Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.04.2012, Az. XI ZR 96/11

11. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7000

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) SCHADENSERSATZ BANK- UND KAPITALMARKTRECHT BANKEN

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Gegenstand

Online-Banking: Fahrlässigkeit des Bankkunden bei gleichzeitiger Eingabe von zehn TAN nach einem Pharming-Angriff


Leitsatz

Ein Bankkunde, der im Online-Banking Opfer eines Pharming-Angriffs wird, handelt fahrlässig, wenn er beim Log-In-Vorgang trotz ausdrücklichen Warnhinweises gleichzeitig zehn TAN eingibt.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des [X.] vom 19. Januar 2011 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die beklagte Bank wegen einer von ihr im [X.] ausgeführten Überweisung von 5.000 € auf Rückzahlung dieses Betrages in Anspruch.

2

Der Kläger unterhält bei der [X.] ein Girokonto und nimmt seit 2001 am [X.] teil. Für [X.] verwendet die Beklagte das sog. i[X.]-Verfahren, bei dem der Nutzer nach Erhalt des Zugangs durch Eingabe einer korrekten persönlichen Identifikationsnummer ([X.]) dazu aufgefordert wird, eine bestimmte, durch eine Positionsnummer gekennzeichnete (indizierte) Transaktionsnummer ([X.]) aus einer ihm vorher zur Verfügung gestellten, durchnummerierten [X.]-Liste einzugeben. Vertragliche Grundlage des [X.]s sind die "Sonderbedingungen für die konto-/depotbezogene Nutzung des      [X.] mit [X.] und [X.]" (Stand Dezember 2007; im Folgenden: [X.]), die u.a. folgende Bedingungen enthalten:

"7 Finanzielle Nutzungsgrenze

Der Nutzer darf Verfügungen nur im Rahmen des Kontoguthabens oder eines vorher für das Konto eingeräumten Kredits vornehmen. Auch wenn der Nutzer diese Nutzungsgrenze bei seinen Verfügungen nicht einhält, ist das Kreditinstitut berechtigt, den Ersatz der Aufwendungen zu verlangen, die aus der Nutzung des [X.] entstehen. Die Buchung solcher Verfügungen auf dem Konto führt lediglich zu einer geduldeten Überziehung; das Kreditinstitut ist berechtigt, in diesem Fall den höheren Zinssatz für geduldete Kontoüberziehungen zu verlangen.

8 Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten

Der Nutzer hat dafür Sorge zu tragen, dass keine andere Person Kenntnis von der [X.] und den [X.] erlangt. Jede Person, die die [X.] und - falls erforderlich - eine [X.] kennt, hat die Möglichkeit, das [X.]-Leistungsangebot zu nutzen. Sie kann z.B. Aufträge zulasten des Kontos/Depots erteilen. Insbesondere Folgendes ist zur Geheimhaltung der [X.] und [X.] zu beachten:

Die technische Verbindung zum [X.]-Angebot des Kreditinstituts ist nur über die vom Kreditinstitut gesondert mitgeteilten [X.]-Zugangskanäle herzustellen."

3

In der Mitte der [X.] des [X.]s der [X.] befand sich vom 10. September 2008 bis zum 28. Juli 2009 folgender Hinweis:

"Derzeit sind vermehrt Schadprogramme und sogenannte [X.] in Umlauf, die Sie auffordern, mehrere Transaktionsnummern oder gar Kreditkartendaten in ein Formular einzugeben. Wir fordern Sie niemals auf, mehrere [X.] gleichzeitig preiszugeben! Auch werden wir Sie niemals per E-Mail zu einer Anmeldung im       Banking auffordern!"

