Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2012, Az. XII ZB 391/10

12. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8480

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Gegenstand

Beschwerde gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe in Familiensachen: Erfolgsaussichtsprüfung für die Rechtverfolgung bzw. Rechtsverteidigung durch das Rechtsmittelgericht


Leitsatz

1. Bei der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe anzustellenden Beurteilung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder -verteidigung ist das Rechtsmittelgericht grundsätzlich an die inzwischen eingetretene Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung gebunden.

2. Ausnahmen gelten dann, wenn eine zweifelhafte Rechtsfrage verfahrensfehlerhaft in das Prozesskostenhilfeverfahren verlagert worden ist oder wenn das erstinstanzliche Gericht die Entscheidung verzögert hat und die Erfolgsaussicht in der Zwischenzeit entfallen ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 27. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 29. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagten wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr.           ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

Gründe

I.

1

Die [X.]en sind geschiedene Eheleute. Der Kläger hat - nach Einreichung eines [X.]s mit Klagentwurf im August 2009 und Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das [X.] im Januar 2010 - mit der Klage eine teilweise Herabsetzung des durch Jugendamtsurkunden titulierten Unterhalts für die beiden minderjährigen Kinder der [X.]en begehrt. Die Beklagte hat zur Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe beantragt. Das Amtsgericht hat der Klage wegen verminderter Leistungsfähigkeit des [X.] stattgegeben. Erst im [X.] an das Urteil hat das Amtsgericht über das [X.] der Beklagten entschieden. Es hat diesen mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurückgewiesen und zur Begründung auf sein Urteil verwiesen. Das Urteil ist nicht angefochten worden.

2

Die Beklagte hat gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe Beschwerde eingelegt, die vom [X.] zurückgewiesen worden ist. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3

1. Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, dass im [X.] keine der Rechtskraftwirkung des Urteils widersprechende Entscheidung ergehen dürfe. Das rechtskräftig gewordene Urteil des Amtsgerichts stelle verbindlich fest, dass die Klage begründet gewesen sei. Dass die Beklagte vom Amtsgericht als richtige Prozesspartei angesehen worden sei, sei im Übrigen zutreffend, weil die Klage vor Rechtskraft der der Scheidung erhoben worden sei und die Prozessstandschaft der Beklagten auch nach der Scheidung fortdauere. Der Zulassung der Rechtsbeschwerde stehe die Rechtsprechung des [X.], dass die Klärung grundsätzlicher oder streitiger Rechtsfragen nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren verlagert werden dürfe, nicht entgegen. Denn die streitige Frage, ob die rechtskräftige Entscheidung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe entgegenstehe, wenn diese eine abweichende Beurteilung der Erfolgsaussicht durch das Beschwerdegericht erfordern würde, könne im Hauptsacheverfahren nicht geklärt werden. Es handele sich vielmehr um eine das Verfahren der Prozesskostenhilfe betreffende Frage, die einer Klärung durch das Rechtsbeschwerdegericht nur im Prozesskostenhilfeverfahren zugänglich sei.

4

2. Das hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

5

a) Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Das Verfahren richtet sich nach dem in der Hauptsache anwendbaren Verfahrensrecht. Entgegen der Behandlung durch die Vorinstanzen ist auf das erst nach dem 31. August 2009 anhängig gewordene Hauptsacheverfahren das seit 1. September 2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden, weil die vorherige Einreichung des [X.]s des [X.] noch nicht zur Anhängigkeit und zur Einleitung des ([X.] nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 [X.] geführt hat (Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 - [X.] 198/11 - zur [X.] bestimmt). Dementsprechend findet auch auf das [X.] neues Verfahrensrecht Anwendung (zur Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. Februar 2012 - [X.] 451/11 - zur [X.] bestimmt - Rn. 5 und vom 18. Mai 2011 - [X.] 265/10 - FamRZ 2011, 1138 Rn. 9).

