Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 22.12.2020, Az. 1 BvR 2756/20, 1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20

1. Senat | REWIS RS 2020, 3140

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Erfolgloser Eilantrag im Verfassungsbeschwerdeverfahren bzgl der Erhöhung des Rundfunkbeitrags - schwere Nachteile iSd § 32 Abs 1 BVerfGG durch Verzögerung der Beitragserhöhung nicht hinreichend dargelegt


Tenor

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.

Gründe

1

Die Beschwerdeführer rügen mit ihren [X.] unter Verweis auf die Senatsrechtsprechung zur Rundfunkfinanzierung ([X.] 90, 60; 119, 181) eine Verletzung ihrer Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Mit dem Unterlassen der Zustimmung zum [X.] ([X.]) und in dessen Folge der unterlassenen Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch den Ministerpräsidenten des [X.] weiche der [X.] aus verfassungsrechtlich unzulässigen programmlichen und medienpolitischen Gründen von den durch die [X.] zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten ([X.]) überprüften und korrigierten Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten ab. Damit werde der Grundsatz der Programmneutralität und Programmakzessorietät der Finanzierungsentscheidung verletzt. [X.] Gründe für die Abweichung von den Feststellungen der [X.] habe der [X.] weder erörtert noch seien sie sonst ersichtlich. Art. 1 des [X.] sei einstweilen in Geltung zu setzen. Die [X.] des Art. 2 Abs. 2des [X.] müsse vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer [X.] gesetzt werden, um dem [X.] auf Anordnung des [X.] gemäß § 35 [X.] ein Inkraftsetzen des geänderten [X.] auch nach Ablauf des Jahres 2020 zu ermöglichen.

2

Zu dem Antrag der Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 2756/20 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben Stellung genommen: die Bundesregierung; in einer gemeinsamen Stellungnahme die Regierungen der Länder [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.]; die Regierungen [X.] und des [X.]. Die Regierung des [X.] hält den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, jedenfalls aber für unbegründet.

II.

3

Die [X.] sind weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet (vgl. zu diesen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung [X.] 134, 138 <140 Rn. 6>; stRspr). Angesichts der bisherigen Rechtsprechung des [X.] erscheint eine Verletzung der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit zumindest möglich.

4

Die Beschwerdeführer haben jedoch nicht in der den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] entsprechenden Weise dargelegt, dass ihnen durch ein Abwarten bis zum Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens schwere Nachteile im Sinne des § 32 Abs. 1 [X.] entstehen. Auf eine Folgenabwägung kommt es daher nicht an.

5

1. Die Beschwerdeführer legen nicht näher dar, dass eine verfassungswidrige Verzögerung des Inkrafttretens der Änderung des [X.] irreversibel zu schweren Nachteilen führte.

