Bundesverfassungsgericht, Beschwerdekammerbeschluss vom 22.04.2024, Az. 2 BvR 739/17 - Vz 5/23

Beschwerdekammer | REWIS RS 2024, 2331

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Kammerbeschluss: Unzulässigkeit eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung im Verzögerungsbeschwerdeverfahren - Verwerfung einer Gegenvorstellung


Tenor

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Berichtigung des Tatbestands des Beschlusses der Beschwerdekammer des [X.] vom 11. Dezember 2023 - 2 BvR 739/17 - [X.] - wird abgelehnt.

Die Gegenvorstellung vom 17. Januar 2024 gegen den Beschluss der Beschwerdekammer des [X.] vom 11. Dezember 2023 - 2 BvR 739/17 - [X.] - wird verworfen.

Gründe

1

1. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Berichtigung des Tatbestands ist trotz des dort unkorrekt angegebenen Eingangsdatums der Verzögerungsbeschwerde in entsprechender Anwendung des § 320 Abs. 1 ZPO unzulässig.

2

a) Das Gesetz über das [X.] enthält keine erschöpfende Verfahrensregelung, sondern beschränkt sich auf wenige, unbedingt erforderliche, den Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens angepasste Bestimmungen (vgl. [X.] 1, 109 <110>). Dieser bewusst fragmentarische Charakter ermöglicht dem Gericht eine zweckentsprechende Ausgestaltung seines Verfahrens im Wege der Analogie zum sonstigen [X.] Verfahrensrecht (vgl. [X.] 1, 109 <110 f.>; 2, 79 <84>). Dabei kann nicht in schematischer Weise auf einzelne Grundsätze des Verwaltungsprozessrechts oder der Zivilprozessordnung zurückgegriffen werden; vielmehr ist der Rückgriff durch die Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens begrenzt (vgl. [X.] 32, 288 <291>; 46, 321 <323>; 81, 387 <389>; 87, 270 <272>; 88, 382 <383>; 98, 163 <166>).

3

b) Insoweit ist für die hier zur Entscheidung stehende Rechtsfrage, ob § 320 ZPO im verfassungsgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, zu beachten, dass die Vorschrift des § 320 ZPO mit der gesetzlichen Beweisregel des § 314 ZPO korrespondiert. Die [X.] ist vom Gesetzgeber mit Rücksicht auf die urkundliche Beweiskraft des Tatbestands geschaffen worden. Es soll verhindert werden, dass infolge der Beweiskraft ein unrichtig beurkundeter [X.] Grundlage für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts wird (vgl. [X.], Beschluss vom 3. März 2022 - [X.] -, Rn. 1 m.w.N.; [X.], in: [X.], ZPO, 35. Aufl. 2024, § 320 Rn. 1, 12). Eine [X.] ist daher nur zulässig, soweit dem Tatbestand eine verstärkte Beweiskraft entsprechend § 314 ZPO zukommt.

4

Ausgehend von diesem Sinn und Zweck fehlt es grundsätzlich an einem Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 320 Abs. 1 ZPO, wenn die Entscheidung unanfechtbar ist (vgl. [X.], in: [X.], ZPO, 35. Aufl. 2024, § 320 Rn. 12). Dementsprechend ist in der fachgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass [X.]santräge bei [X.] oder anderen letztinstanzlichen, mit Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen grundsätzlich unzulässig sind (vgl. [X.], Beschluss vom 3. März 2022 - [X.] -, Rn. 2 m.w.N.).

5

c) Eine entsprechende Anwendung des § 320 Abs. 1 ZPO im verfassungsrechtlichen Verzögerungsbeschwerdeverfahren scheidet daher aus.

6

Die Entscheidung des [X.]s im Verzögerungsbeschwerdeverfahren ist unanfechtbar (vgl. § 97d Abs. 3 [X.]). Dem Beschwerdeführer fehlt mithin das für eine entsprechende Anwendung des § 320 Abs. 1 ZPO erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dem steht auch nicht die Möglichkeit einer Individualbeschwerde beim [X.] entgegen, denn bei dieser Möglichkeit handelt es sich nicht um ein ordentliches Rechtsmittel. Insoweit ist die Annahme eines generellen Rechtsschutzbedürfnisses für einen Antrag analog § 320 Abs. 1 ZPO ebenso abzulehnen wie bei fachgerichtlichen [X.] (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 3. März 2022 - [X.] -, Rn. 2 f. m.w.N.; [X.], in: [X.], ZPO, 35. Aufl. 2024, § 320 Rn. 12).

7

Die im verfassungsgerichtlichen Beschwerdebeschluss enthaltenen Feststellungen sind im Übrigen auch nicht mit dem Tatbestand eines fachgerichtlichen Urteils im Sinne des § 320 Abs. 1 ZPO vergleichbar. Das zeigt sich insbesondere daran, dass es die Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und die Eigenart der Entscheidungen des [X.]s noch mehr erfordern, als dies für das übrige Verfahrensrecht gilt, Inhalt und Umfang des Tatbestands auf das für das Verständnis der jeweiligen Entscheidung unabweisbar Notwendige zu beschränken (vgl. [X.] 103, 195 <196>).

8

Eine entsprechend § 314 ZPO erhöhte Beweiskraft kommt dem Tatbestand der verfassungsgerichtlichen Beschwerdeentscheidung nicht zu. Selbst wenn der Beschwerdeführer möglicherweise erwägen sollte, gegen die Entscheidung des [X.]s beim [X.] Individualbeschwerde einzulegen, kann das ausführliche und ungekürzte Vorbringen des Beschwerdeführers im Verzögerungsbeschwerdeverfahren seinen Schriftsätzen entnommen werden. Es ist nicht erkennbar, dass das für Verfahren vor dem genannten Gerichtshof geltende Recht als Nachweis für das jeweilige Vorbringen mehr verlangen könnte (vgl. [X.] 103, 195 <196 f.>).

9

2. Die nach Abschluss des [X.] eingelegte Gegenvorstellung ist zu verwerfen.

Entscheidungen über die Verzögerungsbeschwerde sind unanfechtbar (vgl. § 97d Abs. 3 [X.]) und können auf Gegenvorstellungen hin grundsätzlich auch durch die [X.] selbst nicht mehr abgeändert werden. Es kann dahinstehen, ob ausnahmsweise eine Abänderungskompetenz der Kammer besteht, wenn bei der Entscheidung entscheidungserheblicher, dem [X.] vorliegender [X.] in einer Art. 103 Abs. 1 GG verletzenden Weise außer [X.] geblieben ist (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 19. Januar 2022 - 2 BvR 1872/21 -, Rn. 5 m.w.N. zur Abänderungskompetenz der [X.] [X.]). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Gegenvorstellung keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die bei der Entscheidung der [X.] über die Verzögerungsbeschwerde nicht berücksichtigt worden wären.

Meta

2 BvR 739/17 - Vz 5/23

22.04.2024

Bundesverfassungsgericht Beschwerdekammer

Beschwerdekammerbeschluss

Sachgebiet: Vz

vorgehend BVerfG, 13. Februar 2020, Az: 2 BvR 739/17, Beschluss

§ 90 BVerfGG, § 320 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschwerdekammerbeschluss vom 22.04.2024, Az. 2 BvR 739/17 - Vz 5/23 (REWIS RS 2024, 2331)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2331


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 739/17

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 739/17, 28.09.2023.

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 739/17, 01.12.2020.

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 739/17, 13.02.2020.


Az. 2 BvR 739/17 - Vz 5/23

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 739/17 - Vz 5/23, 22.04.2024.

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 739/17 - Vz 5/23, 11.12.2023.


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