6

Der rechtskräftige Abschluss des Hauptsacheverfahrens steht der Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die Prozesskostenhilfe-/Verfahrenskostenhilfeversagung wegen verneinter Erfolgsaussicht nicht im Wege, weil auch in der Hauptsache ein Rechtsmittel statthaft gewesen wäre (vgl. Senatsbeschlüsse [X.], 230 = FamRZ 2005, 790 und vom 18. Mai 2009 - [X.] 265/10 - FamRZ 2011, 1138 jeweils [X.]).

7

In der vorliegenden Familienstreitsache finden demnach auf die Verfahrenskostenhilfe (im Folgenden einheitlich: Prozesskostenhilfe) gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO entsprechende Anwendung.

8

b) Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Versagung von Prozesskostenhilfe nicht mit der gleichzeitigen Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Widerspruch steht. Denn es handelt es sich um eine Frage, die das Verfahren betrifft (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - [X.] 265/10 - FamRZ 2011, 1138 Rn. 12 f.) und die im Hauptsacheverfahren nach dessen rechtskräftigem Abschluss nicht mehr geklärt werden kann.

9

c) Die Frage, ob nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens der in der Hauptsache unterlegenen [X.] noch nachträglich Prozesskostenhilfe zu bewilligen oder diese aufgrund der Bindung an die rechtskräftige Hauptsacheentscheidung stets mangels Erfolgsaussicht zu versagen ist, ist umstritten (für eine grundsätzliche Bindungswirkung der Hauptsacheentscheidung: [X.], 494 = DStR 1985, 50; OLG Düsseldorf OLGR 1993, 281; OLG Düsseldorf MDR 2009, 1356; [X.]/[X.] 3. Aufl. § 127 Rn. 17; gegen eine Bindungswirkung jedenfalls bei verzögerter Entscheidung über das [X.]: [X.] FamRZ 2000, 1588; [X.] FamRZ 1995, 1163; [X.]/[X.] ZPO 29. Aufl. § 119 Rn. 47 - anders hingegen aaO § 127 Rn. 50; [X.] ZPO 22. Aufl. § 114 Rn. 41 [X.]). Im vorliegenden Fall ist das [X.] zu Recht von einer Bindungswirkung der Hauptsacheentscheidung ausgegangen.

aa) Es ist allgemein anerkannt, dass Prozesskostenhilfe nach Abschluss des Verfahrens noch rückwirkend bewilligt werden kann, wenn der Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen während des Verfahrens gestellt, aber nicht verbeschieden worden ist (Senatsbeschlüsse vom 18. November 2009 - [X.] 152/09 - FamRZ 2010, 197 Rn. 20 f. und vom 30. September 1981 - [X.] - FamRZ 1982, 58). Das betrifft vor allem den Fall, dass das Gericht über das [X.] nicht unverzüglich entscheidet, sondern die [X.] in der Hauptsache abwartet.

Bei der Entscheidung des [X.] ist indessen im Hinblick auf die Erfolgsaussicht die - zwischenzeitlich eingetretene - Rechtskraft der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung grundsätzlich zu beachten. Zwar wirkt die Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO nur zwischen den [X.]en des Rechtsstreits und nur insoweit, als über denselben Streitgegenstand entschieden worden ist. Gegenstand des [X.] ist demgegenüber das von der Hauptsache unabhängige Verhältnis zwischen dem [X.] Antragsteller und der Staatskasse, welches den Anspruch auf Prozesskostenhilfe als staatliche Sozialleistung betrifft. Die Rechtskraft bezweckt aber nicht nur den Schutz der [X.]en vor erneuter gerichtlicher Inanspruchnahme, sondern dient der Sicherung des Rechtsfriedens im Allgemeinen, indem abweichende Entscheidungen zur selben Streitfrage vermieden werden sollen, und auch der Funktionsfähigkeit der Gerichte (vgl. [X.]/[X.] 3. Aufl. § 322 Rn. 2 ff. [X.]). Aus der materiellen Rechtskraft folgt daher über das Verbot der wiederholten Entscheidung über denselben Streitgegenstand hinaus auch eine Bindungswirkung der Entscheidung, soweit diese für eine weitere Entscheidung vorgreiflich ist (vgl. Senatsurteil vom 6. März 1985 - [X.] - FamRZ 1985, 580; [X.]/[X.] 3. Aufl. § 322 Rn. 11 [X.]).

