Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.04.2023, Az. IV ZR 300/22

4. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 2935

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Gegenstand

Pflicht zur Angabe eines EU-Versicherers der Nicht-Zugehörigkeit zum Sicherungsfonds


Leitsatz

Ein Lebensversicherer mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum musste in der Verbraucherinformation gemäß Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG a.F.) nicht angeben, dass er dem deutschen Sicherungsfonds für die Lebensversicherung im Sinne von § 124 VAG a.F. nicht angehörte.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 21. Juli 2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 30.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

[X.]er Kläger begehrt von der [X.], einem Versicherer mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der [X.], Rückzahlungs- und Nutzungsersatz aus ungerechtfertigter Bereicherung im Hinblick auf einen fondsgebundenen [X.] (sogenannte Performancemaster Rente).

2

[X.]er Versicherungsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der [X.] wurde aufgrund eines Antrags des [X.] mit Versicherungsbeginn zum 1. [X.]ezember 2006 und monatlichen Prämien von 100 € über einen Zeitraum von 23 Jahren nach dem sogenannten [X.] des § 5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a [X.] a.F.) geschlossen. [X.]er Kläger erhielt den Versicherungsschein und die Broschüre "Verbraucherinformation und Versicherungsbedingungen" sowie ein Begleitschreiben zugesandt. In der Folgezeit zahlte er die Versicherungsbeiträge. Auf dem [X.]eckblatt der Broschüre befand sich in Fettdruck eine Belehrung über das Widerspruchsrecht, die auszugsweise lautet:

"… Als Teil Ihrer Vertragsunterlagen übersenden wir Ihnen anbei die folgenden [X.]okumente für Ihren Versicherungsvertrag:

- Verbraucherinformation

- Versicherungsbedingungen

- Versicherungsschein

Bei diesen Unterlagen handelt es sich um wichtige [X.]okumente …

Nach § 5a [X.] können Sie diesem Versicherungsvertrag innerhalb von 30 Tagen nach Zugang dieses Schreibens und der beigefügten Unterlagen in Textform im Sinne von § 126b BGB widersprechen (z.B. durch Brief, Fax oder E-Mail).

Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. …"

3

Mit Schreiben vom 19. August 2020 erklärte der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. [X.]ie Beklagte wies den Widerspruch zurück.

4

[X.]er Kläger meint, die Widerspruchsfrist nach § 5a [X.] a.F. sei wegen formaler und inhaltlicher Mängel der Widerspruchsbelehrung sowie der Unvollständigkeit der Verbraucherinformation nicht in Gang gesetzt worden. [X.]ie Verbraucherinformation habe keine Angaben über die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche von Versicherten (Sicherungsfonds) enthalten. [X.]ie Verpflichtung des Versicherers nach Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil [X.] zum Versicherungsaufsichtsgesetz in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: [X.]) umfasse auch die Mitteilung, keinem Sicherungsfonds anzugehören. Außerdem fehlten die nach Abschnitt I Nr. 2 Buchst. a) der Anlage Teil [X.] zum [X.] erforderlichen Angaben über die "für die Überschussermittlung und Überschussbeteiligung geltenden Berechnungsgrundsätze und Maßstäbe". Schließlich fehle es an der Angabe zum Umfang der Leistung des Versicherers nach Abschnitt I Nr. 1 Buchst. c) der Anlage Teil [X.] zum [X.]

5

[X.]er Kläger verlangt von der [X.] im Wege der Stufenklage auf der ersten Stufe Auskunft zur Berechnung des Rückabwicklungsanspruchs über in Abzug gebrachte Kosten, die Höhe der tatsächlich investierten Sparanteile und der regulatorischen Rendite der [X.] sowie die Feststellung des Nichtzustandekommens des Versicherungsvertrages und der Verpflichtung der [X.] zur Herausgabe der [X.] empfangenen Beiträge und damit gezogenen Nutzungen, hilfsweise die Feststellung, dass sich der Lebensversicherungsvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat. [X.]es Weiteren beantragt er auf der zweiten Stufe, die Beklagte insbesondere zur Zahlung in Höhe des sich aus den begehrten Auskünften ergebenden Rückgewährsaldos nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen.

6

[X.]as [X.] hat die Klage abgewiesen und das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

[X.]ie Revision hat keinen Erfolg.

