Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2014, Az. V ZB 80/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4032

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

16. Juli 2014

in der Zurückschiebungshaftsache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 23 Abs. 2;
GG Art. 103 Abs. 1
Die unterbliebene Aushändigung des [X.] führt nur dann zu einer Aufhe-bung
der Haftanordnung (bzw. nach einer Erledigung der Hauptsache zur Fest-stellung ihrer Rechtswidrigkeit), wenn das Verfahren ohne diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Soweit der Senat dies bislang anders ge-sehen hat (vgl. u.a. Senat, Beschluss vom 30. März 2012
-
V [X.], juris Rn. 10 ff. und Beschluss vom 30. Oktober 2013
V
[X.], [X.] 2014, 43 Rn.
10 mwN), hält er daran nicht fest.

FamFG § 26, § 417 Abs. 2
Mängel in der Begründung des [X.] können auch dadurch behoben wer-den, dass das Gericht das Vorliegen der an sich nach §
417 Abs. 2 FamFG sei-tens der Behörde vorzutragenden Tatsachen auf Grund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) in dem Beschluss feststellt.

[X.], Beschluss vom 18. Juli 2014 -
V [X.] -
LG Lübeck

AG Oldenburg in [X.]

-
2 -

Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 16. Juli 2014 durch die [X.] [X.]in Dr. Stresemann, den [X.]
Dr. [X.], die [X.]in Prof.
Dr. Schmidt-Räntsch und die [X.] [X.] und [X.]
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des [X.], 7. Zivilkammer, vom 27. Mai 2013 auf-gehoben. Es wird festgestellt, dass die Haftanordnung des Amts-gerichts Oldenburg in [X.] vom 26. September 2012 den
Be-troffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste am 24.
September 2012 ohne gültige Papiere mit einem Zugticket für eine Fahrt von A.

nach K.

in das [X.] ein. Er wurde erstmals von Beamten der [X.] in B.

aufgegriffen. Eine [X.]RODAC Anfrage ergab zwei Treffer für [X.] (aus dem [X.]) und [X.] (aus dem [X.]). Der Betroffene gab an, dass er in den
für seinen [X.]
-
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antrag zuständigen Mitgliedstaat zurückreisen werde. Die Beamten stellten für den Betroffenen eine Anlaufbescheinigung für das [X.] in Br.

aus und besorgten
dem Betroffenen mit dessen Mitteln eine [X.] dorthin.
Der Betroffene
setzte jedoch am Folgetag seine Bahnfahrt in Richtung D.

fort. Er wurde in P.

erneut von Beamten der [X.] (der beteiligten Behörde) aufgegriffen. Die beteiligte Behörde beantragte bei dem Amtsgericht für die Dauer von zwei Monaten die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach [X.] oder [X.]
mit der Angabe, dass diese gemäß der [X.] ([X.]) Nr.
343/2003 ([X.]) für dessen [X.] zuständig seien.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 26. September 2012 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 25.
November
2012 angeordnet. Der Betroffene hat hiergegen Beschwerde eingelegt und nach seiner Überstellung nach [X.] am 5. November 2012 [X.], die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung für die Haftzeit vom 26.
September 2012 bis zum 5. November 2012 festzustellen. Das Beschwer-degericht hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der
Rechtsbeschwerde.
II.
Das Beschwerdegericht meint, dass die Haftanordnung den Betroffenen nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe. Zwar sei der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nicht ausge-händigt, sondern erst unmittelbar vor seiner Anhörung mündlich eröffnet [X.]. Das habe hier aber deshalb ausgereicht, weil
der Betroffene auf Grund seiner am Tag zuvor erfolgten Festnahme in B.