Die Entscheidung in der Hauptsache hat demnach Bindungswirkung, soweit es für den Anspruch auf Prozesskostenhilfe auf die Erfolgsaussicht der Klage oder Rechtsverteidigung ankommt. Insoweit stimmen die zu beurteilenden Fragen überein und ist die Hauptsacheentscheidung für die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe vorgreiflich. Durch die Bindungswirkung der Hauptsacheentscheidung wird vermieden, dass das Rechtsmittelgericht in einem Nebenverfahren zu einem der rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung widersprechenden Ergebnis gelangt.

[X.]) Allerdings kann im Ausnahmefall eine nachträgliche Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch das Rechtsmittelgericht auch aufgrund einer abweichenden Beurteilung der Erfolgsaussicht geboten sein.

(1) So kommt eine nachträgliche Bewilligung ausnahmsweise in Betracht, wenn in der Hauptsache eine zweifelhafte Rechtsfrage zu klären war. In diesem Fall darf nach ständiger Rechtsprechung des [X.] wie des [X.] die Klärung der Frage nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren verlagert werden. Die in Art. 3 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte [X.] gebietet im Fall zweifelhafter Rechtsfragen, die Erfolgsaussicht zu bejahen und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren, denn das Hauptverfahren eröffnet erheblich bessere Möglichkeiten der Entwicklung und Darstellung des eigenen Rechtsstandpunktes ([X.] 81, 347). Das nur einer summarischen Prüfung unterliegende Prozesskostenhilfeverfahren hat demgegenüber nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden ([X.] FamRZ 2002, 665; Senatsbeschlüsse vom 4. Mai 2011 - [X.] 69/11 - FamRZ 2011, 1137 Rn. 8 und vom 17. März 2004 - [X.] 192/02 - NJW 2004, 2022 juris Rn. 7 [X.]). Bei zweifelhaften Rechtsfragen hat das Gericht demnach Prozesskostenhilfe zu bewilligen, auch wenn es der Auffassung ist, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Antragstellers zu entscheiden ist.

Anders liegt der vom Senat entschiedene Fall, dass eine zunächst zweifelhafte Rechtsfrage während des [X.] höchstrichterlich geklärt worden ist (Senatsbeschluss vom 27. Januar 1982 - [X.] 925/80 - FamRZ 1982, 367; zur ähnlichen Fragestellung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vgl. [X.] Beschluss vom 27. Oktober 2004 - [X.] - NJW-RR 2005, 438 [X.]). Denn in diesem Fall ist anders als in der vorliegenden Fallkonstellation das Hauptverfahren nicht durchgeführt worden (s. dazu [X.]Z 91, 311, 312 und [X.]Z 159, 263, 265), so dass sich die Frage der [X.] nicht gestellt hat. Ob an der seinerzeit vertretenen Auffassung des Senats, dass auch zur Entlastung von bereits entstandenen Kosten eine rückwirkende Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht geboten ist, festzuhalten ist, bedarf daher hier keiner Entscheidung.

Wenn das Verfahren in der Hauptsache durchgeführt und rechtskräftig entschieden wird, ist demnach bei bestehender Rechtsgrundsätzlichkeit auf ein rechtzeitig gestelltes und mit den erforderlichen Unterlagen eingereichtes [X.] die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder -verteidigung nicht anders zu beurteilen, als wenn das Gericht darüber bei [X.] hinsichtlich der Prozesskostenhilfe sogleich entschieden hätte. Denn auf den Zeitpunkt der Entscheidung hat der Antragsteller regelmäßig keinen Einfluss, und es darf ihm nicht zum Nachteil gereichen, wenn das Gericht über sein Gesuch erst so spät entscheidet, dass eine Klärung in der Rechtsmittelinstanz vor Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr erreicht werden kann.

