Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2012, Az. II ZR 82/11

II. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2063

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 82/11
Verkündet am:
23. Oktober 2012
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der I[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2012 durch [X.]
Dr.
Bergmann,
[X.]
Strohn, die Richterinnen Caliebe
und
Dr.
[X.] sowie
den Richter Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Kläger zu 5 und 6 wird das Urteil des 14.
Zivilsenats des [X.] vom 14.
Januar 2011 aufge-hoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
-
an das Berufungs-gericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger zu 5 und 6 (im Folgenden: Kläger) beteiligten sich im Jahr 1996 über eine
Treuhandkommanditistin
mit je 100.000 DM an der B.

LBB Fonds Sechs (im Folgenden: Fonds). Sie machen gegen die [X.] als Gründungskommanditistin Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren und 1
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weiteren Sinne geltend. Der Kläger zu 6 klagt auch aus abgetretenem Recht verschiedener Verwandter. Die Kläger zu 1 bis 4 haben ihre Klagen im ersten Rechtszug zurückgenommen.
Das [X.] hat die Klagen der Kläger zu
5 und 6
abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufungen
der Kläger zurückgewiesen.
Mit den
vom erkennenden [X.] zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revisionen haben Erfolg und führen unter Aufhebung des angefoch-tenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[X.] Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
[X.] im engeren Sinne seien verjährt. Aber auch aus [X.]n im weiteren Sinne sei die Klage unbegründet.
Ob der Kaufpreis für die von dem Fonds erworbene Immobilie in E.

überhöht gewesen sei, könne offen bleiben. Denn daraus folge kein Prospektmangel. Das Gleiche gelte für den Investitionsplan, in dem Zahlungen und Forderungen berücksichtigt worden seien, die noch nicht angefallen seien. Auch werde in dem Prospekt entgegen der Auffassung der Kläger nicht ausgesagt, dass
die Mietgarantie auch Mietminderungen erfasse. Offen bleiben könne
schließlich, ob unter die Mietgarantie auch die [X.]n Nebenkosten fielen. Denn insoweit treffe die [X.] jedenfalls kein Verschulden.
Die Mietgarantin habe insoweit zunächst Zahlungen geleistet und 2
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sich erst nach Jahren auf den Standpunkt gestellt, die Mietgarantie erfasse die Nebenkosten nicht.
Angesichts dessen könne offen bleiben, ob die Prospekthaf-tungsansprüche im weiteren Sinne Ende 2005 verjährt seien und der Kläger zu 6 berechtigt sei, Ansprüche seiner Verwandten geltend zu machen.
I[X.] Diese Ausführungen halten revisionsgerichtlicher Kontrolle nicht in allen Punkten stand.
Das Berufungsgericht hätte die Frage, ob der Prospekt in ausreichendem Maße über den Umfang der Mietgarantie aufgeklärt hat, nicht offen lassen dürfen. Denn seine Erwägung, die [X.] treffe insoweit jedenfalls kein Verschulden, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Die Prospektangaben zu dem [X.] sind unzureichend, weil sie auf eine falsche Risikoverteilung hinsichtlich der [X.]n Nebenkosten schließen lassen, soweit die Mietflächen nicht unter den [X.] fallen.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s muss einem Anleger für seine [X.] ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden ([X.], Urteil vom 6. Oktober 1980 -
II
ZR
60/80, [X.]Z 79, 337, 344; Urteil vom 7. April 2003 -
II
ZR
160/02, [X.], 1086, 1088; Urteil vom 7. Dezember
2009 -
II
ZR
15/08, [X.], 176 Rn.
18; Urteil vom 22.
März 2010 -
II
ZR
66/08, [X.], 1030 Rn. 9; Urteil vom 23. April 2012 -
II
ZR
211/09, [X.], 1231 Rn.
13 ff.). Dazu gehört eine Aufklärung über 7
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Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können
([X.], Urteil vom 6.
Oktober 1980 -
II ZR 60/80, [X.]Z 79, 337, 344; Urteil vom 21. Oktober 1991 -
II
ZR 204/90, [X.]Z 116, 7, 12; Urteil vom 10. Oktober 1994 -
II ZR 95/93, [X.], 1851, 1853; Urteil vom 7. April 2003 -
II
ZR
160/02, [X.], 1086, 1088).
Beruht der wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen Immobilienfonds allein auf der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus der Vermietung oder Verpachtung von [X.], so ist in dem Anlageprospekt deutlich auf mögliche, der Erreichbarkeit dieser Einnahmen entgegenstehende Umstände und die sich hieraus für den Anleger ergebenden Risiken hinzuweisen ([X.], Urteil vom 1. März 2004 -
II ZR 88/02, [X.], 1104, 1106).
b) Diesen Anforderungen wird
der
verwendete
Prospekt
nicht gerecht. Der [X.] kann die vom Berufungsgericht in Bezug auf die Mietgarantie unterlassene
Auslegung uneingeschränkt selbst vornehmen, weil der Emissionsprospekt
über den Bezirk des [X.] hinaus verwendet wurde
und daher ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Auslegung besteht ([X.], Urteil vom 22. März 2007 -
III ZR 218/06, [X.], 871 Rn. 6; Urteil vom 19. Juli 2011 -
II ZR 300/08, [X.], 1657 Rn. 46; Urteil vom 23. April 2012 -
[X.], [X.], 1231 Rn. 14).
Der Prospekt klärt
den Anleger auch unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre (vgl. [X.], Urteil vom 31.
März 1992 -
XI ZR 70/91, [X.], 912, 915; Urteil vom 14. Juni 2007 -
III
ZR 300/05, [X.], 1507 Rn. 8) nicht zutreffend über die Risikoverteilung hinsichtlich der [X.]n Nebenkosten auf, soweit Mietflächen nicht unter
den [X.] fallen. Wie der [X.] bereits entschieden hat, erweckt der Prospekt den
Eindruck, dass [X.] Nebenkosten bei den der Mietgarantie unterfallenden Flächen nicht dem Fonds zur Last fallen, sondern wie bei den dem [X.] unterfallenden Flächen von dem 12
13
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6
-

