Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.11.2015, Az. III ZB 69/14

3. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 2820

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Gegenstand

Kapitalanleger-Musterverfahren: Musterverfahrensfähigkeit einer positiven Feststellungsklage; Bekanntmachung des Musterverfahrensantrags im Klageregister bei nicht musterverfahrensfähiger Anspruchsbegründung


Leitsatz

1. Nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz in der Fassung vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2182) sind auch positive Feststellungsklagen musterverfahrensfähig.

2. Wird der Klageanspruch sowohl auf eine nicht musterverfahrensfähige als auch auf eine musterverfahrensfähige Begründung gestützt, so hindert dies nicht die Bekanntmachung des Musterverfahrensantrags, wenn und soweit sich dieser auf die musterverfahrensfähige Anspruchsbegründung bezieht.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des [X.] vom 28. Oktober 2014 - 7 Kap 11/14 - wird als unzulässig verworfen.

Streitwert: 1.717,95 €.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt im Ausgangsverfahren vor dem [X.] unter dem Vorwurf einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung die Feststellung, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, ihm sämtliche finanzielle Schäden zu ersetzen, die im Abschluss der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds im Jahre 1997 ihre Ursachen haben. Nach dem Vorbringen des Antragstellers ergibt sich die Schadensersatzpflicht der Antragsgegnerin zum einen aus der Beratung unter Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen und irreführenden Emissionsprospekts und zum anderen daraus, dass die Berater der Antragsgegnerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Beteiligung gezielt fehlerhaft geschult worden seien.

2

Im Laufe des Rechtsstreits hat der Antragsteller einen [X.]antrag mit mehreren [X.]n gestellt, die den Emissionsprospekt und die behaupteten Schulungsinhalte betroffen haben. Hierauf hat das [X.] beschlossen, einen Teil des [X.] - hinsichtlich der Feststellungen zum Emissionsprospekt - öffentlich bekannt zu machen, und den Antrag im Übrigen - soweit er sich auf die Schulungsinhalte bezogen hat - als unzulässig verworfen.

3

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses, die Löschung der Bekanntmachung des [X.] im Klageregister und die Wiederaufnahme des Verfahrens durch das [X.] begehrt hat, hat das [X.] verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin sei wegen der Unanfechtbarkeit des angegriffenen [X.] gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-[X.]gesetz vom 19. Oktober 2012, [X.] I S. 2182 - [X.]) unstatthaft. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss über die Bekanntmachung eines [X.] sei nur dann gegeben, wenn der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-[X.]gesetzes nicht eröffnet sei, das [X.] mithin eine Anordnung getroffen habe, für die es keine verfahrensrechtliche Grundlage in diesem Gesetz gebe und sich deshalb die aus § 5 [X.] ergebende Unterbrechung des Ausgangsverfahrens als rechtswidrig erweise. Wenn das Kapitalanleger-[X.]gesetz überhaupt nicht anwendbar sei, könne eine sofortige Beschwerde nicht deshalb unzulässig sein, weil dies in dem nicht anwendbaren Gesetz bestimmt sei. So liege es hier jedoch nicht. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sei der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-[X.]gesetzes auch für eine im Ausgangsverfahren erhobene positive Feststellungsklage eröffnet. Eine Beschränkung der Anwendung dieses Gesetzes auf [X.] ergebe sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus anderen Gesichtspunkten.

4

Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Begehren weiter.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin ist unstatthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 577 Abs. 1 ZPO).

6

1. Die Rechtsbeschwerde ist weder nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO noch gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO eröffnet. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist die Anfechtung des [X.] ausgeschlossen. Die vom Beschwerdegericht ausgesprochene Zulassung der Rechtsbeschwerde entfaltet keine Bindung für das Rechtsbeschwerdegericht.

7

a) Durch die Zulassung wird dem Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde nur zugänglich gemacht, wenn sie nach dem Gesetz grundsätzlich eröffnet ist, nicht aber in den Fällen, in denen die Anfechtbarkeit gesetzlich ausgeschlossen ist. Die Bindungswirkung der Rechtsmittelzulassung umfasst bei der Rechtsbeschwerde nur die in § 574 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 574 Abs. 2 ZPO genannten Zulassungsvoraussetzungen. Sie kann hingegen nicht dazu führen, dass ein gesetzlich nicht vorgesehener Instanzenzug eröffnet wird. Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung kann daher nicht durch den Ausspruch eines Gerichts der Anfechtung unterworfen werden (st. Rspr. s. etwa Senatsbeschluss vom 26. März 2015 - [X.]/13, [X.], 668, 669 Rn. 11; [X.], Beschlüsse vom 21. April 2004 - [X.] 279/03, [X.]Z 159, 14, 15 mwN; vom 11. Mai 2005 - [X.] 189/03, NJW-RR 2005, 1009 und vom 23. Mai 2012 - [X.] 417/11, NJW-RR 2012, 1156 Rn. 4).

