Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2014, Az. I ZB 6/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6551

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Gegenstand

Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof gegen eine markenrechtliche Beschwerdeentscheidung des Bundespatentgerichts zur Anbringung der Rüge einer Verletzung der Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union - Schwarzwälder Schinken


Leitsatz

Schwarzwälder Schinken

Die Rüge einer Verletzung der Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union durch das Bundespatentgericht kann nicht die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG, wohl aber die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG eröffnen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Einsprechenden zu 3 wird der Beschluss des 30. Senats ([X.]) des [X.] vom 13. Oktober 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

A. Seit dem 25. Januar 1997 ist die Bezeichnung

"Schwarzwälder Schinken"

auf Antrag des Antragstellers, des Schutzverbandes der Schwarzwälder Schinkenhersteller, mit Verordnung ([X.]) Nr. 123/97 der [X.] vom 23. Januar 1997 zur Ergänzung des Anhangs der Verordnung ([X.]) Nr. 1107/96 der [X.] über die Eintragung der geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen (ABl. Nr. L 22 vom 24. Januar 1997, [X.]) als geographische Angabe nach Art. 17 der Verordnung ([X.]) Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel vom 14. Juli 1992 für "Fleischerzeugnisse" eingetragen.

2

Mit dem am 18. April 2005 beim [X.] eingegangenen Antrag vom 23. März 2005 begehrt der Antragsteller die Änderung der Spezifikation der geschützten Angabe "Schwarzwälder Schinken". Soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, soll in die Spezifikation eine Regelung aufgenommen werden, wonach künftig das gewerbliche Aufschneiden (Slicen) und Verpacken zum Zwecke des Verkaufs als aufgeschnittenes Produkt ebenfalls im [X.] zu erfolgen hat. Ausnahmen sollen nur für Einzelhandels-, Gaststätten- oder Catering-Betriebe gelten, die Schwarzwälder Schinken aufschneiden und zur alsbaldigen Abgabe verpacken oder lose an den Verbraucher abgeben.

3

Gegen den Änderungsantrag sind drei Einsprüche beim [X.] eingegangen, von denen im vorliegenden Verfahren noch das Rechtsmittel der Einsprechenden zu 3 relevant ist. Diese bezieht im [X.] hergestellten Schinken, führt die Verarbeitungsschritte Aufschneiden und Verpacken aber in einer Anlage in Norddeutschland durch und vertreibt das Produkt sodann unter der Bezeichnung "Schwarzwälder Schinken".

4

Die Markenabteilung des [X.]s hat mit Beschluss vom 5. Dezember 2008 den Antrag auf Änderung der Spezifikation im Hinblick auf die Angaben zum Schneiden und Verpacken zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Änderung zurückweisenden Teil des Beschlusses hat das [X.] die Entscheidung des [X.]s insoweit aufgehoben, als der Antrag zurückgewiesen worden ist. Es hat ferner festgestellt, dass der Antrag auf Änderung der Spezifikation der geschützten geographischen Angabe "Schwarzwälder Schinken" vom 18. April 2005 in der Fassung der Spezifikation vom 10. August 2007 (Datum der [X.] im Markenblatt) den Anforderungen der Verordnung ([X.]) Nr. 510/2006 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (nachfolgend: [X.]) entspricht ([X.], Beschluss vom 13. Oktober 2011 - 30 W (pat) 33/09, [X.]E 53, 113 = [X.], 398).

5

Hiergegen wendet sich die Einsprechende zu 3 mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie eine vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung, die Versagung des rechtlichen Gehörs sowie einen Begründungsmangel rügt.

