der Stellungnahmen an, sondern nur auf deren wesentlichen Inhalt. Ist aber der Inhalt eines Schriftstücks in der Hauptverhandlung – wie hier – erörtert worden und steht nicht im Streit, dass das (hier von der Verteidigung zur Entlastung des Angeklagten vorgelegte) Schriftstück diesen Inhalt hat, so kann schon deshalb das Urteil jedenfalls nicht darauf beruhen, dass das Schriftstück nicht verlesen worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 6. Juni 1957 – 4 [X.] Rn. 7; Beschluss vom 22. September 2006 – 1 [X.], [X.], 235, 236; [X.]/[X.] 8. Aufl., § 249 Rn. 52; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 249 Rn. 108).

(2) Vorliegend kommt hinzu, dass die [X.] den Schuld- und den Strafausspruch allein auf andere Beweismittel gestützt hat, die sie – der Zielrichtung des Beweisantrags entsprechend – ins Verhältnis zu den unter Beweis gestellten Behauptungen gestellt hat, die den Angeklagten entlasten sollten. Die Feststellungen zur „Haupttat“ und dazu, dass diese aufgrund eines Auftrages begangen wurde, hat die [X.] auf die „nachvollziehbaren, sehr anschaulichen und detaillierten Schilderungen“ des Zeugen [X.] gestützt. Auf Grundlage der ihrer Ansicht nach insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten hat sie ferner festgestellt, dass dieser Anschlag aus dem Umfeld des Angeklagten und von den [X.] initiiert worden war. Ihre Überzeugung von der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Anstiftung hat die [X.] maßgeblich auf die auf dem Mobiltelefon gespeicherte „Oma-[X.]“ sowie die heimlich angefertigte Tonaufnahme über ein Gespräch vom 28. Juni 2010 gewonnen. Hierzu hat sie besagte [X.] einer umfassenden, sich über zehn Urteilsseiten erstreckenden Würdigung, die neben der [X.] auch eine ausführliche Begründung für die Zuordnung der [X.] zu [X.]    enthält, unterzogen und sich ausführlich mit vorangegangenen Angaben des Angeklagten in einem [X.] auseinandergesetzt. In diesen hat sie nachvollziehbar eine teilweise Bestätigung der aus der nachträglich bearbeiteten Tonaufzeichnung gezogenen Schlussfolgerungen gesehen. Ihre Überzeugung von der Art der bei der Tonaufzeichnung vorgenommenen Manipulationen hat die [X.] auf ein ebenfalls ausführlich dargelegtes und erörtertes Sachverständigengutachten gestützt. Unter Berücksichtigung all dessen hat die [X.] schließlich die in den Stellungnahmen der [X.]     zu den [X.] (zur Tat und zur Tonbandmanipulation) enthaltenen Angaben als in den wesentlichen Punkten unglaubhaft und widerlegt angesehen. Damit kann das Urteil ersichtlich nicht darauf beruhen, dass die [X.] die Stellungnahmen der [X.]     – nach Ansicht der Revision entgegen § 261 StPO – nicht außer Betracht gelassen hat. Es ist ausgeschlossen, dass die Verlesung der Stellungnahmen zu einem anderen, dem Angeklagten günstigeren Ergebnis geführt haben könnte.

(3) Ebenso wenig ist ersichtlich, wie sich der Angeklagte anders oder ergänzend verteidigt hätte, wenn die Schriftstücke entsprechend seinem Beweisantrag verlesen worden wären, zumal die [X.] im Zurückweisungsbeschluss – mit Blick auf die beantragte audiovisuelle Vernehmung – niedergelegt hat, dass sie den Inhalt der schriftlichen Stellungnahmen der [X.]     zwar zur Kenntnis genommen, deren wesentlichen Inhalt aber aufgrund der bis dahin erfolgten Beweisaufnahme für „widerlegt“ erachtet hat.

III.

Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Das [X.] hat sich – wie dargelegt – aufgrund naheliegender Schlüsse von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt – zwingend müssen die Schlüsse nicht sein – und zutreffend die Anstiftung zur Anstiftung als Anstiftung zur Haupttat gewertet; dass der Anstifter den Haupttäter nicht kennt und es dem [X.] überlässt, diesen auszuwählen, ist unerheblich (vgl. [X.], Beschluss vom 2. November 2021 – 3 StR 259/21, NStZ-RR 2022, 49, 50 mwN).

Ein Härteausgleich wegen der bezahlten Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts [X.]-Wandsbek vom 17. Februar 2016 war nicht veranlasst (vgl. [X.], Beschluss vom 30. November 2021 – 6 [X.]/21 Rn. 4 mwN); seine Gewährung benachteiligt den Angeklagten aber nicht.

Franke     

  

Appl     

  

Meyberg

  

Grube     

  

Schmidt     

  

Meta

2 StR 142/21

23.11.2022

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt, 9. Juli 2020, Az: 5/22 Ks 13/18

§ 244 Abs 3 S 3 Nr 4 StPO, § 261 StPO, § 26 StGB, § 224 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.11.2022, Az. 2 StR 142/21 (REWIS RS 2022, 7576)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7576

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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