Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.09.2013, Az. 9 B 43/13

9. Senat | REWIS RS 2013, 2907

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Gegenstand

Ermessensreduzierung bei Aussetzungsentscheidung; Kumulierung von Umsatzsteuer und Vergnügungssteuer


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 8. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 11 757,77 € festgesetzt.

Gründe

1

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht begründet. Den Fragen,

"1. Ist es mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 [X.] in Verbindung mit dem aus Art. 3 [X.] folgenden Willkürverbot vereinbar, wenn ein Verfahren trotz rechtslogisch und tatsächlich denkbarer Einflussnahme auf selbiges trotz entsprechenden Antrages nicht bis zur Erledigung eines durch Vorlagebeschluss eingeleiteten Verfahrens beim [X.] ausgesetzt wird?

2. Ist es mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und des [X.] vereinbar, wenn ein Verfahren trotz rechtslogisch und tatsächlich denkbarer Einflussnahme auf selbiges trotz entsprechenden Antrages nicht bis zur Erledigung eines durch Vorlagebeschluss eingeleiteten Verfahrens beim [X.] ausgesetzt wird?",

kommt keine grundsätzliche [X.]edeutung zu, weil sie sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens aufgrund bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung beantworten lassen.

3

Nach § 94 VwGO steht die Entscheidung, ob der Rechtsstreit ausgesetzt wird, im Ermessen des Gerichts. Dieses Ermessen reduziert sich nur in Ausnahmefällen zu einer Verpflichtung zur Aussetzung, wenn anders eine Sachentscheidung nicht möglich ist (Urteil vom 12. Februar 1987 - [X.]VerwG 3 C 22.86 - [X.]VerwGE 77, 19 = [X.] 310 § 94 VwGO Nr. 5; [X.]eschlüsse vom 17. Dezember 1992 - [X.]VerwG 4 [X.] 247.92 - [X.] 310 § 94 VwGO Nr. 6, vom 5. April 2005 - [X.]VerwG 6 [X.] 2.05 - und vom 13. September 2005 - [X.]VerwG 7 [X.] 14.05 - jeweils juris - und vom 3. November 2006 - [X.]VerwG 6 [X.] 21.06 - [X.] 448.0 § 12 [X.] Nr. 208 Rn. 5). Es besteht jedenfalls dann keine Pflicht zur Aussetzung, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht (vgl. [X.]eschluss vom 3. November 2006 a.a.[X.]). So liegt es hier. Die Annahme des [X.], es bestünden keine vernünftigen Zweifel i.S.d. Art. 267 Abs. 3 AEUV an der [X.]eantwortung der zur Vorlage gestellten Frage, deckt sich mit der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts. Danach kann der Richtlinie 2006/112/[X.] kein Verbot der Kumulierung von Umsatzsteuer und Vergnügungssteuer entnommen werden. Die [X.] (Richtlinie 2006/112/[X.] des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, A[X.]l [X.] Nr. L 347 vom 11. Dezember 2006 S. 1) hindert gemäß ihrem Art. 401 einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten und einzuführen, sofern diese Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübergang verbunden sind. Für die Vergnügungssteuer kann der Charakter einer Umsatzsteuer zweifelsfrei verneint werden. Art. 135 Abs. 1 [X.]uchst. i der [X.] gibt nichts dafür her, dass dann, wenn Mehrwertsteuer auf Glücksspiele erhoben wird, keine sonstige Abgabe nach Art. 401 [X.] erhoben werden darf (Urteil vom 10. Dezember 2009 - [X.]VerwG 9 C 12.08 - [X.]VerwGE 135, 367 Rn. 34 ff.; [X.]eschlüsse vom 26. Januar 2010 - [X.]VerwG 9 [X.] 40.09 - [X.] 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 48 Rn. 7 und vom 25. Mai 2011 - [X.]VerwG 9 [X.] 34.11 - [X.] 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 52 Rn. 3 und vom 19. August 2013 - [X.]VerwG 9 [X.] 1.13 - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 27. November 2012 - 14 A 2351/12 - juris; [X.], [X.]eschluss vom 30. Januar 2013 - 9 [X.]/12 - ZKF 2013, 70). Die in den Schlussanträgen des Generalanwalts [X.]ot vom 11. März 2010 in der Rechtssache [X.]/09 vor dem [X.] thematisierte Doppelbesteuerung von Glücksspielen (Rn. 43 f.) bietet keinen Anlass, vernünftige Zweifel zu hegen, die eine Vorlage an den [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV oder eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über das Vorlageersuchen des [X.] erforderten. Der Generalanwalt stützt seine Ausführungen auf eine Auslegung von Art. 135 Abs. 1 [X.]uchst. i der [X.], die der [X.] in seinem Urteil in dieser Sache vom 10. Juni 2010 (Slg. 2010, [X.]) nicht geteilt hat. Denn der Gerichtshof hat für die Steuerbefreiung von Glücksspielen rein praktische Erwägungen angeführt (a.a.[X.] Rn. 24) und ist erkennbar von einem Nebeneinander von Mehrwertsteuer und sonstigen Abgaben ausgegangen (a.a.[X.] Rn. 38; vgl. auch [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 25. Mai 2011 a.a.[X.]; [X.], [X.]eschluss vom 27. November 2012 a.a.[X.] Rn. 38).

4

2. Die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift nicht durch.

5

Die Klägerin beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe sich im Rahmen seiner Prüfung, ob es das Verfahren zum Ruhen bringt, nur unzureichend mit ihrem darauf bezogenen Vorbringen auseinandergesetzt. Ein Gehörsverstoß liegt jedoch nicht vor. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 [X.], § 108 Abs. 2 VwGO) verlangt vom Gericht, die Ausführungen der [X.]eteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen ([X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 14. Juni 1960 - 2 [X.]vR 96/60 - [X.]VerfGE 11, 218 <220> und vom 6. Mai 1986 - 1 [X.]vR 677/84 - [X.]VerfGE 72, 119 <121>; Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 [X.]vR 1621/94 - [X.]VerfGE 96, 205 <216>; stRspr). Das Gericht ist nicht gehalten, das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst dann verletzt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Dies ist dann gegeben, wenn es etwa das Vorbringen eines [X.]eteiligten zu einem zentralen Gesichtspunkt entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat ([X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 22. November 1983 - 2 [X.]vR 399/81 - [X.]VerfGE 65, 293 <295> und vom 19. Mai 1992 - 1 [X.]vR 986/91 - [X.]VerfGE 86, 133 <145 f.>; [X.]VerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - [X.]VerwG 9 [X.] - [X.]VerwGE 96, 200 <209 f.>; stRspr). Davon ist nicht auszugehen. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht ausführlich begründet, weshalb es das Verfahren nicht gemäß Art. 267 AEUV dem [X.] zur Klärung im Wege der Vorabentscheidung vorgelegt und das Verfahren nicht gemäß § 94 VwGO ausgesetzt hat. Die [X.]eschwerde legt nicht dar, welche entscheidungserheblichen Rechtsfragen in [X.]ezug auf die Aussetzung des Verfahrens von ihr dargelegt, aber vom Oberverwaltungsgericht nicht berücksichtigt worden sein sollen.

6

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Meta

9 B 43/13

11.09.2013

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 8. Mai 2013, Az: 14 A 1583/09, Urteil

Art 401 EGRL 112/2006, § 94 VwGO, Art 267 Abs 3 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.09.2013, Az. 9 B 43/13 (REWIS RS 2013, 2907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2907

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

22 ZB 16.288

Zitiert

1 BvR 1621/94

Zitieren mit Quelle:
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