6

B. Das [X.] hat die Auffassung vertreten, die allgemeinen Voraussetzungen für die Genehmigung einer Änderung der Spezifikation nach Art. 9 Abs. 1 [X.] lägen vor. Sie seien bereits deshalb erfüllt, weil erst durch eine Änderung der Rechtslage aufgrund der Urteile des [X.] der [X.] vom 20. Mai 2003 in den Rechtssachen "Prosciutto di Parma" ([X.]/01, [X.]. 2003, [X.] = [X.], 616) und "Grana Padano" ([X.]/00, [X.]. 2003, [X.] = [X.], 609) sowie deren unionsrechtliche Umsetzung (Art. 4 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung ([X.]) Nr. 2081/92 in der Fassung der Verordnung ([X.]) Nr. 692/2003 und Art. 4 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung ([X.]) Nr. 510/2006) die Möglichkeit ersichtlich geworden sei, die Verarbeitungsschritte des Schneidens und [X.] durch entsprechende Vorgaben in der Spezifikation in das Herkunftsland zu verlegen. Diese Änderung der Rechtslage sei den in Art. 9 Abs. 1 [X.] ausdrücklich anerkannten Gründen für eine Änderung der Spezifikation gleichzustellen.

7

Der Änderungsantrag sei auch in der Sache begründet. Zwar sei zweifelhaft, ob insoweit die vom Gerichtshof der [X.] im Jahre 2003 aufgestellten strengen Anforderungen erfüllt sein müssten. Danach sei für die Zulässigkeit einer Spezifikation, die das Aufschneiden und Verpacken nur im Erzeugungsgebiet erlaube, der Nachweis erforderlich, dass diese Vorgaben ein erforderliches und verhältnismäßiges Mittel darstellten, um die Qualität und Echtheit des Produkts zu gewährleisten. Zum Zeitpunkt der Entscheidungen des [X.] habe es keine dem Art. 4 Abs. 2 Buchst. e [X.] entsprechende Regelung gegeben, die es erlaubt hätte, in die Produktspezifikation das Erfordernis aufzunehmen, dass die Aufmachung in dem abgegrenzten geographischen Gebiet erfolgen müsse. Diese Frage könne aber dahingestellt bleiben, da dem streitgegenständlichen Antrag auch nach den strengen Kriterien des [X.] stattzugeben sei. Zwar sei die beabsichtigte Änderung zur Qualitätssicherung nicht erforderlich. Sie sei jedoch unter den Gesichtspunkten der Sicherung der Rückverfolgbarkeit und der Effektivität der Kontrolle des Lebensmittels gerechtfertigt.

8

C. [X.] zu 3 hat Erfolg.

9

I. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig (§§ 133, 83 [X.]). Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass im Gesetz aufgeführte, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnende Verfahrensmängel gerügt werden. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs und einen Begründungsmangel. Außerdem macht sie geltend, das [X.] sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Diese [X.] hat die Rechtsbeschwerde im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die erhobenen [X.] durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht an (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 26. Juni 2010 - [X.], [X.], 1034 Rn. 9 = [X.], 1034 - [X.] LOGISTIK).

II. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Zwar liegt kein die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde begründender Verstoß nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] vor (dazu nachstehend [X.]). Das Verfahren vor dem [X.] verletzt die Einsprechende zu 3 jedoch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] (dazu nachfolgende [X.] 2).

1. Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde sei begründet, weil das [X.] gegen die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verstoßen habe.

a) Allerdings unterliegt das [X.] im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren der Vorlagepflicht des Art. 267 Abs. 3 AEUV, wenn es - wie im Streitfall - die Rechtsbeschwerde nicht zulässt ([X.], Beschluss vom 6. Februar 2013 - [X.]/11, [X.], 1046 Rn. 16 = [X.], 1346 - Variable Bildmarke, mwN).

b) Im Streitfall fehlt es jedoch an den in § 83 Abs. 3 [X.] geregelten weiteren Voraussetzungen für die Begründetheit einer zulassungsfreien Rechtsbeschwerde, soweit sie auf eine Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV gestützt ist.

aa) Im Schrifttum ist die Frage umstritten, ob eine Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] begründen kann (bejahend [X.]/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 83 [X.] Rn. 27; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 83 Rn. 47; allgemein [X.]/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 16 [X.] Rn. 3; aA [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 83 Rn. 31, 36 und 60) oder nur unter den Voraussetzungen des § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde in Betracht kommt (vgl. Fezer/Grabrucker, Handbuch der Markenpraxis, 2. Aufl., [X.] Rn. 659 und 661).

bb) Der [X.] hat die Frage bislang offengelassen (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Oktober 2002 - [X.], [X.], 546, 547 = [X.], 655 - [X.]; Beschluss vom 10. April 2008 - [X.], [X.], 1027 Rn. 24 = [X.], 1438 - Cigarettenpackung; Beschluss vom 20. Mai 2009 - [X.], [X.], 994 Rn. 10 = [X.], 1102 - [X.]; Beschluss vom 28. Oktober 2010 - [X.], [X.] 2011, 177 Rn. 8 - [X.]; [X.], [X.], 1046 Rn. 15 - Variable Bildmarke). Er schließt sich der Auffassung an, dass eine Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV keine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] begründet.

