Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2004, Az. 5 StR 276/04

5. Strafsenat | REWIS RS 2004, 966

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5 [X.]/04
BUNDES[X.]ERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom 28. Oktober 2004 in der Strafsache gegen

wegen Steuerhinterziehung u. a.

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 28. Okto-ber 2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin [X.],

[X.], Richterin [X.], [X.], [X.]

als [X.],

Oberst[X.]tsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwältin [X.], Rechtsanwalt [X.]

als Verteidiger des Angeklagten [X.],

Rechtsanwalt R

als Verteidiger des Verurteilten [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der [X.]eschäftsstelle,
- 3 - für Recht erkannt:

[X.] Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Ur-teil des [X.] vom 23. Dezem-ber 2003 [X.] auch bezüglich der Mitangeklagten [X.]-

und [X.]

1. aufgehoben, soweit die Angeklagten im Fall I[X.]3.5
der Urteilsgründe (Umsatzsteuerhinterziehung 2001) wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterzie-hung nach § 370a [X.] verurteilt worden sind; die zugrunde liegenden Feststellungen bleiben [X.];
2. im übrigen im Schuldspruch wie folgt geändert: a) Der Angeklagte [X.] ist schuldig der Steu-erhinterziehung in 23 Fällen und des [X.]truges in sieben Fällen.
b) Der Angeklagte [X.]ist schuldig der Steuerhinterziehung in 21 Fällen, des [X.] in fünf Fällen und des versuchten [X.] in vier Fällen. c) Der Angeklagte [X.]ist schuldig der Steuerhinterziehung in 24 Fällen, des [X.] in sechs Fällen und des versuchten [X.] in vier Fällen. - 4 - 3. in den Strafaussprüchen aufgehoben, soweit die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden sind, sowie im Ausspruch über die [X.]e-samtstrafen. I[X.] Die weitergehende Revision des [X.]wird als unbegründet verworfen.
II[X.] Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

[X.] Von Rechts wegen [X.]

[X.] r ü n d e

Das [X.] hat den [X.]wegen Steuerhinterzie-hung in 14 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und [X.]truges in sieben Fällen zu einer [X.]esamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. [X.]egen den Mitangeklagten [X.]

hat es wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung und [X.]truges in fünf Fällen eine [X.]esamtfreiheitsstrafe von vier Jahren sowie ge-gen den Mitangeklagten [X.]wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen, gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung, [X.]truges in sechs Fällen und versuch-ten [X.]truges in vier Fällen eine [X.]esamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die gegen die Mitangeklagten ergangenen Urteile sind rechtskräftig.
- 5 - Die Revision des [X.]hat in dem aus dem [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen ist sie unbegründet. [X.]emäß § 357 StPO ist das Urteil auf die nicht revidierenden Mitangeklagten zu erstrecken. [X.]

Das [X.] hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Angeklagte [X.]und der Mitangeklagte [X.]

betätigten sich im Zeitraum von 1997 bis 2002 unternehmerisch im Baubereich. Dabei verstießen sie [X.] ab 1998 unter [X.]teiligung des Angeklagten [X.] [X.] vorsätzlich in erheblichem Umfang gegen ihre steuerrechtlichen und sozial-versicherungsrechtlichen Pflichten.
1. [X.] waren die Angeklagten [X.] und
[X.] als sogenannte [X.] tätig, indem sie Arbeiterkolonnen anführten, die mit illegalen Arbeitern Leistungen auf dem Bausektor erbrachten. Der ihnen bekannten Pflicht, die getätigten Umsätze gegenüber dem Finanzamt zu erklären, kamen sie nicht nach. Vielmehr rechneten sie, um ihre eigene unternehmerische Tätigkeit zu verschleiern, die von ihnen erbrachten [X.] gegenüber ihrem Auftraggeber über Scheinfirmen ab. Dadurch entstand ein Steuerschaden von über 53.000 •.
Ab dem [X.] unterhielten die drei Angeklagten selbst mehrere Scheinfirmen, welche sie als sogenannte —Serviceunternehmenfi verschiede-nen [X.]n zur Verschleierung von deren unternehmerischer Tätigkeit bereitstellten. Diese Scheinfirmen traten nach außen an die Stelle der [X.]; sie nahmen formal deren Rechte und Pflichten aus den Bautätigkeiten wahr. Unter anderem fertigten sie die Bauaufträge als scheinbarer Auftragnehmer aus und meldeten als scheinbarer Arbeitgeber die eingesetzten Arbeiter zur Sozialversicherung an. Des weiteren erstellten die —Serviceunternehmenfi Rechnungen mit [X.] unter ei-- 6 - genem Namen, die dann von den [X.]n an ihre Auftraggeber weitergegeben wurden. Diese waren durch die Rechungen in der Lage, ihre Aufwendungen als [X.]triebsausgaben und die gesondert ausgewiesene Um-satzsteuer als Vorsteuer beim Finanzamt geltend zu machen, während die —Serviceunternehmenfi ihren steuerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der Anmeldung und Abführung der vereinnahmten Umsatzsteuern, nicht nachkamen. Die [X.], die durch dieses Vorgehen nach außen nicht in Erscheinung traten, konnten so ihre Leistungen —schwarzfi erbringen. Ab dem [X.] nutzten die Angeklagten die Firma D