Die nachträgliche Bewilligung der Prozesskostenhilfe widerspricht in diesem Fall nicht der Entscheidung in der Hauptsache. Denn die hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO ergibt sich hier bereits aus der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage und setzt nicht voraus, dass diese letztlich auch im Sinne der Prozesskostenhilfe beantragenden [X.] zu entscheiden ist. Durch eine nachträgliche Bewilligung der Prozesskostenhilfe wird daher nur die verfahrensfehlerhafte Verlagerung der Entscheidung in das Prozesskostenhilfeverfahren behoben, ohne dass die Entscheidung auf einer von der rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung abweichenden Einschätzung des Rechtsmittelgerichts beruht.

(2) Eine weitere Ausnahme ist angezeigt, wenn die Entscheidung über das bewilligungsreife [X.] vom Gericht verzögert worden ist und sich infolge der Verzögerung die Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussicht zum Nachteil der antragstellenden [X.] verändert hat.

Für die gemäß § 114 Satz 1 ZPO vorzunehmende Erfolgsprognose ist der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung Entscheidungsgrundlage, wenn alsbald nach [X.] entschieden wird. Zur Entscheidung reif ist das Prozesskostenhilfebegehren, wenn die [X.] es schlüssig begründet, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt und wenn der Gegner Gelegenheit gehabt hat, sich innerhalb angemessener Frist zum [X.] zu äußern (Senatsbeschluss vom 18. November 2009 - [X.] 152/09 - FamRZ 2010, 197 Rn. 10 [X.]; [X.] FamRZ 1994, 1123).

Eine andere Beurteilung folgt auch hier nicht daraus, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache inzwischen rechtskräftig entschieden ist. Auch in diesem Fall stehen vielmehr Verfahrensfragen im Vordergrund und widerspricht eine nachträgliche Bejahung der Erfolgsaussicht der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung nicht. Denn das Gericht hat die Erfolgsaussicht aufgrund des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der [X.] des [X.]s zu beurteilen. Wenn dieser zu einer günstigeren Erfolgsprognose führt als die spätere Lage, ist die Erfolgsaussicht zu bejahen, ohne dass damit die Hauptsacheentscheidung in Frage gestellt wird. Das zeigt sich beispielsweise an dem Fall, dass das Gericht nach Eintritt der [X.] eine Beweisaufnahme durchgeführt und diese ein für den Antragsteller ungünstiges Ergebnis gehabt hat (vgl. [X.], 797 [X.]). Dementsprechend hat auch der [X.] eine Ausnahme von der Bindungswirkung der Hauptsacheentscheidung für angebracht gehalten, wenn die Erfolgsaussicht in einem früheren Stadium des Verfahrens anders zu beurteilen gewesen war als zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Hauptsache ([X.], 494 = DStR 1985, 50 juris Rn. 13; ähnlich [X.] FamRZ 2004, 1219 f. - insoweit nicht abgedruckt - juris Rn. 7).

Der Senat hat damit im Ausgangspunkt übereinstimmend entschieden, dass nach einer Klagerücknahme noch Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Klage zu bewilligen ist, wenn Rechtsverteidigung und Prozesskostenhilfeantragstellung schon zuvor erfolgt waren und die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte (Senatsbeschluss vom 18. November 2009 - [X.] 152/09 - FamRZ 2010, 197). Gleiches muss gelten, wenn sich im Verlauf des Verfahrens infolge verzögerter Entscheidung über das [X.] die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder –verteidigung durch die antragstellende [X.] verschlechtert haben (vgl. [X.] FamRZ 1994, 1123; zum - besonders gelagerten - Fall, dass eine Rechtsfrage noch während des [X.] höchstrichterlich geklärt worden ist, s.o. unter [X.] (1)). Etwas anderes gilt nur dann, wenn spätere Erkenntnisse zugleich die Unwahrheit des Prozessvortrags des Antragstellers im Sinne von § 124 Nr. 1 ZPO ergeben, weil in diesem Fall sogar eine rückwirkende Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe begründet wäre.

