Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.03.2021, Az. B 1 KR 82/20 B

1. Senat | REWIS RS 2021, 7261

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Grundlage des Vergütungsanspruchs - Auslegung von Abrechnungsbestimmungen durch die Gerichte - medizinische Begriffe des OPS


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 26. August 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2642,52 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 [X.] zugelassenen Krankenhauses. Dieses führte im August 2015 bei einer bei der beklagten Krankenkasse Versicherten die operative [X.]evision ihres [X.] durch (Wiederherstellung eines chirurgisch für die Dialyse angelegten Blutgefäßes zur Verbindung von Vene und Arterie). Das Krankenhaus kodierte die [X.] nach dem 2015 geltenden [X.]en- und Prozedurenschlüssel ([X.]) 5-397.x:[X.] (Andere plastische [X.]ekonstruktion von Blutgefäßen: Sonstige) und berechnete ausgehend von der Fallpauschale (Diagnosis [X.]elated Group ) [X.] für die Behandlung 6406,84 [X.]. Die Krankenkasse beglich zunächst die [X.]echnung, rechnete den gezahlten Betrag dann jedoch mit anderen unstreitigen Forderungen auf und zahlte lediglich 3764,32 [X.] an das Krankenhaus. Es sei [X.] 5-397.a1:[X.] (Andere plastische [X.]ekonstruktion von Blutgefäßen: Oberflächliche Venen: Schulter und Oberarm) zu kodieren und daher nach D[X.]G F59D zu vergüten.

2

Die auf Zahlung von 2642,52 [X.] gerichtete Klage ist in erster Instanz erfolgreich gewesen (Urteil des [X.] vom [X.]): Zu [X.]echt habe das Krankenhaus die Prozedur an einem sonstigen Gefäß abgerechnet. Eine ausgereifte Shuntvene sei in ihrer Beschaffenheit aufgrund des hohen Blutflusses verändert, weil sich dadurch auch die Dicke und Beschaffenheit des Blutgefäßes ändere. Die Vene werde dadurch im Laufe der [X.] arterialisert. Für den Operateur bedeute dies, dass er es nicht mit einer Vene, sondern mit einer arterialisierten Vene zu tun habe. Das L[X.] hat das [X.]-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das Krankenhaus habe zu Unrecht eine Prozedur an einem sonstigen Gefäß und nicht an einer Vene abgerechnet, weil es sich auch bei der Shuntvene nach wie vor um eine Vene handele (Urteil vom 26.8.2020).

3

Mit seiner Beschwerde wendet sich das Krankenhaus gegen die Nichtzulassung der [X.]evision im L[X.]-Urteil.

4

II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 [X.]G zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten [X.]evisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 [X.]G).

5

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der [X.]echtssache beruft, muss eine [X.]echtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten [X.]evisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB B[X.] vom 17.4.2012 - [X.]3 [X.] 347/11 B - Soz[X.] 4-2600 § 72 [X.] [X.]dNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs [X.] vom 14.4.2010 - 1 Bv[X.] 2856/07 - Soz[X.] 4-1500 § 160a [X.] [X.]d[X.] ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

6

Das klagende Krankenhaus formuliert folgende [X.]echtsfrage:

"Darf das Gericht Mitteilungen bzw. Stellungnahmen des [X.] (bzw. nunmehr nachfolgend des [X.] - [X.]) auf Kodierungs- bzw. Klassifikationsanfragen bei seiner Entscheidungsfindung hinsichtlich der Auslegung von [X.]-Ziffern unberücksichtigt lassen bzw. übergehen oder ist das Gericht nicht sogar vielmehr an entsprechende Mitteilungen bzw. Stellungnahmen bei seiner Entscheidungsfindung gebunden und muss diese Bewertung seiner Entscheidung zugrunde legen."

7

Es legt jedoch die [X.] dieser Frage nicht ausreichend dar.