8

b) So liegt es auch hier. Der Bekanntmachungsbeschluss des [X.]s ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 [X.] unanfechtbar, so dass auch die Rechtsbeschwerde von vornherein nicht eröffnet ist. Zu Recht hat das Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin mangels Statthaftigkeit als unzulässig angesehen und verworfen.

9

Ob der Beschluss über die Bekanntmachung eines [X.] - in Ausnahme von der in § 3 Abs. 2 Satz 1 [X.] bestimmten Unanfechtbarkeit - mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden kann, wenn der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-[X.]gesetzes (§ 1 [X.]) nicht eröffnet ist (dafür: KG [24. ZS], [X.], 71 f; KK-[X.]/[X.], 2. Aufl. [2014], § 3 Rn. 122 ff; s. zu einer entsprechenden Ausnahme für die in § 7 Abs. 1 Satz 4 [X.] in der Fassung vom 16. August 2005, [X.] I S. 2437 (aF) bestimmte Unanfechtbarkeit des Aussetzungsbeschlusses: [X.], Beschlüsse vom 16. Juni 2009 - [X.], [X.], 2539, 2540 Rn. 7 ff; vom 30. November 2010 - [X.], NJW-RR 2011, 327, 328 Rn. 10; vom 21. Dezember 2010 - [X.], BeckRS 2011, 02334 Rn. 9 und vom 17. Mai 2011 - [X.], BeckRS 2011, 15966 Rn. 8; KK-[X.]/[X.], 1. Aufl. [2008], § 7 Rn. 50; dagegen: KG [22. ZS], [X.], 342 f), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist auch dann unstatthaft, wenn man diese Anfechtungsmöglichkeit bejaht. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass das Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-[X.]gesetz auch für positive [X.] - wie sie der Antragsteller im hiesigen Ausgangsverfahren erhoben hat - Anwendung findet.

aa) Ob das Kapitalanleger-[X.]gesetz nur für [X.] oder aber auch für positive [X.] Anwendung findet, ist allerdings umstritten. In der Rechtsprechung der Land- und [X.]e wird diese Frage unterschiedlich beantwortet (für die Einbeziehung von positiven [X.]: [X.], Beschluss vom 17. Juli 2014 - 3 OH 3/14 [X.], juris Rn. 8 ff; [X.], Beschluss vom 8. Januar 2015 - 9 OH 36/14, juris Rn. 8 ff; dagegen: KG [24. ZS], [X.], 71, 72; [X.], Beschluss vom 12. Mai 2014 - 4 OH 8/14, juris Rn. 7ff). Stimmen aus dem Schrifttum halten dieses Gesetz für auf positive [X.] anwendbar ([X.], Das Kapitalanleger-[X.]gesetz, 2011, [X.] f; [X.] in [X.]/[X.], [X.] [2007], § 1 Rn. 15 f [entgegen der Darstellung der Rechtsbeschwerde nicht nur de lege ferenda]; KK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 1 Rn. 8 ff; s. auch die Stellungnahme des [X.] zum Referentenentwurf vom 3. September 2004, [X.]; a.A. wohl [X.] in Festgabe für [X.], 2006, [X.], 122).

bb) Der erkennende Senat schließt sich mit dem Beschwerdegericht der Auffassung an, dass auch positive [X.] musterverfahrensfähig sind. Die Auslegung des § 1 Abs. 1 [X.] nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck der Norm ergibt, dass solche Klagen in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-[X.]gesetzes einbezogen sind.

(1) Nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 [X.] ist das Gesetz anwendbar in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen bestimmte Schadensersatz- oder Erfüllungsansprüche "geltend gemacht" werden. Dies kann sowohl durch eine Leistungsklage als auch durch eine positive Feststellungsklage als auch durch eine Kombination beider [X.] geschehen (s. hierzu bereits die Stellungnahme des [X.] zum Referentenentwurf vom 3. September 2004, [X.]; [X.] aaO § 1 Rn. 15; [X.] aaO [X.]). In der Terminologie der Zivilprozessordnung weist das "[X.] eines Anspruchs" nicht auf eine bestimmte Klageart hin; vielmehr ist hiervon auch die Erhebung einer positiven Feststellungsklage erfasst (vgl. §§ 5, 24, 64, 261 Abs. 2, § 265 Abs. 1 und 3, § 301 Abs. 1, §§ 306, 307, 321 Abs. 1 ZPO). Dieses Begriffsverständnis gilt auch für die Bestimmungen im Kapitalanleger-[X.]gesetz, weil es sich hierbei um ein Gesetz handelt, welches ein spezielles Verfahren für Zivilprozesse regelt.

