Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2012, Az. VIII ZR 13/12

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4598

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

vom

17. Juli 2012
VIII ZR 13/12
in dem Rechtsstreit

-
2 -
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat
am 17. Juli 2012
durch den Vorsitzenden [X.], die
Richter [X.], [X.] und Dr.
Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer
beschlossen:

Das vorliegende Verfahren wird gemäß §
148 ZPO analog bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] in
dem dort anhängigen Verfahren [X.]/11 ausgesetzt.

Gründe:
Der Beklagte bezieht seit
Jahren von der Klägerin, einem Gasversor-gungsunternehmen,
leitungsgebunden Erdgas
für seinen privaten Haushalt.
Die Klägerin
erhöhte zum 1. Januar 2005 den Arbeitspreis und machte dies vorher öffentlich bekannt. Der Beklagte widersprach der beabsichtigten Preiserhöhung der Klägerin mit Schreiben vom 17.
Dezember 2004 und [X.] die Klägerin auf, die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Preiserhöhung durch Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlagen darzulegen. Mit Schreiben vom 23. Mai 2005 teilte er der Klägerin weiter mit, dass er seinen Widerspruch auf-rechterhalte und daher
Zahlungen allein auf der Grundlage des bisherigen Prei-ses zuzüglich eines Zuschlags von 2 % leisten werde.
Zum 1. Oktober 2005, 1. Januar 2006 und 1. Oktober 2006 erhöhte die Klägerin

jeweils nach vorheriger öffentlicher Bekanntgabe

drei weitere Male 1
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3 -
ihren
Arbeitspreis. Mit Wirkung zum 1. März 2007 senkte sie den Arbeitspreis
wieder etwas ab.
Der Beklagte zahlte auf die Jahresabrechnungen der Klägerin aus den Jahren 2005 bis 2008 nur die im Schreiben vom 29. Mai 2005 angekündigten Beträge. Mit ihrer Klage macht die Klägerin die Differenz aus den abgerechne-ten Beträgen und den erbrachten
Zahlungen geltend.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Beklagten zur Zahlung des Dif-ferenzbetrags
verurteilt.
Das Berufungsgericht hat den Beklagten als Tarifkunden angesehen und vor diesem Hintergrund angenommen, dass
der Klägerin ein einseitiges Preis-änderungsrecht gemäß § 4 Abs. 1, 2 [X.] beziehungsweise § 5 Abs. 2 [X.] zugestanden habe. Diese Vorschriften hält das Berufungsgericht für europarechtskonform. Andernfalls müsste, so meint das Berufungsgericht, der Klägerin wegen des für den Tarifkundenbereich beziehungsweise die [X.] bestehenden Kontrahierungszwangs ein einseitiges Preisände-rungsrecht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zugebilligt werden. Es hat daher und im Hinblick darauf, dass Art. 267 Satz 3 AEUV
nur denjenigen Gerichten
eine Vorlagepflicht auferlegt, deren Entscheidungen nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden können,
von einem Vorabentscheidungser-suchen an den Gerichtshof der [X.] abgesehen. Eine Ausset-zung des Verfahrens in
entsprechender Anwendung des §
148 ZPO hat es aus verfahrensökonomischen Gründen abgelehnt.
Die Billigkeit
der angegriffenen Preiserhöhungen hat das Berufungsge-richt mit einer
kumulierten
Betrachtung der jeweils in einem Gaswirtschaftsjahr 4
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4 -
(von 1. Oktober 6 Uhr bis zum 1.
Oktober 5.59 Uhr des Folgejahres) vorge-nommenen Preisänderungen bejaht.
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der [X.] Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Er hält eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.],

jedenfalls aber eine Aussetzung in entsprechender Anwendung des § 148
ZPO für geboten. Weiter hält er
die vom Berufungsgericht angestellte [X.] für rechtsfehlerhaft.
Die Kläge-rin erhebt gegen eine Aussetzung des Verfahrens keine Einwände.