8

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Widerspruch des [X.] verfristet. [X.]ie Beklagte habe ihn auf dem [X.]eckblatt der Broschüre "Verbraucherinformation und Versicherungsbedingungen" ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht nach § 5a [X.] belehrt. [X.]ie Belehrung sei ausreichend drucktechnisch hervorgehoben und inhaltlich nicht zu beanstanden. [X.]er Kläger habe auch die erforderliche Verbraucherinformation nach Anlage Teil [X.] zu § 10a [X.] erhalten. [X.]ie fehlende Angabe dazu, dass die Beklagte nicht einem Sicherungsfonds im Sinne von Abschnitt I Ziff. 1 Buchst. i) der Anlage Teil [X.] zu § 10a [X.] angehöre, führe nicht dazu, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen habe. [X.]ie Norm beziehe sich nur auf die Zugehörigkeit zu einem [X.] Sicherungsfonds, dem die Beklagte nicht angehöre; ein Negativattest werde nicht verlangt. Soweit die Beklagte Garantien gewähre, habe sie hierüber in ihren Versicherungsbedingungen in einer den Anforderungen von Abschnitt I Ziff. 1 Buchst. c) der Anlage Teil [X.] zu § 10a [X.] genügenden Weise Angaben zu deren Voraussetzungen gemacht. [X.]ie danach zu erteilenden Informationen ständen ausdrücklich unter der Einschränkung "sofern keine allgemeinen Versicherungsbedingungen oder Tarifbestimmungen verwendet werden". Soweit der Kläger beanstande, die Angaben zur Überschussermittlung und -beteiligung seien intransparent, folge - selbst wenn dies unterstellt würde - daraus kein Widerspruchsrecht. Eine etwaige Unvollständigkeit sei nicht mit dem Fehlen der entsprechenden Verbraucherinformation gleichzusetzen. Auf die Frage, ob ein Rentenfaktor anzugeben sei, komme es daher nicht an. [X.]er Hinweis, dass nichts garantiert werden könne, genüge zur Aufklärung voll und ganz.

9

II. [X.]as hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Es kann dahinstehen, ob - wie die Revisionserwiderung meint - die Revision durch das Berufungsgericht nur beschränkt auf den Vorwurf einer fehlerhaften Angabe zum Sicherungsfonds zugelassen worden und hinsichtlich der formalen und inhaltlichen Anforderungen an die Formulierung der [X.] und der geforderten Angaben über die für die Überschussermittlung und -beteiligung geltenden Berechnungsgrundsätze unstatthaft ist.

2. [X.]ie Revision ist jedenfalls insgesamt unbegründet. [X.]er Kläger konnte den Widerspruch im [X.] nicht mehr wirksam erklären.

a) [X.]er Beginn der hier maßgeblichen, in § 5a Abs. 1 Satz 2 [X.] bestimmten 30-tägigen Widerspruchsfrist setzt gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] voraus, dass dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [X.], darunter die Verbraucherinformation nach § 10a [X.], vollständig vorliegen und er ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist. Beide Voraussetzungen sind erfüllt.

[X.]) Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die dem Kläger erteilte [X.] als formal und inhaltlich ordnungsgemäß angesehen hat.

Ob im Einzelfall eine [X.] den Anforderungen an die drucktechnisch deutliche Form im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] entspricht, hat, wie die Revision nicht verkennt, der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Eine höchstrichterliche Klärung, ob einzelne Belehrungen formal und inhaltlich ordnungsgemäß sind, ist nicht geboten (vgl. Senatsbeschluss vom 25. November 2020 - [X.], NJW-RR 2021, 487 Rn. 17 m.w.[X.]; st. Rspr.).

(1) [X.]as Berufungsgericht hat im Streitfall die Belehrung, die auf dem [X.]eckblatt der Broschüre "Verbraucherinformation und Versicherungsbedingungen" vollständig in Fettdruck an zentraler, auffälliger Stelle abgedruckt ist, für ausreichend drucktechnisch hervorgehoben angesehen. [X.]iese tatrichterliche Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. auch Senatsurteil vom 14. Oktober 2015 - [X.], [X.], 598 Rn. 11). [X.]ie Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, dass die Belehrung, soweit sie über die eigentliche [X.] hinaus zusätzlichen Text enthält, dadurch nicht entwertet wird und auch nicht im Kontext der übrigen Hinweise untergeht, denn der übrige lediglich aus drei Sätzen bestehende Text ist kurz und enthält keine anderen Informationen, sondern verdeutlicht nur, welche konkreten Unterlagen vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt wird.

