Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.06.2015, Az. 5 AZR 462/14, 5 AZR 225/14

5. Senat | REWIS RS 2015, 9232

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Annahmeverzug - Beschäftigungspflicht - Schadensersatz


Leitsatz

1. Der Schutzzweck des von der Rechtsprechung entwickelten Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers und damit korrespondierend der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers wird durch das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers bestimmt.

2. Bei Nichtbefolgung der Beschäftigungspflicht gehört der entgangene Verdienst nicht zum ersatzfähigen Schaden. Die finanzielle Absicherung bei Nichtbeschäftigung ist in § 615 Satz 1 BGB geregelt, der dem Arbeitnehmer unter den Voraussetzungen der §§ 293 ff. BGB den Entgeltanspruch trotz Nichtarbeit aufrechterhält.

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 13. November 2013 - 2 [X.]/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. November 2013 - 2 [X.]/13 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auf die Berufung der Beklagten der [X.] in Ziff. 1 des Urteils des [X.] - Kammern Bremen - vom 17. Januar 2013 - 1 Ca 1306/11 - dahingehend abgeändert wird, dass Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.390,55 Euro seit dem 3. Januar 2007 und aus weiteren 4.390,55 Euro seit dem 1. Februar 2007 zu zahlen sind.

3. Die Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger zu 85 % und die Beklagte zu 15 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs und [X.]chadensersatz.

2

Der 1962 geborene Kläger war seit dem 1. Juni 1990 bei der - vor ihrer formwechselnden Umwandlung unter [X.]. & Co. KG firmierenden - Beklagten, die mit [X.]itz in [X.] bundesweit industrielle Dienstleistungen erbringt, beschäftigt. Auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 1. März 2004 war er ab April 2004 als Leiter der Außenstelle [X.] tätig. Diese war zuständig für die Auftragsabwicklung im Werk B des Kunden [X.], für den die Beklagte Reinigungsarbeiten ausführte. Dem Kläger oblag ua. die Pflege der Kundenkontakte, sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 6.501,95 Euro.

3

Mit [X.]chreiben vom 27. Juli 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2006. Dagegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage, die er mit einem Antrag auf Weiterbeschäftigung verband. Die Beklagte warf dem Kläger vor, [X.] zweckentfremdet zu haben. Der Kläger ließ sich dahingehend ein, er habe das Geld mit Wissen und Wollen der Beklagten zur „Pflege von Kundschaft“ verwendet.

4

Das [X.] gab mit Urteil vom 8. Februar 2007 (- 1 [X.], 1318/06 -) der Kündigungsschutzklage statt und verurteilte die Beklagte, den Kläger „bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als kaufmännischen Angestellten gemäß Anstellungsvertrag vom 23. Mai 1990 vorläufig weiterzubeschäftigen“.

5

Im [X.] daran wandte sich der Prozessbevollmächtigte des [X.] unter dem 23. Februar 2007 an die Prozessbevollmächtigte der Beklagten wie folgt:

        

„[X.]ehr geehrte Frau Kollegin Dr. T,

        

in dieser Angelegenheit nehme ich Bezug auf das Urteil vom 08.02.2007, mit dem die Beklagte und Widerklägerin u.a. verurteilt wurde, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen vorläufig weiter zu beschäftigen.

        

Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

        

Ich bitte [X.]ie, Ihre Mandantin zu veranlassen, meinen Mandanten wieder einzustellen und ihm einen Arbeitsplatz zuzuweisen. Alternativ kommt in Betracht, dass Ihre Mandantschaft zumindest die Gehaltszahlung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits wieder aufnimmt und meinen Mandanten bis dahin von der Arbeitsleistung freistellt.“

6

Dem kam die Beklagte nicht nach, Vollstreckungsmaßnahmen ergriff der Kläger nicht.

7

Auf die Berufung der Beklagten wies das [X.] mit Urteil vom 1. Juli 2008 (- 1 [X.]a 108/07 -) die Kündigungsschutzklage und die Klage auf Weiterbeschäftigung ab. Dieses erste Berufungsurteil wurde vom [X.] im [X.] wegen einer Verletzung des Anspruchs des [X.] auf rechtliches Gehör aufgehoben und die [X.]ache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen ([X.] 12. März 2009 - 2 [X.] 1133/08 -).

