Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.11.2004, Az. 5 StR 220/04

5. Strafsenat | REWIS RS 2004, 548

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5 [X.]/04
BUN[X.]ESGERICHTSHOF IM NAMEN [X.]ES VOLKES URTEIL
vom 24. November 2004 in der Strafsache gegen

1.

2.

3.

4.

wegen Steuerhinterziehung u. a. - 2 - [X.]er 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 24. No-vember 2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende [X.]in [X.],

[X.], [X.]in [X.], [X.] [X.]r. Brause, [X.] [X.]

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin der [X.],

Rechtsanwalt B

als Verteidiger für den Angeklagten [X.]

,
Rechtsanwalt [X.]r. H

als Verteidiger für den Angeklagten [X.],

Rechtsanwalt F

als Verteidiger für den Angeklagten [X.],

Rechtsanwalt S

als Verteidiger für den Angeklagten R F

,
Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 - für Recht erkannt:

1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 4. [X.]ezember 2003

a) in den [X.] dahin abgeändert, daß die Angeklagten der Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung sowie der versuchten Steuerhin-terziehung in 455 Fällen [X.]eils in Tateinheit mit Ur-kundenfälschung schuldig sind,
b) in den [X.] mit den zugehörigen Fest-stellungen aufgehoben. 2. [X.]ie Revision des Angeklagten R [X.] wird [X.]. [X.]ieser Angeklagte trägt die durch sein Rechtsmit-tel entstandenen Kosten.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die insoweit ent-standen Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen.

[X.] Von Rechts wegen [X.]

G r ü n d e
[X.]as [X.] hat die Angeklagten [X.]eils wegen versuchter Steu-erhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig gesprochen - 4 - und gegen die Angeklagten N F , R

[X.] und [X.]eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten sowie gegen den Ange-klagten [X.] eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. [X.]ie [X.] vom [X.] vertretenen [X.] Revisionen der Staatsanwaltschaft führen zu einer Änderung der Schuldsprüche und zur Aufhebung der [X.]. [X.]ie Revision des Angeklagten [X.]

ist unbegründet.
[X.] [X.]as [X.] hat folgende Feststellungen getroffen: [X.]ie Angeklagten wollten ihre schlechte finanzielle Situation durch Er-schleichung von unberechtigten [X.] aufbessern. [X.]er An-geklagte [X.], der aufgrund einer abgebrochenen Ausbildung zum Finanz-beamten steuerrechtliche Kenntnisse hatte, erklärte den übrigen Angeklagten das System der Umsatzsteuervoranmeldungen. [X.]ie Angeklagten verabrede-ten daraufhin, eine große Anzahl von Voranmeldungen an zahlreiche [X.] in [X.] gleichzeitig abzusenden und die von ihnen erwar-teten [X.] untereinander gleichmäßig aufzuteilen. Zur [X.] besorgten sich die Angeklagten zunächst gefälschte [X.]. Anschließend meldeten sich die Angeklagten [X.]

und N

[X.]unter falschen Personalien in [X.] beim [X.] an. —[X.]anach meldeten sie unter Verwendung der falschen Personalien ein Gewerbe an und hängten an zwei unterschiedlichen, für sie fremden Adres-sen [X.]eils einen Briefkasten auf, um mögliche Postsendungen für die einge-richtete Scheinfirma in Empfang nehmen zu [X.] Ferner eröffneten sie unter falschem Namen Konten und besorgten sich mehrere Mobiltelefone, um für etwaige Rückfragen der Finanzämter erreichbar zu sein. Anfang [X.]ezember 2001 trafen sich die Angeklagten [X.]