4

Am 26. Januar 2009 um 18.10 Uhr wurde vom Girokonto des [X.] nach Eingabe seiner [X.] und einer korrekten [X.] ein Betrag von 5.000 € auf ein Konto bei einer [X.] Bank überwiesen. Am selben Tag kam es vom Konto eines anderen Kunden der [X.] zu einer Überweisung eines Betrages von 7.000 € auf dasselbe [X.] Konto, was der betreffende Kunde am 26. Januar 2009 um 20.15 Uhr bei der Polizei zur Anzeige brachte. Am 29. Januar 2009 erstattete der Kläger Strafanzeige und gab Folgendes zu Protokoll:

"Im Oktober 2008 - das genaue Datum weiß ich nicht mehr - wollte ich ins Online-banking. Ich habe das Online-banking der     Bank angeklickt. Die Maske hat sich wie gewohnt aufgemacht. Danach kam der Hinweis, dass ich im Moment keinen Zugriff auf Online-banking der      Bank hätte. Danach kam eine Anweisung zehn [X.] einzugeben. Die Felder waren nicht von 1 bis 10 durchnummeriert, sondern kreuz und quer. Ich habe dann auch die geforderten [X.], die ich schon von der Bank hatte, in die Felder chronologisch eingetragen. Danach erhielt ich dann Zugriff auf mein Online-banking. Ich habe dann unter Verwendung einer anderen [X.] eine Überweisung getätigt."

5

Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, da ein Täter nicht ermittelt werden konnte. Auf dem Kontoauszug vom 29. Januar 2009 findet sich hinter dem Wort "Limit" die Eintragung "4.500". Die Überweisung führte zu einem Sollsaldo von 4.315,73 €.

6

Der Kläger behauptet, er habe die Überweisung von 5.000 € nicht veranlasst. Die Beklagte ist der Auffassung, der Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass der Kläger einen entsprechenden Überweisungsauftrag erteilt habe. Jedenfalls stehe ihr ein Schadensersatzanspruch zu, weil der Kläger durch die [X.] von zehn [X.] seine Sorgfaltspflichten verletzt habe.

7

Die Klage auf Zahlung von 5.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet.

I.

9

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 675 Abs. 1, 676f aF, 667 BGB. Hierbei könne dahinstehen, ob der Kläger die Überweisung selbst getätigt habe und hierfür wegen Eingabe der korrekten [X.] und [X.] ein Anscheinsbeweis spreche. Wenn er die Überweisung nicht selbst in Auftrag gegeben habe, habe die Beklagte mit einem Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe aus § 280 Abs. 1 BGB aufgerechnet.

Der Kläger habe entgegen Nr. 8 der wirksam einbezogenen Sonderbedingungen der Beklagten einer dritten Person fahrlässig Kenntnis von den [X.] verschafft, indem er im Oktober 2008 auf eine Aufforderung hin zehn chronologische [X.] in vorgegebene Felder eingetragen habe. Auch wenn auf dem Bildschirm die übliche Maske für das Online-Banking der Beklagten zu sehen gewesen sei und es insoweit keine optischen Auffälligkeiten gegeben habe, habe sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass er Opfer eines sog. Phishing-Angriffs werde. Infolge der Aufforderung zur Eingabe mehrerer [X.] sei für ihn erkennbar gewesen, dass ein Dritter und nicht die Beklagte tätig werde und er diesem [X.] mit der Eingabe Kenntnis von den [X.] verschaffe. Es sei im [X.] 2008 schon durch Warnungen in den Medien allgemein bekannt gewesen, dass die Anfrage mehrerer [X.] auf ein Phishing hindeute. Zudem habe die Beklagte den Kläger im Oktober 2008 ausdrücklich, gut verständlich und an hervorgehobener, sofort im Blickfeld befindlicher Stelle auf der [X.] darauf hingewiesen, dass sie ihre Kunden niemals auffordere, mehrere [X.] gleichzeitig preiszugeben und vermehrt Schadprogramme in Umlauf seien, die genau das verlangten.