(2) Aus der Gesetzeshistorie ergibt sich kein durchgreifendes Argument für die gegenteilige Ansicht.

Zwar geht aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur ersten Fassung des Kapitalanleger-[X.]gesetzes aus dem [X.] hervor, dass der Musterfeststellungsantrag nur bei [X.] zulässig sein sollte ("[X.] kann nur in einem Leistungsprozess gestellt werden, da er voraussetzt, dass ein Schadensersatzanspruch oder ein vertraglicher Erfüllungsanspruch geltend gemacht wird. Daneben knüpft eine Reihe von Vorschriften, wie z.B. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 sowie § 8 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 [X.]-E, an die Höhe des dem Musterfeststellungsantrag zugrunde liegenden Anspruchs an. Deren Ermittlung könnte bei Zulassung von Musterfeststellungsanträgen bei [X.] Schwierigkeiten bereiten", BT-Drucks. 15/5091 [X.]). Mit der Reform des Kapitalanleger-[X.]gesetzes im Jahr 2012 ([X.] I S. 2182) hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Gesetzes indes in sachlicher Hinsicht erweitert, insbesondere auf Ansprüche wegen fehlerhafter Anlagevermittlung und -beratung. Hierbei handelt es sich um Prozesse, in denen sowohl Leistungs- als auch Feststellungsanträge angebracht werden, und zwar sehr häufig in Kombination miteinander ([X.] aaO [X.]). Zu der Frage, auf welche [X.] das Gesetz Anwendung findet, verhalten sich die Gesetzesmaterialien zur Reform des Kapitalanleger-[X.]gesetzes zwar nicht ausdrücklich. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 1 [X.] nF ist jedoch allgemein von "Klagen" die Rede ohne Beschränkung auf [X.] (BT-Drucks. 17/8799 S. 16).

(3) Sinn und Zweck des Kapitalanleger-[X.]gesetzes gebieten die Einbeziehung der positiven [X.] in dessen Anwendungsbereich.

Mit dem Kapitalanleger-[X.]gesetz hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, den Rechtsschutz für Kapitalanleger effektiver zu gestalten und zugleich eine Entlastung der Justiz herbeizuführen, indem für zahlreiche Rechtsstreitigkeiten relevante Tatsachenfeststellungen oder Rechtsfragen in einem Musterverfahren konzentriert behandelt werden (s. BT-Drucks. 15/5091 S. 16 f und 17/8799 [X.]; [X.] aaO [X.]). Für die beabsichtigte prozessuale Bündelung gleichgerichteter Interessen ist es ohne Bedeutung, ob die Ansprüche der Beteiligten im Wege der Leistungs- oder der Feststellungsklage geltend gemacht werden (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Januar 2015 - 9 OH 36/14, juris Rn. 10; [X.] aaO; KK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 1 Rn. 11), zumal im Rahmen des [X.] die konkrete Höhe der [X.] ohnedies nicht festgestellt werden kann (vgl. Bergmeister, Kapitalanleger-[X.]gesetz, 2009, [X.]3 f; KK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 2 Rn. 36). Bei Verneinung der [X.]fähigkeit von [X.] wären die betroffenen Verfahren nicht nach § 8 Abs. 1 [X.] auszusetzen, denn diese Vorschrift erfasst nur solche Rechtsstreitigkeiten, die § 1 [X.] unterfallen (KK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 8 Rn. 11; s. auch [X.], Beschluss vom 2. Dezember 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 299, 300 Rn. 11). [X.] wären für diese Verfahren demzufolge nicht bindend, was dem Bestreben des Gesetzgebers, divergierende Entscheidungen der Gerichte zu vermeiden (BT-Drucks. 15/5091 S. 16 und 17/8799 [X.]), zuwiderliefe.