B [X.]mbH, [X.], als Scheinfirma. Sie unterließen es pflichtwidrig, für die-ses Unternehmen die [X.] 1998, 1999 und 2000 beim zuständigen Finanzamt abzugeben. Nach der Verhaftung des von den Angeklagten eingesetzten formalen [X.]eschäftsführers wurde die Tätigkeit der [X.][X.]mbH eingestellt. Die [X.]eschäfte wurden sodann mit der Firma [X.]

[X.]mbH (T [X.]mbH), [X.], fortgesetzt. Für dieses Unternehmen kamen die Angeklagten [X.] und [X.] (der Angeklagte [X.] war an dieser [X.]esellschaft nicht beteiligt) ihrer Verpflichtung, [X.] für 1999, 2000 und 2001 abzugeben, nicht nach. Ab Juli 2000 nutzten die drei Angeklagten die Firma M B [X.]mbH, [X.], als Scheinfirma. In bezug auf diese [X.]esellschaft unterließen die Angeklagten pflichtwidrig die Abgabe von [X.] für die [X.] und 2001 sowie die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar, März und Juni 2002. Im Februar 2001 wurde als [X.] —Serviceunternehmenfi die Firma [X.][X.]mbH, [X.], ge-gründet, für die keine Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 und keine Umsatz-steuervoranmeldung für Januar 2002 abgegeben wurden. Die Abrechnungen wurden sodann auf die Firma M.[X.]. B [X.]mbH, [X.]elsenkirchen, übertragen. Hier kamen die Angeklagten ihrer Verpflichtung nicht nach, eine Umsatz-steuerjahreserklärung für 2001 sowie Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis August 2002 einzureichen. Ab Juni 2002 wurde von den - 7 - Angeklagten des weiteren die Firma FTV-[X.]
[X.]mbH als —Serviceun-ternehmenfi verschiedenen [X.]n zur Verfügung gestellt. Bis zur Festnahme der Angeklagten im November 2002 unterließen sie es pflichtwidrig, für die [X.]esellschaft Umsatzsteuervoranmeldungen für die [X.] bis Oktober 2002 abzugeben.
Insgesamt stellten die Angeklagten mittels der von ihnen installierten —Serviceunternehmenfi Scheinrechnungen über eine [X.]esamtsumme von mehr als 16 Mio. • aus, in denen Umsatzsteuer in Höhe von mehr als 2,4 Mio. • ausgewiesen war.
Der Angeklagte [X.] begab darüber hinaus [X.] unabhängig von den [X.]und [X.] [X.] im Jahr 1999 Rechnungen unter der Scheinfirma [X.] [X.]mbH und im [X.] unter der Scheinfirma [X.] für den [X.] S .