Der Beklagten sei auch kein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB anzulasten. Das von der Beklagten verwendete i[X.]-Verfahren bedeute gegenüber dem normalen [X.]-Verfahren eine zusätzliche Absicherung, die jedenfalls im [X.] dem Stand der Technik entsprochen habe. Der Kläger sei über seine Pflicht zur Geheimhaltung der [X.] und [X.] ausreichend informiert worden. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger vor Ausführung der Überweisung zu warnen. Nur in Ausnahmefällen bestehe für ein Kreditinstitut eine Warnpflicht, etwa wenn es aufgrund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hege, dass ein Kunde bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine Straftat einen anderen schädigen wolle. Die Bank müsse aber weder generell Kontobewegungen überwachen noch prüfen, ob die Abwicklung eines Zahlungsverkehrsvorgangs Risiken für einen Beteiligten berge. Da eine Auslandsüberweisung in Höhe von 5.000 € im Massengeschäft des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nicht ungewöhnlich und die Überweisung von 7.000 € vom Konto eines anderen Kunden der Beklagten auf dasselbe [X.] Konto erst nach Ausführung der streitgegenständlichen Überweisung bekannt geworden sei, hätten der Beklagten keine konkreten Verdachtsmomente vorgelegen, die eine Pflicht zur Rückfrage hätten begründen können.

Der Vortrag des [X.], die Beklagte habe ihm einige Monate vor der streitgegenständlichen Überweisung einen Kredit in Höhe von 2.000 € verweigert, rechtfertige keine andere Beurteilung. Aus dem Kontoauszug vom 29. Januar 2009 ergebe sich, dass die Beklagte dem Kläger einen Dispositionskredit von 4.500 € eingeräumt habe. Das [X.] nach der Überweisung von 5.000 € halte sich mit 4.315,73 € innerhalb dieses Limits, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt keine Pflicht der Beklagten zur Überprüfung der Überweisung bestanden habe.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung von 5.000 € gemäß § 700 Abs. 1 Satz 1, § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2005 - [X.], [X.], 275, 278) zu, da ein solcher, falls er mangels eines Überweisungsauftrags des [X.] bestanden hat, jedenfalls durch die Aufrechnung der Beklagten mit einem ihr in gleicher Höhe zustehenden Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gemäß § 389 BGB erloschen ist.

1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtenden (einfach) fahrlässigen Sorgfaltsverstoß des [X.] darin gesehen, dass er im Oktober 2008 beim [X.], also nicht in Bezug auf einen konkreten Überweisungsvorgang, trotz ausdrücklichen Warnhinweises gleichzeitig zehn [X.] eingegeben hat.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] trägt im Überweisungsverkehr zwar regelmäßig die Bank und nicht der Kunde das Risiko, dass [X.] gefälscht oder inhaltlich verfälscht werden (Senatsurteil vom 17. Juli 2001 - [X.], [X.], 1712, 1713 mwN). Dem Bankkunden kommt jedoch die girovertragliche Pflicht zu, die Gefahr einer Fälschung soweit wie möglich auszuschalten (Senatsurteile vom 11. Oktober 1994 - [X.], [X.], 2073, 2074 und vom 17. Juli 2001 - [X.], [X.], 1712, 1714). Mangels anderweitiger vertraglicher Ausgestaltung des [X.] genügte nach der vor dem 31. Oktober 2009 geltenden Rechtslage, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt hat (Art. 229 § 22 Abs. 1 Satz 2 [X.]BGB), gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB für ein haftungsbegründendes Verschulden des Bankkunden daher regelmäßig einfache Fahrlässigkeit (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., § 676a Rn. 20; [X.], [X.], 215, 216; Kind/[X.], [X.], 353, 354).

b) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich weder aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] noch aus der des [X.], dass § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits vor Ablauf der in Art. 94 Abs. 1 der Richtlinie 2007/64/[X.] und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der [X.], 2002/65/[X.], 2005/60/[X.] und 2006/48/[X.] sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/[X.] ([X.] [X.] 2007 Nr. L 319/1, im Folgenden: Zahlungsdiensterichtlinie) auf den 1. November 2009 gesetzten Umsetzungsfrist richtlinienkonform dahin auszulegen ist, dass nur Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des [X.] eine Haftung begründen.

aa) Zwar sieht § 675v Abs. 2 BGB nF, der Art. 61 der Zahlungsdiensterichtlinie umsetzt (BT-Drucks. 16/11643 S. 113 f.), eine unbegrenzte Haftung des "Zahlers" bei missbräuchlicher Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit vor. Diese Vorschrift gilt aber nicht für den hier streitgegenständlichen Überweisungsvorgang vom 26. Januar 2009, da sie erst durch Gesetz vom 29. Juli 2009 ([X.]) mit Wirkung vom 31. Oktober 2009 eingefügt wurde (Art. 229 § 22 Abs. 1 Satz 2 [X.]BGB).

bb) Vor Ablauf der in einer Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist kommt nach der Rechtsprechung des [X.] weder eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie ([X.], [X.]. 1979, [X.] Rn. 41 ff.; [X.]. 1992, [X.] Rn. 18 ff.; [X.]. 1994, [X.] Rn. 16) in Betracht, noch besteht für die nationalen Gerichte die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung bereits bestehender Rechtsvorschriften ([X.], [X.]. 2006, [X.] Rn. 115; vgl. auch [X.]. 1997, [X.] Rn. 9, 11, 43).

Während des Laufs der Umsetzungsfrist haben die Mitgliedsstaaten lediglich den Erlass von Vorschriften zu unterlassen, die geeignet sind, die Erreichung des in der Richtlinie vorgeschriebenen Zieles ernstlich zu gefährden ([X.], [X.]. 1997, [X.] Rn. 45; [X.]. 2006, [X.] Rn. 121; sog. Frustrationsverbot). Darüber hinaus müssen die nationalen Gerichte es ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Richtlinie soweit wie möglich unterlassen, das innerstaatliche Recht auf eine Weise auszulegen, die die Erreichung des mit der Richtlinie verfolgten Zieles nach Ablauf der Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde ([X.], [X.]. 2006, [X.] Rn. 123). Bei § 276 BGB handelt es sich jedoch nicht um eine erst nach Erlass der Zahlungsdiensterichtlinie eingefügte Norm. Ihre Auslegung durch das Berufungsgericht gefährdet, wie der am 1. November 2009 in [X.] getretene § 675v BGB zeigt, auch nicht die Ziele der Richtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist. Soweit das [X.] (NJW 2011, 288 Rn. 54) unter Berufung auf das genannte Urteil des [X.] ([X.]. 2006, [X.]) eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung ab Inkrafttreten einer Richtlinie angenommen hat, ist nicht ersichtlich, dass es eine über die Rechtsprechung des [X.] hinausgehende Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung bejahen wollte (vgl. auch [X.], Beschluss vom 21. Dezember 2010 - 1 BvR 2742/08, juris Rn. 26). Da die von der Revision vor Ablauf der Umsetzungsfrist befürwortete Reduktion des [X.] des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu einer vom Gemeinschaftsrecht nicht gebilligten ([X.], [X.]. 2006, [X.] Rn. 110) Auslegung contra legem des nationalen Rechts führen würde, ist die Einholung einer Vorabentscheidung des [X.] nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V nicht geboten.