Mieter bzw. Garanten zu tragen sind ([X.], Urteil vom 23.
April 2012 -
II
ZR
30/10, juris Rn. 14; s. auch Beschluss vom 13.
Dezember 2011 -
II
ZB
6/09, [X.], 117 Rn. 33 ff. zu [X.]; Urteile
vom 23. April 2012 -
[X.], [X.], 1231 Rn.
15 ff. und [X.], juris Rn.
14 ff., jeweils zu [X.]). Die Begriffe [X.] und Mietgarantie werden
in dem Prospekt
unterschiedslos nebeneinander verwendet. Dies musste bei dem Anleger den Eindruck hervorrufen, die durch die Verträge gewährleistete Mietsicherheit sei bei beiden Vertragsarten deckungsgleich.
Ob das tatsächlich der Fall ist oder ob sich die Mietgarantin zu Recht unter Bezug auf das von ihr eingeholte Rechtsgutachten vom 1. Juni 2004 auf den Standpunkt stellt,
die Nebenkosten nicht zu schulden, muss hier nicht entschieden werden.
Ebenso kann offenbleiben, ob der [X.] zum Zeitpunkt des Beitritts der Kläger bereits geschlossen war. Denn der Prospekt war in jedem Fall unrichtig. War ein [X.] noch nicht geschlossen, so war der Prospekt schon deshalb unrichtig, weil er dem Anleger vorspiegelte, der Garantievertrag
sei bereits abgeschlossen. Lag der [X.] dagegen bereits vor, so war, wie die Revision mit Recht rügt, die Übernahme der umlagefähigen Nebenkosten durch die Mietgarantin in dem Vertragswerk jedenfalls nur
unzureichend umgesetzt. Dies ergibt sich schon daraus, dass sich die Mietgarantin nach den Feststellungen des [X.] später auf den Standpunkt stellen konnte, im Rahmen der Mietgarantie nicht zum Ausgleich [X.]r Nebenkosten verpflichtet zu sein, ohne dass diese durch ein Rechtsgutachten untermauerte Auffassung der Mietgarantin auch unter Berücksichtigung des bis dahin gegenteiligen gemeinsamen Verständnisses als offensichtlich haltlos zurückgewiesen werden konnte. Regelte der [X.] die Übernahme der [X.] Nebenkosten aber jedenfalls insoweit nicht hinreichend deutlich, so liegt
eine die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss nach §
280 14
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7
-

Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2
BGB begründende Pflichtverletzung schon darin, dass die
[X.]
weder für eine deutlichere Fassung des [X.]s
Sorge getragen hat, die
derartige, nicht ohne weiteres ausräumbare Zweifel an der Verpflichtung der Mietgarantin zur Zahlung auch der Nebenkosten verhindert hätte, noch die [X.] auf die Gefahr einer gegenteiligen Auslegung des Vertrages durch die Mietgarantin hingewiesen hat
(vgl. [X.], Urteil vom 21. März 2005 -
II ZR 149/03, [X.], 763, 765; Urteil vom 3. Dezember 2007 -
II ZR 21/06, [X.], 412 Rn. 9).

