Bundessozialgericht, Urteil vom 21.06.2011, Az. B 1 KR 21/10 R

1. Senat | REWIS RS 2011, 5603

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Krankenversicherung - Zulassung eines strukturierten Behandlungsprogramms für die Versorgung von Brustkrebspatientinnen - Geltendmachung eines früheren Zeitpunktes durch die Krankenkasse mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage - Zulassung nur bei Vereinbarkeit der vertraglich geregelten Anforderungen an die Qualitätssicherung mit höherrangigem Recht - Unzulässigkeit einer sachlichen Teilzulassung mit Blick auf geschlossene Vertragsteile - Verfassungsmäßigkeit des § 137g SGB 5)


Leitsatz

1. Krankenkassen können die befristete Zulassung eines strukturierten Behandlungsprogramms mit Wirkung zu einem früheren Zeitpunkt als zuerkannt mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltend machen, auch wenn die Befristung der gesetzlichen Höchstdauer entspricht.

2. Strukturierte Behandlungsprogramme sind nur dann zuzulassen, wenn die hierfür vertraglich geregelten Anforderungen an die Qualitätssicherung mit höherrangigem Recht vereinbar sind.

3. Eine sachliche Teilzulassung eines strukturierten Behandlungsprogramms mit Blick auf geschlossene Vertragsteile ist unzulässig.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. April 2010 geändert. Das Urteil des [X.] vom 13. Januar 2009 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die [X.] der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen [X.].

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 500 000 Euro festgesetzt, derjenige für die [X.] auf 5000 Euro.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den [X.]punkt der Wirksamkeit einer Zulassung eines strukturierten Behandlungsprogramms ([X.] <[X.]>) für die Versorgung von Brustkrebspatientinnen in [X.] ([X.] [X.] Brustkrebs).

2

Die Anforderungen an die Zulassung strukturierter Behandlungsprogramme nach § 137f Abs 2 [X.] sind seit Inkrafttreten der [X.] zur Änderung der [X.] ([X.]) am [X.] in § 28b bis § 28h [X.] ([X.]) geregelt (Art 1 [X.] der [X.] vom [X.], [X.] 2286). Ziffer 1.4.3.6 (operative Therapie der [X.]) der Anlage 3 zur [X.] bestimmt: "Die [X.]dissektion sollte bei allen Patientinnen mit einem invasiven operablen Mammakarzinom durchgeführt werden. Aus [X.] und [X.] sollten hierbei insgesamt mindestens 10 Lymphknoten entfernt und untersucht werden. Nur bei klinischem Befall dieser Level sollte auch die Entfernung von Lymphknoten des Levels [X.]I erfolgen. Auf die [X.] kann verzichtet werden bei mikroinvasiven Karzinomen (≤ 2 mm), bei tubulären Karzinomen, die kleiner als 1 cm sind sowie bei im Gesunden exstirpierten DCIS" (ductale Carcinoma in situ). Erst die 13. [X.] (vom 23.1.2006, [X.] 228) sieht ab 1.2.2006 die [X.] ([X.]) als neue, [X.] Behandlungsmethode vor. Die [X.] beruht auf der Annahme, dass [X.] ([X.]) besonderen Aufschluss über einen Metastasenbefall geben. Erweisen sich diese Lymphknoten bei einer Untersuchung als gesund, soll sich eine Entfernung weiterer Lymphknoten erübrigen.

3

Die [X.] ([X.]) [X.]s einschließlich der Rechtsvorgängerin der klagenden [X.] (im Folgenden einheitlich: "Klägerin"), die [X.], die Krankenhausgesellschaft [X.] und die Kassenärztliche Vereinigung [X.] vereinbarten im Oktober/November 2003 das strukturierte sektorenübergreifende Behandlungsprogramm [X.] Brustkrebs nach § 140b [X.] und seine Durchführung. Die Anlage 3 dieser Vereinbarung stellt die Versorgungsinhalte dar. Sie entspricht der Anlage 3 der [X.]. Anlage 4 der Vereinbarung regelt die Qualitätssicherung ([X.]). Der Abschnitt über die pathohistologischen Untersuchungen benennt als [X.]-Ziel die Sicherstellung einer ausreichenden Anzahl entfernter Lymphknoten, als [X.]-Kriterien Entfernung und Untersuchung von mindestens zehn Lymphknoten aus [X.] und [X.], als [X.]-Maßnahme ua eine Auswertung durch die Gemeinsame Einrichtung und als [X.]-Indikatoren: "Möglichst viele Behandlungsfälle mit Entfernung von mindestens 10 LK bei [X.]dissektion bei allen invasiven Karzinomen (außer Patientinnen in Studien zur [X.])."