zu den Haftvoraus-2
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4 -

setzungen im engeren Sinne auskunftsfähig gewesen sei. Der Betroffene habe nicht nur gewusst, dass er sich illegal im [X.] aufhalte; er habe zudem -
da er nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, sich freiwillig bei
dem [X.] zu stellen -
mit der Anordnung von Haft im Falle seines erneu-ten Aufgreifens im [X.] rechnen müssen.
Die Voraussetzungen
für die Anordnung von Zurückschiebungshaft nach §
57 Abs. 2, § 62
Abs. 3 Nr. 1 [X.] hätten
vorgelegen. Ob sich eine andere Beurteilung nach § 62
Abs. 3 Satz 3 [X.] auf Grund der Erklärung des Be-troffenen in der Beschwerdebegründung ergeben hätte, er sei in der Haft zu der Überzeugung
gelangt, dass er sich den Behörden zur Rückkehr nach [X.] zur Verfügung halten müsse, könne dahinstehen, da das allenfalls für die Zukunft hätte berücksichtigt werden können.
III.
Die gemäß §
70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§
71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Im Ergebnis ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass gegen den Betroffenen Zurückschiebungshaft nach § 57 Abs. 2 i.V.m. § 62 [X.] zur Überstellung nach [X.] gemäß Art.19, 20 [X.] (zur Über-gangsvorschrift des
Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung -
[X.] [[X.]] Nr.
604/2013 des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013, [X.]. Nr. L 180, S. 31 -
Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 -
[X.] 31/14,
zur Veröffentlichung vorgesehen) schon deshalb nicht hätte angeordnet werden dürfen, weil dem Betroffenen
vor dem Beginn seiner Anhörung nach § 420 Abs.
1 Satz 1 FamFG eine Abschrift des [X.] der beteiligten Behörde nicht ausgehändigt worden war.
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5 -

a) Das Vorgehen des [X.] verletzte allerdings den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
Der Haftrichter darf
-
auch wenn der Betroffene zu den Angaben im Haftantrag auskunftsfähig ist -
sich nicht darauf beschränken, den Inhalt des [X.] mündlich vorzutra-gen. Dem Betroffenen ist in jedem Fall eine Ablichtung des [X.] zu übergeben, der erforderlichenfalls mündlich übersetzt werden muss; beides ist in dem Anhörungsprotokoll oder an einer anderen Aktenstelle zu vermerken (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 -
V [X.], [X.] 2012, 227 Rn.
9; Beschluss vom 10. Oktober 2013 -
V [X.], [X.] 2014, 39 Rn. 5). Die Aushändigung des [X.] soll sicherstellen, dass sich der Betroffene zu sämtlichen (tatsächlichen und rechtlichen) Angaben der die Haft beantragenden Behörde äußern kann (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 257 Rn. 8; Beschluss vom 6. Dezember 2012 -
V [X.], [X.] 2013, 87 Rn. 13). Der Betroffene, der zumeist schon auf Grund der [X.] nicht in der Lage sein wird, einen ihm nur mündlich übermittelten Haftan-trag zu erfassen, muss im weiteren Verlauf der Anhörung in ein Exemplar des [X.] einsehen und dieses gegebenenfalls später einem Rechtsanwalt vorlegen können (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2012 -
V [X.], [X.] 2012, 227 Rn. 9; Beschluss vom 30. Oktober 2013 -
V [X.], juris Rn. 5). Die
Aushändigung des [X.] soll dem Betroffenen -
insbesondere bei einem nicht einfach gelagerten Sachverhalt, von dessen Vorliegen hier auch das Be-schwerdegericht ausgeht -
ermöglichen, sich gegenüber dem Haftantrag der Behörde zu verteidigen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010
-
V [X.], [X.]Z 184, 323 Rn. 16; Beschluss vom 26. April 2012
-
V [X.], juris Rn. 5).
b) Die unterbliebene Aushändigung des [X.] führt allerdings nur dann zu
einer Aufhebung der Haftanordnung (bzw. nach einer Erledigung der Hauptsache zur Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit), wenn das Verfahren ohne 8
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diesen Fehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Soweit der [X.] dies bisher anders gesehen hat (u.a. Beschluss vom 30. März 2012

