Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.09.2022, Az. XI ZB 14/22

11. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 5306

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ANWALTSBERUF FRIST BESONDERES ELEKTRONISCHES ANWALTSPOSTFACH (BEA) ANWALTSHAFTUNG

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Gegenstand

Besonderes elektronisches Anwaltspostfach: Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes


Leitsatz

Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes (hier: Berufungsbegründung) über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erfordert die Kontrolle, ob sich die erhaltene automatisierte Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO auf die Datei mit dem betreffenden Schriftsatz bezieht.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] vom 23. März 2022 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert beträgt 250.000 €.

Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt nach der Zwangsversteigerung ihrer Immobilie, die auf Betreiben der [X.] durchgeführt wurde, von letzterer die Zahlung von Schadensersatz. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin am 13. Oktober 2021 zugestellt worden. Hiergegen hat sie am 13. November 2021 Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist am 13. Januar 2022 abgelaufen.

2

Am 13. Januar 2022 ist aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (nachfolgend: [X.]) des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei dem Berufungsgericht eine Nachricht eingegangen, der kein pdf-Dokument als Anhang beigefügt war. Am 14. Januar 2022 ist eine elektronische Nachricht aus [X.] des Klägervertreters mit der Berufungsbegründung vom 13. Januar 2022 (Dateiname: "Scan 0178.pdf") als Anhang bei dem Berufungsgericht eingegangen.

3

Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts auf den verspäteten Eingang der Berufungsbegründung hat die Klägerin mit am 2. Februar 2022 eingegangenem Schriftsatz behauptet, die Berufungsbegründung sei am 13. Januar 2022 an das Berufungsgericht übermittelt worden, und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, ihr Prozessbevollmächtigter habe am 13. Januar 2022 anhand der Angaben am Ende des [X.] unter der Überschrift "Zusammenfassung Prüfprotokoll" zu [X.], [X.] und Status überprüft, dass die Übermittlung erfolgreich gewesen sei.

4

Mit dem angefochtenen Beschluss ([X.], Beschluss vom 23. März 2022 - 5 U 8161/21, juris) hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung nicht vor Ablauf des 13. Januar 2022 eingereicht worden sei und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist nicht vorlägen. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] genüge ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle bei der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax nur dann, wenn er anhand des [X.] überprüfe oder durch eine zuverlässige Kanzleikraft überprüfen lasse, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Gleiches gelte für die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per [X.] an das Gericht. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordere dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt worden sei. Diese Eingangsbestätigung beziehe sich nicht auf die elektronische [X.]-Nachricht, sondern auf das elektronische Dokument im Sinne von § 130a Abs. 1 ZPO, also etwa einen Schriftsatz und seine Anlagen. Hier bestätige das von dem Kläger für den 13. Januar 2022 vorgelegte Prüfprotokoll nur den Eingang der Nachricht und gerade nicht den Eingang der Berufungsbegründung beim Berufungsgericht, weil darin kein Anhang mit der Bezeichnung "Scan 0178.pdf" aufgeführt sei. Daher hätte der Klägervertreter Zweifel am Eingang der Berufungsbegründung haben müssen, wenn er anhand des Prüfprotokolls kontrolliert hätte, ob seiner elektronischen Nachricht, deren Eingang bestätigt worden sei, die Datei mit der Berufungsbegründung angehängt gewesen sei und ob diese ebenfalls bei Gericht eingegangen sei. Da die Anwaltschaft seit jeher angehalten sei, zu prüfen oder prüfen zu lassen, ob elektronisch versandte Schriftsätze komplett angekommen seien, sei das Fristversäumnis verschuldet und könne nicht damit entschuldigt werden, dass die aktive Nutzungspflicht für das [X.] erst seit dem 1. Januar 2022 bestehe.

5

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (Senatsbeschluss vom 9. November 2004 - [X.], [X.], 86, 87 mwN), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des [X.] weder zur Rechtsfortbildung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 und 2 ZPO) erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht vielmehr in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und verletzt nicht den Anspruch der Klägerin auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu Recht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Denn die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beruht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

7

1. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per [X.] entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den [X.] zu überprüfen. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt wurde. Die Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der [X.] erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen ([X.], Beschlüsse vom 11. Mai 2021 - [X.], [X.], 2201 Rn. 21 ff., 46 ff., vom 29. September 2021 - [X.], [X.], 3471 Rn. 12 und vom 24. Mai 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 1069 Rn. 10 f.; [X.], Beschluss vom 7. August 2019 - 5 [X.] 16/19, [X.]E 167, 221 Rn. 20).

8

Daher darf von einer erfolgreichen Übermittlung eines Schriftsatzes an das Gericht nicht ausgegangen werden, wenn in der Eingangsbestätigung in der Nachrichtenansicht der [X.]-Webanwendung oder in der [X.] in dem Abschnitt "Zusammenfassung Prüfprotokoll" nicht als Meldetext "request executed" und als [X.] "erfolgreich" angezeigt wird (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. Mai 2021 - [X.], [X.], 2201 Rn. 33, 50 f., vom 8. März 2022 - [X.], [X.], 989 Rn. 13 f. und vom 24. Mai 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 1069 Rn. 11 f.).

