Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.08.2017, Az. 9 B 8/17

9. Senat | REWIS RS 2017, 6605

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Gegenstand

Verhältnis von Spielgerätesteuer und europarechtlichen Regelungen zur Mehrwertsteuer


Gründe

1

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint.

3

Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall für die von ihr - sinngemäß - für klärungsbedürftig gehaltenen europarechtlichen Fragen erfüllt sind.

4

a) Soweit es um das Verhältnis der Vergnügungssteuer zur Mehrwertsteuer geht, wendet die Beschwerde sich unter wiederholtem Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 31. März 1992 - Rechtssache [X.]/90 [[X.]:[X.]:[X.]], das noch Art. 33 der Richtlinie 77/388/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern betraf, gegen die materiell-rechtliche Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, ohne eine konkrete klärungsbedürftige Frage des [X.]rechts zu formulieren. Sollte es ihr dabei um die Frage gehen,

ob die Erhebung von Vergnügungssteuer mit Art. 401 der Richtlinie 2006/112/[X.], die die Richtlinie 77/388/[X.] des Rates abgelöst hat, vereinbar ist, also um die Frage, ob die Erhebung von Vergnügungssteuer gegen ein in der Richtlinie verankertes Kumulierungsverbot von Umsatzsteuer und Vergnügungssteuer verstößt,

so ist diese Frage in der Rechtsprechung des [X.] bereits geklärt. Die [X.] (Richtlinie 2006/112/[X.] des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. L 347 S. 1) hindert gemäß ihrem Art. 401 einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten und einzuführen, sofern diese Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübergang verbunden sind. Für die Vergnügungssteuer kann der Charakter einer Umsatzsteuer zweifelsfrei verneint werden. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der [X.] gibt nichts dafür her, dass dann, wenn Mehrwertsteuer auf Glücksspiele erhoben wird, keine sonstige Abgabe nach Art. 401 [X.] erhoben werden darf (BVerwG, Beschluss vom 19. August 2013 - 9 [X.] 1.13 - [X.] 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 56 Rn. 11 m.w.N.). Auch der Gerichtshof der [X.] hat mittlerweile bestätigt, dass eine auf Geldspielgeräte erhobene Vergnügungssteuer nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat ([X.], Urteil vom 24. Oktober 2013 - [X.]/12 [[X.]:[X.]:[X.]] - Rn. 13, 30 f.).

5

b) Die sinngemäß aufgeworfene Frage,

ob auf die von der Klägerin erhobene [X.] Art. 1 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/118/[X.] des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der [X.][X.] mit der Folge anzuwenden ist, dass die [X.] nicht umsatzbezogen erhoben werden darf,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, denn sie lässt sich auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

6

Nach der genannten Richtlinienbestimmung können die Mitgliedstaaten Steuern erheben auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren, sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass die Richtlinie schon gar nicht auf die hier streitige [X.] anwendbar ist. Denn die Richtlinie betrifft nach deren Art. 1 Abs. 1 nur bestimmte verbrauchsteuerpflichtige Waren (Energieerzeugnisse und elektrischer Strom, Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren) sowie nach Art. 1 Abs. 3 andere Waren sowie Dienstleistungen. Da in der Rechtsprechung des [X.] geklärt ist, dass Steuergegenstand der Vergnügungssteuer in Gestalt der Spielautomatensteuer nicht die Dienstleistung, die der Halter der Spielautomaten gegenüber den Spielern erbringt, sondern der Vergnügungsaufwand des einzelnen Spielers ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 9 [X.] - [X.] 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 48 Rn. 6 und Urteil vom 13. April 2005 - 10 C 5.04 - BVerwGE 123, 218 <219 f.>), unterfällt die [X.] nicht der in der Grundsatzfrage genannten Richtlinie (ebenso [X.], Beschluss vom 20. August 2014 - 14 A 1353.14 - juris Rn. 3).

7

Die Beschwerde zeigt keinen weitergehenden grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Soweit sie vorbringt, bei der Automatenbesteuerung handele es sich deshalb um die Besteuerung einer Dienstleistung, weil der Apparateaufsteller das Spielgerät dem [X.] zur Verfügung stelle bzw. weil der Spieler eine Dienstleistung des [X.] in Anspruch nehme, übersieht sie die oben genannte ständige Rechtsprechung des [X.], wonach es sich bei der [X.] um eine indirekt beim Spielgeräteaufsteller erhobene Steuer handelt, die den Vergnügungsaufwand des Spielers besteuern soll. Ebenso wenig wird mit der [X.] der Umsatz des Spielhallenunternehmers besteuert, wie die Beschwerde in ihrer ergänzenden Begründung geltend gemacht hat; wäre dies der Fall, handelte es sich um eine Unternehmenssteuer (vgl. hierzu zuletzt [X.], Beschluss vom 13. April 2017 - 2 BvL 6/13 - juris Rn. 116). Schließlich verfängt auch nicht der Hinweis, das [X.] Recht kenne nur die Besteuerung von Waren oder Dienstleistungen, so dass es sich zwangsläufig um die Besteuerung einer Dienstleistung handeln müsse, wolle man nicht eine unzulässige dritte Besteuerungsart einführen. Denn bei der Vergnügungssteuer handelt es sich um eine örtliche Aufwandsteuer, für die das [X.] Recht keine abschließende Regelung trifft.

8

Findet die Richtlinie 2008/118/[X.] wie vorstehend ausgeführt auf die [X.] schon keine Anwendung, kommt es auf die vom Verwaltungsgerichtshof verneinte und in der Beschwerde aufgegriffene und näher problematisierte Frage, ob die [X.] eine "umsatzbezogene Steuer" im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/118/[X.] wäre, nicht mehr an.

9

2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen Divergenz zuzulassen.

Nach dieser Vorschrift ist die Revision, wie die Beschwerde richtig erkennt, nur dann zuzulassen, wenn es um die Abweichung von einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts geht. Demgegenüber kann eine Abweichung von einer Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] nicht mit der [X.] geltend gemacht werden. Denn dieser gehört nicht zu den in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO angeführten Gerichten. Angesichts der eindeutigen Aufzählung ist für eine analoge Anwendung der Vorschrift kein Raum (BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 9 [X.] - [X.] 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 48 Rn. 2).

3. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Meta

9 B 8/17

14.08.2017

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 28. Dezember 2016, Az: 5 A 2397/15, Beschluss

Art 401 EGRL 112/2006, Art 135 Abs 1 Buchst i EGRL 112/2006, Art 1 Abs 3 S 1 Buchst b EGRL 118/2008

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.08.2017, Az. 9 B 8/17 (REWIS RS 2017, 6605)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6605

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2 BvL 6/13

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