Das [X.] hat die Verletzung der steuerlichen Pflichten für die verschiedenen [X.]esellschaften der Angeklagten in jedem Jahr (1998 bis 2001) bzw. für jeden Voranmeldungszeitraum (Januar bis Oktober 2002) zu-sammengefaßt und jeweils bezogen auf den [X.]steuerungszeitraum als eine Tat gewertet. Für das [X.] (Fall 5 der Urteilsgründe) hat es so [X.] unter Zusammenrechnung der [X.] für die Firmen T [X.]mbH, M B [X.]mbH, [X.][X.]mbH und M.[X.]. B [X.]mbH [X.] einen Hinterzie-hungsschaden in Höhe von insgesamt 862.817 • festgestellt, diesen Fall als gewerbsmäßige Steuerhinterziehung gemäß § 370a Satz 1 [X.] gewertet und insoweit eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Die [X.]renze zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des —großen Ausmaßesfi gemäß § 370a [X.] hat es [X.] ohne weitere [X.]gründung [X.] bei 250.000 • gezogen.

2. Die —Serviceunternehmenfi D B [X.]mbH, M

B [X.]mbH, P

[X.]mbH, M.[X.]. B [X.]mbH und FTV-[X.]
[X.]mbH der Angeklagten meldeten darüber hinaus anstelle der [X.] deren Arbeitnehmer - 8 - bei den [X.] an. Neben der Falschangabe über ihren Status als Arbeitgeber täuschten die Angeklagten auch über den Umfang des an die Arbeitnehmer tatsächlich gezahlten Entgelts, indem sie falsche Anga-ben über die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden und die Höhe der Stun-denvergütung machten. Die Angeklagten verursachten so in den Jahren 1998 bis 2002 Schäden von rund 1,7 Mio. •. [X.]leiches wurde [X.] unter alleini-ger [X.]teiligung der [X.]und M

[X.] mittels der T [X.]mbH durchgeführt und so in den Jahren 1999 bis 2001 ein Schaden von mehr als 500.000 • verursacht.

Das [X.] hat dieses Verhalten der Angeklagten als mittäter-schaftliche [X.]teiligung an den [X.]trugstaten der [X.] zum Nachteil der jeweils zuständigen Krankenkasse gewertet. Diese seien durch Abwicklung über die von den Angeklagten initiierten Scheinfirmen und die unrichtigen Anmeldungen getäuscht und von der Erhebung der zutreffenden [X.]iträge abgehalten worden. Da ohne die —Serviceunternehmenfi der [X.]trug nicht möglich gewesen wäre, hätten die Angeklagten, die aufgrund ihrer [X.] [X.]teiligung auch ein erhebliches Eigeninteresse an den Taten gehabt hätten, auch Tatherrschaft gehabt. Nach Auffassung des [X.]s stellt die [X.]ründung und das [X.]treiben jeweils einer Scheinfirma zum Nachteil einer bestimmten Krankenkasse jeweils eine Tat dar.

3. Der Angeklagte [X.] meldete sich zudem am 20. August 1999 zum 1. September 1999 arbeitslos und bezog bis zum 24. Juni 2001 zu Un-recht Leistungen des Arbeitsamtes in Höhe von über 16.000 •, auf die er wegen seiner Einkünfte aus den —Serviceunternehmenfi keinen Anspruch [X.].
I[X.] Die Revision des [X.]führt zur Aufhebung des Urteils, soweit alle drei Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung - 9 - nach § 370a [X.] verurteilt worden sind, zur Änderung der Schuldsprüche wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 [X.] sowie zur Aufhebung der inso-weit verhängten Einzelstrafen und der jeweiligen [X.]esamtstrafe.
1. Die konkurrenzrechtliche [X.]wertung des [X.] hinsichtlich der [X.] hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. a) [X.]i mehreren Steuerstraftaten gilt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] im Hinblick auf die Konkurrenzen folgendes: Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 St[X.]B zu werten. Von [X.] ist also dann auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene [X.]steuerungszeiträume oder verschiedene Steu-erpflichtige betreffen. Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehre-re Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgege-ben werden. Entscheidend dabei ist, daß die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen über-einstimmende unrichtige Angaben über die [X.]steuerungsgrundlagen enthal-ten sind (vgl. B[X.]HSt 33, 163; B[X.]HR [X.] § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 6 und 9; B[X.]H wistra 1996, 62 m.w.[X.]).
Auch bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) ist grundsätzlich im Hinblick auf jede Steuerart, jeden [X.]steue-rungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von selbständigen Taten im Sinne des § 53 St[X.]B auszugehen. Allein ein einheitlicher Tatentschluß, seinen steuerlichen Pflichten für mehrere Steuerarten und mehrere [X.]steuerungs-zeiträume künftig nicht nachzukommen, begründet noch keine Tateinheit zwischen den einzelnen Steuerhinterziehungen durch Unterlassen (vgl. B[X.]HSt 18, 376). Tateinheit ist nur dann ausnahmsweise anzunehmen, wenn die erforderlichen Angaben, die der Täter pflichtwidrig unterlassen hat, durch ein und dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären (vgl. B[X.]H - 10 - wistra 1985, 66; B[X.]H bei [X.] 1979, 987; [X.]ri[X.]ohm/[X.] NStZ 1990, 209, 212).