Der Hinweis der Rechtsbeschwerde auf Schwierigkeiten bei der vergleichsweisen Beilegung von [X.] in den Musterverfahren (s. §§ 17, 18, 23 [X.]) überzeugt nicht. Werden Klagen von Anlegern als [X.] erhoben, ist die Anspruchsberechnung, etwa in Bezug auf die einzelnen Schadenspositionen, nicht selten in hohem Maße streitig. Hier bedarf es für eine Vergleichslösung häufig einer gröberen, pauschalisierenden Schadensbetrachtung. Auf der anderen Seite ist das wirtschaftliche Interesse eines Anlegers an einer von ihm erhobenen Feststellungsklage regelmäßig zumindest der ungefähren Größenordnung nach einschätzbar. Wegen der gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO gebotenen Bemessung des Streitwerts ist eine solche Schätzung von den Gerichten ohnehin vorzunehmen. Dementsprechend kann nicht davon ausgegangen werden, dass vergleichsweise Übereinkünfte bei [X.] generell schwieriger zu erzielen sind als bei [X.]. In dieser Hinsicht besteht zwischen dem Musterverfahren und dem regulären Zivilprozess kein Unterschied.

Die negativen Folgen, die mit einer Ablehnung der [X.]fähigkeit von positiven [X.] verbunden wären, zeigen sich vor allem auch in den - zahlreichen - Fällen, in denen Klagen von Anlegern [X.]) und Feststellungsanträge miteinander kombinieren (s. hierzu [X.] aaO [X.]; [X.] aaO § 1 Rn. 15). In diesen Fällen wäre allein der im Wege der Leistungsklage geltend gemachte Anspruch musterverfahrensfähig. Da nach § 8 Abs. 1 [X.] nur solche Verfahren auszusetzen sind, in denen ein [X.]antrag gestellt werden könnte (KK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 8 Rn. 11), wäre lediglich dieser Teil des Verfahrens im Hinblick auf die [X.] des in einem Musterverfahren zu klärenden Feststellungsziels auszusetzen, obgleich der Sache nach [X.] regelmäßig auch für den Anspruch gegeben ist, dessen Feststellung begehrt wird. Eine Abtrennung der Feststellungsanträge gemäß § 145 ZPO würde sowohl dem Ziel einer Entlastung der Justiz als auch der angestrebten Vermeidung divergierender Entscheidungen widerstreiten. Weitere Probleme ergäben sich im Hinblick auf die Reichweite der Bindungswirkung des Musterentscheids nach § 22 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Der Musterentscheid bindet die Gerichte nach dieser Bestimmung in den Parallelverfahren nur, soweit die Verfahren nach § 8 Abs. 1 [X.] ausgesetzt waren, erfasst also nur den musterverfahrensfähigen Teil dieser Verfahren. Damit würde eine Bindungswirkung für die Feststellungsanträge entfallen und eine sinnwidrige Aufspaltung der Anlegerklagen drohen.

Schließlich liefe es der vom Gesetzgeber angestrebten [X.] zuwider, wenn im Falle kombinierter Leistungs- und Feststellungsanträge die Kläger der betroffenen Parallelverfahren gemäß § 24 Abs. 2 [X.] nur hinsichtlich des mit den [X.] geltend gemachten Anspruchs [X.] an den Kosten beteiligt würden, obgleich die [X.] für die gleichzeitig angebrachten Feststellungsanträge jedenfalls inhaltlich auch vorgreiflich sind. Das "Aussperren" der Feststellungskläger würde letztlich insgesamt zu einer höheren [X.]en Kostenbelastung der [X.] führen, obgleich beide Klägergruppen von dem Ergebnis des [X.] wirtschaftlich gleichermaßen betroffen sind. Dementsprechend vermag der Senat nicht die Ansicht der Rechtsbeschwerde zu teilen, dass die [X.]fähigkeit von [X.] zu einer ungerechtfertigten Kostenprivilegierung der Feststellungskläger gegenüber den [X.]n führen würde.

(4) In gesetzessystematischer Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass zwar auch nach der Reform des Kapitalanleger-[X.]gesetzes im Jahr 2012 mehrere Vorschriften des Gesetzes, nämlich § 8 Abs. 4, § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, § 10 Abs. 3 Nr. 4 und § 24 Abs. 2 Satz 2 [X.], an die "Höhe des Anspruchs" anknüpfen. Diese Bestimmungen sind jedoch unproblematisch auch für positive [X.] handhabbar, indem für die Höhe des eingeklagten Anspruchs der Streitwert der [X.] herangezogen wird ([X.], Beschluss vom 17. Juli 2014 - 3 OH 3/14 [X.], juris Rn. 9; [X.], Beschluss vom 8. Januar 2015 - 9 OH 36/14, juris Rn. 9; KK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 1 Rn. 9; [X.] aaO [X.] f; [X.], [X.] Rechtsschutz unter dem Regime des [X.], 2010, [X.]). Diese Lösung bietet sich insbesondere für die nach § 24 Abs. 2 [X.] zu treffende Kostenentscheidung an, die durch die nach § 8 Abs. 4 [X.] dem [X.] zu erteilende Information vorbereitet wird (KK-[X.]/[X.], 2. Aufl., aaO und § 8 Rn. 60).