8

Eine [X.]echtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die [X.]echtsfrage nach dem Stand von [X.]echtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das [X.]evisionsgericht zur Klärung der [X.]echtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl B[X.] vom [X.] K[X.] 73/16 B - juris [X.]dNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs [X.] vom 12.9.1991 - 1 Bv[X.] 765/91 - Soz[X.] 3-1500 § 160a [X.] f = juris [X.]dNr 4). Eine [X.]echtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der [X.]echtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden, was im [X.]ahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB B[X.] vom 19.7.2012 - [X.] K[X.] 65/11 B - Soz[X.] 4-1500 § 160a [X.]; B[X.] vom 22.12.2010 - [X.] K[X.] 100/10 B - juris [X.]dNr 7). Erneute [X.] ist darüber hinaus auch gegeben, wenn neue erhebliche Gesichtspunkte gegen die bisherige [X.]echtsprechung vorgebracht werden, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl B[X.] vom 14.12.2020 - [X.] K[X.] 16/20 B - juris [X.]dNr 7; B[X.] vom 11.2.2020 - [X.]0 [X.] B - juris [X.]dNr 6, jeweils mwN). Dass die aufgeworfene [X.]echtsfrage gemessen daran klärungsbedürftig sei, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.

9

Das B[X.] vertritt in ständiger [X.]echtsprechung, dass Grundlage des Vergütungsanspruchs § 109 Abs 4 Satz 3 [X.] iVm § 7 des Krankenhausentgeltgesetzes und § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes ist und sich dessen Höhe nach den Vereinbarungen der Vertragspartner auf Bundesebene richtet, nicht hingegen nach verbindlichen Vorgaben des [X.] ([X.]; jetzt [X.]). Der vom [X.] herausgegebene [X.] regelt lediglich insoweit Vergütungsvoraussetzungen, als sich die Vertragspartner durch die vergütungsrelevante Einbeziehung der Klassifikationen in die Fallpauschalenvereinbarung über die Definition der jährlich von ihnen zu vereinbarenden Fallpauschalen verständigt haben (vgl nur B[X.] vom 19.6.2018 - [X.] K[X.] 39/17 [X.] - Soz[X.] 4-5562 § 9 [X.] [X.]d[X.] ff mwN; vgl dazu auch B[X.] vom 14.12.2020 - [X.] K[X.] 16/20 B - juris [X.]dNr 8). Nach ständiger [X.]echtsprechung sind in diesem Sinne vereinbarte Abrechnungsbestimmungen durch die Gerichte auszulegen. Wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems ist die Auslegung eng am Wortlaut orientiert und allenfalls unterstützt durch systematische Erwägungen vorzunehmen (vgl B[X.] vom 8.11.2011 - [X.] K[X.] 8/11 [X.] - B[X.]E 109, 236 = Soz[X.] 4-5560 § 17b [X.], [X.]d[X.]7; B[X.] vom 16.7.2020 - [X.] K[X.] 16/19 [X.] - juris [X.]dNr 17, jeweils mwN).

Mit dieser [X.]echtsprechung setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander. Sie nimmt weder Bezug auf die [X.]echtsprechung zur Auslegung von [X.]en durch die Gerichte, noch legt sie dar, vor welchem Hintergrund eine durch das "[X.]" des [X.] verfasste E-Mail verbindliche Wirkung für die Auslegung einer durch die Vertragspartner auf Bundesebene vereinbarten [X.] gewinnen soll. Allein der Verweis darauf, dass das [X.] auf seiner Internetseite als seine Aufgabe die Bildung einheitlicher Begriffssysteme beschreibe und sich Entsprechendes auch auf der Internetseite des [X.] finde, legt nicht dar, weshalb dem [X.] angesichts anders lautender [X.]echtsprechung des B[X.] ein Auslegungsprärogativ zukommen soll.