4

Die Klägerin beantragte bei der beklagten [X.] ([X.] ), das [X.] [X.] Brustkrebs zuzulassen (Schreiben vom [X.]). Die Vertragspartner vollzogen das [X.] ab 1.7.2004. Die Beklagte teilte der Klägerin ua mit, dass die Ausnahmeregelung von der Mindestzahl der zu entnehmenden Lymphknoten nach Maßgabe der Methode der [X.] rechtswidrig sei, da sie mit der Anlage 3 zur [X.] nicht übereinstimme. Der Mangel sei so wesentlich, dass eine rückwirkende Heilung auch nach erfolgter Nachbesserung nicht möglich sei und eine Zulassung daher frühestens ab dem [X.]punkt seiner Behebung wirksam werden könne (Schreiben vom 5.10.2004). Nach Vertragskündigung zum 31.1.2005 vereinbarten die Vertragspartner im August 2005 eine Neufassung der Verträge zur Durchführung des [X.] [X.] Brustkrebs ohne den beanstandeten Zusatz zur [X.]. Die Verträge sollten rückwirkend zum 1.2.2005 in [X.] treten. Der [X.]punkt der Vertragsunterzeichnung durch Vertreter des [X.] und [X.] lässt sich nicht mehr feststellen. Die Klägerin sandte am [X.] die unterzeichneten [X.] an die Beklagte ab, hielt aber eine Zulassung des [X.] zu einem früheren [X.]punkt für geboten. Die Beklagte ließ das [X.] [X.] Brustkrebs für [X.] ab [X.] befristet bis zum [X.] zu und lehnte eine Zulassung für die vorangegangene [X.] ab (Bescheid vom 24.1.2006).

5

Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, das [X.] [X.] Brustkrebs für [X.] ab 1.7.2004 zuzulassen (Urteil vom 13.1.2009). Das L[X.] hat auf die Berufung der Beklagten diese verurteilt, das [X.] [X.] Brustkrebs für [X.] mit Ausnahme des in Anlage 4 aufgeführten Zusatzes "(Außer Patientinnen in Studien zur [X.])" ab 1.7.2004 zuzulassen, die weitergehende Klage ab- und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Denn das Ermessen der Beklagten, den Mangel der Erwähnung der [X.] durch eine entsprechende Auflage zu beseitigen, sei auf Null reduziert gewesen (Urteil vom 22.4.2010).

6

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 137g Abs 1 Satz 1 und 7 [X.]. Die geschlossenen Verträge hätten erst ab [X.] den Anforderungen der Anlage 3 zu § 28b bis § 28g [X.] idF der [X.] entsprochen.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.]ischen Landessozialgerichts vom 22. April 2010 zu ändern, das Urteil des [X.] vom 13. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen,
sowie - im Wege der [X.] -,
das Urteil des [X.]ischen Landessozialgerichts vom 22. April 2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. Januar 2009 zurückzuweisen,

9

hilfsweise,
das Urteil des [X.]ischen Landessozialgerichts vom 22. April 2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. Januar 2009 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 24. Januar 2006 verurteilt wird, das Programm [X.] Brustkrebs für die Region [X.] ab 1. Februar 2005, ganz hilfsweise, zu einem späteren [X.]punkt vor dem 29. August 2005 zuzulassen.

Die Klägerin rügt die Verletzung des § 137g Abs 1 Satz 1 und 4 [X.] sowie der Ziffer 1.4.3.6 der Anlage 3 zu § 28b bis § 28g [X.] idF der [X.]. Sie trägt vor, die Beklagte müsse das [X.] bereits zum 1.7.2004 uneingeschränkt zulassen, da zu diesem [X.]punkt alle Voraussetzungen des § 137g Abs 1 Satz 1 [X.] einschließlich eines Datenstellenvertrags erfüllt gewesen seien. Der Klammerzusatz in der Anlage 4 der Vereinbarung von 2003 stelle keinen zulassungserheblichen Mangel dar.