(2) Nicht zu beanstanden ist die tatrichterliche Würdigung auch, soweit das Berufungsgericht der Ansicht war, dass die formal und auch im Übrigen inhaltlich den Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] genügende Belehrung auf dem [X.]eckblatt, deren inhaltliche Richtigkeit die Revision zu Recht nicht rügt, nicht durch die [X.]en im Antragsformular und dem Übersendungsschreiben entkräftet wird. Wenn eine von mehreren [X.]en insgesamt ordnungsgemäß war, kommt es nach der Rechtsprechung des Senats darauf an, ob der Versicherungsnehmer durch eine weitere - formal oder inhaltlich nicht ordnungsgemäße - [X.] irregeführt oder von einem rechtzeitigen Widerspruch abgehalten wird (Senatsbeschluss vom 30. Juli 2015 - [X.], [X.], 66, Rn. 12; Senatsurteil vom 16. [X.]ezember 2015 - [X.], juris Rn. 11). [X.]as Berufungsgericht hat revisionsrechtlich beanstandungsfrei festgestellt, dass dies hier nicht der Fall ist. Soweit im Antragsformular der Hinweis auf die einzuhaltende Form der Widerspruchserklärung fehlte, konnte der Kläger hierdurch keine Fehlvorstellungen entwickeln. [X.]ie Belehrung im Antragsformular war - wie die Revisionserwiderung zu Recht anmerkt - ohnehin nicht die maßgebliche, weil der Vertragsschluss hier im [X.] erfolgte und damit die Belehrung über das Widerspruchsrecht bei Aushändigung des Versicherungsscheins zu erfolgen hatte (§ 5a Abs. 2 Satz 1 [X.]). [X.]ie Beklagte hat im Antragsformular am Ende der dortigen [X.] auch ausdrücklich erklärt, dass der Versicherungsnehmer bei Überlassung seiner Versicherungsunterlagen auf das Widerspruchsrecht nochmals hingewiesen wird (vgl. auch Senatsurteil vom 29. Juli 2015 - [X.], juris Rn. 11). Soweit im Übersendungsschreiben der Hinweis auf die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs fehlte, handelt es sich lediglich um eine unerhebliche Unvollständigkeit, die angesichts der vollständigen und inhaltlich richtigen Belehrung auf dem nachfolgenden [X.]eckblatt nicht in der Lage ist, den Versicherungsnehmer von einem rechtzeitigen Widerspruch abzuhalten.

[X.]) Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass der ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrte Kläger den Widerspruch nicht wegen Unvollständigkeit der Verbraucherinformation noch im [X.] wirksam erklären konnte.

(1) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich ein fortbestehendes Widerspruchsrecht des [X.] nicht daraus, dass in der ihm von der [X.] erteilten Verbraucherinformation Angaben über die Zugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds fehlten. Zwar musste die vor Abschluss von Versicherungsverträgen nach § 10a Abs. 1 [X.] vom Versicherungsunternehmen zu erteilende Verbraucherinformation gemäß Abschnitt [X.]. i) der Anlage Teil [X.] zum [X.] "Angaben über die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche von Versicherten (Sicherungsfonds)" enthalten. Ein Lebensversicherer, der - wie die Beklagte - bereits vor Vertragsschluss seinen Sitz in einem anderen Mitgliedsst[X.]t der [X.] oder einem Vertragsst[X.]t des Abkommens über den [X.] hatte, musste aber in der Verbraucherinformation nicht angeben, dass er einem Sicherungsfonds nicht angehörte (vgl. auch [X.], [X.], 26 Rn. 31 ff.; [X.], Urteil vom 21. Juni 2021 - 12 U 157/20, juris Rn. 55 ff.).