b) Danach hätte das [X.] bei der rechtlichen [X.]wertung der hier zu beurteilenden Steuerhinterziehungen nicht allein nach dem jeweiligen [X.]steuerungszeitraum differenzieren und die unterlassene Abgabe von Um-satzsteuerjahreserklärungen oder Umsatzsteuervoranmeldungen für jeweils mehrere Scheinfirmen als eine Tat zusammenfassen dürfen. Die Nichtabga-be der gebotenen Erklärungen für jeden [X.]steuerungszeitraum und für jedes —Serviceunternehmenfi stellt eine rechtlich selbständige Tat dar. Denn der Angeklagte war als (faktischer) [X.]eschäftsführer verpflichtet, für jede der Scheingesellschaften zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt [X.] und Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Da die Servi-ceunternehmen zum Teil unterschiedliche [X.]triebsstätten hatten, waren zu-dem verschiedene Finanzämter zuständig (§ 21 [X.]). [X.]i zutreffender rechtli-cher [X.]wertung hat der Angeklagte [X.]nach den Feststellungen des [X.] in insgesamt 27 Fällen Steuern verkürzt.

Die rechtsfehlerhafte [X.]urteilung der Konkurrenzen beschwert den Angeklagten [X.] auch, soweit er wegen Umsatzsteuerhinterziehung für das [X.] verurteilt worden ist. Infolge der [X.]esamtschau aller Firmen und der Zusammenrechnung aller Verkürzungsbeträge für diesen [X.]steue-rungszeitraum in Höhe von insgesamt 862.817 • hat das [X.] die rechtlichen Voraussetzungen der Verbrechensnorm des § 370a Abs. 1 [X.] bejaht, statt die Voraussetzungen für jede der vier betreffenden Firmen sowie im Hinblick auf jede Steuererklärung einzeln zu prüfen. Der Schuldspruch wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung in 2001 (Fall 5 der [X.]) kann deshalb keinen [X.]stand haben. Allerdings können die [X.] rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, bei dem eine Aufhebung von [X.] nach § 353 Abs. 2 StPO nicht veranlaßt ist (vgl. B[X.]H StraFo 2001, 350, 351). - 11 - c) Der neue Tatrichter wird bei der rechtlichen [X.]urteilung dieser vier Fälle folgendes zu bedenken haben: Die Strafnorm des § 370a [X.] begegnet nach Auffassung des [X.]s erheblichen verfassungsrechtlichen [X.]denken. Zwar gehören Straftaten der vorliegenden Art, die regelmäßig durch organi-sierte kriminelle Strukturen bei der Planung und Tatausführung gekennzeich-net sind und infolge der systematischen Verkürzung von Abgaben mit hohen Steuerausfällen und außerordentlich großen wirtschaftlichen Schäden ein-hergehen, zweifellos [X.] insbesondere neben den Umsatzsteuerkarussellge-schäften [X.] zu den [X.], die nach der Vorstellung des [X.]esetzge-bers von der Verbrechensnorm des § 370a [X.] erfaßt werden sollten (vgl. [X.], Steuerstrafrecht 7. Aufl., Stand: Mai 2004, § 370a [X.] 1977 Rdn. 3, 13). Die —Serviceunternehmenfi entsprechen in ihrem [X.]esamter-scheinungsbild dem [X.]griff der —Steuerhinterziehung als [X.]ewerbefi ([X.] wistra 2002, 201, 203); sie stellen damit eine besonders steuerschädliche Art der Wirtschaftskriminalität dar.