V
ZB
59/12, juris Rn. 10 ff.; Beschluss vom 30. Oktober 2013 -
V [X.], [X.] 2014, 43 Rn. 10
mwN), hält er daran nicht fest.
Ausschlaggebend dafür ist eine Entscheidung des Gerichtshofs
der Eu-ropäischen Union
für die Fälle der Inhaftnahme zum Zweck der Abschiebung nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/[X.] des [X.] und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhälti-ger Drittstaatsangehöriger, [X.].
Nr. L 348,
S. 98).
Nach dessen
Urteil vom 10.
September 2013 (C
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383/13
-
PPU, veröffentlicht u.a. in [X.]. 2014, 140
ff.) muss bei einer richterlichen
Kontrolle der von dem [X.] gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Entschei-dungen zur Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung nach Art. 15 der Rückführungsrichtlinie
anhand der speziellen tatsächlichen und rechtlichen Um-stände des jeweiligen Falles geprüft werden, ob der Verfahrensfehler dem Be-troffenen tatsächlich die Möglichkeit genommen hat, sich in solchem Maß [X.] zu verteidigen, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können ([X.], aaO, Rn. 44). Ein nationales
Gericht, das mit der [X.] einer im Verwaltungsverfahren unter Missachtung des Anspruchs auf [X.] Gehör beschlossenen Verlängerung einer [X.] betraut ist, darf die [X.] nur dann aufheben, wenn es der Ansicht ist, dass das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können ([X.], aaO, Rn. 45).
Die Entscheidung betrifft zwar einen Fall aus einem Mitgliedstaat (Nie-derlande), in dem die Abschiebungshaft nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 Buchstabe
a der Rückführungsrichtlinie durch eine Verwaltungsbehörde angeordnet und da-10
11
-
7 -

nach durch ein Gericht überprüft wird,
also nicht wie in [X.] bereits durch das Gericht angeordnet wird. Gegenstand der Entscheidung des [X.] ist zudem die Haft zur Vollstreckung der Rückkehrentscheidung durch Abschiebung (Art. 3 Abs. 3, 5 der Rückführungsrichtlinie) und nicht -
wie hier -
die Anordnung von Zurückschiebungshaft zur Sicherung der Überstellung des Ausländers in einen anderen Mitgliedstaat nach Art. 16 ff. [X.]. Die von dem Gerichtshof der [X.]
aufgestellten Grundsätze erlauben aber keine unterschiedliche Behandlung der Verletzung von Verteidigungsrechten, wenn es um eine Anordnung von Haft zur [X.] eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitglied-staat der
[X.] geht. Entscheidend ist, dass nach dem
Urteil des [X.] eine Verletzung von Verteidigungsrechten (insbe-sondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör) nicht automatisch, sondern nur dann zur Beendigung der Haft führt, wenn das Verfahren auch zu einem ande-ren Ergebnis hätte führen können.
Die Wirkung, die der Senat der fehlenden Aushändigung des [X.] bislang beigemessen hat, lässt sich auch nicht mit Art.
4 Abs.
3 Rückführungs-richtlinie rechtfertigen. Danach dürfen die Mitgliedsstaaten Vorschriften beibe-halten oder erlassen, die -
wie das Erfordernis der Aushändigung des [X.] oder die Begründungsanforderungen des §
417 Abs.
2 Satz
2 FamFG -
für die Personen, auf die Richtlinie Anwendung findet, günstiger sind. [X.] der Mitgliedstaaten (hier über die Mitteilung des [X.] nach § 23 Abs.
2 FamFG) und ihre Auslegung müssen aber mit der Richtlinie in Einklang stehen und dürfen die effektive Durchführung von Rückführungen nicht gefähr-den. Das lässt sich jedoch nicht gewährleisten, wenn die unterbliebene Aus-händigung des [X.] ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit und damit auch dann nach §
426 FamFG zur Aufhebung einer angeordneten Zurückschie-12
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8 -

