Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.05.2009, Az. VI ZR 191/08

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 3365

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] ZR 191/08 Verkündet am: 26. Mai 2009 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] §§ 823 [X.], 1004; GG Art. 5 Abs. 1, Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 Zur Zulässigkeit der Darstellung einer spektakulären Straftat ("[X.]") in einem Spielfilm. [X.], Versäumnisurteil vom 26. Mai 2009 - [X.]/08 - [X.]

[X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2009 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.], Pauge und [X.] und die Richterin von [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 17. Juni 2008 auf-gehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. Juli 2007 abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist durch Presseberichte über seine Tat als "Kannibale von Rotenburg" bekannt und rechtskräftig wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Er hatte im März 2001 einen Menschen getö-tet, den Körper ausgenommen, zerlegt, eingefroren und in der Folgezeit [X.] verzehrt. Nach Festnahme des [X.] im Dezember 2002 berichteten die 1 - 3 - Medien häufig und umfangreich über den Fall, der Kläger selbst gab dem Ma-gazin "[X.]" im Juli 2003 ein Interview, in dem er seine Gedankenwelt, den [X.] und seine Motive schilderte. Er schloss zudem im Juli/August 2004 mit der S.

ermarktungs GmbH einen [X.] über die "umfassende, exklusive und weltweite Verwertung" seiner Le-bensgeschichte durch Herstellung einer DVD/Video, eines Buches, eines TV- oder Kinofilms, einer [X.] und begleitenden [X.]. Das Buch er-schien im September 2007 mit dem Titel "Interview mit einem Kannibalen". Die Beklagte, ein in [X.] ansässiges Unternehmen, das vornehmlich Kinofilme produziert, hat auf der Grundlage der Tat einen als "Real-Horrorfilm" beworbenen Spielfilm mit dem Titel "[X.]" ([X.] Titel "[X.] - [X.]") produziert. Im Vorspann des Films wird darauf hingewie-sen, dass es sich lediglich um eine von wahren Ereignissen inspirierte Ge-schichte handele; der Kläger wird im Film nicht namentlich genannt. Lebensge-schichte und Persönlichkeitsmerkmale der Hauptfigur des Films sowie die [X.] des [X.]s entsprechen nahezu detailgenau der tatsächlichen Biographie und Person des [X.] und dem realen Geschehensablauf. 2 Der Kläger begehrt von der Beklagten es zu unterlassen, den Film vorzu-führen oder sonst in Verkehr zu bringen. Er ist der Auffassung, die Verwertung des Films "[X.]" verletze sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und sein Recht am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG). Der Eingriff sei nicht durch die der [X.] zustehenden Grundrechte der Film- und Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 1, Abs. 3 GG gerechtfertigt. Die Beklagte beruft sich auf die Kunstfreiheit und meint, ein Unterlassungsanspruch scheide schon deshalb aus, weil der Kläger durch sein Verhalten gegenüber den Medien in die Verbreitung der Tat, der Tatumstände und seiner inneren Gedankenwelt eingewilligt habe. 3 - 4 - Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsge-richt zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. 4 Entscheidungsgründe: [X.] Über die Revision war, da der Kläger trotz rechtzeitiger Ladung nicht ver-treten war, auf Antrag der Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sach-prüfung (vgl. [X.] 37, 79, 81). 