Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.04.2015, Az. IX ZR 196/13

9. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 11792

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Gegenstand

Insolvenzanfechtung der Rückgewähr eines GmbH-Gesellschafterdarlehens bzw. die Rückgewähr eines durch den Gesellschafter abgesicherten Kredits


Leitsatz

Die Insolvenzanfechtung der Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens binnen eines Jahres vor Stellung eines Insolvenzantrags setzt keine Krise der Gesellschaft voraus. Entsprechendes gilt für die Rückgewähr eines durch den Gesellschafter abgesicherten Kredits.

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 13. August 2013 wird auf Kosten des Beklagten in einem Umfang von 1.000 € als unzulässig verworfen, im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 127.402,51 € festgesetzt.

Gründe

1

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO), aber nur in einem Umfang von 126.402,51 € zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Im Hinblick auf die Auszahlung an den Beklagten am 22. November 2010 in Höhe von 1.000 €, die vom Kläger als unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 [X.] angefochten worden ist, hat der Beklagte entgegen § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO einen Zulassungsgrund nicht dargelegt. Die geltend gemachten Zulassungsgründe betreffen allein die Anfechtungen nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 [X.]. Betrifft die angefochtene Entscheidung wie vorliegend mehrere prozessuale Ansprüche, so ist für jeden Anspruch eine den Anforderungen des § 544 Abs. 2 Satz 2 ZPO genügende Begründung erforderlich. Solcher im Einzelnen differenzierender Beanstandungen bedarf es jedenfalls dann, wenn das Berufungsgericht die erhobenen Ansprüche aus jeweils unterschiedlichen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für begründet erachtet (vgl. für die Berufungsbegründung [X.], Urteil vom 14. Juni 2012 - [X.], [X.], 1454 Rn. 10).

2

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat im Übrigen keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

3

a) Das Berufungsgericht hat es im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] als für unerheblich angesehen, dass der Beklagte vor der letzten Zahlung der Schuldnerin an ihn am 3. Februar 2011 in Höhe von 2.000 € zur Rückführung des von ihm als Alleingesellschafter der Schuldnerin gewährten Kredits seine [X.]sbeteiligungen an einen Dritten übertragen hatte. Der für ein [X.]erdarlehen durch § 39 Abs. 1 Nr. 5 [X.] angeordnete Nachrang kann nicht ohne weiteres dadurch unterlaufen werden, dass der [X.]er als Darlehensgeber seine Beteiligung an der [X.] ([X.], Urteil vom 21. Februar 2013 - [X.], [X.]Z 196, 220 Rn. 24). Allerdings wäre in Fällen einer Übertragung der [X.]erstellung ein zeitlich unbegrenzter Nachrang der Darlehensforderung unangemessen. Deshalb bleibt auf der Grundlage des in § 135 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens der Nachrang für ein [X.]erdarlehen nur erhalten, wenn der [X.]er seine [X.]erposition innerhalb der Jahresfrist vor Antragstellung aufgibt ([X.], Urteil vom 21. Februar 2013, aaO Rn. 25). Mit dem Nachrang ist folgerichtig die Anfechtbarkeit nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 [X.] verbunden ([X.], Urteil vom 21. Februar 2013, aaO Rn. 27). Auf die weiteren von der Nichtzulassungsbeschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es nicht an, weil es sich insoweit um eine alternative Begründung handelt ([X.], Beschluss vom 11. Oktober 2007 - [X.], [X.]; vom 5. September 2012 - [X.]/12, [X.], 3516 Rn. 11).