bungshaft führt, wenn die Vermeidung dieses Fehlers nicht zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.
c) Dass der Betroffene -
wenn ihm der Haftantrag bereits vor seiner [X.] durch das Amtsgericht ausgehändigt worden wäre -
tatsächliche oder rechtliche Umstände mit der Folge vorgebracht hätte, dass die Haftanordnung nicht ergangen oder von dem Beschwerdegericht aufgehoben worden wäre, wird von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht er-sichtlich.
Der Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Ge-hör durch die Nichtaushändigung des [X.] führt danach hier nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung
(vgl. [X.], aaO Rn. 39).
2.
a)
Der Feststellungsantrag hat jedoch aus einem anderen Grund [X.]. Die Zurückschiebungshaft gegen den Betroffenen nach § 57 Abs. 2 i.V.m.
§ 62 [X.]
und
mit Art.19, 20 [X.] hätte nämlich deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.
aa)
Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. [X.] ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar [X.] die Ausführungen zur Begründung des [X.] knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte an-sprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte [X.] nicht angeordnet werden (st. Rspr., Senat, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 -
V [X.],
[X.] 2012, 328
Rn. 10; vom 6.
Dezember 2012 -
V [X.], juris Rn. 4; vom 31. Januar 2013 -
V [X.], [X.] 2013, 130 Rn. 15, jeweils mwN).
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-
9 -

bb)
In
[X.]n zur Sicherung einer Zurückschiebung in einen ande-ren Mitgliedstaat der [X.] auf der Grundlage eines Aufnahme oder Wiederaufnahmeersuchens nach Art. 16 ff. der [X.]
muss ausgeführt werden, dass und weshalb der Zielstaat (hier [X.] oder [X.]) nach der Verordnung zur Rücknahme verpflichtet ist (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 -
V [X.], [X.], 2448 Rn. 10; Beschluss vom 28.
Februar 2013 -
V [X.], [X.] 2013, 132, 133 Rn. 10).
Hierzu muss die Behörde auch angeben, in welchem Verfahren die Überstellung erfolgen und in welcher Reihenfolge bei den in Betracht kommenden [X.] [X.] werden soll. Dass die Entscheidung darüber nicht bei der beteiligten Be-hörde, sondern bei dem [X.] liegt, macht solche Darlegungen nicht entbehrlich. Notfalls muss die Behörde zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
427 Abs. 1 FamFG beantragen und den Antrag auf Anordnung ordentlicher [X.] bis zum Eingang der Unterrichtung durch das [X.] zurückstellen (Senat, Beschluss vom 28. Februar 2013