Die Beklagte beantragt,
die [X.] der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der beklagten [X.] ([X.]) ist begründet; die zulässige Anschlussrevision der klagenden [X.] ist dagegen unbegründet. Das LSG-Urteil ist zu ändern, das erstinstanzliche Urteil ist aufzuheben und die Klage ist abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zulassung des [X.] Brustkrebs vor dem [X.].

1. Der erkennende Senat ist geschäftsplanmäßig für die Sache zuständig, da es sich um einen Streit der gesetzlichen Krankenversicherung handelt, für den kein anderer Senat des BSG zuständig ist. [X.] ist der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte, das [X.] Brustkrebs für die Region [X.] vor dem [X.] zuzulassen. Die Sache betrifft lediglich Vorfragen des Risikostrukturausgleichs.

Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin macht ihren Anspruch zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltend (§ 54 Abs 1 [X.]). Über den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Zulassung eines [X.] hat die Beklagte nämlich durch Verwaltungsakt zu entscheiden (vgl dazu 2.).

2. Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin ist § 137g [X.] (hier anzuwenden idF durch Art 204 [X.] 1 Achte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 25.11.2003, [X.] 2304 mWv 28.11.2003). Nach § 137g Abs 1 [X.] hat das [X.] auf Antrag einer [X.] oder eines Verbandes der [X.] die Zulassung von Programmen nach § 137f Abs 1 [X.] zu erteilen, wenn die Programme und die zu ihrer Durchführung geschlossenen Verträge die in der Rechtsverordnung nach § 266 Abs 7 [X.] genannten Anforderungen erfüllen. Dabei kann es wissenschaftliche Sachverständige hinzuziehen. Die Zulassung ist zu befristen. Sie kann mit Auflagen und Bedingungen versehen werden. Die Zulassung ist innerhalb von drei Monaten zu erteilen. Die Frist nach Satz 5 gilt als gewahrt, wenn die Zulassung aus Gründen, die von der [X.] zu vertreten sind, nicht innerhalb dieser Frist erteilt werden kann. Die Zulassung wird mit dem Tage wirksam, an dem die in der Rechtsverordnung nach § 266 Abs 7 [X.] genannten Anforderungen erfüllt und die Verträge nach Satz 1 geschlossen sind, frühestens mit dem Tag der Antragstellung, nicht jedoch vor dem Inkrafttreten dieser Verordnungsregelungen. Für die [X.] sind kostendeckende Gebühren zu erheben.

§ 137g [X.] ist verfassungsgemäß (vgl [X.] 113, 167 = [X.]-2500 § 266 [X.] 8). § 137g Abs 1 Satz 1 [X.] gibt den Antragsberechtigten nach dem klaren Wortlaut einen gebundenen Anspruch auf Zulassung von Programmen nach § 137f Abs 1 [X.] durch Bescheid (§ 137g Abs 1 Satz 8 [X.]). Die Möglichkeit, wissenschaftliche Sachverständige hinzuziehen (§ 137g Abs 1 Satz 2 [X.]), begründet keinen Beurteilungsspielraum des [X.] ([X.] in: [X.], Stand April 2011, § 137g [X.] Rd[X.] 2; Wille in: jurisPK-[X.], Stand: 26.1.2010, § 137g Rd[X.] 27). Vielmehr sieht diese Regelung eine kostenrelevante Variante der Amtsermittlung vor, ohne die gerichtliche Prüftiefe zu mindern. [X.] handelt es sich um eine Sonderregelung gegenüber dem [X.], wie sie der Gesetzgeber auch im Rahmen der Bestimmungen unmittelbar zum [X.] vorgesehen hat (vgl hierzu [X.], 231, 244 = [X.]-2500 § 266 [X.] 1 Rd[X.] 41).