5 I[X.] Das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZUM 2008, 793 veröffentlicht ist, bejaht einen Unterlassungsanspruch des [X.] gegen die Beklagte aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB, da er durch die untersagten Handlungen in seinem Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG verletzt werde. Der Klä-ger sei als Vorbild der Filmfigur zweifelsfrei erkennbar; diese Verletzungshand-lung sei der Beklagten als Produzentin des Films zuzurechnen. Die Beklagte könne sich zwar auf die Kunst- und Filmfreiheit berufen, die Güter- und Interes-senabwägung ergebe jedoch die Rechtswidrigkeit ihres Eingriffs: Der Film schaffe keine gegenüber der Figur des [X.] verselbständigte Kunstfigur, sondern stelle Person, Tat und Lebenssituation des [X.] im Wesentlichen detailgetreu ohne Verfremdung nach. Damit gebe der Film den Anspruch auf jegliche Fiktion auf. Er greife in sämtliche durch das allgemeine [X.] - 5 - recht geschützten Sphären ein. Zwar lasse sich hieraus allein noch kein Vor-rang des Persönlichkeitsrechts des [X.] gegenüber der Kunstfreiheit der Beklagten ableiten, denn die im Film dargestellten Lebens- und Tatumstände seien der Öffentlichkeit auch durch Mitwirkung des [X.] bereits bekannt ge-wesen. Der Persönlichkeitsschutz schließe aber die Darstellung von Person, Leben und Handeln des [X.] in einem Horrorfilm aus. Ein solcher Film lege den Schwerpunkt auf die Tat und deren Entwicklung und zeige deshalb ein ver-kürztes Persönlichkeitsbild. Die hiermit zugleich zwangsläufig verbundene [X.] trete gegenüber dem Zweck der genretypischen Un-terhaltung zurück. Der Film biete die typische Unterhaltung eines Horrorfilms, indem er den Zuschauer das makabre Verhalten des [X.] miterleben lasse und hierdurch Entsetzen hervorrufe. Diese Reaktion werde nicht lediglich durch die dargestellte Tat, die aus sich heraus auch im Rahmen eines reinen Doku-mentarfilms geeignet wäre, Grauen und Abscheu hervorzurufen, verursacht, sondern durch die gesamte Dramaturgie des Films in besonderem Maße geför-dert. Der Film biete weder eine ausgewogene Darstellung der Geschehnisse, noch einen intellektuellen/psychologischen Erklärungsversuch einer unfassba-ren Tat, sondern stelle die Person und die Beziehungen des [X.] sowie sei-ne Tat in einer für das Genre des Horrorfilms typischen Weise dar. Die Beein-trächtigung des Persönlichkeitsrechts des [X.] werde auch nicht dadurch relativiert, dass er selbst in die Öffentlichkeit getreten sei und seine Lebensge-schichte medial vermarkte. Hieraus folge nämlich nicht, dass sein [X.] derart gering einzustufen wäre, dass eine schwerwiegende Verlet-zung durch jedwede mediale Darstellung grundsätzlich nicht mehr in Betracht komme. Die ungenehmigte Verwendung seiner Lebensgeschichte ohne ausrei-chende Verfremdung und unter Aufgabe der Fiktion in einem Horrorfilm stelle auch gegenüber einem Straftäter, der allgemein zur öffentlichen Darstellung bereit sei, einen schweren Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar. Da der Film - 6 - nicht vorrangig einem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, sondern der Un-terhaltung eines an solchen Filmen interessierten Publikums diene, sei die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht auch nicht im Hinblick auf die Freiheit der Berichterstattung durch Film zu verneinen. II[X.] Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Kläger hat keinen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte ge-mäß §§ 823, 1004 BGB; er muss die Verbreitung des Films "[X.]" hin-nehmen. Eine rechtswidrige Verletzung seines durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegt nicht vor. Dieses hat unter den besonderen Umständen des Streitfalls hinter der ge-mäß Art. 5 Abs. 3, Abs. 1 GG ebenfalls grundrechtlich garantierten Kunst- und Filmfreiheit der Beklagten zurückzutreten. 7 1. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt des Berufungsurteils, dass der Kläger in der Hauptfigur des Films erkennbar und deshalb durch Vorführung und Verbreitung des Films in seinem Persönlichkeits-recht betroffen ist. 8 a) Ein Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts steht demjenigen zu, der durch eine mediale Veröffentli-chung individuell betroffen ist. Dies setzt voraus, dass er erkennbar zum Ge-genstand der Darstellung wurde. Die Erkennbarkeit ist bereits dann gegeben, wenn die Person ohne namentliche Nennung zumindest für einen Teil des [X.] oder [X.] aufgrund der dargestellten Umstände [X.] - 7 - chend erkennbar wird (vgl. Senat, Urteil vom 21. Juni 2005 - [X.] ZR 122/04 - [X.], 1403 f. m.w.N.). 10 b) Bei Anlegung dieses Maßstabes ist die Auffassung des Berufungsge-richts, der Kläger sei in der Hauptfigur zu erkennen, nicht zu beanstanden. Bei seiner Beurteilung stützt es sich - von der Revision unangegriffen - auf eine Vielzahl von Übereinstimmungen zwischen Person, Lebensverhältnissen und Tat des [X.] und der Geschichte der Filmfigur. Diese lassen sowohl die mit dem Kläger vertrauten Personen, als auch die Leser der umfassenden Bericht-erstattung über die Tat zwingend aus der filmischen Darstellung auf den Kläger schließen. c) Der Kläger ist auch nicht so geringfügig betroffen, dass sein Persön-lichkeitsrecht von vornherein zurücktreten müsste. Das allgemeine [X.] umfasst den Schutz vor der Verbreitung von Informationen, die [X.] sind, sich abträglich auf das Bild der Person in der Öffentlichkeit auszu-wirken. Auch wahre Darstellungen können das Persönlichkeitsrecht verletzen, wenn ihre Folgen für die Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen schwerwie-gend sind und die [X.] das Interesse an der Äußerung überwie-gen ([X.] 97, 391, 403 f.; [X.], [X.], 3619, 3620; vgl. [X.], NJW-RR 2007, 1191, 1192). Die Darstellung der vom Kläger begangenen [X.] im Genre eines "Horror"-Films ist insbesondere im Hinblick auf die [X.] geeignet, das Persönlichkeitsbild des [X.] in der Öffent-lichkeit erheblich zu beeinträchtigen (vgl. [X.] 35, 202, 226; [X.], NJW 1993, 1463, 1464; [X.], NJW 2006, 2835). 11 2. Ebenfalls ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht davon aus, dass dem Kläger gegen die Beklagte als Produzentin des Films [X.] zustehen können. Sind an einer Beeinträchtigung - wie im [X.] - 8 - den Fall - mehrere Personen beteiligt, so richtet sich der [X.] grundsätzlich unabhängig von Art und Umfang des [X.] gegen jeden, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbei-führung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, sofern der in [X.] die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Hand-lung hatte (Senat, Urteil vom 9. Dezember 2003 - [X.] ZR 373/02 - [X.], 522, 524). 3. Das Berufungsurteil hält jedoch den Angriffen der Revision nicht stand, weil das Berufungsgericht im Rahmen der erforderlichen Abwägung dem allge-meinen Persönlichkeitsrecht des [X.] gegenüber der Kunst- und Filmfreiheit der Beklagten rechtsfehlerhaft den Vorrang gegeben hat. 13 a) Ob eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeits-rechts des [X.] vorliegt oder er den Eingriff zu dulden hat, ist für den zu be-urteilenden Einzelfall im Rahmen einer umfassenden Güter- und Interessenab-wägung der betroffenen Grundrechte zu entscheiden (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 1999 - [X.] ZR 264/98 - [X.], 1250, 1251, vom 9. Dezember 2003 - [X.] ZR 373/02 - [X.], 522, 523 und vom 21. Juni 2005 - [X.] ZR 122/04 - [X.], 1403, 1404; vgl. [X.] 50, 133, 146; [X.], Urteil vom 6. Juli 1995 - [X.] - NJW 1995, 3182; [X.] 30, 173, 195; 35, 202, 224; 81, 278, 291; [X.], [X.], 2189). 