Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2020, Az. X ZR 3/19

10. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 576

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Gegenstand

Verbandsklage gegen die Verwendung von Klauseln in AGB: Gebührenstreitwert und Beschwer im Falle eines Wirtschaftsverbands als Kläger - UKlaG-Streitwert


Leitsatz

UKlaG-Streitwert

Bei einer auf § 1 oder § 4a UKlaG gestützten Klage sind Gebührenstreitwert und Beschwer grundsätzlich auch dann allein nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der angegriffenen Klauseln zu bemessen, wenn der Kläger ein Wirtschaftsverband im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG ist.

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 13. Dezember 2018 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 3.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren [X.], nimmt das beklagte Luftfahrtunternehmen, das seinen Sitz in [X.] hat und in [X.] Flüge über eine [X.] Internetseite anbietet, gestützt auf § 1 [X.] und § 4 [X.] wegen folgender Klausel auf Unterlassung und Zahlung einer Abmahnkostenpauschale in Anspruch:

Steuern und Gebühren, die von einem Flughafenbetreiber direkt von [der Beklagten] erhoben werden, sind nicht erstattungsfähig, selbst wenn sie auf der Anzahl an beförderten Fluggästen basieren.

2

Das [X.] hat die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt und ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Den Streitwert hat es auf 3.000 Euro festgesetzt.

3

Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Den Streitwert hat es zunächst auf 25.000 Euro festgesetzt. Auf Gegenvorstellung der Beklagten hat es den Wert auf 2.500 Euro herabgesetzt. Die Revision hat es nicht zugelassen.

4

Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die ihr Klagebegehren weiterverfolgen möchte. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zulässig.

6

Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde übersteigt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer nicht die gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgebliche Grenze von 20.000 Euro. Er beträgt, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, nicht mehr als 3.000 Euro.

7

1. Bei einer Verbandsklage gegen die Verwendung von Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach dem Unterlassungsklagengesetz richten sich der Gebührenstreitwert und die Beschwer nach ständiger Rechtsprechung des [X.] nicht nach der wirtschaftlichen Bedeutung des angestrebten Verbots, sondern allein nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der angegriffenen Klauseln. Auf diese Weise sollen Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken geschützt werden (vgl. nur [X.], Beschluss vom 21. März 2018 - [X.], Rn. 4; Beschluss vom 24. März 2020 - [X.], NJW-RR 2020, 1055 Rn. 5; Beschluss vom 13. Oktober 2020 - [X.], Rn. 8).

8

a) Den maßgeblichen Wert setzt der [X.] regelmäßig in einer Größenordnung von 2.500 Euro je angegriffener [X.] an. Seine Höhe hängt nicht davon ab, welche [X.] in der Vorinstanz unterlegen ist (vgl. etwa [X.], NJW 2018, 1880 Rn. 35).

9

Eine abweichende Bewertung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen, etwa, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird, und die Frage nach der Wirksamkeit der Klausel deshalb für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 22. November 2016 - [X.], [X.], 507 Rn. 16; Beschluss vom 23. Februar 2017 - [X.], Rn. 6; Beschluss vom 21. März 2018 - [X.], Rn. 4; Beschluss vom 5. Februar 2019 - [X.], NJW 2019, 1531 Rn. 14 - Fotoabzüge).

b) Diese Maßstäbe gelten angesichts des Zwecks der Regelung auch für eine auf § 1 oder § 4a [X.] gestützte Klage eines [X.] gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] (nachfolgend: Wirtschaftsverband).

aa) Der Gesetzgeber hat mit § 13 [X.], auf den die Regelung in § 1 ff. [X.] zurückgeht, eine "abstrakte Unterlassungs- und Widerrufsklage (eingeschränkte Popularklage)" eingeführt (BT-Drucks. 7/5422 S. 3).

Dieses Instrument dient dem Zweck, den Rechtsverkehr von unzulässigen Klauselwerken freizuhalten und zu verhindern, dass sich die Vertragsfreiheit in einer bloßen Abschlussfreiheit erschöpft (BT-Drucks. 7/5422 [X.]). Schutzobjekt des Verfahrens ist nicht der einzelne, von einer möglicherweise unzulässigen Klausel betroffene Verbraucher, sondern der Rechtsverkehr, der allgemein von der Verwendung derartiger Klauseln frei gehalten werden soll ([X.], Urteil vom 28. Juni 1984 - [X.], [X.]Z 92, 24, 26 = NJW 1984, 2468, juris Rn. 9). Die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] anspruchsberechtigten Stellen füllen mit ihren Klagen damit ein öffentliches Interesse aus. Dies wird auch durch den Umstand verdeutlicht, dass der Gesetzgeber als Alternative oder Ergänzung eine öffentliche Aufsicht über Allgemeine Geschäftsbedingungen, etwa durch deren vorherige Genehmigung oder Registrierung erwogen, sich anstelle einer solche Regelung aber für das Modell der Verbandsklage entschieden hat (BT-Drucks. 7/5422 S. 3).

bb) Vor diesem Hintergrund kann der Streitwert einer auf § 1 oder § 4a [X.] geschützten Klage - anders als bei einer auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützten Klage - nicht davon abhängen, ob der Kläger eine qualifizierte Einrichtung, ein Wirtschaftsverband oder eine Kammer ist.