(1) Zwar ist der Gerichtshof der [X.] [X.] im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ([X.] 73, 339, 366). Eine Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen eines Verstoßes gegen die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV liegt danach vor, wenn die Vorlage willkürlich unterblieben ist ([X.], NJW 1992, 678). Das [X.] zählt zu den Verfahrensgrundrechten, die der Einhaltung eines rechtsstaatlichen Mindeststandards dienen, Art. 101 Abs. 1 GG. Es folgert daraus, dass in einem Rechtsstaat die Möglichkeit einer zumindest einmaligen gerichtlichen Kontrolle der Einhaltung dieses Verfahrensgrundrechts bestehen muss ([X.], NJW 2003, 1924, 1926). Dabei haben zunächst die Fachgerichte die Aufgabe, einen Grundrechtsverstoß durch Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG selbst zu beseitigen ([X.] 49, 252, 258; 63, 77, 79). Der [X.] hat deshalb erwogen, § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] auch auf den Fall eines Verstoßes gegen [X.] anzuwenden. Er hat sich einer entsprechenden Auslegung der Vorschrift gleichwohl nicht anschließen können.

(2) Die Bestimmung des § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] eröffnet nach ihrem Wortlaut die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nur im Fall der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des beschließenden Gerichts. Die Vorschrift ist § 100 Abs. 3 Nr. 1 [X.] nachgebildet worden (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/6581, [X.]) und entspricht inhaltlich § 547 Nr. 1 ZPO. Anders als § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] und § 100 Abs. 3 Nr. 3 [X.], die an einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG anknüpfen, stellen § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.], § 100 Abs. 3 Nr. 1 [X.] und § 547 Nr. 1 ZPO nicht auf einen Verstoß gegen [X.] nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ab. Dementsprechend hat es der [X.] bislang abgelehnt, die unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde, in der ebenfalls ein Verstoß gegen [X.] liegen kann (vgl. [X.], [X.], 601 Rn. 19), als Grund für eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts anzuerkennen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. April 1964 - [X.], [X.], 519, 521 - Damenschuh-Absatz; Beschluss vom 15. April 2010 - [X.], [X.], 950 Rn. 16 - [X.]). Auch den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO hat der [X.] auf den Fall einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts in der letzten mündlichen Verhandlung beschränkt (vgl. [X.], Urteil vom 4. November 1997 - [X.], [X.], 377, 378; Beschluss vom 13. November 2008 - [X.] 231/07, [X.] 2009, 210 Rn. 14; ebenso [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 72. Aufl., § 547 Rn. 5; [X.] in [X.].ZPO, 4. Aufl., § 574 Rn. 5; Musielak/Ball, ZPO, 11. Aufl., § 547 Rn. 3; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 6. Aufl., § 547 Rn. 6; [X.]/[X.] aaO § 547 Rn. 2).

Auch der Sinn und Zweck des § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] spricht gegen eine Anwendung der Bestimmung auf die Verletzung der Vorlagepflicht. Durch die Eröffnung der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] soll sichergestellt werden, dass eine Entscheidung durch einen [X.] des [X.]s getroffen wird, der gemäß § 67 Abs. 1 [X.] als Beschwerdesenat eingerichtet ist und dessen Besetzung unter Einhaltung der Regeln des [X.] (§ 21e [X.]) und der senatsinternen [X.] (§ 21g [X.]) gebildet worden ist. Erfasst wird hiervon, dass [X.] mitgewirkt hat, der nicht hätte mitwirken dürfen oder dass [X.] nicht mitgewirkt hat, der hätte mitwirken müssen (vgl. [X.]/[X.]/[X.] aaO § 83 Rn. 25; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 83 Rn. 34). Gegenstand der Rüge des § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ist damit die personelle Zusammensetzung der Richterbank. Dazu rechnet nicht die - auch willkürlich - unterbliebene Vorlage an den Gerichtshof der [X.].

