Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 09.08.2018, Az. 2 BvR 1228/16

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2018, 4975

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Ablehnung der Auslagenerstattung für das Verfassungsbeschwerdeverfahren nach Erledigung - Einstellung eines Ermittlungsverfahrens nach § 153a StPO begründet im Rahmen der Billigkeitsentscheidung gem § 34 Abs 3a BVerfGG nicht die Annahme, dass die öffentliche Gewalt das Begehren des Beschwerdeführers für berechtigt erachtete - Zudem keine offensichtliche Gehörsverletzung durch Versagung von Akteneinsicht im Beschwerdeverfahren bzgl einer strafprozessualen Beschlagnahme


Tenor

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Anordnung der Erstattung seiner notwendigen Auslagen wird abgelehnt.

Gründe

1

Über die Verfassungsbeschwerde ist aufgrund der Erledigungserklärung des Beschwerdeführers vom 27. Oktober 2017 nicht mehr zu entscheiden (vgl. [X.] 7, 75 <76>; 85, 109 <113>). Verfahrensgegenstand ist lediglich noch der Antrag des Beschwerdeführers auf Erstattung seiner notwendigen Auslagen, dessen Entscheidung der Kammer obliegt (vgl. [X.] 72, 34 <38 f.>). Dieser Antrag hat keinen Erfolg.

2

1. Nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde ist über die Erstattung der dem Beschwerdeführer entstandenen Auslagen nach [X.] zu entscheiden (§ 34a Abs. 3 [X.]). Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller bekannten Umstände vorzunehmen. Mit Blick auf die Funktion und Tragweite verfassungsgerichtlicher Entscheidungen kommt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde regelmäßig nicht in Betracht (vgl. [X.] 85, 109 <115 f.>; 87, 394 <398>; 133, 37 <38 Rn. 2>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 15. März 2017 - 2 BvR 144/17 -, juris, Rn. 2; Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, juris, Rn. 2). Eine Erstattung von Auslagen kommt allerdings dann in Betracht, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage - etwa durch eine Entscheidung des [X.] in einem gleich gelagerten Fall - bereits geklärt ist (vgl. [X.] 85, 109 <114 ff.>; 133, 37 <38 f. Rn. 2>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Februar 2017 - 1 BvR 309/11 -, juris, Rn. 2; Beschluss der [X.] des [X.] vom 8. Juni 2016 - 1 BvR 210/09 -, juris, Rn. 4 f.; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 16. Oktober 2013 - 2 BvR 1446/12 -, juris, Rn. 5 m.w.N.).

3

Bei der erforderlichen Gesamtwürdigung kommt zudem dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zu (vgl. [X.] 85, 109 <114 f.>; 87, 394 <397>). Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, kann - soweit keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind - davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat. In diesem Fall ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und sie zu verpflichten, die Auslagen des Beschwerdeführers in gleicher Weise zu erstatten, wie wenn der Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. [X.] 85, 109 <115>; 87, 394 <397>).

4

2. Gemessen daran kommt eine Auslagenerstattung hier nicht in Betracht.

5

a) Allein dadurch, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer gemäß § 153a [X.] eingestellt wurde, haben die Ermittlungsbehörden nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen über die Beschlagnahme für grundrechtswidrig halten.

6

b) Im Übrigen war die Verfassungsbeschwerde auch nicht in einer Weise offensichtlich begründet, die eine Auslagenerstattung rechtfertigen würde.

7

Ob die zu [X.] entwickelte und später auf Wohnungsdurchsuchungen und Anordnungen dinglichen Arrests erstreckte Rechtsprechung des [X.] zur Akteneinsicht im strafprozessualen Beschwerdeverfahren (vgl. [X.]K 3, 197; 7, 205; 10, 7; 12, 111) auch auf Beschlagnahmen übertragen werden kann, ist umstritten (vgl. [X.]/[X.], in: [X.] Kommentar zur [X.], 7. Aufl. 2013, § 147 Rn. 16 einerseits und [X.], NJW 2013, [X.] andererseits) und verfassungsrechtlich noch abschließend nicht geklärt (vgl. auch [X.]K 1, 45 <46>). Aus der Senatsentscheidung vom 9. März 1965 ([X.] 18, 399) ergibt sich nichts anderes. Dort hatte das [X.] einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch die unterbliebene Akteneinsicht im Beschwerdeverfahren nur deshalb bejaht, weil dem Beschwerdeführer auch Unterlagen vorenthalten worden waren, in die dem Verteidiger die Einsicht gemäß § 147 Abs. 3 [X.] in keiner Lage des Verfahrens versagt werden darf, und es nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die angefochtene Entscheidung auf diesen Unterlagen beruhte (vgl. [X.] 18, 399 <405 f.>). Weitergehende Aussagen lassen sich dieser Entscheidung nicht entnehmen (vgl. auch Park, [X.], [X.] 276 <281>). Das Verfahren über die Auslagenerstattung gemäß § 34a Abs. 3 [X.] bietet weder Möglichkeit noch Anlass, diese Fragen abschließend zu klären.

8

Entsprechendes gilt, soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des [X.] auf die Möglichkeit hinweist, die Entscheidung über die Beschwerde bis zur Gewährung von Akteneinsicht zurückzustellen. Diese Rechtsprechung steht nur deswegen mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes in Einklang, weil dem Feststellungsinteresse des Beschwerdeführers in diesen Fällen nicht mit gleicher Eilbedürftigkeit nachgekommen werden muss wie einem Anfechtungsbegehren, das sich gegen einen fortdauernden Eingriff richtet (vgl. [X.]K 10, 7 <11>; 12, 111 <117>). Danach kann diese Rechtsprechung jedenfalls nicht ohne Weiteres auf Fälle einer noch andauernden Beschlagnahme übertragen werden.

9

Aus der wiederholten Versagung von Akteneinsicht aufgrund anderweitiger Versendung der Akte ergibt sich jedenfalls kein offensichtlicher Gehörsverstoß, auf dem die Beschwerdeentscheidung beruhen würde. Denn bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Akteneinsicht jedenfalls auch wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks bis zum Abschluss der Ermittlungen versagt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1228/16

09.08.2018

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Lübeck, 6. Juni 2016, Az: 6 Qs 12/16, Beschluss

Art 19 Abs 4 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 90 BVerfGG, § 98 StPO, § 147 Abs 1 StPO, § 147 Abs 3 StPO, § 147 Abs 4 S 1 StPO, § 153a StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 09.08.2018, Az. 2 BvR 1228/16 (REWIS RS 2018, 4975)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4975

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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Zitiert

2 BvR 144/17

1 BvR 309/11

1 BvR 210/09

2 BvR 1446/12

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