14 b) Der Film der Beklagten genießt den Schutz der gemäß Art. 5 Abs. 3, Abs. 1 GG grundrechtlich garantierten Kunst- und Filmfreiheit. 15 Auch wenn sich der beanstandete Film im Wesentlichen mit der Tat und der Person des [X.] beschäftigt, wird der Anspruch der Filmschaffenden deutlich, diese Wirklichkeit - etwa mit Mitteln der Dramaturgie - künstlerisch zu gestalten. Wegen der häufig unauflösbaren Verbindung von [X.] an 16 - 9 - die Wirklichkeit mit deren künstlerischer Gestaltung ist es nicht möglich, mit [X.] einer festen Grenzlinie Kunst und Nichtkunst nach dem Maß zu unterschei-den, in dem die künstlerische Verfremdung gelungen ist. Denn Kunst und Mei-nungsäußerung schließen sich nicht aus ([X.] 75, 369, 377) und der grundgesetzlich verbürgte Schutz hängt auch nicht von einer bestimmten künst-lerischen Qualität des Werkes ab (Senat, Urteil vom 3. Juni 1975 - [X.] ZR 123/74 - NJW 1975, 1882, 1883; [X.] 75, 369, 377). Das Grundrecht betrifft in gleicher Weise den "[X.]" und den "[X.]" künstlerischen Schaffens (vgl. [X.] 30, 173, 189; 36, 321, 331; 77, 240, 251; 81, 278, 292). Soweit es zur Herstellung der Beziehungen zwischen Künstler und Publikum der publizistischen Medien bedarf, sind [X.] auch die Personen durch die Kunstfreiheitsgarantie geschützt, die eine solche vermittelnde Tätigkeit ausüben. Die Beklagte als Produzentin des Films kann sich deshalb ebenfalls auf den Grundrechtsschutz berufen, weil der Film ohne Vervielfältigung, Verbreitung und [X.] keine Wirkung in der Öffentlichkeit entfalten könnte (vgl. Senat, Urteil vom 21. Juni 2005 - [X.] ZR 122/04 - [X.], 1403, 1404; vgl. [X.] 30, 173, 191; 36, 321, 331; 77, 240, 251; 119, 1, 22; [X.], NJW 2007, 3197, 3199; anders [X.] in: [X.], Grundgesetz, Art. 5 Abs. 3, [X.] 4. d) [X.])). 17 c) [X.] ist allerdings nicht schrankenlos gewährt. [X.] als die Filmfreiheit (vgl. Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 GG) steht das Grundrecht der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) zwar nicht unter einem Gesetzesvorbehalt. Hingegen kann auch die Kunstfreiheit Grenzen unmittelbar in anderen Bestim-mungen der Verfassung finden, die ein in der Verfassungsordnung des Grund-gesetzes ebenfalls wesentliches Rechtsgut schützen (vgl. Senat, Urteil vom 3. Juni 1975 - [X.] ZR 123/74 - NJW 1975, 1882, 1884; [X.] 67, 213, 228; 119, 1, 23; [X.], NJW 2001, 598). Auch der Künstler, der sich in seiner [X.] - 10 - beit mit Personen seiner Umwelt auseinander setzt, darf sich nicht über deren ebenfalls verfassungsrechtlich geschütztes Persönlichkeitsrecht hinwegsetzen; er muss sich innerhalb des [X.] halten, in dem die [X.] Grundwerte als Teile eines einheitlichen Wertesystems neben- und mit-einander bestehen können. Keinem der Rechtsgüter kommt von vornherein Vorrang gegenüber dem anderen zu. Zwar könnten zweifelsfrei feststellbare schwerwiegende Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts durch die Kunstfreiheit nicht gerechtfertigt werden ([X.] 67, 213, 228). Das bedeutet jedoch nicht, dass die Prüfung, ob eine solch schwerwiegende Beeinträchtigung festzustellen ist, isoliert, d.h. ohne Berücksichtigung des Charakters des Werks vorgenommen werden dürfte. Je stärker das entworfene Persönlichkeitsbild beansprucht, sich mit der [X.] Wirklichkeit des Dargestellten zu identifizieren, desto schutzwürdiger ist dessen Interesse an "wirklichkeitsgetreuer" Darstellung seiner Person; umso weniger Anlass besteht dann auch, den Künstler hier rechtlich anders zu [X.] als den Kritiker, dem Art. 5 Abs. 1 GG nicht erlaubt, über den Kritisier-ten unwahre Behauptungen, die seinen Ruf schädigen, in Umlauf zu setzen (Senat, [X.] 84, 237, 239; vgl. Senat, Urteil vom 3. Juni 1975 - [X.] ZR 123/74 - NJW 1975, 1882, 