8

Im erneuten Berufungsverfahren gab das [X.] mit Urteil vom 12. April 2011 (- 1 [X.]a 36/09 -) der Kündigungsschutzklage statt, löste aber auf den Hilfsantrag der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Januar 2007 gegen Zahlung einer Abfindung von 50.462,53 Euro brutto auf. Die Klage auf Weiterbeschäftigung wies es ab, weil der Kläger wegen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses keine Weiterbeschäftigung beanspruchen könne. Die dagegen (nur) von der Beklagten eingelegte Revision blieb erfolglos ([X.] 21. Juni 2012 - 2 [X.] - [X.]E 142, 188).

9

Mit der vorliegenden, am 21. Dezember 2007 eingereichten Klage hat der Kläger zunächst Vergütung wegen Annahmeverzugs für den [X.]raum März bis Dezember 2007 begehrt. Mit [X.]chriftsatz vom 16. Januar 2008 hat die Beklagte die Aussetzung des Rechtsstreits mit der Begründung beantragt, der Bestand des Arbeitsverhältnisses als Vorfrage für die Annahmeverzugsvergütung sei nach wie vor streitig. Nachdem der Kläger sich mit einer Aussetzung einverstanden erklärt hatte, hat das [X.] ohne Durchführung der zunächst auf den 28. Januar 2008 anberaumten Güteverhandlung am 31. Januar 2008 Folgendes beschlossen:

        

„In dem Rechtsstreit

        

C ./. D GmbH & Co. KG

        

wird im Einvernehmen mit den Parteien das vorliegende Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des [X.]s Bremen in dem Verfahren - 1 Ca 1318/06 - gem. § 148 ZPO ausgesetzt.“

Mit [X.]chriftsatz vom 14. Dezember 2010 hat der Kläger die Klage um Vergütung wegen Annahmeverzugs für die [X.] vom 1. Dezember 2006 bis zum 28. Februar 2007 erweitert. Dazu hat das Arbeitsgericht am 21. Dezember 2010 verfügt: „[X.] zustellen“ und „weglegen“. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat per [X.] bestätigt, den [X.]chriftsatz am 27. Dezember 2010 erhalten zu haben.

Mit [X.]chriftsatz vom 11. Oktober 2012 hat der Kläger die Anberaumung eines Termins beantragt und die Klage dahingehend geändert, dass nunmehr die Beklagte zur Zahlung von Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Monate Dezember 2006 und Januar 2007 sowie zu [X.]chadensersatz in Höhe des im [X.]raum März bis Dezember 2007 entgangenen Verdienstes verurteilt werde.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe sich nach ihrer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in den Monaten Dezember 2006 und Januar 2007 im Annahmeverzug befunden. Für die [X.] vom 1. März bis zum 31. Dezember 2007 stehe ihm [X.]chadensersatz in Höhe des entgangenen Verdienstes zu, weil die Beklagte der erstinstanzlich titulierten Pflicht zur vorläufigen Weiterbeschäftigung nicht nachgekommen sei. Dass er nicht vollstreckt habe, sei unerheblich. Denn eine Weiterbeschäftigung könne in keinem Fall gegen den Willen des Arbeitgebers durchgesetzt werden, diesem drohe allenfalls Zwangsgeld. Dem Arbeitnehmer müsse aber der finanzielle Nachteil ausgeglichen werden, der ihm aufgrund der Nichtbeschäftigung entstehe.

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.003,90 Euro brutto abzüglich gezahltes Arbeitslosengeld iHv. 4.222,80 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 6.501,95 Euro seit dem 2. Januar 2007 und seit dem 1. Februar 2007 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 65.019,50 Euro brutto abzüglich gezahltes Arbeitslosengeld iHv. 10.557,00 Euro netto sowie Hilfe zum Lebensunterhalt iHv. 4.342,40 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 6.501,95 Euro seit dem 1. April 2007, 1. Mai 2007, 1. Juni 2007, 1. Juli 2007, 1. August 2007, 1. [X.]eptember 2007, 1. Oktober 2007, 1. November 2007, 1. Dezember 2007 sowie 1. Januar 2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Einrede der Verjährung erhoben. Die [X.] auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Monate Dezember 2006 und Januar 2007 habe vor Ablauf der Verjährungsfrist wegen § 249 Abs. 2 ZPO nicht wirksam zugestellt werden können, der [X.]chadensersatzanspruch sei erstmals mit der Zustellung der Klageänderung vom 11. Oktober 2012 rechtshängig geworden. Für das Verlangen des [X.] auf [X.]chadensersatz wegen Nichtbeschäftigung für einen nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegenden [X.]raum bestehe keine Rechtsgrundlage.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat auf die Berufung der Beklagten - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - die Klage auf [X.]chadensersatz abgewiesen. Mit der vom [X.] nur für die Beklagte zugelassenen Revision verfolgt diese ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter, während der Kläger mit der für ihn vom [X.] zugelassenen Revision insoweit die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe

I. Die Revision der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass der Anspruch des [X.] auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nicht verjährt ist. Das Berufungsurteil ist nur hinsichtlich der Bestätigung des erstinstanzlichen Zinsausspruchs zu korrigieren.

1. Der Kläger hat für die Monate Dezember 2006 und Januar 2007 Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs, § 615 Satz 1, § 611 Abs. 1 iVm. §§ 293 ff. [X.]. Aufgrund der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 27. Juli 2006 bestand das Arbeitsverhältnis der Parteien im [X.] fort. Die Beklagte befand sich mit der Annahme der Arbeitsleistung des [X.] im Verzug, ohne dass es eines - über die Erhebung der Kündigungsschutzklage hinausgehenden - Angebots der Arbeitsleistung durch den Kläger bedurft hätte (st. Rspr., vgl. etwa [X.] 24. Oktober 2013 - 2 AZR 1078/12 - Rn. 56 mwN). Das steht zwischen den Parteien auch außer Streit.

2. Der Anspruch ist nicht verjährt.

a) Der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 [X.]. Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.]). Dabei setzt § 199 Abs. 1 Nr. 1 [X.] regelmäßig die Fälligkeit des Anspruchs voraus, weil erst von diesem [X.]punkt an der Gläubiger nach § 271 Abs. 2 [X.] mit Erfolg die Leistung fordern und den Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung verhindern kann ([X.] 23. Oktober 2013 - 5 [X.] - Rn. 24 mwN, [X.]E 146, 217).

§ 615 Satz 1 [X.] begründet keinen eigenständigen Anspruch, sondern erhält den Vergütungsanspruch aus § 611 Abs. 1 [X.] trotz Nichtleistung der Arbeit aufrecht. Die Fälligkeit der [X.] bestimmt sich deshalb nach dem [X.]punkt, in dem die Vergütung bei tatsächlicher Beschäftigung in den einzelnen Abrechnungsperioden fällig geworden wäre ([X.] 24. September 2014 - 5 [X.] - Rn. 33 mwN). Das ist nach § 2 Arbeitsvertrag das jeweilige Monatsende. Weil der 31. Dezember 2006 ein Sonntag und der 1. Januar 2007 ein Feiertag waren, trat die Fälligkeit des [X.] für den Monat Dezember 2006 erst am 2. Januar 2007 ein, § 193 [X.]. Damit hat die Verjährungsfrist für die streitgegenständliche Vergütung wegen Annahmeverzugs (einheitlich) am 31. Dezember 2007 begonnen und ist mit dem Ende des 31. Dezember 2010 abgelaufen.

b) Der Eintritt der Verjährung wurde durch Erhebung einer Leistungsklage gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Diese wurde mit Zustellung der [X.] vom 14. Dezember 2010 rechtshängig, § 261 Abs. 2 ZPO. Die Zustellung erfolgte wirksam am 27. Dezember 2010 und damit noch vor Ablauf der Verjährungsfrist.

aa) Der von Amts wegen zuzustellende (§ 166 Abs. 2, § 261 Abs. 2 ZPO) [X.] ist ausweislich der darauf vermerkten Verfügung des Arbeitsgerichts mit Zustellungsabsicht und im Einklang mit § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zur Post gegangen. Die Zustellung konnte gegen [X.] erfolgen, § 174 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben - unstreitig - die [X.] am 27. Dezember 2010 erhalten und dies entsprechend den Vorgaben des § 174 Abs. 4 ZPO bestätigt.

bb) Die Aussetzung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO stand einer wirksamen Zustellung vor Ablauf der Verjährungsfrist nicht entgegen.

