Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2016, Az. 5 AZR 716/15

5. Senat | REWIS RS 2016, 9113

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) EUROPÄISCHER GERICHTSHOF (EUGH) ARBEITSZEIT ARBEITSVERTRAG INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT GEHALT MINDESTLOHN

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Gegenstand

Mindestlohn - Vergütung von Bereitschaftszeiten


Leitsatz

Bereitschaftszeit ist mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten.

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2015 - 8 [X.]/15 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütung von [X.].

2

Die Beklagte betreibt einen Rettungsdienst. Der Kläger ist bei ihr als Rettungsassistent beschäftigt. Er leistet im Rahmen einer [X.] einschließlich [X.] durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 2.680,31 Euro nebst Zulagen.

3

Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag zugrunde, der [X.]. bestimmt:

        

„Aufgrund der Überführung des Beschäftigungsverhältnisses auf die tarifvertraglichen Regelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) treten zum 01.01.2012 an die Stelle der bestehenden Arbeitsbedingungen folgende arbeitsvertraglichen Regelungen:

        

§ 1     

        

Herr … wird unter Eingruppierung in [X.] 5, Stufe 6, TVöD als vollbeschäftigter Rettungsassistent unbefristet weiterbeschäftigt. …

        

§ 2     

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den Vorschriften des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.

        

…       

        

§ 3     

        

Bei Beschäftigten im Rettungsdienst fallen regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang [X.] an. Aus diesem Grunde wird die wöchentliche Arbeitszeit unter Anwendung der Sonderregelung im Anhang zu § 9 TVöD auf durchschnittlich 48 Stunden festgesetzt. …“

4

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 idF des [X.] vom 1. April 2014 (im Folgenden [X.]) regelt [X.].:

        

§ 6     

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

(1)     

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für

                 

a)    

die Beschäftigten des [X.] durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich,

                 

b)    

die Beschäftigten der Mitglieder eines Mitgliedsverbandes der [X.] im [X.] durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich, ...

                 

…       

        
        

(2)     

Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. …

        

…       

        
        

§ 9     

        

[X.]

        

(1)     

[X.] sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Für Beschäftigte, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang [X.] fallen, gelten folgende Regelungen:

                 

a)    

[X.] werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert).

                 

b)    

Sie werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen.

                 

c)    

Die Summe aus den faktorisierten [X.] und der [X.] darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 nicht überschreiten.

                 

d)    

Die Summe aus [X.]s- und [X.] darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.

        

…       

                 
        

§ 15   

        

Tabellenentgelt

        

(1)     

Die/Der Beschäftigte erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der [X.], in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für sie/ihn geltenden Stufe. …

        

…       

        

Anhang zu § 9

        

…       

        

B.    

[X.] im Rettungsdienst und in Leitstellen

                 

(1)     

Für Beschäftigte im Rettungsdienst und in den Leitstellen, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang [X.] fallen, gelten folgende besondere Regelungen zu § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD:

                          

Die Summe aus den faktorisierten [X.] und der [X.] darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 nicht überschreiten. Die Summe aus [X.]s- und [X.] darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. [X.] sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. [X.] werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet(faktorisiert). [X.] werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen.

                 

(2)     

Die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit beträgt zwölf Stunden zuzüglich der gesetzlichen Pausen.

                 

(3)     

Die allgemeinen Regelungen des TVöD zur Arbeitszeit bleiben im Übrigen unberührt.

        

…“      

5

Nach erfolgloser Geltendmachung weiterer Vergütung von [X.] hat der Kläger im Febr[X.]r 2015 Zahlungsklage erhoben, welche die Monate Jan[X.]r und Febr[X.]r 2015 umfasst.

6

Der Kläger meint, die Beklagte vergüte die [X.] nicht mit dem gesetzlichen Mindestlohn. Die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung sei aufgrund des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes unwirksam geworden. Folge sei ein Anspruch auf die übliche Vergütung in Höhe des tariflichen Tabellenentgelts von 15,81 Euro brutto/Stunde.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.237,30 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 618,65 Euro ab 1. Febr[X.]r und 1. März 2015 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn sei erfüllt. Das Tabellenentgelt vergüte die Arbeitsleistung des [X.], die aus [X.] und Bereitschaftszeit bestehe.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat die [X.]erufung des [X.] zu Recht zurückgewiesen. Der Anspruch des [X.] auf Vergütung der [X.] ist erfüllt.

I. Die Zahlungsklage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie ist auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine [X.] von zwei Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen [X.]raum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. [X.] 23. September 2015 - 5 [X.] - Rn. 12).