Das [X.] hat bei einer Zulassung eines [X.] auch den Tag festzusetzen, mit dem die Zulassung wirksam wird (§ 137g Abs 1 Satz 7 [X.]). Das Gesetz gibt die materiellen Kriterien für die Festsetzung vor, ohne eine Verwaltungsentscheidung zu erübrigen. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Zulassung des [X.] muss für alle Betroffenen zweifelsfrei aufgrund der Zulassungsentscheidung feststehen, um - zusammen mit der Einschreibung der Versicherten in die [X.] - verlässliche Grundlagen zur Bildung besonderer [X.] für den Risikostrukturausgleich zu haben (vgl § 266 Abs 4 Satz 2 [X.] aF, § 266 Abs 7 Satz 1 [X.] 3 [X.]).

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann ein nach § 137g Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] gerichtlich geltend machen, sein [X.] sei zu einem früheren Zeitpunkt als vom [X.] festgesetzt zuzulassen, obwohl der Risikostrukturausgleich inzwischen für den betroffenen Zeitraum durchgeführt worden und der Zeitraum der höchstzulässigen Befristung abgelaufen ist (§ 137g Abs 1 Satz 3 [X.]; § 28g Abs 5 [X.]V). Andernfalls unterläge die Zulassungsentscheidung über [X.] keiner wirksamen gerichtlichen Kontrolle. Zudem kann die Zulassung eines Programms verlängert werden (§ 28g Abs 5 [X.]V). Ergibt sich im Gerichtsverfahren, dass ein früherer Zulassungszeitpunkt festzusetzen ist, und sind bereits zu diesem früheren Zeitpunkt auch Versicherte in das Programm eingeschrieben gewesen, hat das [X.] dies bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen zu berücksichtigen (vgl § 266 Abs 6 Satz 7 [X.] und hierzu [X.], 231, 258 = [X.]-2500 § 266 [X.] 1 Rd[X.] 87 f).

3. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin darauf, dass die Beklagte einen Wirksamkeitszeitpunkt vor dem [X.] für das [X.] Brustkrebs festsetzt, sind nicht erfüllt. Eine [X.] kann die Festsetzung der Wirksamkeit eines [X.] zu einem früheren Zeitpunkt als vom [X.] entschieden nur dann beanspruchen, wenn bereits zu einem vor dem vom [X.] festgesetzten Wirksamkeitstermin des [X.] die Zulassungsvoraussetzungen nach § 137g Abs 1 Satz 1 [X.] unter Beachtung der Anforderungen des § 137g Abs 1 Satz 7 [X.], mithin kumulativ folgende sieben Voraussetzungen erfüllt gewesen sind: (1.) Ein zulässiger Antrag muss gestellt worden sein. (2.) Der Antrag muss sich auf ein Programm nach § 137f Abs 1 [X.] ([X.]) beziehen. (3.) Das im Antrag bezeichnete [X.] muss die in der [X.]V (Rechtsverordnung nach § 266 Abs 7 [X.]) genannten Anforderungen erfüllt haben. (4.) Das bezeichnete [X.] muss verdeutlichen, welche Verträge zu seiner Durchführung abzuschließen sind. (5.) Die zur Durchführung des bezeichneten Programms erforderlichen Verträge müssen geschlossen worden sein. (6.) Diese geschlossenen Verträge müssen die in der [X.]V genannten Anforderungen erfüllt haben. (7.) Die [X.]V muss in [X.] getreten sein.

An den unter (6.) genannten Voraussetzungen fehlt es. Die zunächst zur Durchführung des [X.] Brustkrebs geschlossenen Verträge erfüllten nicht vollständig die in der [X.]V genannten Anforderungen (dazu a). Die späteren Verträge zur Durchführung des [X.] Brustkrebs sind nicht erweislich vor dem [X.] geschlossen worden (dazu b).