cc) In Übereinstimmung mit dem [X.] nimmt auch der [X.] in ständiger Rechtsprechung eine Pflicht der nationalen Gerichte zu richtlinienkonformer Auslegung erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist an (Urteile vom 19. April 2007 - [X.], [X.], 119 Rn. 38; vom 23. Oktober 2008 - [X.], [X.], 126 Rn. 6; vom 13. Oktober 2009 - [X.], juris Rn. 24; vom 5. Oktober 2010 - [X.], [X.], 231 Rn. 13; vom 3. März 2011 - I ZR 167/09, [X.], 1321 Rn. 23 [zur Zahlungsdiensterichtlinie]; vgl. auch [X.], [X.] 2006, 253 Rn. 58 sowie aus der Literatur [X.]/[X.], 6. Aufl., Vorbemerkung zu § 305 - § 310 Rn. 27; [X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V, 4. Aufl., Art. 288 A[X.]V Rn. 80; [X.] in Handbuch des Rechtsschutzes in der [X.], 2. Aufl., § 33 Rn. 52; [X.] in [X.], 14. Aufl., § 4 Rn. 30; [X.] in [X.], Das Recht der [X.], 40. Aufl., Art. 249 [X.]V Rn. 153).

Davon geht auch das von der Revision angeführte Urteil des [X.] vom 5. Februar 1998 ausdrücklich aus ([X.], [X.], 55, 61). Nach dieser Entscheidung kann nur im Rahmen der Generalklausel des § 1 UWG der Inhalt einer [X.]-Richtlinie auch dann im Wege der richtlinienkonformen Auslegung berücksichtigt werden, wenn die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Darauf beruft sich die Revision jedoch ohne Erfolg. Unabhängig davon, dass, wie dargelegt, vor Ablauf der Umsetzungsfrist des Art. 94 Abs. 1 der Zahlungsdiensterichtlinie keine Verpflichtung des Senats zur richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts besteht, handelt es sich bei § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht um eine Generalklausel, bei der sich die Unionskonformität mittels Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe herstellen ließe. Eine vor dem Hintergrund des erst zum 1. November 2009 in [X.] getretenen § 675v BGB gebotene, richtlinienkonforme Auslegung des § 276 BGB scheidet daher vor Fristablauf aus (ebenso [X.], [X.], 493, 495; [X.] in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 55 Rn. 38; [X.], [X.] 10/2011 [X.]. 4).

c) Das Berufungsgericht hat das Verhalten des [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als einfach fahrlässig eingestuft. Diese Beurteilung unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur dahin, ob der Tatrichter den Begriff der Fahrlässigkeit verkannt, bei der Beurteilung wesentliche Umstände außer Betracht gelassen oder gegen Verfahrensvorschriften, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (st. Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 11. Mai 1953 - [X.], [X.]Z 10, 14, 18; vom 21. Mai 1953 - [X.], [X.]Z 10, 69, 74; vom 4. Dezember 1985 - [X.], NJW-RR 1986, 705, 706; vom 17. Dezember 2008 - [X.], [X.], 1147 Rn. 13 und vom 8. Juli 2010 - [X.], [X.]Z 186, 152 Rn. 27 mwN). Derartige Verstöße zeigt die Revision nicht auf.

aa) Nach den [X.] und [X.] Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger im Oktober 2008 bei dem Versuch, die Startseite der Beklagten aufzurufen und sich zum Online-Banking anzumelden, im Rahmen der gewohnten Maske den Hinweis bekommen, dass er derzeit keinen Zugriff habe. Er ist daraufhin der Anweisung auf dem Bildschirm gefolgt und hat insgesamt zehn [X.] chronologisch in dafür vorgesehene Felder eingetragen, die nicht von eins bis zehn durchnummeriert gewesen sind. Nachdem daraufhin der Zugriff auf das Online-Banking freigegeben worden ist, hat er die von ihm beabsichtigte Überweisung unter Verwendung einer anderen [X.] durchgeführt.