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Sie ist bereits unschlüssig, weil der Kläger seine Forderung nicht nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern anhand eines Stundendurchschnitts begründet hat. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 [X.]). Dies erfordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die [X.]ehauptung einer aus dem Durchschnitt eines [X.]raums ermittelten Stundenzahl ersetzt diesen Vortrag nicht (vgl. [X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 19). Der [X.] braucht aber nicht auf eine entsprechende Ergänzung des Vortrags des [X.] hinzuwirken, weil der [X.] in jedem Fall unbegründet ist.

2. Der Kläger kann für [X.] keine weitere Zahlung von 7,90 Euro brutto pro Stunde fordern. Ein Anspruch auf die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 [X.]G[X.] besteht nicht.

a) Nach § 612 Abs. 2 [X.]G[X.] wird die übliche Vergütung geschuldet, wenn die arbeitsvertragliche Entgeltabrede im Streitzeitraum unwirksam war oder unwirksam geworden ist. Denn bei Unwirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung ist die Höhe der für die versprochenen Dienste vom Arbeitgeber zu leistenden Vergütung (§ 611 Abs. 1 [X.]G[X.]) nicht (mehr) bestimmt, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf die übliche Vergütung hat (vgl. [X.] 19. August 2015 - 5 [X.] - Rn. 23, [X.]E 152, 228).

b) Die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung ist nicht wegen des Inkrafttretens des [X.]es unwirksam geworden.

aa) Auf das Arbeitsverhältnis des [X.] findet nach § 2 Arbeitsvertrag der [X.] Anwendung. Der Kläger ist gemäß § 1 Arbeitsvertrag in die [X.] 5, Stufe 6 [X.] eingruppiert.

bb) [X.] aus § 1 Abs. 1 [X.] ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt ([X.]/[X.] [X.] § 1 Rn. 2; [X.] in [X.] [X.] 2. Aufl. § 1 Rn. 4; [X.]. 18/1558 S. 34). Das [X.] greift in die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und anwendbarer Entgelttarifverträge nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten. § 3 [X.] führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch (vgl. [X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 22).

Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] vorgesehenen [X.]ruttolohn erhält ([X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 24 mwN; vgl. zu einem tariflichen Mindestlohn [X.] 8. Oktober 2008 - 5 [X.] - Rn. 28, [X.]E 128, 119).

c) § 612 Abs. 2 [X.]G[X.] gibt dem Kläger keinen Anspruch auf weitere Vergütung für Januar und Februar 2015. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen nicht vor. Das [X.] hat weder die arbeitsvertragliche noch die tarifvertragliche Vergütungsregelung in ihrer Wirksamkeit berührt. Vielmehr regelt es eigenständig die Rechtsfolge einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns, indem mit § 1 Abs. 1 [X.] eine Anspruchsgrundlage formuliert wird (vgl. [X.]/[X.] [X.] § 1 Rn. 4; [X.]/[X.] 16. Aufl. § 3 [X.] Rn. 1a).

3. Der Anspruch des [X.] auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 [X.] ist durch Erfüllung erloschen.

a) Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte [X.]ruttovergütung den [X.]etrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt ([X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 26).

b) Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 [X.]G[X.] tritt beim Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn - wie in jedem Schuldverhältnis - ein, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird. Diese Leistung liegt in der Zahlung des [X.], denn der gesetzliche Mindestlohn ist das als Gegenleistung für die Arbeit (mindestens) zu erbringende Entgelt ([X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 27). Ausgehend von dem in § 1 Abs. 1 [X.] verwendeten [X.]egriff des Mindestlohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] bestimmten Höhe in Form eines [X.], handelt es sich um eine [X.]ruttoentgeltschuld des Arbeitgebers (zur Auslegung vgl. [X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 28 f.).

c) Der Arbeitgeber schuldet den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Der Mindestlohn ist für alle Stunden, während derer der Arbeitnehmer die gemäß § 611 Abs. 1 [X.]G[X.] geschuldete Arbeit erbringt, zu zahlen.

aa) Die Arbeitszeit des [X.] richtet sich nach § 3 Arbeitsvertrag iVm. § 9 Abs. 1 Satz 2 [X.] iVm. dem Anhang zu § 9 [X.] [X.]. Danach wird die in § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] geregelte Arbeitszeit für Mitarbeiter im Rettungsdienst modifiziert. Die [X.] werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert), wobei die Summe aus diesen faktorisierten [X.] und sog. [X.] nicht die in § 6 Abs. 1 [X.] genannten 39 Stunden pro Woche überscheiten darf. Darüber hinaus darf die Summe aus [X.] und [X.]ereitschaftszeit durchschnittlich 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten.

Die Tätigkeit als Rettungsassistent umfasst einen gewissen Anteil an [X.] iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsvertrag). Es handelt sich dabei um [X.]en, in denen sich der Kläger am Arbeitsplatz oder an einer anderen von der [X.]eklagten bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im [X.]edarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auf Anordnung aufzunehmen, und in denen [X.]en ohne Arbeitsleistung überwiegen.

bb) [X.]ereitschaftszeit ist mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten.