(a) Nach § 124 Abs. 1 [X.] (in der Fassung vom 15. [X.]ezember 2004, [X.] I 3416, in [X.] getreten am 21. [X.]ezember 2004) mussten alle Lebensversicherer einem Sicherungsfonds angehören, der dem Schutz der Ansprüche ihrer Versicherungsnehmer, der versicherten Personen, Bezugsberechtigten und sonstiger aus dem Versicherungsvertrag begünstigter Personen diente. Allerdings konnten Lebensversicherer, die - wie die Beklagte - aufgrund einer im [X.]-/EWR-Ausland erteilten Zulassung im Rahmen der Niederlassungsfreiheit in der Bundesrepublik [X.]eutschland tätig sind, weder Pflichtmitglieder des [X.] nach § 124 Abs. 1 [X.] sein noch dem Sicherungsfonds entsprechend § 124 Abs. 2 [X.] freiwillig beitreten (vgl. [X.], 246 [juris Rn. 21 ff.]).

(b) [X.]ementsprechend brauchten solche Lebensversicherer in der Verbraucherinformation nicht anzugeben, dass sie dem Sicherungsfonds im Sinne des § 124 Abs. 1 [X.] nicht angehörten. Eine derartige "negative" Informationspflicht lässt sich nicht aus Abschnitt [X.]. i) der Anlage Teil [X.] zum [X.] entnehmen.

([X.]) Schon der Wortlaut der Bestimmung spricht dagegen, dass der Versicherungsnehmer auch über die fehlende Zugehörigkeit des Versicherers zu einem Sicherungsfonds zu informieren war. [X.]er Versicherer hatte in der Verbraucherinformation nicht etwa mitzuteilen, ob er einem Sicherungsfonds angehörte oder nicht. Vielmehr forderte Abschnitt [X.]. i) der Anlage Teil [X.] zum [X.] ausdrücklich nur Angaben über "die Zugehörigkeit" des Versicherers zu einem Sicherungsfonds.

([X.]) [X.]ass einem in einem anderen Mitgliedsst[X.]t der [X.] oder einem Vertragsst[X.]t des Abkommens über den [X.] ansässigen Versicherer keine "[X.]" in Bezug auf den [X.] abverlangt wurde, belegen vor allem die Entstehungsgeschichte und der systematische Zusammenhang der Vorschrift, die der Anlage Teil [X.] Abschnitt [X.] zum [X.] durch Art. 1 Nr. 33 des Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes und anderer Gesetze vom 15. [X.]ezember 2004 ([X.] I 3416) zugleich mit der Verpflichtung zur Einrichtung eines [X.] in den §§ 124 ff. [X.] durch Art. 1 Nr. 27 desselben Gesetzes angefügt wurde. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich deutlich, dass es dem Gesetzgeber nur um eine die §§ 124 ff. [X.] flankierende Informationspflicht ging. [X.]eren Zweck sollte darin bestehen, eine "Information der Versicherten über die ihnen zustehenden Rechte" zu gewährleisten (BT-[X.]rucks. 15/3418 [X.]. [X.]). Eine Information über die den Versicherten und den übrigen durch den neu geschaffenen Sicherungsfonds geschützten Personen zustehenden Rechte - durch Weiterführung der Verträge des betroffenen Versicherungsunternehmens (vgl. §§ 125, 126 Abs. 2 [X.]) - ergab nur dann Sinn, wenn der Versicherer dem Sicherungsfonds überhaupt angehören konnte. [X.]a den Versicherungsnehmern gegenüber sogenannten [X.]-/EWR-Versicherungsunternehmen keine Rechte aus dem Sicherungsfonds im Sinne der §§ 124 ff. [X.] zustehen konnten, war eine darauf bezogene Verbraucherinformation schon deshalb entbehrlich.

(2) [X.]ie Verbraucherinformation der [X.] war auch nicht aus anderen, von der Revision geltend gemachten Gründen unvollständig.