II.
Das vorliegende Verfahren ist gemäß § 148 ZPO
analog bis zu der Ent-scheidung des Gerichtshofs der [X.] in dem dort anhängigen Verfahren [X.]/11 auszusetzen.
1. Der [X.] hat durch Beschluss vom 18. Mai 2011 in dem Verfahren [X.] ([X.], 1620 ff.) dem Gerichtshof der [X.] (im Folgenden: Gerichtshof) folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art.
267 Abs. 3 AEUV vorgelegt:

Ist Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/[X.] und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der [X.]/[X.] dahin auszulegen, dass eine nationale gesetzliche Regelung über Preisänderungen in [X.] mit Haushalts-7
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-
5 -
Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht belie-fert werden (Tarifkunden), den Anforderungen an das erforderliche Maß an Transparenz genügt, wenn in ihr Anlass, Voraussetzun-gen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunter-nehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom [X.], wenn sie die ihnen mitge-teilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?
2. Diese Frage ist

wie die Revision zutreffend ausführt

auch im [X.] Fall entscheidungserheblich. Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, kann die Frage der Europarechtskonformität der § 4 Abs. 1, 2 [X.] und § 5 Abs. 2 [X.] nicht im Hinblick auf die vom Berufungsgericht erwo-gene ergänzende Vertragsauslegung offenbleiben. Eine
ergänzende Vertrags-auslegung hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von [X.] und Glauben zu orientieren und muss zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führen. Es geht daher darum zu ermitteln, was die Parteien bei einer angemes-senen, objektiv-generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach [X.] und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der angewendeten
Preisänderungsbestimmung
jedenfalls unsicher war (vgl. [X.]surteil vom 14. März 2012

[X.], [X.], 1865
Rn.
24 mwN). Vor diesem Hintergrund hat der [X.] bereits entschieden, dass es bei unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht in Betracht kommt, an die Stelle einer unwirksamen Preisänderungsbestimmung im Wege der
ergänzenden Vertragsauslegung eine (wirksame) Bestimmung gleichen Inhalts zu setzen (vgl. [X.]surteil vom 14. März 2012

[X.], aaO). Diese Erwägungen lassen sich

jedenfalls im Grundsatz

auch auf die Fälle 10

-
6 -
übertragen, in denen

wie hier

die Europarechtskonformität von [X.], nämlich der § 4 Abs. 1, 2 [X.], § 5 Abs. 2 [X.],
in Frage steht.
3.
Aufgrund der Entscheidungserheblichkeit der unter Ziffer 1 genannten Frage kann der [X.] in dieser Sache unter
Beachtung seiner in Art. 267 Abs. 3 AEUV enthaltenen [X.] keine abschließende Sachentschei-dung treffen. Eine Vorlage auch dieses Verfahrens an den Gerichtshof würde jedoch dort nicht zu einer schnelleren Beantwortung der maßgeblichen Rechts-frage führen ([X.]sbeschluss vom 24. Januar 2012

VIII ZR 236/10, juris Rn.
7 mwN).
Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Gerichtshof sei-nerseits das Verfahren [X.]/11 bis nach der Urteilsverkündung in den [X.]/11 und [X.]/11 ausgesetzt hat.

Im Gegenteil würde die Funktion des Gerichtshofs im Vorabentschei-dungsverfahren beeinträchtigt, wenn die gleiche Rechtsfrage mehrfach [X.] würde.
Zwar ist die verbindliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts dem Gerichtshof vorbehalten. Dem Gerichtshof kommt aber nicht die Funktion eines Rechtsmittelgerichts
für sämtliche mitgliedschaftlichen Verfahren zu
(vgl. [X.], Beschluss vom 30. März 2005

[X.], [X.]Z 162, 373, 378; [X.]sbe-schluss vom 24. Januar 2012

VIII ZR 236/10, aaO Rn. 8). Es genügt daher,
wenn dort über eine klärungsbedürftige Rechtsfrage lediglich in einem Verfah-ren verhandelt und entschieden wird.
4. Der [X.] hält es nach alledem
in Übereinstimmung mit den Parteien
für [X.], das vorliegende Verfahren in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof anhängigen Rechts-
11
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7 -
streits auszusetzen (vgl. [X.]sbeschluss vom 24.
Januar 2012

VIII
ZR 236/10, aaO Rn.
9 mwN).
Ball

[X.]

[X.]

Dr. Schneider

Dr. Fetzer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.08.2009 -
13 O 179/08 [X.] -

OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.12.2011 -
VI-3 U ([X.]) 4/11 -

Meta

VIII ZR 13/12

17.07.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2012, Az. VIII ZR 13/12 (REWIS RS 2012, 4598)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4598

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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