sowie [X.]und R [X.] in [X.] und füllten in telefonischer Absprache - 5 - mit dem Angeklagten [X.]insgesamt 456 Antragsformulare mit frei erfunde-nen Umsätzen und Vorsteuern aus, die sie [X.]eils mit einem falschen Na-men unterschrieben. Anschließend übersandten sie die Voranmeldungen zusammen mit einem formlosen Anschreiben und einer Anzeige der Be-triebsaufnahme an die entsprechenden [X.]. Aufgrund der Vielzahl von Anträgen mußten die Angeklagten in der Tatnacht zwei Fahrten zu einem Postbriefkasten in [X.]-Kreuzberg unternehmen, um die Briefe abzusenden. [X.]ie Summe der beantragten [X.] belief sich auf sieben Millionen [X.]M.
[X.]ie Anträge gingen bei den Finanzämtern zwischen dem 12. [X.]ezem-ber und dem 17. [X.]ezember 2001 ein. Zu einer Auszahlung der beantragten Erstattung kam es jedoch nur in einem Fall. [X.]en Betrag von 15.713 [X.]M konnten die Angeklagten allerdings nicht abheben, da die Staatsanwaltschaft bereits vor Eingang des Geldes das Konto gepfändet hatte. [X.]as [X.] ist der Auffassung, das Geschehen sei als eine Tat im Sinne natürlicher Handlungseinheit zu werten, da sämtliche Anträge in einer Nacht zur Post gebracht worden seien.
I[X.] [X.]ie Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet. [X.]ie rechtliche Würdigung des [X.], der festgestellte Sachverhalt sei als eine ver-suchte Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu werten, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Zutreffend geht das [X.] allerdings davon aus, daß Fälle, in denen für Scheinfirmen ohne Bezug auf reale Vorgänge fingierte Umsätze angemeldet und [X.] begehrt werden, als Steuerhinterzie-hung und nicht als Betrug zu beurteilen sind (vgl. [X.]St 40, 109; [X.], 309, 310). - 6 - Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen haben sich die Angeklagten jedoch wegen (vollendeter) Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung sowie wegen versuchter Steuerhinterziehung in 455 Fällen [X.]eils in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig gemacht. Bei der Beurteilung des [X.] von Steuerstraftaten gilt nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] folgendes: [X.]ie Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. Von [X.] ist also dann auszugehen, wenn die abgegebenen Steuererklärungen verschiedene Steuerarten, verschiedene Besteuerungszeiträume oder verschiedene Steu-erpflichtige betreffen. Ausnahmsweise kann Tateinheit vorliegen, wenn die Hinterziehungen durch dieselbe Erklärung bewirkt werden oder wenn mehre-re Steuererklärungen durch eine körperliche Handlung gleichzeitig abgege-ben werden. Entscheidend dabei ist, daß die Abgabe der Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammenfällt und überdies in den Erklärungen über-einstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthal-ten sind (vgl. [X.]St 33, 163; [X.], Urteil vom 28. Oktober 2004 [X.] 5 StR 276/04; [X.]. m.w.Nachw.).
[X.] unrichtige Angaben im Sinne dieser Rechtspre-chung können beispielsweise im Verhältnis von [X.] und Umsatzsteuerhinterziehung (vgl. [X.]St 33, 163, 166; [X.] wistra 1996, 62) oder im Verhältnis von Einkommensteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung (vgl. [X.] wistra 1996, 231) vorliegen. In solchen Fällen werden übereinstimmende unrichtige Angaben regelmäßig deshalb abgegeben, weil der Täter sich bei unterschiedlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen in den verschiedenen Steuererklärun-gen, die letztlich [X.]eils denselben Lebenssachverhalt betreffen, einem er-höhten Entdeckungsrisiko aussetzen würde. - 7 - Indes reicht es für die Annahme übereinstimmender unrichtiger Anga-ben nicht aus, wenn der Täter [X.] wie im vorliegenden Fall [X.] gegenüber ver-schiedenen Finanzämtern für vorgetäuschte Unternehmen gleichartige [X.] behauptet. [X.]ie von den Angeklagten in den Um-satzsteuervoranmeldungen gegenüber 456 unterschiedlichen Finanzämtern mitgeteilten falschen Angaben betrafen [X.]eils völlig verschiedene frei erfun-dene Steuerschuldverhältnisse. [X.]ie den einzelnen Voranmeldungen [X.]eils zugrundeliegenden Angaben sollten gerade nicht in die Prüfung der anderen Steuerschuldverhältnisse einfließen, da anderenfalls das strafbare Verhalten (noch) durchschaubarer gewesen wäre. [X.]ies wird auch dadurch deutlich, daß die Angeklagten [X.] in unterschiedlicher Höhe [X.] zwi-schen 15.023,44 [X.]M und 16.153,44 [X.]M [X.] geltend machten.
[X.]er Umstand, daß alle 456 Umsatzsteuervoranmeldungen in [X.] in den gleichen Briefkasten geworfen und zur [X.] wurden, ändert an der konkurrenzrechtlichen Beurteilung im Sinne von [X.] nichts. Insbesondere führt dies nicht zur Annahme von na-türlicher Handlungseinheit.
Soweit in einem Fall die beantragte Vorsteuererstattung durch das Fi-nanzamt ausgezahlt wurde, liegt eine vollendete Steuerhinterziehung vor. Ist [X.] wie bei der Umsatzsteuer [X.] eine Fälligkeitssteuer anzumelden, so kann bereits eine falsche Steueranmeldung zur vollendeten Steuerverkürzung [X.], weil sich eine besondere Steuerfestsetzung erübrigt (§ [X.]); die Steueranmeldung steht dann einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1, § 370 Abs. 4 Satz 1 [X.]). [X.]ies gilt jedoch nicht, wenn [X.] wie hier [X.] die Steueranmeldung zu einer Steuervergütung [X.] soll. In einem solchen Fall gilt nach § 168 Satz 2 [X.] die [X.] erst dann als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Finanzbehörde zustimmt; somit ist die Tat mit der Zustimmung der Finanzbehörde vollendet (vgl. [X.]R [X.] § 370 Abs. 1 Vollendung 2). Von der Zustimmung der Finanzbehörde, die keiner Form bedarf (§ 168 Satz 3 - 8 - [X.]), kann spätestens ausgegangen werden, wenn der Erstattungsbetrag ausgezahlt wird. Im Fall der Auszahlung der beantragten Vorsteuererstattung ändert sich die rechtliche Bewertung als vollendete Steuerhinterziehung auch nicht dadurch, daß die Staatsanwaltschaft das Konto der Angeklagten, auf das die Auszahlung erfolgte, bereits gepfändet hatte, so daß den Angeklag-ten der Zugriff auf den Erstattungsbetrag verwehrt wurde. [X.]er Umstand, daß die Abhebung des Geldes durch das schnelle Eingreifen der [X.] verhindert und die Rückzahlung des Geldes an den Fiskus [X.] werden konnte, ist jedoch bei der Strafzumessung von Bedeutung. [X.]er Senat ändert die Schuldsprüche selbst. [X.]ie Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. [X.]ie Schuldspruchänderungen führen zur Aufhebung der [X.]eils verhängten [X.]. Auf die Einzelbean-standungen der Staatsanwaltschaft gegen die Strafzumessung des Landge-richts kommt es daher nicht mehr an.
- 9 - II[X.] [X.]ie umfassende Nachprüfung des Urteils aufgrund der vom Angeklag-ten [X.] erhobenen Sachrüge hat keinen ihn [X.] Rechtsfehler aufgedeckt.
[X.] Häger Gerhardt Brause [X.]

Meta

5 StR 220/04

24.11.2004

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.11.2004, Az. 5 StR 220/04 (REWIS RS 2004, 548)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 548

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