Soweit die Beschwerdebegründung Bezug nimmt auf die Neufassung des § 301 Abs 2 [X.] und daraus den Schluss zieht, dass nunmehr gesetzlich verankert sei, dass das [X.] Klarstellungen und Änderungen bei Auslegungsfragen zum [X.] mit Wirkung auch für die Vergangenheit vornehmen könne, legt sie nicht dar, welche [X.]elevanz diese Änderung für den vorliegenden Fall gewinnt. Die Beschwerdebegründung nimmt insoweit inhaltlich Bezug auf die zum 1.1.2019 in [X.] getretene Änderung des § 301 Abs 2 [X.] durch das Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals ([X.] - Pp[X.]) vom 11.12.2018 ([X.]). Welche Bedeutung diese [X.]egelung für eine schon in der Vergangenheit liegende Stellungnahme des [X.] haben soll, wird nicht erörtert. Überdies setzt sich die Beschwerdebegründung nicht damit auseinander, ob eine formlose E-Mail-Antwort die Qualität einer rechtlichen Klarstellung im Sinne von § 301 Abs 2 Satz 4 [X.] erfüllt. Soweit sie pauschal behauptet, dass "sich aus [X.] klar auch für die Vergangenheit (…) ergibt, dass (…) Stellungnahmen [des [X.]] bindend sind", auch für die Gerichte, erläutert sie dies nicht.

Soweit die Beschwerdebegründung sinngemäß letztlich doch die Frage danach aufwirft, ob eine Shuntvene als sonstiges Blutgefäß oder als Vene zu qualifizieren ist, legt sie ebenfalls nicht dar, weshalb dieser Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt. In Bezug auf D[X.]G-basierte Vergütungsbestimmungen erfordert dies regelmäßig die substantiierte Darlegung, warum ausnahmsweise noch ein über die Frage der zutreffenden Auslegung durch das [X.] hinausgehender Klärungsbedarf besteht, obwohl die Auslegung von [X.]en lediglich nach Wortlaut und - ergänzend - nach Systematik erfolgt. Die Auslegung einer der jährlichen Überprüfung und eventuellen Anpassung unterliegenden vertraglichen Einzelvergütungsvorschrift hat nämlich in der [X.]egel keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie keine wesentlichen [X.] aufwirft sowie die hierfür anzuwendenden Auslegungsmethoden einfach und geklärt sind (vgl B[X.] vom 19.7.2012 - [X.] K[X.] 65/11 B - Soz[X.] 4-1500 § 160a [X.] [X.]dNr 17 f mwN; vgl auch B[X.] vom 20.11.2007 - [X.] K[X.] 118/07 B - juris [X.]d[X.] mwN).

Die Inkorporierung des [X.] in die [X.]en bedeutet - soweit die Vertragsparteien nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmen -, dass den medizinischen Begriffen des [X.] der Sinngehalt zukommt, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird. Dieser den [X.]egelungsgehalt determinierende Sprachgebrauch kann - wortlautorientiert - wie eine Tatsache als Vorfrage für die Auslegung im gerichtlichen Verfahren durch Beweiserhebung ermittelt werden. Insofern gilt hier nichts anderes als bei Fragen (rein) tatsächlicher Art, die nicht zur Überprüfung durch das [X.]evisionsgericht gestellt werden können (vgl B[X.] vom 19.7.2012 - [X.] K[X.] 65/11 B - Soz[X.] 4-1500 § 160a [X.] [X.]dNr 18, dort zum Begriff der Inzision).

Die Beschwerdebegründung setzt sich nicht damit auseinander, inwieweit die Abgrenzung der [X.]-Schlüssel anhand der Begriffswahl (oberflächliche Vene/Sonstige) für eine Shuntvene wesentliche [X.] aufweist. Insbesondere zeigt sie nicht auf, dass das Auslegungsproblem hier nicht einer Beweiserhebung zugänglich ist. Sie legt auch im Übrigen nicht dar, warum ein über die Frage der Auslegung der [X.]en nach deren Wortlaut - allenfalls ergänzt durch systematische Erwägungen - hinausgehender grundsätzlicher Klärungsbedarf bestehen soll. Allein ihr Hinweis auf weitere anhängige Verfahren zu dieser Frage genügt insoweit nicht.

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Meta

B 1 KR 82/20 B

31.03.2021

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hamburg, 25. Juni 2019, Az: S 8 KR 1239/16, Urteil

§ 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 301 Abs 2 SGB 5, § 17b KHG, § 7 KHEntgG, § 9 KHEntgG, FPVBG 2015, OPS 2015

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.03.2021, Az. B 1 KR 82/20 B (REWIS RS 2021, 7261)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7261

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