cc) In Fällen, in denen eine rechtskräftige Hauptsacheentscheidung schon vorliegt, ist die Rechtskraft dieser Hauptsacheentscheidung für die Beurteilung der Erfolgsaussicht grundsätzlich zu beachten. Ausnahmen gelten nur dann, wenn die Prozesskostenhilfeentscheidung der [X.] ergangen ist und sich der Verfahrensfehler auf die Beurteilung der Erfolgsaussicht für den Antragsteller nachteilig ausgewirkt hat.

d) Die Entscheidung des [X.]s entspricht den genannten Maßstäben.

aa) Im vorliegenden Fall besagt die Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung, dass sich die Unterhaltsansprüche der Kinder auf die im Entscheidungstenor aufgenommenen [X.] verringert haben. Dies widerspricht der Rechtsverteidigung der Beklagten, welche sich auf den unverminderten Fortbestand der Unterhaltsansprüche berufen hat, und schließt somit die Erfolgsaussicht ihrer Rechtsverteidigung aus.

[X.]) Eine Ausnahme von der Bindungswirkung ist im vorliegenden Fall nicht angezeigt. Denn in der Hauptsache waren weder rechtsgrundsätzliche Fragen zu klären noch haben sich nach Eintritt der [X.] die Grundlagen für die Beurteilung der Erfolgsaussicht zum Nachteil der Beklagten verändert.

Aus der - verfahrensfehlerhaften - Verzögerung der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe allein folgt noch nicht, dass der Beklagten rückwirkend Prozesskostenhilfe bewilligt werden muss. Vielmehr hätte für das Amtsgericht auch bei rechtzeitiger Bescheidung des [X.]s keine andere Beurteilungsgrundlage bestanden als nach dem Erlass des Urteils in der Hauptsache. Dass das Amtsgericht zunächst noch die vom Kläger beantragte Prozesskostenhilfe verweigert hatte und die Beklagte bereits seinerzeit einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hatte, ändert daran nichts. Denn für das Prozesskostenhilfeverfahren selbst konnte der Beklagten noch keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden ([X.]Z 91, 311, 312 und [X.]Z 159, 263, 265). Für die letztlich in eingeschränktem Umfang erhobene Abänderungsklage war demnach die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung erneut zu prüfen. Da sich die Grundlage zur Beurteilung der Erfolgsaussicht zwischen [X.] und der schließlich vom Gericht erlassenen Entscheidung nicht verändert hat, besteht demnach für eine von der Hauptsacheentscheidung abweichende nachträgliche Bewilligung kein Raum.

Die Rechtsbeschwerde räumt ein, dass sich im Verlauf des Prozesses keine neuen Erkenntnisse ergeben haben. Die von der Beklagten mit der Rechtsbeschwerde erhobenen Beanstandungen betreffen demnach die Richtigkeit des amtsgerichtlichen Urteils. Diesen steht aber die materielle Rechtskraft des Urteils entgegen. Um diese Wirkung zu verhindern, hätte die Beklagte ein Rechtsmittel in der Hauptsache einlegen müssen. Ihrer Bedürftigkeit im Hinblick auf die Kosten hätte sie durch einen vorgeschalteten Prozesskostenhilfeantrag für die Rechtsmittelinstanz Rechnung tragen können.

[X.]                                               Weber-Monecke                                                  Klinkhammer

                        Schilling                                                         [X.]

Meta

XII ZB 391/10

07.03.2012

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 29. Juli 2010, Az: 27 WF 134/10

§ 114 ZPO, § 322 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2012, Az. XII ZB 391/10 (REWIS RS 2012, 8480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8480

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