cc) Eine Verletzung der Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der [X.] gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV kann jedoch gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnen. Dies setzt voraus, dass die Rechtsbeschwerde erfolgreich rügt, das [X.] habe unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör entscheidungserhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers übergangen, mit dem dieser geltend gemacht habe, der Streitfall werfe eine Zweifelsfrage zur Auslegung des Unionsrechts auf, so dass entweder die Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 [X.] zuzulassen oder die Sache gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der [X.] vorzulegen sei. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt ferner vor, wenn das [X.] die Zulassung der Rechtsbeschwerde und die Vorlage an den Gerichtshof der [X.] ohne einen vorherigen Hinweis an die Verfahrensbeteiligten unterlässt, sofern ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretener Rechtsauffassungen - damit nach dem bisherigen [X.] nicht zu rechnen brauchte (vgl. [X.], [X.], 1034 Rn. 11 - [X.] LOGISTIK, mwN).

dd) Im Streitfall fehlt es an einem Gehörsverstoß in Bezug auf eine Vorlagefrage. Die Rechtsbeschwerde hat nicht dargelegt, das [X.] habe Vorbringen der Einsprechenden zu 3 übergangen, mit dem diese geltend gemacht habe, dass sich im Streitfall Zweifelsfragen zur Auslegung des Unionsrechts stellen, die im Wege des [X.] gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV vom Gerichtshof der [X.] zu klären seien. Die Rechtsbeschwerde hat auch nicht geltend gemacht, dass das [X.] insoweit seine Hinweispflicht verletzt hat.

2. Mit Erfolg macht die Rechtsbeschwerde dagegen geltend, das [X.] habe den Anspruch der Einsprechenden zu 3 auf rechtliches Gehör verletzt, indem es ihr Vorbringen zur fehlenden Erforderlichkeit einer Kontrolle des Aufschneidens und [X.] innerhalb des [X.] unberücksichtigt gelassen habe.

a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen ([X.] 86, 133, 144; [X.], Beschluss vom 9. September 2010 - [X.], [X.], 654 Rn. 11 = [X.], 753 - [X.]). Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt deshalb voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf [X.] des [X.] zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war ([X.], NJW 2009, 1584 Rn. 14 mwN).

b) Die Einsprechende zu 3 hat vorgetragen, beim Schwarzwälder Schinken gebe es - anders als in dem vom Gerichtshof der [X.] in dem Verfahren "Prosciutto di Parma" zu beurteilenden Sachverhalt - keine produktspezifischen Besonderheiten, die es erforderlich machten, den Vorgang des Schneidens und [X.] zum Schutz des Rufs des Produktes einer eingehenden Kontrolle zu unterwerfen. Der Änderungsantrag enthalte keinerlei Anforderungen an die Verarbeitung, die spezifisches fachmännisches Wissen in Bezug auf Schwarzwälder Schinken voraussetzten und die daher eine Kontrolle im Schutzgebiet rechtfertigen könnten. Es sei auch nicht ersichtlich, warum das Risiko, dass anderer Schinken als Schwarzwälder Schinken geschnitten werde, außerhalb des Schutzgebietes größer sei als innerhalb des Schutzgebiets. Die Einsprechende zu 3 hat ferner vorgetragen, dass bereits durch die allgemeinen lebensmittelrechtlichen und hygienischen Anforderungen an die Fleischverarbeitung sowie die von dem weit überwiegenden Anteil der Lieferanten des Einzelhandels freiwillig geübten Anforderungen höchste Kontrollintensität und Rückverfolgbarkeit gewährleistet seien. In [X.] fordere das QS-System, dem mehr als 120.000 Systempartner - unter diesen der größte Teil der Fleischwarenindustrie - angehörten, ohnehin eine Rückverfolgbarkeit über sämtliche Herstellungs- und Handelsstufen hinweg. Die Einhaltung des Systems werde im Rahmen von zweijährigen Audits sowie im Wege unangemeldeter Stichprobenkontrollen überprüft. Die Rückverfolgbarkeit von Schwarzwälder Schinken sei zudem aufgrund der Bestimmung des Art. 18 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der [X.] und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit sichergestellt. Mit diesem Vorbringen, das [X.] des [X.] zu 3 betrifft, hat sich das [X.] nicht auseinandergesetzt.