Der Revision ist zuzugeben, dass das Berufungsgericht diese Attacke unzutreffend als sog. Phishing eingeordnet hat. Dieser Begriff bezeichnet die Täuschung eines Nutzers von Internetdiensten mithilfe technischer Manipulationen, um diesen zur Mitteilung vertraulicher Daten (meist [X.] oder [X.]) an einen Nichtberechtigten zu verleiten. Dazu wird der Nutzer durch einen verfälschten, meist in einer E-Mail mitgeteilten [X.] auf eine Internetseite geleitet, die einen vertrauenswürdigen Betreiber vortäuscht, so dass der Nutzer arglos geschützte Daten preisgibt (vgl. [X.] in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 55 Rn. 30 mwN). Demgegenüber ist der Kläger Opfer des [X.] geworden. Hier ist der Angriff gegen die Auflösung einer Internetadresse gerichtet. Durch Manipulation der sog. [X.] auf dem Rechner des Nutzers oder durch Einsatz eines korrumpierten [X.] wird der korrekte Aufruf der Website der Bank technisch in den Aufruf der betrügerischen Seite geändert (vgl. [X.] in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 55 Rn. 31 mwN).

bb) Entgegen der Ansicht der Revision hat diese Verkennung der Angriffsart durch das Berufungsgericht jedoch keine Auswirkung auf den Sorgfaltsverstoß des [X.]. Für diesen kommt es auch nicht maßgeblich auf Warnungen in den Medien an. Entscheidend ist, dass der Kläger beim [X.], also nicht etwa bei einer konkreten Transaktion, für die Transaktionsnummern bestimmt sind, gleichzeitig zehn [X.] eingegeben hat, obwohl sich in der Mitte der [X.] des Online-Banking der Beklagten vom 10. September 2008 bis zum 28. Juli 2009 ein graphisch hervorgehobener (vgl. dazu Kind/[X.], [X.], 353, 357; [X.] in Festschrift [X.], 2009, [X.], 227) Hinweis auf Schadprogramme befand, die zur Eingabe mehrerer [X.] in ein Formular auffordern, und die Beklagte in diesem Hinweis ausdrücklich klargestellt hatte, dass sie Kunden niemals dazu auffordert, gleichzeitig mehrere [X.] preiszugeben.

cc) Dass das Berufungsgericht aufgrund dieser Umstände einen fahrlässigen Sorgfaltsverstoß des [X.] bejaht, ist naheliegend und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dem Kläger hätte trotz fehlender optischer Auffälligkeiten der [X.] und der während des [X.]s erfolgten Anforderung zur gleichzeitigen Eingabe von zehn [X.] bewusst sein müssen, dass er sich außerhalb der "vom Kreditinstitut gesondert mitgeteilten Online-Banking-Zugangskanäle" (Nr. 8 [X.]) bewegt und somit nicht die Bank, sondern ein unbefugter Dritter die [X.] anforderte (vgl. [X.], Urteil vom 11. August 2009 - 37 O 4/09, juris Rn. 20 ff.; [X.], BeckRS 2012, 01462; [X.], [X.], 493, 494 f.; [X.]/Schwenk/[X.]/[X.], Identitätsdiebstahl und [X.], [X.]; [X.] in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 55 Rn. 125; [X.] in Ellenberger/[X.]/[X.], Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, § 675v BGB Rn. 53, 94; [X.], [X.] 2010, 249, 250; [X.], [X.] 10/2011 [X.]. 4). Dies gilt umso mehr, als für den Zugang zum Online-Banking niemals eine, geschweige denn mehrere [X.], sondern alleine Kontonummer und [X.] abgefragt werden (so auch [X.], Urteil vom 11. August 2009 - 37 O 4/09, juris Rn. 20; [X.] in [X.]/Bamberger, Handbuch zum [X.] und [X.] Bankrecht, 2. Aufl., § 9 Rn. 144; [X.] in [X.]/Beule/[X.], Handbuch des Fachanwalts Bank- und [X.]italmarktrecht, 2. Aufl., [X.]. 3 Rn. 314; [X.], [X.] 10/2011 [X.]. 4). Der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens gründet demnach nicht auf dem Umstand, dass der Kläger überhaupt Opfer eines Pharming-Angriffs geworden ist. Ein solcher Angriff dürfte im Regelfall schwer zu erkennen sein ([X.], NJW 2005, 3313, 3315; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 676a Rn. 20; [X.], [X.], 2198, 2202, 2206; [X.], IT-Recht, 4. Aufl., [X.] Rn. 880; [X.] am Hülse/Klabunde, [X.], 84, 87; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., § 164 BGB Rn. 10). Der [X.] beruht vielmehr darauf, dass der Kläger diesen Angriff trotz massiver Anhaltspunkte und Warnungen im Einzelfall nicht erkannt und diesbezügliche Verdachtsmomente ignoriert hat (vgl. auch [X.], [X.], 2049, 2057; [X.] in [X.]/Bamberger, Handbuch zum [X.] und [X.] Bankrecht, 2. Aufl., § 9 Rn. 143; [X.] in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 55 Rn. 120; [X.] in [X.]/Beule/[X.], Handbuch des Fachanwalts Bank- und [X.]italmarktrecht, 2. Aufl., [X.]. 3 Rn. 348).

