Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 03.09.2013, Az. 1 BvR 1282/13

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2013, 3067

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Verfassungsrechtliche Bedenken bzgl § 8 Abs 7 S 2 Halbs 1 KAG BB wegen zeitlich unbegrenzter Festsetzbarkeit von Kommunalabgaben - hier: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels Erschöpfung des Hauptsacherechtswegs


Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil [X.] nach § 93a Abs. 2 [X.] nicht vorliegen. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

2

Soweit sie sich gegen den Beitragsbescheid richtet, fehlt es an der Rechts-wegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 Satz 1 [X.]).

3

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die im Eilverfahren ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, da keine selbständige Beschwer durch das Eilverfahren geltend gemacht wird. Mit dem Vorbringen, die Beitragserhebung verletze die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sowie des Rechts auf eine willkürfreie Entscheidung, erhebt die Beschwerdeführerin [X.], die das Hauptsacheverfahren betreffen.

4

Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des [X.] ausnahmsweise vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung in der Hauptsache abgesehen werden kann (vgl. [X.] 70, 180 <186>; 79, 275 <279>; 86, 15 <22 f.>; 104, 65 <71>), liegen hier nicht vor.

5

Der Beschwerdeführerin ist die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zumutbar. Diese ist insbesondere nicht von vornherein aussichtslos. Denn die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen - unter anderem die Fragen der Wirksamkeit der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 und ihrer Vorgängersatzungen - wurden im fachgerichtlichen Eilverfahren nur summarisch geprüft. Die angegriffenen Entscheidungen ergingen zudem noch vor der Veröffentlichung des Beschlusses des [X.] des [X.] vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, S. 1004) mit dem der [X.] eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung im [X.] Kommunalabgabengesetz - [X.] - (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 [X.]) für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit erklärte, weil diese eine zeitlich unbegrenzte Inanspruchnahme der Beitragsschuldner nach Erlangung des Vorteils ermöglichte.

6

Das Kommunalabgabengesetz für das [X.] - [X.] - enthält zwar keine dem Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 [X.] vergleichbare Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung. § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] fordert allerdings für das Entstehen der Beitragspflicht neben dem Eintritt der [X.] das Inkrafttreten einer "rechtswirksamen" Satzung, die nicht bereits zum Zeitpunkt des Entstehens der [X.] in [X.] sein muss; sie kann vielmehr nach § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] einen späteren Zeitpunkt für das Entstehen der Beitragspflicht bestimmen.

7

Diese Regelung ermöglicht ebenfalls eine zeitlich unbegrenzte Festsetzung von Beiträgen nach Erlangung des Vorteils und begegnet deshalb im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bedarf allerdings zunächst der Klärung im Hauptsacheverfahren, wie den Maßgaben des [X.] vom 5. März 2013 Rechnung getragen werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Mai 2013 - 9 S 75.12 -, juris, Rn. 29 a.E.). Ein schwerer, unabwendbarer Nachteil der Beschwerdeführerin durch Verweisung auf den Rechtsweg in der Hauptsache, der ihr nicht zugemutet werden könnte (vgl. [X.] 70, 180 <186>; 104, 65 <71>), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1282/13

03.09.2013

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 2. April 2013, Az: OVG 9 S 80.12, Beschluss

Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 8 Abs 7 S 2 Halbs 1 KAG BB

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 03.09.2013, Az. 1 BvR 1282/13 (REWIS RS 2013, 3067)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3067

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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