a) Der Ende 2003 geschlossene Vertrag zur Durchführung des [X.] Brustkrebs widersprach jedenfalls insoweit den Anforderungen der [X.]V, als er in seiner Anlage 4 (Qualitätssicherung) unter QS-Indikatoren den Absatz enthielt: "Möglichst viele Behandlungsfälle mit Entfernung von mindestens 10 LK bei [X.]dissektion bei allen invasiven Karzinomen (außer Patientinnen in Studien zur [X.])." Denn Ziffer 1.4.3.6 (operative Therapie der [X.]) der Anlage 3 der 4. [X.]-ÄndV enthält keine entsprechende Ausnahme. Sie fordert vielmehr die Entfernung von mindestens zehn Lymphknoten der [X.] und II bei [X.]dissektion, ohne eine Ausnahme für Patientinnen in Studien zur [X.] zu machen. § 28b Abs 1 Satz 2 [X.]V sieht in allen seit 2004 geltenden Fassungen ua ausdrücklich vor, dass für die Zulassung eines Programms jeweils die Vorgaben in Ziffer 1 der Anlage 3 zur [X.]V zu beachten sind.

Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt es nicht, dass etwa Anlage 3 des 2003 geschlossenen Vertrags den Anforderungen der [X.]V entspricht. Auch die Anforderungen an die Qualitätssicherung in Anlage 4 des Vertrags müssen vielmehr die Anforderungen der [X.]V beachten.

Ebenso wenig kann sich die Klägerin mit Erfolg auf § 28b Abs 1 Satz 3 [X.]V berufen. Die Norm regelt, dass, soweit die Vorgaben des § 28b Abs 1 Satz 2 [X.]V Inhalte der ärztlichen Therapie betreffen, diese Vorgaben den zur Erfüllung des ärztlichen [X.] im Einzelfall erforderlichen ärztlichen Behandlungsspielraum nicht einschränken. Mit der Ausnahme für "Patientinnen in Studien zur [X.]" wird indes keine Fallgruppe umschrieben, bei welcher der zur Erfüllung des ärztlichen [X.] im Einzelfall erforderliche ärztliche Behandlungsspielraum betroffen wäre. So läge es nur, wenn der betroffene Personenkreis aus anerkannten medizinischen Gründen von den Maßstäben der [X.]V dispensiert werden müsste, um ordnungsgemäß ärztlich behandelt werden zu können. Die Teilnehmerinnen an einer Studie über eine ärztliche Behandlungsmethode sind indes zu Studienzwecken, nicht aber zur Ermöglichung der im Einzelfall erforderlichen ordnungsgemäßen Behandlung zusammengefasst.

b) Erst die Ende August 2005 geschlossenen Verträge zur Durchführung des [X.] Brustkrebs beseitigten den aufgezeigten Mangel. Der Senat geht von der Wirksamkeit der [X.] [X.] ab [X.] aus, denn ein früherer Zeitpunkt des Vertragsschlusses - vor dem [X.] - ist nicht erweislich. Die Klägerin trägt für diese ihr vorteilhafte Tatsache in ihrer Sphäre nach allgemeinen Grundsätzen (vgl hierzu zB [X.], 256 = [X.]-4100 § 119 [X.] 7; [X.] in: [X.], [X.], Stand September 2010, § 103 Rd[X.] 71 mwN) die objektive Beweislast.

Für die Wirksamkeit eines Vertragsschlusses zwischen mehreren Vertragspartnern kommt es grundsätzlich auf die Annahmeerklärung des letzten Vertragspartners an (vgl entsprechend §§ 145, 147 BGB). Nichts anderes gilt bei einem öffentlich-rechtlichen Vertrag unter Abwesenden wie hier, bei dem die Vertragspartner mit Blick auf das Schriftformerfordernis (§ 56 [X.] iVm § 126 Abs 2 Satz 1 BGB; zur Möglichkeit des [X.] von der Urkundeneinheit vgl [X.], 238, 241 f = [X.]-1200 § 52 [X.] 2 S 23 mwN) ihre übereinstimmenden Willenserklärungen sukzessive auf einer einheitlichen Urkunde abgeben. Dass die [X.] und [X.] vor dem [X.] erfolgten, ist nicht feststellbar. Von einem Vertragsschluss zwischen mehreren Vertragspartnern ist bei den gemeinsamen [X.] Verträgen zur Durchführung des [X.] Brustkrebs nach Form und Inhalt auszugehen.