Bei einer auf § 8 UWG gestützten Klage eines [X.]verbands (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) ist für den Streitwert nach ständiger Rechtsprechung des [X.] das Interesse maßgeblich, das ein gewichtiger Mitbewerber der beklagten [X.] an der begehrten Unterlassung hat (vgl. [X.], Beschluss vom 5. März 1998 - [X.], NJW-RR 1998, 1421, 1422, juris Rn. 5 f. - Verbandsinteresse; Beschluss vom 2. Oktober 2002 - [X.], Rn. 10; Beschluss vom 9. Oktober 2018 - [X.], Rn. 1). Bei der Klage eines [X.] kommt es dagegen auf das satzungsmäßig wahrgenommene Interesse der Verbraucher an; maßgebend sind die gerade diesen drohenden Nachteile (vgl. [X.], Beschluss vom 15. September 2016 - [X.], [X.], 212 Rn. 9 - Finanzsanierung).

Diese Unterscheidung beruht auf dem Umstand, dass das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht nur dem Schutz der Verbraucher und dem Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb dient, sondern auch dem Schutz der Mitbewerber und sonstiger Marktteilnehmer (§ 1 UWG), und dass ein [X.]verband in der Regel die Interessen der zuletzt Genannten geltend macht. Ein [X.]verband darf zwar auch Verstöße gegen Vorschriften verfolgen, die dem Schutz der Verbraucher dienen. Auch solche Klagen dienen in der Regel aber zugleich den Interessen der Verbandsmitglieder, indem verhindert wird, dass sich ein Wettbewerber durch Verletzung verbraucherschützender Vorschriften Vorteile verschafft ([X.], Urteil vom 9. Dezember 1993 - I ZR 276/91, NJW 1994, 731, juris Rn. 8; [X.]/[X.] in: [X.]/[X.]/[X.], UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 3.30).

Für eine auf § 1 oder § 4a [X.] gestützte Klage kommt eine solche Differenzierung nicht in Betracht. Wie oben dargelegt wurde, dient dieses Gesetz dem Schutz der Verbraucher und den Interessen der Öffentlichkeit, nicht aber dem Schutz von Mitbewerbern. Dementsprechend ist auch bei der Klage eines [X.] der Streitwert nur anhand des Interesses der Allgemeinheit an der Beseitigung der angegriffenen Klauseln zu bestimmen.

2. Besondere Umstände, die im Streitfall die Annahme eines 20.000 Euro übersteigenden Werts begründen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

a) Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Klägerin solche Umstände in den Vorinstanzen dargelegt hat.

b) Der diesbezügliche Vortrag der Nichtzulassungsbeschwerde ist unbeachtlich.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist es einer [X.], die in den Tatsacheninstanzen gegen die Festsetzung eines unterhalb von 20.000 Euro liegenden Werts keine Einwendungen erhoben hat, verwehrt, erstmals im [X.] geltend zu machen, der Wert der Beschwer liege über diesem Betrag (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Juli 2019 - [X.], IHR 2020, 21 Rn. 6; Beschluss vom 30. April 2020 - [X.], Rn. 9). Der Beschwerdeführer kann seine eigenen Angaben aus den Tatsacheninstanzen auch nicht korrigieren, um die Wertgrenze zu überschreiten (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Februar 2016 - [X.], Rn. 6; Beschluss vom 21. November 2019 - [X.], Rn. 5).

Eine andere Beurteilung ist im Streitfall auch nicht deshalb geboten, weil das Berufungsgericht den Streitwert zunächst auf 25.000 Euro festgesetzt hat. Diese Festsetzung beruht nicht auf relevantem Vorbringen der Klägerin, sondern auf der unzutreffenden Rechtsauffassung, bei Klagen eines [X.] sei der Streitwert nach anderen Maßstäben zu bestimmen. Auch die Argumente, die die Klägerin gegen die Gegenvorstellung der Beklagten angeführt hat, sind allein an dieser Auffassung ausgerichtet.

c) Unabhängig davon rechtfertigen die von der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Umstände ohnehin nicht die Festsetzung eines höheren Werts.

aa) Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde besteht nicht deshalb ein gesteigertes Interesse der Allgemeinheit am Ausgang des Rechtsstreits, weil inzident über die Frage der Wirksamkeit einer Rechtswahlklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines [X.] mit Verbrauchern zu entscheiden ist.

Dabei kann zu Gunsten der Nichtzulassungsbeschwerde unterstellt werden, dass Rechtswahlklauseln im grenzüberschreitenden Passagierflugverkehr üblich sind. Unabhängig davon hat die wirtschaftliche Bedeutung von entscheidungserheblichen Vorfragen bei der Bemessung des Streitwerts außer Betracht zu bleiben, weil die Entscheidung darüber nicht in Rechtskraft erwächst (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Oktober 2008 - [X.], [X.], 562 Rn. 8; Beschluss vom 2. Mai 2019 - [X.], Rn. 5; Urteil vom 10. April 2019 - [X.], NJW 2019, 1745 Rn. 16).

bb) Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht, die Wirksamkeit der angegriffenen Klausel habe für die gesamte Branche herausragende wirtschaftliche Bedeutung, zeigt sie nicht auf, welche weiteren Luftverkehrsunternehmen eine solche Klausel verwenden und welche Bedeutung ihnen am Markt zukommt.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Der Streitwert des [X.]s entspricht dem Wert des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 21. März 2018 - [X.], Rn. 4, 7; [X.], NJW 2019, 1531 Rn. 9 f. - Fotoabzüge).

[X.]     

      

Kober-Dehm     

      

Marx   

      

Rombach     

      

Rensen     

      

Meta

X ZR 3/19

17.11.2020

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 13. Dezember 2018, Az: 16 U 15/18, Urteil

§ 1 UKlaG, § 3 Abs 1 S 1 Nr 2 UKlaG, § 4a UKlaG, § 3 ZPO, § 544 Abs 2 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2020, Az. X ZR 3/19 (REWIS RS 2020, 576)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 195-196 GRUR 2021, 521 REWIS RS 2020, 576

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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