(1) Nach § 249 Abs. 2 ZPO sind die während der Unterbrechung oder Aussetzung von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Diese (relative) Unwirksamkeit erfasst nach allgemeiner Auffassung auch Prozesshandlungen des Gerichts, so dass dessen Zustellungen grundsätzlich unwirksam sind (vgl. nur [X.] 21. März 2013 - VII ZB 13/12 - Rn. 14; [X.] 9. Juli 2008 - 5 [X.] - Rn. 21; [X.]/[X.] 30. Aufl. § 249 ZPO Rn. 7; [X.]/[X.]/[X.] 12. Aufl. § 249 ZPO Rn. 5 - jeweils mwN).

(2) Die [X.] im wegen Vorgreiflichkeit des [X.] ausgesetzten Rechtsstreit über Vergütung wegen Annahmeverzugs ist jedoch keine „in Ansehung der Hauptsache“ vorgenommene Prozesshandlung.

Mit dem Begriff der Hauptsache nimmt § 249 Abs. 2 ZPO alle Nebenverfahren - wie etwa Prozesskostenhilfe, [X.], Streitwertfestsetzung - von dem durch die Unterbrechung oder Aussetzung bewirkten [X.] aus (vgl. nur [X.]/[X.]/[X.] 12. Aufl. § 249 ZPO Rn. 5; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] 73. Aufl. § 249 ZPO Rn. 3 - jeweils mwN) und begrenzt diesen damit auf den zum [X.]punkt der Unterbrechung bzw. Aussetzung anhängigen prozessualen Anspruch, also den Streitgegenstand (vgl. [X.] in [X.]/[X.] 36. Aufl. § 249 ZPO Rn. 6).

Streitgegenstand der Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs ist der jeweils mit ihr geltend gemachte, von § 615 Satz 1 [X.] trotz Nichtarbeit [X.] ([X.] 24. September 2014 - 5 [X.] - Rn. 23) für den [X.]raum des Annahmeverzugs, den der Kläger aufgrund der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime durch Klageantrag und diesem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt bestimmt (vgl. - zum [X.]raum, der der Gesamtberechnung der [X.] zugrunde zu legen ist - [X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] - Rn. 29, [X.]E 141, 340). Wird mit der [X.] ein neuer, eine andere Periode des Annahmeverzugs betreffender Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt, erfolgt die [X.] nicht „in Ansehung“ der (bisherigen) Hauptsache, die Grundlage der Aussetzungsentscheidung des Gerichts war. Damit unterliegt die objektive [X.] - wie eine subjektive, die als Prozesshandlung gegenüber einem Dritten nicht § 249 Abs. 2 ZPO unterfällt - im [X.] nicht dem bisherigen [X.], sondern gibt wie eine neue Klage dem Gericht Anlass, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob der Rechtsstreit auch hinsichtlich des neuen Streitgegenstands ausgesetzt werden soll oder inzwischen nach dem Verfahrensstand im Kündigungsschutzprozess gar Gründe vorliegen, die Aussetzung nach § 150 Satz 1 ZPO wieder aufzuheben (vgl. [X.] 16. April 2014 - 10 [X.] - Rn. 11).

(3) Dem steht nicht entgegen, dass der [X.] und der erkennende [X.] in zwei früheren Entscheidungen davon ausgegangen sind, die Zustellung von [X.]en während einer Aussetzung würde jedenfalls mit dem Ende der Aussetzung wirksam ([X.] 12. Dezember 2000 - 9 [X.], [X.]E 96, 352; 9. Juli 2008 - 5 [X.] - Rn. 21). In beiden Urteilen waren die diesbezüglichen Ausführungen nicht tragend und bindend für die Frage, ob § 249 Abs. 2 ZPO der wirksamen Zustellung einer eine andere Periode des Annahmeverzugs betreffenden [X.] im ausgesetzten Rechtsstreit über Vergütung wegen Annahmeverzugs entgegensteht.

3. Die Höhe der geltend gemachten Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Monate Dezember 2006 und Januar 2007 nebst den wegen des Bezugs von Sozialleistungen nach § 115 Abs. 1 SGB X übergegangenen Teilen der Vergütung hat die Beklagte nicht bestritten. Insoweit erhebt die Revision auch keine Angriffe gegen das Berufungsurteil.

4. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 [X.] iVm. § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Dabei sind jedoch von der zu verzinsenden Forderung bezogene Sozialleistungen, die einen Anspruchsübergang bewirken, abzusetzen (vgl. [X.] 19. März 2008 - 5 [X.] - Rn. 16, [X.]E 126, 198; 16. Mai 2012 - 5 [X.] - Rn. 31, [X.]E 141, 340). Außerdem trat die Fälligkeit des [X.] für den Monat Dezember 2007 gemäß § 193 [X.] erst am 2. Januar 2007 ein, so dass dem Kläger Verzugszinsen hierfür erst ab dem 3. Januar 2007 zustehen.

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat hinsichtlich des beanspruchten Schadensersatzes der Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zu Recht stattgegeben und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz entgangenen Verdienstes wegen Nichtbeschäftigung in der [X.] vom 1. März bis zum 31. Dezember 2007.

1. Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung vom 27. Juli 2006 befand sich die Beklagte zunächst auch in diesem [X.]raum im Annahmeverzug (vgl. oben Rn. 17). Durch die rechtskräftige Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 [X.] zu dem von § 9 Abs. 2 [X.] bestimmten [X.]punkt ist jedoch der Annahmeverzug, der ein bestehendes Arbeitsverhältnis voraussetzt, kraft Gesetzes nachträglich entfallen (vgl. [X.] 18. Januar 1963 - 5 [X.] - zu II 2 b der Gründe, [X.]E 14, 31; zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung [X.] 29. Januar 1990 - 1 [X.] -). Diesen Umstand nimmt § 9 [X.] in den Fällen, in denen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses den Interessen einer Vertragspartei derart evident widerspricht, dass ausnahmsweise die zwangsweise Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht gerechtfertigt erscheint, in Kauf und kompensiert dies durch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer angemessen Abfindung.

2. Ob trotz der rückwirkenden Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2007 die Beklagte verpflichtet war, den Kläger unabhängig vom Bestand des Arbeitsverhältnisses während der Dauer des [X.] zu beschäftigen, braucht der [X.] nicht zu entscheiden. Denn auch bei einer zugunsten des [X.] unterstellten schuldhaften Verletzung der Beschäftigungspflicht ist die Klage unbegründet. Der geltend gemachte Schaden - im [X.]raum März bis Dezember 2007 entgangener Verdienst - liegt nicht im Schutzzweck der Norm.

a) Die von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht zur Beschäftigung ([X.] 22. Juli 2014 - 9 [X.] - Rn. 16 mwN, [X.]E 148, 349) bedeutet, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vertragsgemäß beschäftigen muss, wenn dieser es verlangt. Rechtsgrundlage hierfür sind §§ 611, 613 [X.] iVm. § 242 [X.], wobei die Generalklausel des § 242 [X.] dabei ausgefüllt wird durch die Wertentscheidung der Art. 1 und Art. 2 GG ([X.] Großer [X.] 27. Februar 1985 - [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 48, 122). Der Arbeitnehmer soll - als Ausdruck und in Achtung seiner Persönlichkeit und seines Entfaltungsrechts - tatsächlich arbeiten dürfen.

Diese tragend auf den Persönlichkeitsschutz abstellende Ableitung des Anspruchs auf Beschäftigung schließt einen Schaden in Form entgangenen Verdienstes aus. Schutzzweck des Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers - und damit korrespondierend der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers - ist ausschließlich das jedenfalls über die Generalklausel des § 242 [X.] zu achtende Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und dessen Interesse an tatsächlicher Beschäftigung. Für die finanzielle Absicherung bei Nichtbeschäftigung sorgt dagegen § 615 Satz 1 [X.], der dem Arbeitnehmer unter den Voraussetzungen der §§ 293 ff. [X.] den Entgeltanspruch trotz Nichtarbeit aufrechterhält (vgl. [X.] Großer [X.] 27. Februar 1985 - [X.] - zu [X.] 3 b der Gründe, [X.]E 48, 122; [X.] 10. März 1987 - 8 [X.] - zu I 6 a der Gründe, [X.]E 54, 232).

