Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.11.2014, Az. I ZR 1/11

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 890

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Gegenstand

Internationale Zuständigkeit bei Gemeinschaftsmarkenverletzung: Markenrechtsverletzendes Inverkehrbringen von Parfümflakons in Belgien und deren Weiterveräußerung nach Deutschland; geltendzumachende Ansprüche am internationalen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung; Beurteilung einer Klage nach nationalem Wettbewerbsrecht - Parfumflakon III


Leitsatz

Parfumflakon III

1. Die Annahme einer Verletzungshandlung im Sinne von Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 setzt ein aktives Verhalten des Verletzers voraus. International zuständig sind deshalb die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liegt, ereignet hat oder zu ereignen droht. Nicht zuständig sind dagegen die Gerichte der Mitgliedstaaten, in dem die behauptete Verletzung lediglich ihre Wirkungen entfaltet.

2. An dem internationalen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO können neben Ansprüchen auf Geldersatz, Unterlassung und Beseitigung auch Nebenansprüche auf Auskunftserteilung geltend gemacht werden.

3. Die Annahme einer internationalen Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO für eine auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützte Klage unter dem Gesichtspunkt des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs setzt voraus, dass nach dem Vortrag des Klägers ein Wettbewerbsverstoß, der einen Schaden im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verursacht hat, nicht ausgeschlossen ist. Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, aus dem sich ein Wettbewerbsverstoß ergibt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 7. Dezember 2010 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 17. September 2009 im Hinblick auf die auf Wettbewerbsrecht gestützten Klageanträge zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin produziert und vertreibt Parfüm- und Kosmetikerzeugnisse. Sie leitet Rechte aus der nachfolgend abgebildeten, für Parfümeriewaren eingetragenen dreidimensionalen (schwarz/weißen) Gemeinschaftsmarke Nr. 003788767 ab:

Abbildung

2

Die Klägerin vertreibt in einem der Gemeinschaftsmarke nachgebildeten farbig gestalteten und beschrifteten Flakon das Damenparfüm "Davidoff Cool Water Woman".

3

Die Beklagte, eine in [X.] ansässige Gesellschaft, betreibt den Großhandel mit Parfüms. Zu ihrer Produktpalette gehört ein Damenparfüm, das sie unter der Bezeichnung "[X.]" anbietet. Im Januar 2007 verkaufte sie das Parfüm an den in [X.] geschäftsansässigen [X.]

4

Die Klägerin hat in dem Vertrieb des [X.] durch die Beklagte in dem im Klageantrag abgebildeten [X.] eine Markenverletzung, eine unzulässige vergleichende Werbung und eine unlautere Nachahmung gesehen. Sie hat behauptet, von der Markeninhaberin, der [X.], [X.], zur Geltendmachung der Ansprüche aus der Gemeinschaftsmarke ermächtigt zu sein. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass [X.] beabsichtigt habe, das in [X.] erworbene Parfüm in [X.] weiterzuverkaufen.

5

Die Klägerin hat beantragt,

[X.] die Beklagte zu verurteilen,

1. Auskunft zu erteilen,

a) über Namen und Anschrift desjenigen, von dem die Beklagte die von ihr an Kunden in [X.], unter anderem [X.] Warenhandel, veräußerten Parfüms mit der Bezeichnung "[X.]" in dem nachstehend eingeblendeten Flakon erworben hat unter Vorlage der [X.]:

Abbildung

hilfsweise:

b) über Namen und Anschrift desjenigen, von dem die Beklagte die von ihr an Kunden in [X.], unter anderem [X.] Warenhandel, veräußerten Parfüms mit der Bezeichnung "[X.]" in dem nachstehend eingeblendeten Flakon erworben hat und unter Vorlage der [X.], soweit dieser Verkäufer in [X.] geschäftsansässig ist:

(es folgt die vorstehend unter I 1 a wiedergegebene Abbildung);

2. an die Klägerin 1.379,80 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2007 zu zahlen,

hilfsweise hierzu:

die Klägerin von [X.] ihrer Verfahrensbevollmächtigten für die außergerichtliche Vertretung im Abmahnverfahren bis zu einem Betrag in Höhe von 1.379,80 € freizustellen;

I[X.] festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin allen Schaden zu ersetzen hat, der aus dem Vertrieb des Parfüms mit der Bezeichnung "[X.]" in der zu Ziffer I 1 a bezeichneten Ausstattung nach [X.] entstanden ist und noch entstehen wird.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Klage als unzulässig abgewiesen hat.