4

b) Soweit das Berufungsgericht den Beklagten nach § 135 Abs. 2 [X.] zur Zahlung von 107.902,51 € verurteilt hat, weil die Schuldnerin im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung einen Kontokorrentkredit zurückgeführt hat, für den sich der Beklagte als Alleingesellschafter verbürgt hatte, und nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zur Zahlung von weiteren 18.500 €, weil die Schuldnerin in dieser Höhe im letzten Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags einen [X.] an den Beklagten zurückgeführt hat, berührt das keine Grundsatzfrage. Hierbei kann zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Zahlungen sich noch nicht in der Krise befunden hat. Denn die dem [X.] vorgelegte Grundsatzfrage, ob ein [X.]er nach § 135 [X.] auch haftet, wenn die Rückzahlungen vor der Krise der [X.] erfolgt sind, ist bereits höchstrichterlich entschieden.

5

aa) Nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben der § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135 Abs. 1 und 2 [X.] kommt es auf die Krise der [X.] nicht mehr an. Der Gesetzgeber hat mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 [X.] in der Fassung von Art. 9 Nr. 5 des [X.] und zur Bekämpfung von Missbräuchen ([X.]) vom 23. Oktober 2008 ([X.] I S. 2026) bewusst auf das Merkmal der Kapitalersetzung verzichtet (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 [X.]). Die Neuregelung verweist jedes [X.]erdarlehen bei Eintritt der [X.]sinsolvenz in den Nachrang (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 S. 26, 56). Dasselbe gilt nach Maßgabe von Art. 9 Nr. 8 [X.] für die Neufassung von § 135 [X.]. Rückzahlungen auf [X.]erdarlehen sind innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nF stets anfechtbar (BT-Drucks. 16/6140 [X.]). Die Anfechtung beschränkt sich nicht mehr auf solche Fälle, in denen zurückgezahlte [X.]erdarlehen eigenkapitalersetzend waren und die Befriedigung der [X.]er ihrer Finanzierungsfolge[X.]erantwortung widersprach. Dieses Gesetzesverständnis ist eindeutig und - soweit ersichtlich - auch unumstritten ([X.], Urteil vom 7. März 2013 - [X.], [X.], 734 Rn. 14 mwN; vom 4. Juli 2013 - [X.], [X.]Z 198, 77 Rn. 29). In Konsequenz dieser Änderung wird durch eine Verschärfung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 [X.] die Rückgewähr jedes [X.]erdarlehens durch die [X.] binnen eines Jahres vor Insolvenzantragstellung von der Insolvenzanfechtung erfasst, ohne dass das bisherige Erfordernis einer "[X.]skrise" hinzutreten muss ([X.], Urteil vom 21. Februar 2013 - [X.], [X.]Z 196, 220 Rn. 10; vgl. [X.], Beschluss vom 15. November 2011 - [X.], [X.], 682 Rn. 15; [X.], Urteil vom 27. März 2014 - 6 [X.], [X.], 619 Rn. 22).

6

Dem kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht entgegenhalten, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ebenfalls ausgeführt habe, der darlehensgewährende [X.]er werde nicht schlechter gestellt (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 [X.]) und in § 135 Abs. 2 [X.] werde die bisher in § 32b GmbHG enthaltene Regelung in rechtsformneutraler Form übernommen (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 [X.]). Dieser Teil der Gesetzesmaterialien liefert keinen durchgreifenden Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber eine Haftung des [X.]ers im Umfang der Rückzahlungen innerhalb der Jahresfrist weiterhin an die wirtschaftliche Situation der [X.] habe knüpfen wollen. Dagegen sprechen der eindeutige Gesetzeswortlaut, aber auch die Ausführungen in der Gesetzesbegründung, es gebe künftig keine Unterscheidung zwischen "kapitalersetzenden" und "normalen" [X.]erdarlehen (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 S. 26) und das Merkmal der Krise sei durchgängig aufgegeben worden (Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 [X.]).