(a) Entgegen der Ansicht der Revision entsprechen die Angaben der [X.] zur Überschussermittlung und -beteiligung den Vorgaben nach Abschnitt I Nr. 2 Buchst. a) der Anlage Teil [X.] zu § 10a zum [X.] [X.]anach gehören zur Verbraucherinformation "Angaben über die für die Überschussermittlung und Überschussbeteiligung geltenden Berechnungsgrundsätze und Maßstäbe". Hier wird in den Versicherungsbedingungen der [X.] bereits in Ziff. 1.1 Satz 1 darauf hingewiesen, dass die [X.] eine fondsgebundene aufgeschobene Rentenversicherung ist. Unter Ziff. 4 wird erläutert, wie "der Vertrag während der [X.] an der Wertentwicklung von Fonds beteiligt" ist. In Ziff. 4.7 "Bewertung der Fonds" ist unter Ziff. 4.7.1 Satz 1 ausgeführt, dass die Höhe des Fondsguthabens grundsätzlich nicht garantiert werden kann, da die Entwicklung der den Fonds zugrunde liegenden Vermögenswerte nicht vorauszusehen ist. In Ziff. 4.7.1 Satz 2 und 3 wird ergänzend angemerkt, dass der Versicherungsnehmer die Chance hat, bei Kurssteigerungen der zugrunde liegenden Vermögenswerte einen Wertzuwachs zu erzielen, bei Kursrückgängen er aber auch das Risiko der Wertminderung trägt, was unmittelbare Auswirkungen auf die zu zahlende Renten- und Todesfallleistung hat. In Ziff. 4.7.2 ist ausdrücklich vermerkt, dass eine Überschussbeteiligung darüber hinaus nicht vorgesehen ist. In den folgenden Ziffern wird erläutert, wie die Feststellung der Höchst- und Mindestwerte des jeweiligen Fonds erfolgt. In Ziff. 7 finden sich Ausführungen zu den Regelungen für die Rentenzahlungen und das Kapitalwahlrecht, wobei in Ziff. 7.1.1 Satz 3 auf "Anhang 2 zu diesen Versicherungsbedingungen" verwiesen wird, der die "zurzeit verfügbaren Rentenauszahlungsverfahren" beschreibt. [X.]ort werden unter Ziff. 1 die beiden angebotenen Garantieoptionen erklärt und unter Ziff. 2 das Bonussystem. Unter Ziff. 2.1.1 wird angemerkt, dass alle zusätzliche Zahlungen, darunter Boni, von der Wertentwicklung des [X.] abhängig sind, dem der Vertrag zugeordnet ist.

Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht ersichtlich, dass in Anbetracht der Schwierigkeiten von genauen Angaben in diesem Bereich mehr vom Versicherer verlangt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2001 - [X.]/00, [X.], 354 [juris Rn. 56 f.]).

Soweit der Senat mit Urteil vom 11. Juli 2012 ([X.], [X.], 39 Rn. 52 ff., 55 ff.) eine [X.] im Rahmen einer vergleichbaren Verbraucherinformation der Rechtsvorgängerin der [X.] angenommen hat, worauf die Revision verweist, betraf das Verfahren nicht ein Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers und in dem Zusammenhang die Frage der Vollständigkeit der Angaben nach § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. Abschnitt I Nr. 2 Buchst. a) der Anlage Teil [X.] zum [X.], sondern Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers wegen Nichterfüllung von Aufklärungspflichten des Versicherers bei einer sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft darstellenden kapitalbildenden Lebensversicherung.

In der Sache geht es dem Kläger hier auch nicht um fehlende Angaben in der Verbraucherinformation, sondern - wie das Berufungsgericht zutreffend angemerkt hat - um eine mangelnde Transparenz der Angaben in den Versicherungsbedingungen, was deutlich wird, wenn gerügt wird, dass es für den Kläger vollkommen unklar bleibe, ob er, insbesondere im Rahmen der Rentenphase, beispielsweise am Kosten- oder Risikoergebnis neben dem Kapitalanlageergebnis beteiligt wird und wie solche Gewinne/Überschüsse in diesem Bereich entstehen können. Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist die Unwirksamkeit von Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Unvollständigkeit der Unterlagen im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] aber nicht gleichzusetzen, auch wenn die Unwirksamkeit auf einem Verstoß gegen das Transparenzgebot beruht (Senatsurteil vom 26. September 2007 - [X.], [X.], 1547 [juris Rn. 9]). Gleichfalls entspricht es ständiger Senatsrechtsprechung, dass ein etwaiger Transparenzmangel in einer Verbraucherinformation kein Widerspruchsrecht nach § 5a [X.] begründet (vgl. Senatsurteil vom 11. [X.]ezember 2019 - [X.], [X.], 141 Rn. 25 m.w.[X.]).