[X.]) Die gegen die Verbrechensnorm des § 370a [X.] bestehenden ver-fassungsrechtlichen [X.]denken sind jedoch grundsätzlicher Natur; sie können nicht dadurch ausgeräumt werden, daß ein unbestimmtes [X.]esetz durch die Rechtsprechung in geeignet erscheinenden Einzelfällen allmählich nachge-bessert und ausgefüllt wird. Wie der [X.] in seinem [X.]schluß vom 22. Ju-li 2004 (NJW 2004, 2990) bereits ausgeführt hat, erscheint das —entschei-dende [X.] der Steuerverkürzung ‡in großem Ausmaß[X.] unter [X.]dacht auf Art. 103 Abs. 2 [X.][X.] nicht ausreichend bestimmt (vgl. dazu nur: Park wistra 2003, 328 ff.; [X.] 2004, 113 ff.; [X.] [X.]O Rdn. 12; [X.] 2002, 1677, 1680; [X.] wistra 2004, 241 ff.; [X.] in Fest-schrift für [X.]ünter [X.], 2003, [X.], 419 ff.; alle m.w.[X.] sowie Stel-lungnahme der [X.][X.] in WPK-Mitteilungen 2003, 130 ff.). Es läßt sich nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, welche Anknüpfungspunkte maßgeb-lich sein sollen und ob es auf den jeweiligen Einzelfall ankommt oder ob bei einer Vielzahl von Hinterziehungstaten [X.] wie etwa bei der monatlich [X.] - meldenden Lohnsteuer [X.] eine [X.]esamtbetrachtung des [X.] entschei-dend sein soll; bei diesem [X.]fund ist nicht ersichtlich, wie der Normadressat [X.] der dem [X.]esetz unterworfene Steuerbürger [X.] durch Auslegung Tragweite und Anwendungsbereich des [X.]es ermitteln und konkre-tisieren soll (vgl. zu diesen Anforderungen an einen Straftatbestand: BVerf[X.]E 105, 135, 152 ff. m.w.[X.]).fi

Auch ist dem [X.]esetz eine [X.]schränkung [X.] sei es auf bestimmte Steu-erarten, sei es auf bestimmte besonders gravierende Erscheinungsformen steuerstrafrechtlichen Handelns [X.] nicht zu entnehmen, die es andernfalls erlauben könnten, über eine deliktsspezifische Auslegung unter [X.]dacht auf das vorgestellte Tatbild eine Eingrenzung des unbestimmten [X.] —in großem Ausmaßfi zu versuchen (vgl. [X.]aede HRR-Straf-recht 9/2004, 318 f.; [X.] [X.]O, [X.]). Die vom [X.] im [X.]schluß vom 22. Juli 2004 ([X.]O) dargelegten Zweifel an der [X.]stimmtheit der Verbre-chensnorm des § 370a [X.] gelten folglich auch im vorliegenden Fall der —Serviceunternehmenfi.

Die vom [X.] postulierte [X.]renze von 250.000 • ist ebenso will-kürlich gegriffen, wie jeder andere Hinterziehungsbetrag (vgl. etwa [X.] gegenüber dem [X.] vom 3. September 2004: ab 100.000 DM/50.000 •; sowie die Aufzählung möglicher Ansätze bei [X.] DStR 2004, 1780, 1781); insoweit verbleibt es bei der bereits geäußerten Auffassung des [X.]s, daß eine Norm, die es dem jeweiligen Rechtsan-wender überläßt, die [X.]renze zum [X.] nach eigenem wirtschaftlichen Vorverständnis und den von ihm herangezogenen rechtli-chen Anknüpfungspunkten zu ziehen, dem [X.]stimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 [X.][X.] nicht genügen kann.

Anders als bei dem ähnlich unscharfen [X.] der —nicht geringen Mengefi in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtM[X.] (vgl. dazu [X.] in [X.] 2004, 224) läßt sich eine Eingrenzung auch nicht durch wissenschaft-- 13 - lich nachprüfbare und allgemein anerkannte Kriterien erzielen wie es bei den medizinisch ermittelten Wirkstoffmengen im [X.]täubungsmittelrecht der Fall ist. Es bleibt vielmehr der jeweiligen wirtschaftlichen [X.]trachtung überlassen, wie die [X.]renze zum —großen Ausmaßfi bestimmt wird. Damit ist lediglich die Subsumierbarkeit unter den Wortlaut der Norm gegeben, aber nicht vorher-sehbar, wie die Norm auszulegen ist (vgl. [X.]aede [X.]O, [X.]).

