Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 04.08.2015, Az. 2 BvR 1690/14

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2015, 7121

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Ablehnung der Auslagenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren nach Erledigterklärung: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels Beschwerdeberechtigung - Fraktionsstatus kommunaler Mandatsträger im Organstreitverfahren zu klären


Gründe

1

Über die Verfassungsbeschwerde ist nicht mehr zu entscheiden, weil die Beschwerdeführer sie für erledigt erklärt haben (vgl. [X.] 85, 109 <113>). Gegenstand des Verfahrens ist nur noch die Frage, ob den Beschwerdeführern die ihnen durch die Verfassungsbeschwerde entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten sind.

2

Die Verfassungsbeschwerde betraf eine Eilentscheidung des [X.] (§ 123 VwGO), die es abgelehnt hatte, den Bürgermeister der [X.] zu verpflichten, den Fraktionsstatus der Beschwerdeführer im Rat der Stadt vorläufig anzuerkennen. Die Beschwerdeführer rügten, durch diese Entscheidung in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 [X.] verletzt worden zu sein. Nachdem die [X.] die Beschwerdeführer nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde als Fraktion anerkannt hat, erklärten sie die Verfassungsbeschwerde für erledigt und beantragten, die Kosten im vorliegenden Verfahren gemäß § 34a Abs. 3 [X.] dem Land Nordrhein-Westfalen aufzuerlegen.

3

1. Über die Erstattung der den Beschwerdeführern durch die Verfassungsbeschwerde entstandenen Auslagen hat gemäß § 93d Abs. 2 Satz 1 [X.] die Kammer zu entscheiden (vgl. [X.] 72, 34 <38 f.>). Der Maßstab für diese Entscheidung ergibt sich aus § 34a Abs. 3 [X.] (vgl. [X.] 85, 109 <114>). Danach ist eine Entscheidung nach [X.] zu treffen.

4

Diese Billigkeitsentscheidung ist grundsätzlich nicht aufgrund einer überschlägigen Beurteilung der Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde, bei der eine lediglich kursorische Prüfung verfassungsrechtlicher Zweifelsfragen erfolgen müsste, zu treffen (vgl. [X.] 85, 109 <115 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 23. Juni 2014 - 2 BvR 1222/14 -, juris, Rn. 2; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 25. März 2015 - 1 BvR 505/13 -, juris, Rn. 9). Eine Erstattung der Auslagen aus Billigkeitsgründen kommt nur in Betracht, wenn die Verfassungsbeschwerde bei überschlägiger Beurteilung offensichtlich Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, ohne dass das [X.] dabei kursorisch zu verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen Stellung nehmen muss. Dies ist der Fall, wenn die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde offensichtlich sind und die verfassungsrechtliche Lage - etwa durch eine Entscheidung des [X.]s in einem gleich gelagerten Fall - bereits geklärt ist (vgl. [X.] 85, 109 <115 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 13. April 2011 - 1 BvR 689/11 -, NJW 2011, [X.] 3081 <3082>; [X.], Beschlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 1954/11 -, NJW 2012, [X.] 2096 <2097>; vom 16. Oktober 2013 - 2 BvR 1446/12 -, juris, Rn. 5; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 12. November 2014 - 1 BvR 159/09 -, [X.], [X.] 476 <477>).

5

Wesentliche Bedeutung kann im Rahmen der Billigkeitsentscheidung auch dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, zukommen ([X.] 85, 109 <114 f.>; 87, 394 <397>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 25. März 2015 - 1 BvR 505/13 -, juris, Rn. 9). Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, so kann, falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet. In einem solchen Fall ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und dem Beschwerdeführer die Erstattung seiner Auslagen in gleicher Weise zuzubilligen, wie wenn seiner Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. [X.] 85, 109 <115>; 87, 394 <397>; 91, 146 <147>).

6

2. Gemessen daran scheidet eine Auslagenerstattung vorliegend aus. Zwar hat die [X.] den Fraktionsstatus der Beschwerdeführer im Rat der Stadt inzwischen anerkannt und dadurch der mit der angegriffenen Entscheidung verbundenen Beschwer der Beschwerdeführer abgeholfen. Jedoch war die Verfassungsbeschwerde bereits im Zeitpunkt ihrer Einlegung unzulässig, so dass eine Auslagenerstattung für das Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht der Billigkeit entspricht (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 13. April 2011 - 1 BvR 689/11 -, NJW 2011, [X.] 3081 <3082>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 23. Juni 2014 - 2 BvR 1222/14 -, juris, Rn. 3; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 9. Oktober 2014 - 2 BvR 550/14 -, juris, Rn. 3).

7

Den Beschwerdeführern fehlte gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a [X.], § 90 Abs. 1 [X.] bereits die Beschwerdeberechtigung. Die angefochtene Entscheidung des [X.] betraf die Beschwerdeführer ausschließlich in ihrer Eigenschaft als Träger eines kommunalen Mandats, mithin als Inhaber eines öffentlichen Amtes. Belastende Wirkungen ergaben sich für sie nur insofern, als sie im Rat der [X.] nicht als Fraktion anerkannt worden waren.

8

Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch der spezifische Rechtsbehelf des Bürgers gegen den Staat. Sie ist "jedermann" eröffnet, wenn die öffentliche Gewalt in die Sphäre des Bürgers eingreift, die durch Grundrechte oder grundrechtsgleiche Gewährleistungen gegenüber dem Staat gesichert ist (vgl. [X.] 4, 27 <30>; 6, 445 <448>; 60, 175 <201 f.>; 64, 301 <312>). Dagegen sind Streitigkeiten zwischen Staatsorganen nicht im Rahmen der Verfassungsbeschwerde, sondern in den dafür vorgesehenen Organstreitverfahren auszutragen (vgl. [X.] 15, 298 <302>; 43, 142 <148>) - soweit diese eröffnet sind. Dies gilt auch, wenn Abgeordnete geltend machen, in mit ihrem Status verbundenen Rechten verletzt zu sein (vgl. [X.] 62, 1 <32> m.w.N.; vgl. insgesamt zur fehlenden Beschwerdeberechtigung [X.]K 19, 40 <42>; [X.], Beschuss der [X.] des Zweiten Senats vom 2. Juli 1993 - 2 BvR 1130/93 -, NVwZ 1994, [X.] 56 <57>).

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1690/14

04.08.2015

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren

Sachgebiet: BvR

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 24. Juni 2014, Az: 15 B 725/14, Beschluss

§ 34a Abs 3 BVerfGG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 56 Abs 1 GemO NW

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren vom 04.08.2015, Az. 2 BvR 1690/14 (REWIS RS 2015, 7121)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7121

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