(b) Schließlich hat die Beklagte entgegen der Ansicht der Revision die Angaben nach Abschnitt [X.]. c) der Anlage Teil [X.] zum [X.] im gebotenen Maße erteilt. [X.]anach waren "Angaben über Art, Umfang und Fälligkeit der Leistung des Versicherers" erforderlich, "sofern keine allgemeinen Versicherungsbedingungen oder Tarifbestimmungen verwendet werden". [X.]ie Beklagte hat - wie das Berufungsgericht zu Recht festgestellt hat - im Streitfall die Informationen in ihren Versicherungsbedingungen für die [X.] in den Ziff. 4.7.1, 4.7.2 und in Ziff. 7 i.V.m. den dazugehörigen Anlagen 1 und 2 erteilt. In den Ziff. 5 und 6 der Versicherungsbedingungen finden sich außerdem Regelungen zum Versicherungsschutz und zum Rentenbeginn. Insbesondere in Ziff. 7 werden Art und Umfang der Leistung des Versicherers dargestellt. Entgegen der Rüge des [X.] enthält Ziff. 7.1.4 keine Erklärung, "dass es einen garantierten Rentenfaktor gebe". Wörtlich heißt es dort in Abs. 1 auszugsweise vielmehr:

"Um dem Versicherungsnehmer ein Beispiel für die Berechnung der Rentenleistungen und der damit verbundenen Garantie zu geben, wird ihm eine Modellrechnung zusammen mit dem Versicherungsschein zur Verfügung gestellt. [X.]ie Modellrechnung enthält einen garantierten Umrechnungsfaktor, der unter den in diesem Abschnitt beschriebenen Bedingungen als Mindest-Umrechnungsfaktor zu Rentenbeginn angewendet wird. …".

[X.]ie Beklagte hat damit ersichtlich nur den Rentenfaktor dargestellt, der als Mindestumrechnungsfaktor zum Rentenbeginn verwendet wird. Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe den Vortrag des [X.] gehörsverletzend (Art. 103 Abs. 1 GG) in [X.] nicht erfasst, stellt dies nur den Versuch dar, die Ausführungen des Berufungsgerichts zu relativieren durch eine im Revisionsverfahren unerhebliche abweichende eigene Sachverhaltswürdigung. [X.]ass eine Modellrechnung dem Versicherungsschein nicht beigefügt war, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht unstreitig, sondern wird erstmals im Revisionsverfahren behauptet. Eine [X.] scheitert daher schon am Subsidiaritätsgrundsatz.

b) [X.]) [X.]ie Frage, ob das [X.] mit den [X.] der [X.] unvereinbar ist, ist hier nicht entscheidungserheblich. Auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des [X.]s ist es dem ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer nach [X.] und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger [X.]urchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben: Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - [X.], [X.], 102 Rn. 32-42; [X.], 693 Rn. 42 ff.; Beschluss vom 4. März 2015 - 1 BvR 3280/14, juris Rn. 30 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom 10. Juni 2015 - [X.], [X.], 876 Rn. 12-14).

[X.]) Auch im Streitfall ist zum Einwand von [X.] und Glauben eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nicht erforderlich. [X.]ie Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von [X.] und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt und die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht in Fällen wie dem vorliegenden in Einklang mit dieser Rechtsprechung. [X.]ie Anwendung auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht und beeinträchtigt hier die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2023 - [X.], r+s 2023, 298 Rn. 28, vom 10. Juni 2015 - [X.], [X.], 876 Rn. 12 ff.; vom 16. Juli 2014 - [X.], [X.], 102 Rn. 42; jeweils m.w.[X.]).

(1) [X.]ie Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürfen, berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. [X.]er Anwendung des Grundsatzes von [X.] und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] berücksichtigen dürfen (vgl. [X.], 693 Rn. 44 m.w.[X.]; Senatsurteil vom 15. Februar 2023 - [X.], r+s 2023, 298 Rn. 29).

(2) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Ausführungen des Gerichtshofs der [X.] zum unionsrechtlichen Grundsatz des Rechtsmissbrauchs in dessen Entscheidung vom 9. September 2021 ([X.] u.a., [X.]/20, [X.]/20 und [X.]/20, [X.]:[X.] = NJW 2022, 40), die zu der Richtlinie 2008/48/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über [X.] und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ([X.] [X.], [X.]; im Folgenden: [X.]) ergangen ist und zudem - ebenfalls anders als im vorliegenden Fall - den nicht ordnungsgemäß belehrten Verbraucher betrifft (vgl. [X.] [X.]O Rn. 113 ff., 119 ff.; vgl. Senatsurteil vom 15. Februar 2023 - [X.], r+s 2023, 298 Rn. 30).