b) Aus der nicht rechtskräftig gewordenen erstinstanzlichen Verurteilung zur Weiterbeschäftigung ergibt sich nichts anderes.

aa) Die vorläufige Vollstreckbarkeit arbeitsgerichtlicher Urteile nach § 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ermöglicht es, den noch nicht rechtskräftig festgestellten Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung vorläufig durchzusetzen. Damit hatte der Kläger bis zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung im Berufungsverfahren vollstreckungsrechtlich die Möglichkeit, den fehlenden Beschäftigungswillen der Beklagten zu ersetzen. Wegen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2007 hätte allerdings für nach diesem [X.]punkt ausgetauschte Leistungen der Rechtsgrund gefehlt und die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO gehabt (vgl. [X.] 10. März 1987 - 8 [X.] - zu I 5 c und I 6 b und c der Gründe, [X.]E 54, 232).

Macht der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der Vollstreckung eines [X.] keinen Gebrauch, sehen weder die ZPO noch das ArbGG einen Schadensersatzanspruch wegen nicht freiwilliger Befolgung des nur vorläufigen, aber nicht rechtskräftig werdenden Titels vor. Zudem belegt § 717 Abs. 2 ZPO, dass ein Kläger aus der Vollstreckung keinen Vorteil soll ziehen können, der ihm nach dem rechtskräftigen Urteil nicht zusteht. Hätte der Kläger vollstreckt und die Beklagte für die aufgezwungene Beschäftigung Vergütung gezahlt, dürfte der Kläger diese - so seine Beschäftigung für die Beklagte nicht wertlos gewesen wäre - nur unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung behalten.

bb) Dem steht die vom Kläger angezogene Entscheidung des Zweiten [X.]s des [X.] vom 12. September 1985 (- 2 [X.] -), die zudem durch die Entscheidung des Achten [X.]s vom 10. März 1987 (- 8 [X.] - zu I 3 der Gründe, [X.]E 54, 232) überholt ist, nicht entgegen. Der Zweite [X.] hat sich mit der Frage einer Beschäftigungspflicht aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren, aber nicht vollstreckten und später aufgehobenen [X.] nicht befasst. Soweit er eine Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers annahm, hat er dies ausdrücklich auf den Sonderfall eines rechtskräftigen Beschäftigungsurteils bezogen.

cc) Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der [X.] im Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 8. Februar 2007 (- 1 [X.], 1318/06 -) überhaupt vollstreckbar war und ihm eine hinreichend bestimmte Verpflichtung der Beklagten entnommen werden konnte (vgl. [X.] 27. Mai 2015 - 5 [X.] - Rn. 41 ff.). Denn danach sollte der Kläger einerseits zu den „bisherigen“ Arbeitsbedingungen, anderseits zu denen eines längst nicht mehr geltenden Arbeitsvertrags vom 23. Mai 1990 weiterbeschäftigt werden.

3. Weil der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht entstanden ist, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreifen würde.

III. Die einheitlich zu treffende Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 iVm. § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Kremser    

        

    E. Bürger    

                 

Meta

5 AZR 462/14, 5 AZR 225/14

24.06.2015

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, 17. Januar 2013, Az: 1 Ca 1306/11, Urteil

§ 615 S 1 BGB, § 611 Abs 1 BGB, § 249 Abs 2 ZPO, § 150 S 1 ZPO, §§ 293ff BGB, § 293 BGB, Art 1 GG, Art 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.06.2015, Az. 5 AZR 462/14, 5 AZR 225/14 (REWIS RS 2015, 9232)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9232

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

8 AZR 359/22 (Bundesarbeitsgericht)

Schadensersatz - Nichtbeschäftigung als Eishockeyspieler


6 AZR 261/21 (Bundesarbeitsgericht)

Bestandsschutzklage - Nichtbeschäftigung - Stufenaufstieg


5 AZR 255/22 (Bundesarbeitsgericht)

Annahmeverzug - Leistungswille - Prozessbeschäftigung


5 AZR 88/14 (Bundesarbeitsgericht)

Annahmeverzug - Rücksichtnahmepflicht - Schadensersatz


5 AZR 347/21 (Bundesarbeitsgericht)

Annahmeverzugsvergütung - Klageerweiterung in der Berufungsinstanz -nicht protokollierte Anträge


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.