2.
Dieser Prospektfehler ist erheblich. War der [X.] bei Anwerbung der Kläger noch nicht geschlossen, so beeinflusste
das die Werthaltigkeit der Anlage in entscheidender Weise. Denn dann waren die Mieten, die nach dem Prospekt unter den [X.] fallen sollten, zu diesem Zeitpunkt gänzlich ungesichert. Im Ergebnis nichts anderes gilt aber auch für den Fall, dass der [X.] schon abgeschlossen war. Dann kann der
Fonds bei den Wohnungen, die unter den
[X.]
fallen,
mit den [X.]n Nebenkosten belastet werden, weil ein Anspruch aus dem [X.] gegen die Mietgarantin nicht gegeben ist
oder jedenfalls die ernstliche Gefahr besteht, dass ein solcher Anspruch
aufgrund einer nicht hinreichend deutlichen Fassung des Vertrags wegen erheblicher
rechtlicher Zweifel tatsächlich nicht durchgesetzt werden kann.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung
mussten
die Kläger dafür nicht darlegen, wie hoch das wirtschaftliche Risiko der [X.]n Nebenkosten im Einzelnen zu bemessen ist.
Es
entspricht der Lebenserfahrung, dass die Mietnebenkosten regelmäßig einen nicht unerheblichen Teil der Miete ausmachen
(vgl. [X.], Urteil vom 23.
April 2012 -
II ZR
30/10, juris Rn. 15;
Beschluss vom 13. Dezember 2011 -
II ZB 6/09, [X.], 117
Rn. 35). Das gilt auch für Leerstände. Dabei muss auch im Hinblick auf das von der Revisionserwiderung angeführte Investitionsvolumen von 15
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542
Mio. DM für den Gesamtfonds
nicht
für jede einzelne Fondsimmobilie festgestellt werden, ob sie unter den [X.] oder unter die Mietgarantie fällt, da unstreitig beide Verträge angewandt wurden
(vgl.
[X.], Urteil vom
23.
April 2012
-
II ZR 30/10, juris
Rn.
15 f.).
3.
Damit kommt es auf die Frage, ob der Prospekt noch weitere
Unrichtigkeiten aufweist, nicht an.
4. Das Berufungsgericht hat
-
von seinem Standpunkt aus folgerichtig
-
nicht festgestellt, ob dieser Prospektfehler für die Beitritte der Kläger ursächlich geworden ist.
Das wird es in der neu eröffneten mündlichen Verhandlung nachzuholen haben.
5.
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die [X.] jedenfalls kein Verschulden an dem Prospektfehler
treffe.
Bei der Haftung aus § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB wird das Verschulden des pflichtwidrig handelnden Schuldners gemäß §
280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Es ist also Sache der [X.]n, Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass sie den Prospektfehler und damit die Falschberatung der Kläger ausnahmsweise nicht verschuldet hat.
Dafür genügt es entgegen der Auffassung des [X.] nicht, dass sich die [X.] auf die anfängliche Zahlung der Nebenkosten durch die Mietgarantin beruft. Denn der [X.]n
wird gerade zur Last gelegt, dass sie weder für eine deutlichere, abweichende Auslegungen -
auch erst später -
nicht zulassende Formulierung des [X.]es gesorgt noch
die Anleger auf das bestehende Risiko einer abweichenden Auslegung hingewiesen hat.
Danach wäre die [X.] nur dann entschuldigt, wenn sie mit einer Auslegung des Vertrages, wie sie jetzt von der Mietgarantin vertreten wird, nicht 16
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9
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hätte rechnen können. Dazu hat das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Eine solche Annahme
liegt auch nicht nahe. Zwar mag
sich die [X.] insoweit in einem Rechtsirrtum befunden haben. Ein Rechtsirrtum wirkt
aber nur dann entschuldigend, wenn er seinerseits nicht verschuldet ist. Daran stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen
([X.], Urteil vom 11.
Januar 1984 -
VIII ZR 255/82, [X.]Z 89, 296, 303; Urteil vom 14.
Juni 1994 -
XI ZR 210/93, [X.], 1350; Urteil vom 20. September 2011 -
II ZR 234/09, [X.], 2097 Rn. 16). Es ist nicht ersichtlich, dass diese hier erfüllt wären.
II[X.] Damit ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
22
-
10
-

Für das weitere Verfahren verweist der [X.] auf seine Ausführungen in den
Urteilen
vom 23. April 2012 -
II ZR 30/10, juris,
Rn. 18 ff. zum hiesigen Fonds und [X.], [X.], 1231 Rn. 29 ff. zu dem vergleichbaren [X.].

Bergmann

Strohn

Caliebe

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.09.2009 -
2 O 158/06 -

KG Berlin, Entscheidung vom 14.01.2011 -
14 [X.]/09 -

23

Meta

II ZR 82/11

23.10.2012

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2012, Az. II ZR 82/11 (REWIS RS 2012, 2063)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2063

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 300/08

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II ZB 6/09

II ZR 234/09

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