2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht eine Kürzung des Schadensersatzanspruches der Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB) verneint.

a) Die vorzunehmende Abwägung der Verantwortlichkeiten von Schädiger und Geschädigtem gehört in den Bereich der tatrichterlichen Würdigung; sie ist deshalb mit der Revision nur begrenzt angreifbar. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (st. Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 11. Januar 2007 - [X.], NJW 2007, 1063 Rn. 7 ff. und vom 16. Juli 2009 - [X.], [X.], 1753 Rn. 15 ff. jeweils mwN). Derartige Verstöße zeigt die Revision nicht auf.

b) Sie greift die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei mit dem Einsatz des im [X.] dem Stand der Technik entsprechenden i[X.]-Verfahrens ihrer Pflicht zur Bereitstellung eines möglichst wenig missbrauchsanfälligen Systems des Online-Bankings nachgekommen, nicht an und wendet sich auch nicht gegen die Beurteilung, Nr. 8 der [X.] sowie der Hinweis auf der [X.] reichten für eine ordnungsgemäße Aufklärung über die Geheimhaltungspflichten hinsichtlich [X.] und [X.] aus.

c) Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht auch die Verletzung einer Warnpflicht durch die Beklagte rechtsfehlerfrei verneint. Im Zahlungsverkehr bestehen Warn- und Hinweispflichten der Kreditinstitute zum Schutz ihrer Kunden vor drohenden Schäden nur in Ausnahmefällen (Senatsurteil vom 6. Mai 2008 - [X.], [X.]Z 176, 281 Rn. 14). So hat im Überweisungsverkehr ein Kreditinstitut, das aufgrund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hegt, dass ein Kunde bei der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine Straftat einen anderen schädigen will, diesem gegenüber eine Warnpflicht (Senatsurteil vom 6. Mai 2008 - [X.], [X.]Z 176, 281 Rn. 15). Die Bank muss aber weder generell prüfen, ob die Abwicklung eines Zahlungsverkehrsvorgangs Risiken für einen Beteiligten begründet, noch Kontobewegungen allgemein und ohne besondere Anhaltspunkte überwachen. Eine Warnpflicht besteht erst dann, wenn die Bank ohne nähere Prüfung im Rahmen der normalen Bearbeitung eines Zahlungsverkehrsvorgangs aufgrund einer auf massiven Verdachtsmomenten beruhenden objektiven Evidenz den Verdacht einer Veruntreuung schöpft (Senatsurteil vom 6. Mai 2008 - [X.], [X.]Z 176, 281 Rn. 16).

Gemessen hieran bestand im Streitfall keine Warnpflicht der Beklagten. Dass am 26. Januar 2009 nicht nur vom Konto des [X.], sondern auch zulasten eines anderen Kunden der Beklagten eine Überweisung auf das gleiche [X.] Zielkonto erfolgte, konnte schon deshalb kein Verdachtsmoment begründen, weil die Beklagte hiervon nach den [X.] und [X.] Feststellungen des Berufungsgerichts erst nach der streitgegenständlichen Überweisung Kenntnis erlangte.