7

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

8

Mit Beschluss vom 28. Juni 2012 ([X.], 1065 = [X.], 1246 - [X.]) hat der Senat dem [X.] folgende Fragen zur Auslegung des Art. 93 Abs. 5 der Verordnung ([X.]) 40/1994 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke und zur Auslegung des Art. 5 Nr. 3 der Verordnung ([X.]) 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 93 Abs. 5 der Verordnung ([X.]) 40/94 dahin auszulegen, dass eine Verletzungshandlung in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) im Sinne von Art. 93 Abs. 5 der Verordnung ([X.]) 40/94 begangen worden ist, wenn durch eine Handlung in einem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat B) eine Teilnahme an der im erstgenannten Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) begangenen Rechtsverletzung erfolgt?

2. Ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung ([X.]) 44/2001 dahin auszulegen, dass das schädigende Ereignis in einem Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) eingetreten ist, wenn die unerlaubte Handlung, die Gegenstand des Verfahrens ist oder aus der Ansprüche abgeleitet werden, in einem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat B) begangen ist und in der Teilnahme an der im erstgenannten Mitgliedstaat (Mitgliedstaat A) erfolgten unerlaubten Handlung (Haupttat) besteht?

9

Der [X.] hat hierüber durch Urteil vom 5. Juni 2014 ([X.]/12, [X.], 806 - [X.]/First Note Perfumes) wie folgt entschieden:

1. Der in Art. 93 Abs. 5 der Verordnung ([X.]) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke enthaltene Begriff des Mitgliedstaats, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist, ist dahin auszulegen, dass sich im Fall eines Verkaufs und einer Lieferung einer nachgeahmten Ware in einem Mitgliedstaat, die anschließend durch den Erwerber in einem anderen Mitgliedstaat weiterverkauft wird, aus dieser Bestimmung für die Entscheidung über eine Verletzungsklage gegen den ursprünglichen Verkäufer, der in dem Mitgliedstaat, dem das angerufene Gericht angehört, selbst keine Handlung vorgenommen hat, eine gerichtliche Zuständigkeit nicht herleiten lässt.

2. Art. 5 Nr. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass sich im Fall der Behauptung einer unzulässigen vergleichenden Werbung oder einer unlauteren Nachahmung eines durch eine Gemeinschaftsmarke geschützten Zeichens - beides Verbotstatbestände nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb des Mitgliedstaats, dem das angerufene Gericht angehört - aus dieser Bestimmung die Zuständigkeit eines Gerichts dieses Mitgliedstaats nicht kraft des Ortes des Geschehens herleiten lässt, das für einen Schaden, der sich aus der Verletzung des genannten Gesetzes ergibt, ursächlich ist, wenn derjenige der mutmaßlichen Täter, der in besagtem Mitgliedstaat verklagt wird, dort selbst keine Handlung vorgenommen hat. Dagegen lässt sich in einem solchen Fall aus dieser Bestimmung die gerichtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über eine auf das besagte nationale Gesetz gestützte Haftungsklage gegen eine Person, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort eine Handlung vorgenommen haben soll, die im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts einen Schaden verursacht hat oder zu verursachen droht, kraft des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs herleiten.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat für die Klage gegen die in [X.] ansässige [X.] die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte nach der [X.] und nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung ([X.]) 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ([X.]) verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die [X.] selbst habe in [X.] keine Rechtsverletzung begangen. Die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis nicht geführt, dass die [X.] die Parfümflakons nach [X.] geliefert habe. Vielmehr dürfte im Gegenteil davon auszugehen sein, dass der Käufer [X.] die Waren bei der [X.]n in [X.] erworben und abgeholt habe. Dort seien der Handlungsort und der Ort, an dem der [X.] eingetreten sei.

Eine Zuständigkeit [X.] Gerichte ergebe sich auch nicht aus einer Beihilfe der [X.]n zu einer etwaigen Verletzungshandlung des [X.] Käufers. Wenn der Vertrieb der Parfümflakons die Gemeinschaftsmarke verletze, sei die [X.] Täterin. Als solche könne sie nicht auch Teilnehmerin einer etwaigen Verletzungshandlung des [X.] Käufers sein.

[X.] Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg, soweit sie gegen die Abweisung der auf die Gemeinschaftsmarke gestützten Klage als unzulässig gerichtet ist (dazu unter [X.] 2). Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg gegen die Abweisung der Klage als unzulässig, soweit die Klägerin die Verletzung wettbewerbsrechtlicher Tatbestände geltend gemacht hat (dazu unter [X.] 3).

1. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren in der Revisionsinstanz kumulativ auf die Gemeinschaftsmarke Nr. 003788767 und auf wettbewerbsrechtliche Tatbestände sowie hilfsweise - soweit eine kumulative Klagehäufung ausscheidet - in erster Linie auf die Gemeinschaftsmarke und in zweiter Linie auf Wettbewerbsrecht gestützt. Trotz des einheitlichen Klagebegehrens liegen damit mehrere Streitgegenstände vor (vgl. [X.], Urteil vom 30. April 2014 - I ZR 224/12, [X.], 785 Rn. 21 = [X.], 839 - Flugvermittlung im [X.], mwN). In den Vorinstanzen hat die Klägerin die Ansprüche im Wege der alternativen Klagehäufung verfolgt. Diese Vorgehensweise entsprach einer im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes verbreiteten Übung, die der [X.] erstmals in seinem Hinweisbeschluss vom 24. März 2011 als unzulässig angesehen hat ([X.], Beschluss vom 24. März 2011 - [X.], [X.]Z 189, 56 Rn. 8 - TÜV I). Die Klägerin kann in der Revisionsinstanz nicht mehr von der alternativen Klagehäufung zur kumulativen Klagehäufung übergehen, weil darin eine Klageänderung liegt, die in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist (vgl. [X.], Urteil vom 17. August 2011 - [X.], [X.], 1043 Rn. 32 = [X.], 1454 - TÜV II; Urteil vom 19. April 2012 - [X.], [X.], 1145 Rn. 21 = [X.], 1392 - Pelikan). Die Klägerin ist jedoch in der Revisionsinstanz hilfsweise von der alternativen zur eventuellen Klagehäufung übergegangen. Diese Vorgehensweise ist zulässig (vgl. [X.], Urteil vom 9. November 2011 - [X.], [X.], 304 Rn. 18 = [X.], 330 - [X.] Haar-Kosmetik). Für die Beurteilung des Streitfalls kommt es deshalb in erster Linie auf die Frage an, ob die [X.] Gerichte zur Entscheidung über die auf Auskunft, Schadensersatz und Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichteten Anträge wegen Verletzung der Klagemarke international zuständig sind und nur für den Fall, dass die Klage insoweit unzulässig oder unbegründet ist, stellt sich die Frage nach der internationalen Zuständigkeit [X.] Gerichte wegen Verstoßes gegen wettbewerbsrechtliche Tatbestände.

2. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte zutreffend verneint, soweit die Klage auf die Verletzung der Gemeinschaftsmarke gestützt ist.

a) Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte wegen Verletzung der Gemeinschaftsmarke kann sich im Streitfall nur aus Art. 93 Abs. 5 der Verordnung ([X.]) 40/94 ergeben.

Art. 97 Abs. 5 der Verordnung ([X.]) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke, der an die Stelle des Art. 93 Abs. 5 der Verordnung ([X.]) 40/94 getreten ist, kommt im vorliegenden Rechtsstreit im Hinblick auf den für die Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen Handlungszeitpunkt im Januar 2007 nicht zur Anwendung (vgl. [X.], [X.], 1065 Rn. 13 - [X.]). In der Sache macht dies allerdings keinen Unterschied, weil Art. 97 Abs. 5 der Verordnung ([X.]) Nr. 207/2009 eine gegenüber Art. 93 Abs. 5 der Verordnung ([X.]) 40/94 inhaltsgleiche Regelung enthält.

Eine internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte nach Art. 93 Abs. 1 bis 3 der Verordnung ([X.]) 40/94 - nachfolgend [X.] - scheidet aus, weil die [X.] in einem anderen Mitgliedstaat geschäftsansässig ist. Die internationale Zuständigkeit ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht nach Art. 93 Abs. 4 Buchst. b [X.] begründet worden. Die [X.] hat in ihrem ersten Verteidigungsvorbringen die mangelnde örtliche Zuständigkeit des zunächst angerufenen [X.] geltend gemacht. Darin liegt konkludent eine schlüssige Rüge im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte (vgl. [X.], [X.], 1065 Rn. 14 - [X.]).

b) Nach Art. 93 Abs. 5 [X.] können die Verfahren, die durch die in Art. 92 [X.] genannten Klagen und Widerklagen - ausgenommen Klagen auf Feststellung der Nichtverletzung einer Gemeinschaftsmarke - anhängig gemacht werden, auch bei den Gerichten des Mitgliedstaats anhängig gemacht werden, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht oder in dem eine Handlung nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 [X.] begangen worden ist. Für die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte kommt es daher grundsätzlich darauf an, ob der Kläger eine im Inland begangene Verletzungshandlung des [X.]n im Sinne des Art. 93 Abs. 5 [X.] behauptet hat und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (vgl. zu Art. 5 Nr. 3 [X.] [X.], Urteil vom 8. März 2012 - [X.], [X.], 621 Rn. 18 = [X.], 716 - [X.], mwN). Das hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.

aa) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, die [X.] habe in [X.] keine eigene Handlung vorgenommen, die als Anknüpfungspunkt für eine Verletzungshandlung im Sinne von Art. 93 Abs. 5 [X.] in Betracht kommt.