Für die Erstreckung des Anwendungsbereichs des Kapitalanleger-[X.]gesetzes auf positive [X.] spricht zudem die mit diesem Gesetz korrespondierende Gerichtsstandregelung in § 32b ZPO. Der Wortlaut des § 32b Abs. 1 ZPO ist, soweit der Anwendungsbereich der Vorschrift beschrieben wird, mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 [X.] identisch. Gemäß der Terminologie der Zivilprozessordnung (s.o., unter (1)) werden Ansprüche unter anderem durch Erhebung einer positiven Feststellungsklage "geltend gemacht", so dass § 32b ZPO auch im Falle von [X.] gilt (KK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 32b ZPO Rn. 11; Mormann, Zuständigkeitsrechtlicher Schutz vor Kapitalanlegerklagen in [X.], 2010, S. 239 ff; s. auch [X.], ZPO, 23. Aufl., § 32b Rn. 6 [zumindest analoge Anwendung auf positive [X.]]; aA [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., § 33 Rn. 70; wohl auch [X.]/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. § 32b Rn. 5).

c) Ist das Kapitalanleger-[X.]gesetz hiernach auf positive [X.] anzuwenden, folgt daraus die Unanfechtbarkeit des vorliegenden [X.] gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Es bedarf mithin keiner Erörterung, ob der Umstand, dass der Antragsteller seinen Schadensersatzanspruch inzwischen teilweise beziffert und insoweit eine Leistungsklage angebracht hat, bei der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde zu berücksichtigen ist.

d) Soweit die Rechtsbeschwerde einwendet, das Kapitalanleger-[X.]gesetz sei mangels Bezugnahme auf eine öffentliche Kapitalmarktinformation nicht anwendbar, weil der Antragsteller, gestützt auf § 826 BGB, einen Anspruch auch daraus herleiten möchte, dass die Berater der Antragsgegnerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Beteiligung gezielt fehlerhaft geschult worden seien, ist darauf hinzuweisen, dass das [X.] den [X.]antrag des Antragstellers in diesem Punkt als unzulässig verworfen hat (siehe Nummer 8 des Beschlusses des [X.]s); die auf § 826 BGB beruhende Anspruchsbegründung ist folglich nicht Gegenstand der angefochtenen Bekanntmachung des [X.].

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde führt der Umstand, dass der Antragsteller seinen Anspruch auch auf einen Sachverhalt stützt, dem keine in einem Musterverfahren festzustellenden Tatsachen oder Rechtsfragen zugrunde liegen, nicht dazu, dass der [X.] insgesamt aus dem Anwendungsbereich des Kapitalanleger-[X.]gesetzes fällt. Vielmehr hindert die Geltendmachung einer als solche nicht musterverfahrensfähigen Anspruchsbegründung (hier: Schulung der Berater) nicht die Bekanntmachung des [X.], soweit sich dieser auf eine zugleich geltend gemachte musterverfahrensfähige Anspruchsbegründung (hier: Prospektangaben) bezieht (arg. § 3 Abs. 1 [X.]: "soweit"; vgl. BT-Drucks. 17/8799 S. 17; s. auch [X.], Beschluss vom 8. April 2014 - [X.], NJW-RR 2014, 758, 760 Rn. 23, wonach ein [X.]antrag, der [X.] enthält, die nicht auf der Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation beruhen, "insofern" nach § 3 Abs. 1 [X.] als unzulässig verworfen werden muss).

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die mit dem Bekanntmachungsbeschluss verbundene faktische Aussetzung des Ausgangsverfahrens (§ 5 [X.]). Die Kosten des [X.] bilden einen Teil der Kosten des Ausgangsrechtsstreits, welche die in der Sache unterliegende [X.] unabhängig vom Ausgang des Beschwerde- und [X.] nach §§ 91 ff ZPO zu tragen hat ([X.], Beschluss vom 2. Dezember 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 299, 300 Rn. 20 mwN).

Den Streitwert hat der Senat mit einem Fünftel des Streitwerts des Ausgangsverfahrens (8.589,71 €) bemessen (§ 3 ZPO).

Herrmann                          Seiters                     Tombrink

                    [X.]                      [X.]

Meta

III ZB 69/14

05.11.2015

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 28. Oktober 2014, Az: 7 Kap 11/14

§ 1 Abs 1 KapMuG vom 19.10.2012, § 3 Abs 2 S 1 KapMuG vom 19.10.2012

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.11.2015, Az. III ZB 69/14 (REWIS RS 2015, 2820)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2820

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