1884). Denn Meinung und Information können durchaus in Form künstlerischer Betätigung vermittelt werden (vgl. [X.] 75, 369, 377). In diesem Fall kann bei der Abwägung auch eine Rolle spielen, ob und inwie-weit das Persönlichkeitsbild des Betroffenen verfälscht wurde, welche Sphären die Darstellung betrifft, welchen Informationswert sie für die Allgemeinheit hat und ob sie ernsthaft und sachbezogen erfolgt (vgl. Senat [X.] 131, 332, 342; vgl. Senatsurteile vom 3. Juli 2007 - [X.] ZR 164/06 - [X.], 1283, 1284 und vom 14. Oktober 2008 - [X.] ZR 272/06 - [X.], 78, 79; vgl. [X.], 198, 212; 101, 361, 391; vgl. [X.], Urteil vom 24. Juni 2004, Be-schwerde Nr. 59320/00, von [X.] gegen [X.], [X.], 2647, 19 - 11 - 2649 [X.] und Urteil vom 17. Oktober 2006, Beschwerde Nr. 71678/01, [X.] gegen [X.], [X.] ff.) sowie ob ein vertretbares Verhältnis zwi-schen dem mit der [X.] erstrebten Zweck und der für den [X.] eintretenden Beeinträchtigung besteht (Senat, [X.] 31, 308, 313; vgl. [X.], [X.], 306, 307). Wahre Aussagen müssen in der Regel hinge-nommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, es sei denn, sie betreffen die [X.], Privat- oder Vertraulichkeitssphäre und sind nicht durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt (vgl. [X.] 166, 84, 110 m.w.N.). Betrifft die Darstellung eine bereits [X.], kommt es für die Abwägung mit dem beeinträchtig-ten Persönlichkeitsrecht neben Art und Weise der Darstellung auch auf Natur und Schwere der Tat an (vgl. Senat, Urteil vom 15. November 2005 - [X.] ZR 286/04 - [X.], 274, 275; vgl. [X.] 35, 202, 232; [X.], [X.], 306, 307). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 7. Dezember 2006, Beschwerde Nr. 35841/02, [X.] gegen [X.], [X.]). Mit zeitli-cher Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren gewinnt das Recht des [X.] "allein gelassen zu werden" und vor einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, zunehmende Bedeutung ([X.] 35, 202, 233; [X.], NJW 2006, 2835; [X.], [X.], 306, 307). Entscheidend ist, ob die betreffende Darstellung eine erhebliche neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des [X.] zu bewirken geeignet ist und seine Wiedereingliederung in die [X.] dadurch wesentlich erschwert zu werden droht ([X.] 35, 202, 234; [X.], [X.], 1859, 1860; vgl. [X.], [X.], 306, 307). d) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts enthält der beanstan-dete Film eine ausgeprägte Übereinstimmung zwischen dem Erscheinungsbild, dem Lebensweg und der Tat des [X.] und den Charakteristika der Hauptfi-gur und der Handlung des Films. Schon der Titel des Films "[X.]" stellt 20 - 12 - den Bezug zum Kläger her. Die tatsächlich nachprüfbaren Merkmale der Filmfi-gur, die sich mit den weithin bekannten Merkmalen des [X.] decken, sind zahlreich und so charakteristisch, dass die vorhandenen Unterschiede daneben zurücktreten. Zwar handelt es sich bei "[X.]" zweifellos um einen Spiel-film. Trotzdem gewinnt der Zuschauer aufgrund der fast völligen Übereinstim-mung zwischen Film und Wirklichkeit die Überzeugung, dass unabhängig von der Einbettung in die erkennbar fiktive Rahmenhandlung Tat und Person des [X.] geschildert werden. e) Der Kläger ist durch diese Darstellung jedoch nicht so schwer in sei-nem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, dass die zugunsten der Beklagten streitende Kunst- und Filmfreiheit zurücktreten müsste. 