6

a) Der Senat hat früher ausgeführt, dass sich eine möglicherweise durch das Fehlen hinreichender Mittel ausgelöste Verschlechterung des Programmangebots angesichts der Zeitgebundenheit der Wirkungen des [X.] nicht schlicht durch eine entsprechende finanzielle Mehrausstattung in späteren Zeiträumen kompensieren lasse (vgl. [X.] 119, 181 <241>). Ist in vergangenen Zeiträumen ein verschlechtertes Angebot ausgestrahlt worden, kann dies durch spätere Mehrausstattung tatsächlich nicht mehr ausgeglichen werden. Daraus geht die Irrevisibilität der Folgen eines verspäteten Inkrafttretens des geänderten [X.] jedoch nicht ohne Weiteres hervor. Dies hätten die Beschwerdeführer vielmehr näher aufzeigen müssen. Denn wenn das Programmangebot tatsächlich erbracht wird, ist nach den genannten Grundsätzen eine kompensierende Mehrausstattung in späteren Zeiträumen durchaus nicht ausgeschlossen. Sofern die Beschwerdeführer also geltend machen wollen, eine verfassungswidrige Verzögerung des Inkrafttretens der Änderung des [X.] löse eine Verschlechterung des Programmangebots aus und verletzte irreparabel ihre Rundfunkfreiheit, hätten sie substantiiert darlegen müssen, bei [X.] ab dem 1. Januar 2021 mangels Beitragserhöhung zu dem von der [X.] geprüften Programmangebot nicht in der Lage zu sein, obwohl im Fall des Obsiegens im Verfassungsbeschwerdeverfahren eine kompensierende Mehrausstattung in späteren Zeiträumen in Betracht kommt. Zwar ist ohne Weiteres plausibel, dass die Beschwerdeführer trotz der Aussicht auf spätere finanzielle Mehrausstattung nicht auf unbegrenzte Zeit in der Lage wären, das Programmangebot gewissermaßen in eigener "Vorleistung" zu realisieren. Nicht ohne Weiteres plausibel ist hingegen, dass dies - mit Blick auf entsprechende spätere Mehrausstattung - nicht für eine gewisse Zeit möglich sein sollte. Insofern hätte es genauerer Angaben bedurft. Der Hinweis der Beschwerdeführer auf eine Deckungslücke bis Ende des Jahres 2024 oder aber jedenfalls bis Ende des Jahres 2022 reicht schon deshalb nicht aus, weil nicht nachvollzogen werden kann, warum im Falle eines Abwartens der Entscheidung über die [X.] der Finanzbedarf bis Ende des Jahres 2022 oder sogar bis Ende des Jahres 2024 ungedeckt bleiben sollte.

7

b) Im Übrigen wäre den Anstalten nach der bereits genannten Senatsentscheidung jedenfalls ein Ausgleich zu gewähren, falls ihnen auf der Grundlage einer verfassungswidrigen Festsetzung des Beitrags Mittel - etwa für nötige Investitionen - entgangen sein sollten, deren Bezug nach ihren früheren Bedarfsanmeldungen und den Feststellungen der [X.] erforderlich war, um die Erfüllung des [X.] sicherzustellen (vgl. [X.] 119, 181 <242>). Auch insofern hätten die Beschwerdeführer darlegen müssen, warum ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung gleichwohl irreversible Nachteile eintreten sollten. Hierzu tragen die Beschwerdeführer ebenfalls nicht substantiiert vor.

8

2. Die Beschwerdeführer tragen auch hinsichtlich der [X.] in Art. 2 Abs. 2 des [X.], deren einstweilige Außerkraftsetzung sie beantragen, die in § 32 [X.] vorausgesetzte Dringlichkeit nicht substantiiert vor. Sie begründen nicht näher, inwiefern die [X.] nach dem 31. Dezember 2020 einer Realisierung der angestrebten Beitragserhöhung rechtlich oder tatsächlich im Wege stehen sollte. Sie legen auch nicht dar, weshalb es für den Fall, dass eine einstweilige Außerkraftsetzung der [X.] in Art. 2 Abs. 2 des [X.] in dem vorliegenden Eilverfahren unterbleibt, nicht möglich sein sollte, dem [X.] der Beschwerdeführer in der Hauptsache zu entsprechen. Insbesondere erläutern sie nicht weiter, warum die [X.] - wie sie behaupten - vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer [X.] gesetzt werden müsste, um dem [X.] - etwa auf Anordnung des [X.] gemäß § 35 [X.] - ein Inkraftsetzen der Änderung des [X.] auch nach Ablauf des Jahres 2020 zu ermöglichen.

Meta

1 BvR 2756/20, 1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20

22.12.2020

Bundesverfassungsgericht 1. Senat

Ablehnung einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvR

nachgehend BVerfG, 20. Juli 2021, Az: 1 BvR 2756/20, Beschluss

Art 5 Abs 1 S 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 2 Abs 2 MedienÄndStVtr 1, RdFFStVtr

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 22.12.2020, Az. 1 BvR 2756/20, 1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20 (REWIS RS 2020, 3140)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3140

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 2771/18

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