[X.]) Eine Vorlegung der Sache nach Art. 100 Abs. 1 [X.][X.] ist nicht mög-lich. § 80 Abs. 2 BVerf[X.][X.] erfordert die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage. Da das [X.] die [X.]urteilung der Verbrechensnorm nach § 370a [X.] auf der [X.]rundlage einer rechtsfehlerhaften [X.]esamtschau aller Taten jeweils eines Jahres getroffen hat, führt dieser einfachrechtliche Fehler bereits zur Aufhebung des Schuldspruchs nach § 370a [X.]. Damit entfällt die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage.

cc) Der neue Tatrichter wird indes zu prüfen haben, ob er im Hinblick auf die aufgezeigten gravierenden Unsicherheiten bei Anwendung des § 370a [X.] zugunsten des Angeklagten vom [X.]rundtatbestand des § 370 [X.] ausgeht oder eine [X.]schränkung nach § 154a StPO in [X.]tracht zieht; so-dann wird er zu erwägen haben, ob die Strafen dem erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Nr. 1 [X.] zu entnehmen sind. Dieser läßt bei Tatbildern und Strukturen der vorliegenden Art im jeweiligen Einzelfall eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren zu; er deckt sich folglich in der Ober-grenze mit der problematischen Verbrechensnorm des § 370a [X.] und [X.] ein schuldangemessenes Strafen auch in derartigen Fällen von Wirtschaftskriminalität.

Der [X.] hat bereits in seiner Entscheidung vom 22. Juli 2004 ([X.]O) darauf hingewiesen, daß trotz der im Wortlaut ähnlichen Voraussetzungen des besonders schweren Falles nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ([X.] —aus grobem Eigennutz in großem Ausmaßfi) bei der [X.] nicht dieselben verfassungsrechtlichen [X.]denken gegenüber der [X.] - ten Fassung der Regelmerkmale bestehen wie bei der Abgrenzung zwischen [X.] und [X.]. Die in der öffentlichen Diskussion (vgl. [X.] im [X.] vom 3. September 2004) vorgebrachten [X.], in zahlreichen Straftatbeständen des Strafgesetzbuches sei das —große Ausmaßfi als Formulierung ebenfalls enthalten, verkennt diese Unter-schiede. Es handelt sich insoweit ausschließlich um Merkmale der jeweiligen Strafzumessungstatbestände (vgl. § 263 Abs. 3 Nr. 2, § 264 Abs. 2 Nr. 1, § 267 Abs. 3 Nr. 2, § 335 Abs. 2 Nr. 1 St[X.]B).