V [X.], [X.] 2013, 132 Rn. 11).
cc) Der Haftantrag der beteiligten Behörde vom 25. September 2012 ent-spricht
-
wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt -
diesen Anforderungen
nicht. In ihm ist nur davon die Rede, dass auf Grund von zwei [X.]RODAC-Treffern dem Betroffenen die Zurückschiebung nach [X.] oder nach [X.] eröffnet worden sei. Ausführungen dazu, welcher Staat zunächst angefragt werden soll, und aus welchen Gründen dieser zur Zurücknahme des [X.] verpflichtet ist, fehlen jedoch.
b) Mängel in der Antragsbegründung wegen fehlender Angaben zur er-forderlichen Haftdauer und zur Durchführbarkeit der Ab-
oder Zurückschiebung (§
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG) führen zur Rechtswidrigkeit der auf Grund eines solchen Antrags erlassenen Haftanordnung.
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aa) Dies ist eine Folge dessen, dass das Begründungserfordernis als ei-ne Verfahrensgarantie im Sinne des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ausgestaltet worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 -
[X.] 218/09, [X.] 2010, 210 [X.]; Beschluss vom 27. Oktober 2011
-
[X.] 311/10, [X.] 2012, 82 Rn. 11). Diese Garantie dient nicht nur dem Zweck, dem Betroffenen eine bessere Verteidigung im Verfahren zu ermöglichen. Mit den besonderen Begründungsanforderungen will der Gesetzgeber vor allem erreichen, dass dem Gericht
durch den Antrag selbst eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einleitung weiterer Ermittlungen bzw. für seine Entscheidung zugänglich wird (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des [X.] zum FGG-ReformG, BT-Drucks. 16/9733, [X.]; Senat, Beschluss vom 15.
September 2011 -
[X.] 123/11, [X.] 2011, 317 Rn. 9; Beschluss vom 27. Oktober 2011 -
[X.] 311/10, [X.] 2012, 82 Rn. 13). Die Begründung des [X.] ist nach Auffassung des Rechtsausschusses des [X.] eine
unverzichtbare Voraussetzung für die Einleitung weiterer [X.] bzw. für die Entscheidung des [X.]s über den Haftantrag. [X.], auch nicht auf richterliche Aufforderung ergänzte [X.] sind von dem Haftrichter als unzulässig zurückzuweisen (BT-Drucks. 16/9733, S.
299).
bb) Die in § 417 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 5 FamFG bestimmten [X.] an die Begründung sollen gewährleisten, dass die Haft nach § 62
[X.] nur angeordnet wird, wenn die antragstellende Behörde das Vorlie-gen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführbarkeit einer Ab-
oder Zurückschiebung und für das Betreiben des Verfahrens darlegt, zu deren Sicherung der [X.] die Haft anordnen soll. Das Begründungserfor-dernis sichert damit die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Haftanordnung nach § 62 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 4 [X.] sowie Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Rückführungsrichtlinie. Bedingung für die Inhaftnahme des Ausländers ist nach der Richtlinie nämlich nicht nur die Fluchtgefahr oder ein Umgehen oder 19
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-
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eine Verhinderung der Abschiebung; die Haft muss zudem so kurz wie möglich sein und sich auf die Dauer der laufenden Abschiebungsvorkehrungen be-schränken, solange diese mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt werden. Das Vorliegen dieser Umstände ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der In-haftnahme (Art. 15 Abs. 2 Satz 4 Rückführungsrichtlinie) und für die Aufrechter-haltung einer einmal angeordneten Haft (Art. 15 Abs. 3 und
4 Rückführungs-richtlinie).
c) Die Mängel des [X.] können allerdings in dem gerichtlichen Verfahren mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden. Das ist hier jedoch nicht geschehen.
aa) Eine Behebung der Mängel des [X.] kann zunächst
dadurch geschehen, dass die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt, dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt und der Betroffene dazu Stellung nehmen kann (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011

V
ZA
10/11, Rn. 11 juris; Beschluss vom 15. September 2011 -
[X.] 123/11, [X.] 2011, 317 Rn. 15).
Die Möglichkeiten zur Behebung des Mangels sind im Hinblick darauf, dass die Auslegung nationalstaatlicher Vorschriften die praktische Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie nicht infrage stellen darf ([X.], Urteil vom 10. Sep-tember 2013
-
[X.]/13 -
PPU, Rn. 36,
veröffentlicht u.a. in [X.]. 2014, 140 ff.),
dahin zu ergänzen, dass auch das Gericht das Vorliegen der an sich sei-tens
der Behörde nach § 417 Abs. 2 FamFG vorzutragenden Tatsachen auf Grund eigener Ermittlungen von Amts wegen (§ 26 FamFG) in dem Beschluss feststellen kann. Damit wird dem Zweck des [X.] in §
417 Abs. 2 FamFG ebenfalls genügt. Die Begründung soll dem Haftrichter eine hinreichende Tatsachengrundlage verschaffen. Die Zurückweisung eines [X.] oder die Aufhebung einer bereits angeordneten Haft auch in den 21
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-
12 -