c) Das von der Rechtsbeschwerde als übergangen gerügte Vorbringen ist auch entscheidungserheblich und für das Verfahren von zentraler Bedeutung.

aa) Nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung ([X.]) Nr. 2081/92, der zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags beim [X.] galt und an dessen Stelle zunächst Art. 4 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung ([X.]) 510/2006 getreten ist, der nunmehr durch Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der [X.] 1151/2012 abgelöst ist, muss die antragstellende Vereinigung eine hinreichende produktspezifische Rechtfertigung dafür liefern, dass die Aufmachung in dem abgegrenzten geographischen Gebiet erfolgen muss, um die Qualität zu wahren oder den Ursprung oder die Kontrolle zu gewährleisten. Dabei ist dem Unionsrecht, insbesondere den Vorschriften über den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, Rechnung zu tragen (Art. 7 Abs. 1 Buchst. e [X.] 1151/2012, zuvor Art. 8 und Erwägungsgrund 8 der Verordnung ([X.]) Nr. 1898/2006 der [X.] vom 14. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur [X.]). Die beantragte Änderung betrifft eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 29 [X.]V/Art. 35 AEUV (vgl. [X.], [X.], 616 Rn. 59 - Prosciutto di Parma). Ihre Zulässigkeit setzt wegen der Auswirkungen auf den freien Warenverkehr voraus, dass sie zur Erhaltung des Ansehens der geographischen Angabe oder der Ursprungsbezeichnung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist ([X.], [X.], 616 Rn. 66 - Prosciutto di Parma).

bb) Es ist nicht ausgeschlossen, dass das [X.] bei Berücksichtigung des von der Rechtsbeschwerde als übergangen gerügten Vorbringens zu der Erkenntnis gelangt wäre, dass die Erfordernisse des Aufschneidens und [X.] im Schutzgebiet für die Gewährleistung des Ursprungs oder der Kontrolle nicht erforderlich, jedenfalls aber mit Blick auf die notwendige Abwägung mit dem betroffenen Schutzgut der Waren- und Dienstleistungsfreiheit nicht verhältnismäßig sind. Dies gilt umso mehr, als das [X.] angenommen hat, dass der Gesichtspunkt der Qualitätssicherung die beanstandete Angabe in der Produktspezifikation nicht zu rechtfertigen vermag, weil die Vorschriften nicht mit besonderen Qualitätsmerkmalen des Produkts in Zusammenhang stehen, sondern sich im Rahmen der bei der Verarbeitung von Fleischerzeugnissen üblicherweise einzuhaltenden Hygienemaßnahmen bewegen.

D. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 [X.]).

                 

Richter am [X.] Pokrant ist
in Urlaub und daher verhindert
zu unterschreiben.

                 

Büscher     

        

Büscher

        

[X.]

        

Löffler     

        

     Schwonke     

        

Meta

I ZB 6/12

03.04.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 13. Oktober 2011, Az: 30 W (pat) 33/09, Beschluss

§ 83 Abs 3 Nr 1 MarkenG, § 83 Abs 3 Nr 3 MarkenG, Art 7 Abs 1 Buchst e EUV 1151/2012, Art 4 Abs 2 Buchst e EWGV 2081/92, Art 267 Abs 3 AEUV, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2014, Az. I ZB 6/12 (REWIS RS 2014, 6551)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6551


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 72/19

Bundesgerichtshof, I ZB 72/19, 03.09.2020.


Az. 30 W (pat) 33/09

Bundespatentgericht, 30 W (pat) 33/09, 12.08.2019.

Bundespatentgericht, 30 W (pat) 33/09, 18.05.2017.

Bundespatentgericht, 30 W (pat) 33/09, 13.10.2011.


Az. I ZB 6/12

Bundesgerichtshof, I ZB 6/12, 03.04.2014.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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