Es verhilft der Klägerin auch nicht zum Erfolg, dass die [X.] rückwirkend zum 1.2.2005 in [X.] treten sollten. Vor dem [X.] waren sie nämlich noch nicht "geschlossen", wie es § 137g Abs 1 Satz 1 [X.] voraussetzt. Der Gesetzgeber hat diese Anforderung bewusst getroffen. Sie war in Art 1 [X.] 1 Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung der Fraktionen [X.] und [X.]/[X.] noch nicht vorgesehen (vgl BT-Drucks 14/6432). Erst der [X.] (14. Ausschuss) beschloss, den Prüfgegenstand des [X.] um die zur Durchführung der Programme "geschlossenen Verträge" zu erweitern (vgl BT-Drucks 14/7355 [X.]). Er wollte damit klarstellen, dass das [X.] im Zusammenhang mit der Zulassung strukturierter Behandlungsprogramme auch zu prüfen hat, ob die zur Durchführung der Programme geschlossenen Verträge mit dem Inhalt der Programme übereinstimmen. Dies gilt - so heißt es in der Begründung (vgl BT-Drucks 14/7395 [X.]) - sowohl für die Verträge, die mit zugelassenen Leistungserbringern geschlossen worden sind als auch für Verträge mit [X.], denen die [X.] nach § 137f Abs 5 Satz 2 [X.] (vgl Änderung zu § 175f Abs 5 [X.]) ihre Aufgaben zur Durchführung der Programme übertragen hat. Hierdurch wird gewährleistet, dass sowohl die Programme als auch die Verträge für alle [X.] nach einheitlichen Maßstäben geprüft werden.

Nachteile für die [X.] erwachsen daraus nicht. Sie haben nämlich die Möglichkeit, sich die Übereinstimmung ihres Programms mit den in der [X.]V geregelten Anforderungen vorab vom [X.] bestätigen zu lassen, bevor sie auf dieser Grundlage in die Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern eintreten (vgl BT-Drucks 14/7395 [X.]).

4. Die Klägerin kann sich auch weder erfolgreich auf eine Fiktion der Zulassung noch darauf berufen, zu ihren Gunsten hätte die Beklagte eine Zulassung mit einer Nebenbestimmung oder eine teilweise Zulassung zu einem früheren Zeitpunkt erteilen müssen.

a) Überschreitungen der Frist von drei Monaten, binnen derer das [X.] über einen Antrag auf Zulassung eines [X.] zu entscheiden hat (§ 137g Abs 1 Satz 5 [X.]), führen nicht zu einer Zulassungsfiktion. Fiktive Zulassungen sieht das Gesetz ausdrücklich vor, wenn sie gewollt sind. Das belegt etwa § 135 Abs 1 Satz 5 [X.]. Danach darf eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen oder vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der [X.] erbracht werden, obwohl der Gemeinsame [X.] keine Empfehlung ausgesprochen hat, wenn innerhalb der Frist des § 135 Abs 1 Satz 4 [X.] kein Beschluss zustande kommt. Schuldhafte Fristversäumnisse können - außerhalb solch ausdrücklich angeordneter Fiktionen - allenfalls Amtshaftungsansprüche auf Schadensersatz in Geld begründen.

b) Aus der Möglichkeit, die Zulassung mit Auflagen und Bedingungen zu versehen (§ 137g Abs 1 Satz 4 [X.]), ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz ebenfalls nichts zugunsten der Klägerin abzuleiten. Die in Betracht kommende aufschiebende Bedingung, dass die geschlossenen Verträge (aufgrund genau bezeichneter Änderungen) den Anforderungen der [X.]V genügen, hat eine Steuerungswirkung nur für die Zukunft, hilft aber nicht für die Vergangenheit, um die es vorliegend allein geht. Eine Zulassung unter der Auflage, die geschlossenen Verträge den Anforderungen der [X.]V innerhalb einer bestimmten Frist anzupassen, widerspräche den dargelegten Anforderungen des § 137g Abs 1 Satz 1 [X.]. Anpassungsfristen sieht die [X.]V lediglich vor, wenn die geschlossenen Verträge an geänderte Bedingungen der [X.]V anzupassen sind.