21 [X.]) Soweit das Berufungsgericht bei seiner Abwägung entscheidend darauf abstellt, dass das Grundrecht der Kunstfreiheit nicht so weit gehe, dass Person und Tat eines Menschen zum Gegenstand eines Horrorfilms gemacht werden dürften, kann seiner Beurteilung in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Denn die Kunstfreiheitsgarantie umfasst grundsätzlich auch die freie Themengestaltung und verbietet es, auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeit einzuwirken, insbesondere den künstlerischen Gestal-tungsspielraum einzuengen, oder allgemein verbindliche Regeln für diesen Schaffensprozess vorzuschreiben. Sie schließt auch die Wahl eines Gewalt und Sexualität thematisierenden Sujets sowie dessen Be- und Verarbeitung nach der vom Künstler selbst gewählten Darstellungsart ein ([X.] 30, 173, 190 f.; 83, 130, 147). 22 Der beanstandete Spielfilm erschöpft sich im Wesentlichen in der zutref-fenden Schilderung der Lebensumstände des [X.] und seiner grausigen Straftat, die als solche bereits das Genre eines Horrorfilms nahe legt. [X.] - Verfremdungen oder Entstellungen macht der Kläger selbst nicht geltend. Die wahrheitsgemäße Darstellung ist in eine fiktive Rahmenhandlung eingebettet, so dass der Zuschauer die (ihm möglicherweise aus der sonstigen [X.] bereits bekannten) Details nach und nach durch die Recherchen einer Studentin erfährt. Durch das Miterleben ihres sich steigernden Entsetzens wird der Betrachter emotional stark involviert, was - wie das Berufungsgericht zutref-fend feststellt - auch die sonstigen, Spannung erzeugenden Stilmittel wie die musikalische Untermalung oder die Rückblenden auf prägende [X.] bezwecken. Dabei dämonisiert der Film den Kläger nicht, sondern bemüht sich sogar um eine durchaus emphatische Darstellung. Dies sieht auch das Be-rufungsgericht, wenn es die Versuche der Studentin beschreibt, Antrieb oder Ursache des kannibalistischen Verhaltens des [X.] zu erklären. Mögen [X.] nach Meinung des Berufungsgerichts auch oberflächlich bleiben, ändert dies nichts daran, dass der Film keinesfalls die Subjektqualität des [X.], seinen Achtungsanspruch als Mensch in Frage stellt (vgl. [X.] 87, 209, 228; 109, 279, 312 f.). Denn weder die wahrheitsgemäße Schilderung der grausigen Tat, noch ihre stilistische Verarbeitung sind darauf angelegt, die Handelnden zu ver-höhnen, das dargestellte Leid zu verharmlosen, oder ein sadistisches Vergnü-gen an dem Geschehen zu vermitteln (vgl. [X.] 87, 209, 228; vgl. [X.], NJW 2001, 2957, 2959; [X.] NJW 2003, 1303, 1304). Gewalttätigkeit in Fil-men verletzt für sich genommen die Menschenwürde nicht ([X.] 87, 209, 229). [X.]) Zwar ruft der Film das Fehlverhalten des [X.] auf besonders ein-dringliche, den Zuschauer emotional stark involvierende Weise erneut in Erin-nerung, was eine gravierende Stigmatisierung des [X.] zur Folge haben kann und seine im Film dargestellte Persönlichkeit auf die Tat und ihre Entwick-lung verkürzt (vgl. [X.] 35, 202, 226 ff.; [X.], NJW-RR 2007, 1191, 1192; vgl. [X.], [X.], 306 f.). Deshalb kann der Film den [X.] - 14 - wohl durch seinen tatsächlichen Gehalt als auch durch seine konkrete Ausges-taltung erheblich belasten. Allerdings hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass nach rechtskräftigem Urteil über seine Tat geschwiegen wird. Wer den Rechtsfrieden bricht, durch seine Tat und ihre Folgen Mitmenschen oder Rechtsgüter der [X.] angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür in der Rechtsordnung verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen. Er muss grundsätzlich auch dulden, dass das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden [X.] auf den dafür üblichen Wegen befrie-digt wird ([X.] 35, 202, 231 f.; [X.], [X.], 306, 307). [X.]) Soweit der Film die Darstellung von intimen und sexuellen Details aus dem Leben des [X.] enthält, wird zwar [X.] der Privatsphäre berührt (vgl. [X.] 75, 369, 380). Die Zuordnung ei-nes Sachverhalts zum unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung im Einzelfall hängt jedoch davon ab, ob der Vorgang nach seinem Inhalt höchst-persönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder Belange der [X.] berührt ([X.] 80, 367, 374; 109, 279, 314, 319; [X.], NJW-RR 1991, 98). Ein hinreichender Sozialbezug besteht insbesondere - wie im konkreten Fall - bei Informationen, die sich unmittelbar auf eine konkrete Straftat beziehen. Über die entsprechen-den Einzelheiten der Tat und der Person des [X.] darf bei einer schweren und spektakulären Straftat grundsätzlich berichtet werden (vgl. Senat, Urteil vom 24. November 1987 - [X.] ZR 42/87 - NJW 1988, 1984, 1985; vgl. [X.], 202, 230 f., 233; 80, 367, 375 ff.; 109, 279, 314, 319). 25 [X.]) Nach der Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des erkennenden Senats kann sich darüber hinaus niemand auf ein Recht zur Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen, die er selbst der 26 - 15 - Öffentlichkeit preisgegeben hat (Senatsurteile vom 9. Dezember 2003 - [X.] ZR 373/02 und 404/02 - [X.], 522, 524 und [X.], 525, 526, vom 19. Oktober 2004 - [X.] ZR 292/03 - [X.], 84, 85, vom 5. Dezember 2006 - [X.] ZR 45/05 - [X.], 249, 251 und vom 14. Oktober 2008 - [X.] ZR 272/06 - [X.], 78, 80; [X.] 101, 361, 385; vgl. auch [X.], [X.], 181, 182 f.). Der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person - etwa für den Abschluss von Exklusivverträgen über die Berichterstattung aus ihrer Privatsphäre - gewährleistet. Im Streitfall hat der Kläger selbst der Öffentlichkeit sämtliche Tat- und Lebensumstände, mithin auch sein auf die Tat verkürztes Persönlichkeitsbild bekannt gemacht (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 1999 - [X.] ZR 264/98 - [X.], 1250, 1252 und vom 9. Dezember 2003 - [X.] ZR 404/02 - [X.], 525, 526; [X.] NJW 1999, 1315, 1318), indem er durch ein Interview, die [X.] eines Buches und eines (anderen) Films detailliert seine Sicht von Tat und [X.] geschildert hat. Hierdurch verliert der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des [X.] durch den Film der Beklagten erheblich an Bedeutung, was das Berufungsgericht bei seiner Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt hat. Der Schutz des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG reicht nicht so weit, dass es dem Kläger einen Anspruch verleiht, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden möchte ([X.] 99, 185, 194; [X.], [X.], 2189; [X.], [X.], 3619 f). 27 Dass die Verbreitung der Darstellung insofern neue oder zusätzliche nachteilige Folgen für den nicht namentlich genannten Kläger oder seine Reso-zialisierung haben könnte (vgl. [X.] 35, 202, 234 f.), ist nicht ersichtlich. 28 - 16 - 4. Nach alledem konnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Da die zu beurteilenden Tatsachen feststehen und eine weitere Sachaufklärung somit nicht mehr erforderlich ist, kann der Senat aufgrund einer eigenen Abwä-gung abschließend selbst entscheiden. Diese führt im Streitfall dazu, dass der Kläger die [X.] und Verwertung des Films durch die Beklagte hin-nehmen muss. Deshalb ist das Berufungsurteil aufzuheben und in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen. 29 IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. 30 [X.] [X.] Pauge
[X.] von [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 05.07.2007 - 8 O 1854/06 - [X.] in [X.], Entscheidung vom 17.06.2008 - 14 U 146/07 -

Meta

VI ZR 191/08

26.05.2009

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.05.2009, Az. VI ZR 191/08 (REWIS RS 2009, 3365)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 3365

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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