d) Hinsichtlich der übrigen Hinterziehungstaten für die [X.], 1999, 2000 und 2002, die nach § 370 [X.] ausgeurteilt worden sind, ändert der [X.] den Schuldspruch selbst. Danach ist der Angeklagte [X.]auf-grund der vom [X.] insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen und tragfähi-gen Feststellungen der Steuerhinterziehung in 23 Fällen gemäß § 370 [X.] schuldig. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
e) Die Aufhebung der Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Steuerhin-terziehung und die Änderung der Schuldsprüche hinsichtlich der übrigen [X.] führen zur Aufhebung der vom [X.] insoweit verhäng-ten Einzelstrafen und der [X.]esamtstrafe.
Allerdings wird der neue Tatrichter den Schuldumfang in den Fällen der Steuerhinterziehung nochmals zu überprüfen haben; die bisherige [X.]-rechnung der einzelnen Hinterziehungssummen im Urteil ist nicht nachvoll-ziehbar dargestellt. Insoweit scheint das [X.] bisher von einem um etwa 14 bis 16 % zu hohen Schadensumfang ausgegangen zu sein. Die Hö-he der einzelnen Umsatzsteuerhinterziehungen ergibt sich aus der Summe der in den einzelnen Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer des jeweili-gen [X.]steuerungszeitraums. - 15 - 2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat im übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Insbesondere unterliegt die Verurteilung des Angeklagten wegen (mit-täterschaftlichen) [X.]truges zum Nachteil der Sozialversicherungsträger in sieben Fällen keinen durchgreifenden rechtlichen [X.]denken. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Handlungen des Angeklag-ten [X.] Falschmeldungen gegenüber den [X.] [X.] we-sentliche Tatbeiträge zu den [X.]trugstaten der [X.] darstellen. Es hat ferner nachvollziehbar dargelegt, daß der Angeklagte aufgrund seiner nicht nur unerheblichen Entlohnung aus den —erspartenfi Sozialabgaben, die Tat auch als eigene wollte, folglich mit Täterwillen handelte. Im Ergebnis offenbleiben kann die Frage, ob die konkurrenzrechtliche [X.]wertung des [X.], die [X.]ründung und das [X.]treiben jeweils einer Scheinfirma zum Nachteil einer bestimmten Krankenkasse stelle sich jeweils als eine Tat dar, zutrifft. Der Angeklagte ist durch diese [X.]wertung des [X.] jedenfalls nicht beschwert. Der Schuldumfang bliebe auch bei einer anderen [X.]urteilung der Konkurrenzen unverändert. Es kann auch ausgeschlossen werden, daß das [X.] bei abweichender konkurrenz-rechtlicher [X.]wertung die Einzelstrafen nicht den (erhöhten) Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Nr. 1 St[X.]B entnommen hätte. Denn es hat maßgeblich auf die Verwirklichung der Regelbeispiele der gewerbs- und bandenmäßigen [X.]ge-hung abgestellt. Nach der vom [X.] rechtsfehlerfrei vorgenommenen [X.]esamtwürdigung hat es auch Umstände bedacht, die die Indizwirkung des [X.] entkräftet hätten.
3. Die fehlerhafte konkurrenzrechtliche [X.]urteilung der [X.] führt gemäß § 357 StPO zur Erstreckung der Teilaufhebung und der Ände-rung des Schuldspruchs wegen Steuerhinterziehung auf die [X.] Mitangeklagten [X.]und [X.] , soweit sie davon betroffen sind. [X.]ide Nichtrevidenten sind über ihre bisherigen Verteidiger, deren - 16 - Mandatspflicht insoweit fortwirkt (vgl. [X.] in [X.]. § 138 Rdn. 14 und § 141 Rdn. 10; [X.] in Festschrift für Lutz Meyer-[X.]oßner 2001, [X.], 678; entsprechend B[X.]H, [X.]schluß vom 29. September 2004 [X.] 5 StR 339/04) zur Anwendung des § 357 StPO angehört worden; sie haben einer Erstreckung ausdrücklich zugestimmt. In diesem Zusammenhang weist der [X.] aus Anlaß eines entsprechenden vor der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf folgendes hin: In Fällen, in denen eine den Nichtrevidenten nicht unmittelbar begünstigende, ihn nach Zurückversetzung der Sache mög-licherweise belastende Entscheidung nach § 357 StPO in [X.]tracht kommt, ist der Nichtrevident in Anwendung des § 33 StPO nach Art. 103 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 [X.][X.] i.V.m. Art. 2 Abs. 1 [X.][X.], Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] zuvor anzuhö-ren, damit er eine Erstreckungsentscheidung gegebenenfalls durch [X.] verhindern kann (vgl. [X.] [X.]O; [X.]/[X.]aede NStZ 2004, 9). Hierauf beschränkt sich indes das Anhörungsrecht; eine aktive Mitwirkungs-befugnis des Nichtrevidenten am Revisionsverfahren, auf das er für sich selbst gerade verzichtet hatte, erwächst hieraus nicht, so daß eine Pflichtver-teidigerbestellung für den Nichtrevidenten, bezogen auf die Hauptverhand-lung, ausscheidet. - 17 - Auch bei diesen beiden Angeklagten wird der neue Tatrichter über die etwaige Anwendung des § 370a [X.] neu zu befinden und Einzelstrafen ent-sprechend dem geänderten Schuldspruch zu bestimmen haben.
[X.] Häger [X.]erhardt Brause [X.]

Meta

5 StR 276/04

28.10.2004

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2004, Az. 5 StR 276/04 (REWIS RS 2004, 966)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 966

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