7

bb) Weder für eine teleologische Reduktion des § 135 [X.] in dem Sinne, dass dem [X.]er der [X.] ermöglicht wird, zum Zeitpunkt der Rückführung des Darlehens habe noch kein Insolvenzgrund vorgelegen, noch für eine analoge Anwendung des § 136 Abs. 2 [X.] bleibt im Hinblick auf das Gesamtkonzept der neuen Regelungen Raum (vgl. [X.]/[X.], [X.] 2009, 325, 327). Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung die Rechtslage erheblich einfacher und übersichtlicher gestalten und dadurch zu einer größeren Rechtssicherheit und einfacheren Handhabbarkeit der Eigenkapitalgrundsätze gelangen. Er hat dabei unter Abwägung der Interessen sowohl der Insolvenzgläubiger als auch der [X.]er die Rückzahlung des [X.]s und eines durch den [X.]er abgesicherten Kredits nicht mehr dem Kapitalerhaltungsrecht unterworfen, sondern dem durch feste Fristen gekennzeichneten Insolvenzanfechtungsrecht (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6140 [X.]). Damit hat er zwar einerseits die Haftung der [X.]er in der Insolvenz der [X.] im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung durch Verzicht auf das Merkmal der [X.]skrise verschärft (vgl. [X.], [X.], 2145, 2146; [X.], GmbHR 2008, 1184, 1186; [X.], Z[X.] 2011, 1379, 1382), andererseits aber auch entschärft, weil Rückzahlungen, die außerhalb der Anfechtungsfrist erfolgen, nicht mehr unter Rückgriff auf § 31 GmbHG erstattet werden müssen (vgl. [X.], aaO; [X.], aaO). Im Übrigen ist infolge der Beseitigung des [X.] durch das [X.] der Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den [X.]er auf unentgeltliche Nutzung eines überlassenen Wirtschaftsguts zu ihren Gunsten entfallen ([X.], Urteil vom 29. Januar 2015 - [X.], [X.], 589 Rn. 38; vgl. [X.], aaO; [X.]/[X.], [X.] 2009, 325, 328).

8

cc) Weder das Gesetz noch die sich am Gesetzeswortlaut und den Intentionen des Gesetzgebers orientierende Auslegung des § 135 [X.] verstößt gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung nennt keine Stimme, die verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelungen des [X.] äußert. In der in Bezug genommenen Berufungsbegründung hat der Beklagte zwar eine Literaturstelle zitiert. Diese aber betraf nicht § 135[X.], sondern § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] (Klinck, Die Grundlagen der besonderen Insolvenzanfechtung, [X.] ff). Der [X.] wendet die Bestimmung des § 135 [X.] in ständiger Rechtsprechung an.

9

Ziel des Gesetzgebers war es, durch eine Vereinfachung der Rechtslage und durch Schaffung typisierender Regelungen mehr Rechtssicherheit zu erreichen. Dabei hat er unter verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Abwägung der Interessen der Gläubiger und der [X.]er einerseits die Haftung der [X.]er in der Insolvenz der [X.] im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung durch Verzicht auf das Merkmal der [X.]skrise verschärft, andererseits den Gläubigerschutz durch die Jahresfrist eingeschränkt. Jede typisierende Regelung kann zwar im Einzelfall zu Härten führen; dies wird jedoch ausgeglichen durch den Gewinn an Rechtssicherheit infolge des Verzichts auf die unnötig komplizierte Rechtsregeln des Kapitalersatzrechts ([X.], [X.], 2145, 2146; [X.], NJW 2008, 3601, 3602 f), die in der Literatur teilweise als "ständig fortschreitender Wildwuchs" beschrieben wurden ([X.], aaO, 3602).

dd) Der behauptete Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt fern.

c) Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Kayser                      Vill                          Lohmann

               Grupp                    Möhring

Meta

IX ZR 196/13

30.04.2015

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 13. August 2013, Az: 5 U 611/13

§ 39 Abs 1 Nr 5 InsO, § 135 Abs 1 Nr 2 InsO, § 135 Abs 2 InsO, Art 9 Nr 5 MoMiG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.04.2015, Az. IX ZR 196/13 (REWIS RS 2015, 11792)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 3656 REWIS RS 2015, 11792

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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