c) Auch eine teilweise Zulassung des [X.] Brustkrebs zu einem früheren Zeitpunkt ist nicht möglich. Zulassungen nach § 137g Abs 1 Satz 1 [X.] sind [X.], die in zeitlicher Hinsicht teilbar sind; sie sind zu befristen (§ 137g Abs 1 Satz 3 [X.]). Dagegen ist es rechtlich nicht möglich, eine sachliche Teilzulassung eines [X.] mit Blick auf geschlossene Vertragsteile auszusprechen. Das [X.] gibt selbst nicht vor, wann und unter welchen Voraussetzungen die Regelungen eines Verwaltungsaktes teilbar und damit der teilweisen Bestandskraft zugänglich sind. Vielmehr knüpft es an die nach materiell-rechtlichen Vorschriften zu beurteilende Teilbarkeit an (vgl § 54 Abs 1 Satz 1 iVm § 131 Abs 1 Satz 1 [X.] und BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 1 KR 10/10 R - [X.]-2500 § 35 [X.] 4 Rd[X.] 17, zur Veröffentlichung auch in [X.] vorgesehen; [X.] 59, 137, 143 = [X.] 2200 § 368a [X.] 13 S 43; BVerwG Beschluss vom [X.] - 8 [X.]/96; BVerwG Beschluss vom 30.7.2010 - 8 B 125/09; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.]/07; [X.] in: [X.], [X.], Stand 1.11.2010, § 131 [X.] 3 mwN). Der für das materielle Recht maßgebliche § 137g Abs 1 Satz 1 [X.] setzt für die [X.]-Zulassung indes ua voraus, dass die zur Durchführung von Programmen nach § 137f Abs 1 [X.] geschlossenen Verträge insgesamt die in der [X.]V genannten Anforderungen erfüllen. Das ergibt sich nicht nur aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte (vgl dazu bereits oben, unter [X.]), sondern auch aus dem Regelungszweck. Die Zulassung unter den genannten Voraussetzungen sichert, dass die für den [X.] gebildeten [X.] klar und einfach zu ermitteln sind. Komplizierte Auslegungen der geschlossenen Verträge, wann und unter welchen Voraussetzungen Vertragsteile noch oder nicht mehr den Anforderungen in der [X.]V entsprechen, lassen sich hiermit nicht vereinbaren.

5. Die zulässige Anschlussrevision der Klägerin (§ 202 [X.] iVm § 554 ZPO) ist zurückzuweisen. Sie hat - wie dargelegt - keinen Anspruch auf Zulassung des [X.] Brustkrebs vor dem [X.].

6. [X.] folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 [X.] iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 [X.] iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 2 sowie § 47 Abs 1 und 2 GKG.

Meta

B 1 KR 21/10 R

21.06.2011

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Kiel, 13. Januar 2009, Az: S 5 KR 16/06, Urteil

§ 135 Abs 1 S 4 SGB 5, § 135 Abs 1 S 5 SGB 5, § 137f Abs 1 SGB 5, § 137g Abs 1 S 1 SGB 5 vom 10.12.2001, § 137g Abs 1 S 3 SGB 5 vom 10.12.2001, § 137g Abs 1 S 4 SGB 5 vom 10.12.2001, § 137g Abs 1 S 5 SGB 5 vom 10.12.2001, § 137g Abs 1 S 7 SGB 5 vom 10.12.2001, § 266 Abs 4 S 2 SGB 5, § 266 Abs 6 S 7 SGB 5, § 266 Abs 7 S 1 Nr 3 SGB 5, § 31 S 1 SGB 10, § 28b Abs 1 S 2 RSAV, § 28b Abs 1 S 3 RSAV, § 28g Abs 5 RSAV, Anl 3 RSAV vom 27.06.2002, Art 1 Nr 8 RSAVÄndV 4, § 54 Abs 1 SGG, Art 3 Abs 1 GG, Art 120 Abs 1 S 4 GG, Art 74 Abs 1 Nr 12 GG, Art 72 Abs 2 GG, Art 87 Abs 2 GG, Art 104a Abs 1 GG, Art 104a Abs 5 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 21.06.2011, Az. B 1 KR 21/10 R (REWIS RS 2011, 5603)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5603

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