Für den Bereich der Lebensversicherungen hat der Gerichtshof der [X.] festgestellt, dass die Mitgliedsst[X.]ten die Modalitäten der Ausübung des Rücktrittsrechts und der Mitteilung von Informationen, insbesondere zur Ausübung dieses Rechts, im Einzelnen regeln können, womit naturgemäß Einschränkungen des Rücktrittsrechts einhergehen können. [X.]as gilt sowohl für die Zweite und [X.]ritte Richtlinie Lebensversicherung als auch für die [X.] und die [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 19. [X.]ezember 2019, [X.] u.a., [X.]/18 bis [X.]/18 und [X.]/18, [X.]:[X.] = NJW 2020, 667 Rn. 55, 62 zur [X.] und [X.]ritten Lebensversicherungsrichtlinie; Beschluss vom 28. Mai 2020, [X.] Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit, [X.]/19, [X.]:C:2020:413 = juris Rn. 27 f. zur Richtlinie 2002/83/[X.] und [X.]). [X.]abei müssen die Mitgliedsst[X.]ten dafür sorgen, dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinien gewährleistet ist (vgl. [X.], Urteil vom 19. [X.]ezember 2019 [X.]O Rn. 55, 62).

[X.]iese Rechtsprechung hat der Gerichtshof im [X.] an seine Entscheidung vom 9. September 2021 ([X.] u.a., [X.]/20, [X.]/20 und [X.]/20, [X.]:[X.] = NJW 2022, 40) für die Rechtsfolgen der Nichterfüllung oder der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der in den Richtlinien vorgesehenen vorvertraglichen Mitteilungspflicht sowie in Bezug auf das dort niedergelegte Recht des Versicherungsnehmers auf Rücktritt vom Versicherungsvertrag bestätigt (vgl. Senatsurteil vom 15. Februar 2023 - [X.], r+s 2023, 298 Rn. 32; [X.], Urteil vom 24. Februar 2022, A u.a. [[X.]], [X.]/20 und [X.]/20, [X.]:C:2022:118 = NJW 2022, 1513 Rn. 120, 123 zur Richtlinie 2002/83/[X.]).

[X.]araus folgt, dass es auf den allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts zum Rechtsmissbrauch und dessen Voraussetzungen hier nicht ankommt, sondern ein Rückgriff auf den nationalen Grundsatz von [X.] und Glauben nach § 242 BGB im Bereich der [X.] zulässig ist, soweit die praktische Wirksamkeit der Richtlinien nicht beeinträchtigt wird (vgl. im Einzelnen: Senatsurteil vom 15. Februar 2023 [X.]O Rn. 33 m.w.[X.]).

(3) [X.]ie Anwendung der Grundsätze von [X.] und Glauben beeinträchtigt angesichts der besonderen Umstände des [X.] die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht (vgl. im Einzelnen: Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - [X.], [X.], 102 Rn. 41, 42). Entscheidend ist im Streitfall, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag in Vollzug gesetzt und über viele Jahre durchgeführt hat, obwohl er nach dem geltenden nationalen Recht über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, ordnungsgemäß belehrt wurde.

Mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] steht ebenfalls in Einklang, dass für den im nationalem Recht aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Versicherungsnehmers nicht erforderlich sind (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2023 [X.]O Rn. 39 m.w.[X.] vom 16. Juli 2014 - [X.], [X.], 102 Rn. 37, 42).

Prof. [X.]r. Karczewski     

      

Harsdorf-Gebhardt     

      

[X.]r. Brockmöller

      

[X.]r. Bußmann     

      

[X.]r. Bommel     

      

Meta

IV ZR 300/22

26.04.2023

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 21. Juli 2022, Az: 3 U 325/21

§ 5a VVG vom 02.12.2004, § 10a Abs 1 S 1 VAG vom 03.04.2013, § 124 VAG vom 15.12.2004

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.04.2023, Az. IV ZR 300/22 (REWIS RS 2023, 2935)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2935 NJW 2023, 2274 REWIS RS 2023, 2935

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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