Die Revision macht auch ohne Erfolg geltend, eine zu einem Sollstand von über 4.300 € führende Überweisung eines runden Betrages (5.000 €) ins Ausland sei für den Kläger absolut untypisch gewesen. Ohne besondere weitere Anhaltspunkte geben Überweisungen mit Auslandsberührung, der Einsatz glatter Beträge und dadurch eintretende Kontoüberziehungen einer Bank ohne nähere Prüfung keinen hinreichenden Anlass, den Verdacht einer Straftat zu schöpfen. Kreditinstitute werden im bargeldlosen Zahlungsverkehr nur zum Zweck der technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Abwicklung tätig und haben sich schon wegen dieses begrenzten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge grundsätzlich nicht um die beteiligten Interessen ihrer Kunden zu kümmern (Senatsurteil vom 6. Mai 2008 - [X.], [X.]Z 176, 281 Rn. 14).

d) Auch aus der Überschreitung der in Nr. 7 [X.] vereinbarten finanziellen [X.] hat das Berufungsgericht zu Recht kein den Schadensersatzanspruch minderndes oder gar ausschließendes Mitverschulden der Beklagten abgeleitet.

Entgegen der Ansicht der Revision stellt eine finanzielle [X.] keine Bestimmung zum Schutz des [X.] dar (Senatsurteil vom 29. November 2011 - [X.], [X.], 164 Rn. 28, dort als "kontobezogener Verfügungsrahmen" bezeichnet; [X.] in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 54 Rn. 18, 98). Kreditinstitute haben grundsätzlich keine Schutzpflicht, eine Kontoüberziehung des Kunden zu vermeiden ([X.] in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 54 Rn. 18; [X.], [X.], 1132, 1133; vgl. auch [X.], Urteil vom 5. Februar 1973 - [X.], [X.], 722, 723). Deshalb kann dahinstehen, ob, wie das Berufungsgericht angenommen hat, schon von dem auf dem Kontoauszug befindlichen Aufdruck "Limit 4.500" auf einen zwischen den Parteien in dieser Höhe wirksam vereinbarten Dispositionskredit und damit auf ein Einhalten der finanziellen [X.] geschlossen werden kann.

Einen die einzelne Transaktion unabhängig vom Kontostand beschränkenden (vgl. [X.] in [X.], Vertragsrecht und [X.]-Klauselwerke, 29. Ergänzungslieferung, Bankkartenbedingungen Rn. 36; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 2. Aufl., Rn. II 298; MünchKommHGB/Häuser/Haertlein, 2. Aufl., [X.] Rn. [X.], 62; [X.] in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 54 Rn. 20) Verfügungsrahmen, der kundenschützende Wirkung hat und dessen Missachtung ein Mitverschulden der Bank begründen kann (vgl. [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 2. Aufl., Rn. [X.]; MünchKommHGB/Häuser/Haertlein, 2. Aufl., [X.] Rn. [X.]; [X.] in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 54 Rn. 20, 98; [X.] in Ellenberger/[X.]/[X.], Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, § 675v BGB Rn. 116; [X.], Vertrag und Haftung beim [X.], Diss. iur. 2005, [X.]), haben die Parteien nicht vereinbart.

[X.]                                                Joeres                                        Ellenberger

                            [X.]

Meta

XI ZR 96/11

24.04.2012

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Düsseldorf, 19. Januar 2011, Az: 23 S 163/10

§ 276 Abs 1 S 1 BGB, § 280 Abs 1 BGB, Art 94 Abs 1 EGRL 64/2007

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.04.2012, Az. XI ZR 96/11 (REWIS RS 2012, 7000)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7000

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