[X.]ereitschaftszeit ist nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1a [X.]), sondern vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 [X.]G[X.]. Denn dazu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der [X.]efriedigung eines fremden [X.]edürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des [X.]raums bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 [X.]) noch Freizeit hat. Diese Voraussetzung ist bei der [X.]ereitschaftszeit, die gemeinhin beschrieben wird als [X.] wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung, gegeben. Der Arbeitnehmer muss sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des [X.]etriebs) bereithalten, um im [X.]edarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (vgl. [X.] 19. November 2014 - 5 [X.] - Rn. 16 mwN, [X.]E 150, 82).

Die gesetzliche Vergütungspflicht des [X.]es differenziert nicht nach dem Grad der tatsächlichen Inanspruchnahme ([X.]/[X.] [X.] 2. Aufl. § 1 Rn. 50; [X.] [X.] 2015, 70, 76; [X.]. [X.] 2016, 1, 5; [X.]/[X.]/[X.] Das neue [X.] Rn. 96; [X.] [X.]-[X.]eilage 2014, 143, 146; aA [X.]/[X.] [X.] § 1 Rn. 66; [X.]/[X.] 16. Aufl. § 1 [X.] Rn. 4a; diff. [X.]/[X.] [X.] 2015, 970, 973). Leistet der Arbeitnehmer vergütungspflichtige Arbeit, gibt das Gesetz einen ungeschmälerten Anspruch auf den Mindestlohn. Das [X.] enthält keine abweichende Regelung. Insbesondere ist auf eine Regelung verzichtet worden, wie sie die zum 1. Januar 2015 in [X.] getretene Zweite Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (2. PflegeArbbV) vom 27. November 2014 verwendet hat (§ 2 Abs. 3 für [X.]ereitschaftsdienste und § 2 Abs. 4 für Rufbereitschaft), über deren Vereinbarkeit mit dem [X.] (§ 1 Abs. 3, § 24 Abs. 1 Satz 2 [X.]) hier nicht zu entscheiden ist. Ohne eine solche im Gesetz selbst niedergelegte Staffelung fehlt es an einer Legitimation, Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne mit weniger als dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten. Zumal das [X.]undesrecht mit der 2. PflegeArbbV zeigt, wie eine derartige Regelung ausgestaltet sein könnte.

Werden [X.] tariflich oder arbeitsvertraglich nur anteilig als Arbeitszeit berücksichtigt, ändert dies nichts daran, dass jede so erbrachte [X.]stunde mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten ist. Der gesetzliche Mindestlohn ist zwingend und kann nicht einzel- oder tarifvertraglich gemindert oder abbedungen werden (§ 3 [X.]). Folglich vermag eine abweichende arbeits- oder tarifvertragliche Regelung nicht den gesetzlichen Mindestlohn zu erfassen.

d) Die [X.]eklagte hat den Mindestlohnanspruch des [X.] für die Monate Januar und Februar 2015 bereits durch die allmonatliche Zahlung des [X.]ruttogehalts iHv. 2.680,31 Euro erfüllt (§ 362 Abs. 1 [X.]G[X.]).

In diesen Monaten überschritt die gezahlte [X.]ruttovergütung iHv. 2.680,31 Euro das Produkt der nach [X.]ehauptung des [X.] jeweils - einschließlich [X.]ereitschaftszeit - geleisteten 208,7 Arbeitsstunden multipliziert mit 8,50 Euro (= 1.773,95 Euro brutto). Dies gilt selbst im Fall der denkbaren 228 Arbeitsstunden, die der Kläger in dem für ihn geregelten Arbeitszeitmodell mit [X.] und [X.]ereitschaftszeit in einem Kalendermonat an 19 Arbeitstagen maximal leisten kann. Auch dann übersteigt die Monatsvergütung den gesetzlichen Mindestlohn (228 Stunden zu 8,50 Euro = 1.938,00 Euro brutto), womit in jedem Fall sein Mindestlohnanspruch erfüllt ist.

III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Weber    

        

    Volk    

        

        

        

    Feldmeier    

        

    [X.]    

                 

Meta

5 AZR 716/15

29.06.2016

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Aachen, 21. April 2015, Az: 1 Ca 448/15 h, Urteil

§ 1 Abs 1 MiLoG, § 1 Abs 2 S 1 MiLoG, § 611 Abs 1 BGB, § 612 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.06.2016, Az. 5 AZR 716/15 (REWIS RS 2016, 9113)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 3675 REWIS RS 2016, 9113

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Referenzen
Wird zitiert von

5 TaBV 17/16

5 Sa 28/16

18 Sa 995/18

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