Fällen, in denen nach den eigenen Ermittlungen des [X.] die in § 417 Abs. 2 Nr. 4 und 5 FamFG von der [X.] und sich danach die beantragte Haft als erforderlich und verhältnismäßig darstellt, ist dagegen nach
dem Zweck des [X.] nicht gefordert und widerspricht dem bereits erwähnten Gebot (siehe oben 1.
b)), die praktische Wirksamkeit der Rückführungsrichtlinie nicht durch eine zu enge Auslegung nationalstaatlicher Verfahrensvorschriften infrage zu stellen.

Die Behebung des Mangels durch den Haftrichter setzt jedoch voraus, dass dieser die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab-
oder Zurück-schiebung des Ausländers und
zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt. Nur dann ist davon auszugehen, dass die Vorausset-zungen tatsächlich vorgelegen haben, unter denen die Haft angeordnet werden darf. Fehlt es an solchen Feststellungen, verletzt eine dennoch ergehende Haftanordnung den Betroffenen in seinen Rechten.
bb) So verhält es sich hier, weil die Mängel des [X.] der beteilig-ten Behörde in dem gesamten Verfahren nicht behoben worden sind. Das Be-schwerdegericht befasst sich in seiner Entscheidung nur mit der -
seiner Mei-nung nach entbehrlichen -
Aushändigung des [X.], aber nicht mit des-sen Inhalt. Das Amtsgericht hat lediglich ausgeführt, dass die Dauer der Haft deshalb nicht unverhältnismäßig sei, weil Abschiebungen nach [X.] erfah-rungsgemäß innerhalb von zwei Monaten vollzogen werden könnten. Feststel-lungen zu
einer Verpflichtung [X.]s, den Betroffenen wieder aufzunehmen,
fehlen jedoch sowohl im Haftantrag als auch in dem die Haft anordnenden [X.].

24
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-
13 -

cc) Die Haftanordnung stellt sich schließlich auch nicht deshalb im [X.] als rechtmäßig dar, weil die Zurückschiebung des Betroffenen innerhalb der von der beteiligten Behörde beantragten Frist durchgeführt wurde. Der [X.] hat zwar entschieden, dass sich [X.] des Gerichts nicht auswir-ken, wenn es in der angeordneten Haftzeit
zu der Ab-
oder Zurückschiebung kommt (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 -
[X.] 226/10, [X.] 2011, 144 Rn. 19). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Mängel des [X.] übertragen werden. Die Ordnungsmäßigkeit des [X.] ist eine [X.], deren Beachtung von Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG gefordert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Oktober 2011 -
[X.] 311/10, [X.] 2012, 82 Rn. 11; Beschluss vom 19. Januar 2012 -
[X.] 70/11, juris Rn. 8; Beschluss vom 17. Oktober 2013 -
[X.] 162/12, [X.] 2014, 51 Rn. 9). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten, weil die Freiheitsentziehung nicht angeordnet werden darf, solange es an einer Darlegung der Behörde oder einer richterli-chen Ermittlung der für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsent-ziehung erforderlichen Tatsachen fehlt.
26
-
14 -

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430
FamFG, § 128 Abs. 3 Satz 2 [X.], Art. 5 [X.]. Die Festsetzung des [X.] folgt aus §
128c Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 [X.]. [X.] sind hier auf Grund der Übergangsvorschrift in § 134 Abs.
1, 2 GNotKG noch anzuwenden.
Stresemann

[X.]

Schmidt-Räntsch

Czub

Kazele

Vorinstanzen:
AG Oldenburg in
[X.], Entscheidung vom 26.09.2012 -
20b [X.]/12 B -

LG Lübeck, Entscheidung vom 27.05.2013 -
7 [X.] -

27

Meta

V ZB 80/13

16.07.2014

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2014, Az. V ZB 80/13 (REWIS RS 2014, 4032)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4032

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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