9

Allerdings ist für das Vorliegen einer Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO auch erforderlich, dass gerade der Eingang des elektronischen Dokuments im Sinne von § 130a Abs. 1 ZPO, das übermittelt werden sollte, hier also der Berufungsbegründung, bestätigt wird. Die Bestätigung der Versendung irgendeiner Nachricht oder irgendeines Schriftsatzes genügt nicht. Dementsprechend hat der [X.] in Bezug auf die abendliche Ausgangskontrolle des elektronischen Postfachs bereits entschieden, dass es jedenfalls nicht genügt, dass die Feststellung der Versendung irgendeines Schriftsatzes mit dem passenden Aktenzeichen erfolgt, sondern anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens auch zu prüfen ist, welcher Art der Schriftsatz war ([X.], Beschluss vom 17. März 2020 - [X.], NJW 2020, 1809 Rn. 16).

Deshalb reicht es nach der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze mittels [X.] für die erforderliche Überprüfung, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Mai 2021 - [X.], [X.], 2201 Rn. 46), nicht aus, die angezeigte Eingangsbestätigung daraufhin zu kontrollieren, ob als Meldetext "request executed" und als [X.] "erfolgreich" angezeigt wird. Vielmehr ist anhand des zuvor vergebenen Dateinamens auch zu prüfen, ob sich diese Meldung auf die Datei mit dem Schriftsatz bezieht, dessen Übermittlung erfolgen sollte (vgl. [X.], NJW 2020, 604 Rn. 8; [X.], [X.], 2665 Rn. 8). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist diese Kontrolle nicht nur anhand der Angaben in dem Abschnitt "Zusammenfassung und Struktur", Unterpunkt "Inhaltsdatencontainer", des [X.] möglich. Denn die übersandten Dateien sind sowohl in der Nachrichtenansicht der [X.]-Webanwendung als auch in der [X.] (dort unter der Überschrift "Anhänge") mit "Dateiname", "Bezeichnung", "[X.]" und "Größe" jeweils oberhalb des [X.] aufgeführt (vgl. [X.]; BRAK [X.]-Newsletter 31/2019, "Wo findet man Eingangsbestätigung, Prüf- und Übermittlungsprotokoll?", abrufbar über das [X.]-Newsletter Archiv unter [X.]/; zuletzt abgerufen am 20. September 2022; [X.]/[X.], 2. Aufl., § 130a ZPO (Stand: 1. September 2022) Rn. 339 ff., 412, 423 ff.; [X.], Beschlüsse vom 8. März 2022 - [X.], [X.], 989 Rn. 12 f. und vom 24. Mai 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 1069 Rn. 11).

2. Die nach dieser Rechtsprechung geforderten Sorgfaltspflichten, von denen auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht erfüllt. Denn nach deren eigenem Vortrag hat er das vom Berufungsgericht erhaltene Prüfprotokoll am 13. Januar 2022 nur hinsichtlich der Angaben in dem Abschnitt "Zusammenfassung Prüfprotokoll" überprüft, nicht aber im Hinblick auf die mit der Nachricht übermittelten Anhänge.

3. Das Unterlassen dieser gebotenen Kontrolle kann als Ursache für die Fristversäumnis nicht ausgeschlossen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2020 - [X.], juris Rn. 12 mwN). Hätte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch die Liste der übermittelten Anhänge kontrolliert, wäre ihm bereits am 13. Januar 2022 aufgefallen, dass nur der Eingang der Datei "xjustiz nachricht.xml" (ohne Bezeichnung, [X.] "Strukturdatensatz") bestätigt worden ist, während die Berufungsbegründung mit dem Dateinamen "Scan 0178.pdf" nicht erwähnt wird und damit hinsichtlich dieses Schriftsatzes keine Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt worden ist. Dann hätte er noch am gleichen Tag, gegebenenfalls mit Unterstützung des nach dem Vortrag der Klägerin bis 20 Uhr erreichbaren [X.]-Supports, einen erneuten Versuch der Übertragung vornehmen können (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Mai 2021 - [X.], [X.], 2201 Rn. 54).

III.

Da die Rechtsbeschwerde der Klägerin unzulässig ist, ist ihr Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.

[X.]     

      

Grüneberg     

      

[X.]

      

Derstadt     

      

Ettl     

      

Meta

XI ZB 14/22

20.09.2022

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 23. März 2022, Az: 5 U 8161/21, Beschluss

§ 85 Abs 2 ZPO, § 130a Abs 5 S 2 ZPO, § 233 ZPO, § 574 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.09.2022, Az. XI ZB 14/22 (REWIS RS 2022, 5306)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5306 WM 2022, 2020 REWIS RS 2022, 5306 MDR 2022, 1361-1362 REWIS RS 2022, 5306 NJW 2022, 3715 REWIS RS 2022, 5306 MDR 2023, 85-87 REWIS RS 2022, 5306


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 5 U 8161/21

OLG München, 5 U 8161/21, 23.03.2022.


Az. XI ZB 14/22

Bundesgerichtshof, XI ZB 14/22, 20.09.2022.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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