Die Klägerin hat behauptet, die [X.] habe die Parfümflakons nach [X.] geliefert, während die [X.] vorgetragen hat, die Parfümflakons [X.] in [X.] übergeben zu haben. Damit ist zwischen den Parteien der Ort der Verletzungshandlung, der Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit ist, streitig. Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit ist nicht allein auf den Vortrag der Klägerin abzustellen. Der Ort der Verletzungshandlung ist kein Umstand, der für die Zuständigkeitsbestimmung maßgeblich ist und gleichzeitig ein notwendiges Tatbestandsmerkmal des geltend gemachten Anspruchs darstellt (sogenannte doppelt relevante Tatsache). Ob der Ort der Verletzungshandlung in [X.] oder in [X.] liegt, ist nur für die Zuständigkeitsbestimmung und damit für die Zulässigkeitsprüfung von Bedeutung. In einem solchen Fall trifft die Klägerin die Beweislast, dass die [X.] die Parfümflakons nach [X.] geliefert hat. Den ihr obliegenden Nachweis einer Lieferung nach [X.] hat die Klägerin nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht geführt. Es ist daher vom Vortrag der [X.]n, den sich die Klägerin hilfsweise zu eigen gemacht hat, auszugehen, nach dem der Abnehmer [X.] die Parfümflakons in [X.] erworben und nach [X.] transportiert hat.

bb) Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, die von ihrem Abnehmer [X.] im Inland begangene Markenverletzung rechtfertige nicht die Annahme einer inländischen Verletzungshandlung der [X.]n. Der Umstand, dass die [X.] durch die in [X.] vorgenommene Übergabe der beanstandeten Parfümflakons Beihilfe zu dem in [X.] eingetretenen markenverletzenden Erfolg geleistet habe, könne die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte nicht begründen. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Wie der [X.] auf den Vorlagebeschluss des [X.]s entschieden hat, setzt die Annahme einer Verletzungshandlung im Sinne von Art. 93 Abs. 5 [X.] ein aktives Verhalten des Verletzers voraus. International zuständig sind deshalb die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liegt, ereignet hat oder zu ereignen droht. Nicht zuständig sind dagegen die Gerichte der Mitgliedstaaten, in dem die behauptete Verletzung lediglich ihre Wirkungen entfaltet ([X.], [X.], 806 Rn. 33 ff. - [X.]/First Note Perfumes). Nach diesen Maßstäben hat die [X.] keine Handlung im Inland begangen, die Anknüpfungspunkt für eine internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte im Sinne von Art. 93 Abs. 5 [X.] sein kann.

3. Die Revision hat jedoch Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte für die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche verneint hat. Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte ergibt sich insoweit aus Art. 5 Nr. 3 [X.].

a) Gemäß Art. 5 Nr. 3 [X.] kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Gerichtsstand hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann ([X.], [X.], 621 Rn. 18 - [X.], mwN). Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren nationalen Rechts zu prüfen ist (vgl. [X.], Urteil vom 19. April 2012 - [X.]/10, [X.], 654 Rn. 26 - Wintersteiger; Urteil vom 3. April 2014 - [X.]/12, [X.], 599 Rn. 20 f. - [X.]/[X.]; [X.], Urteil vom 12. Dezember 2013 - I ZR 131/12, [X.], 601 Rn. 17 = [X.], 548 - englischsprachige Pressemitteilung).

b) Die von der Klägerin schlüssig als verletzt geltend gemachten Tatbestände der unlauteren vergleichenden Werbung im Sinne von § 6 Abs. 1 und 2 Nr. 6 UWG und des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes nach § 4 Nr. 9 Buchst. a und [X.] fallen unter den Begriff der unerlaubten Handlung im Sinne von Art. 5 Nr. 3 [X.] (vgl. [X.], [X.], 806 Rn. 56 f. - [X.]/First Note Perfumes; [X.], Urteil vom 30. März 2006 - [X.], [X.]Z 167, 91 Rn. 21 - Arzneimittelwerbung im [X.]). Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz, Unterlassung und Beseitigung (vgl. [X.], Urteil vom 29. Januar 2013 - [X.], [X.], 228 Rn. 12 - Trägermaterial für Kartenformulare) auch Nebenansprüche auf Auskunft (zum Auskunftsanspruch [X.], Urteil vom 24. September 2014 - [X.], [X.], 264 Rn. 15 = [X.], 347 - [X.] II; MünchKomm.ZPO/[X.], 4. Aufl., Art. 5 [X.] Rn. 62 mwN).

c) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] zu Art. 5 Nr. 3 [X.] ist mit der Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht", sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint, so dass der [X.] grundsätzlich nach Wahl des [X.] vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann ([X.], [X.], 806 Rn. 46 - [X.]/First Note Perfumes, mwN).

d) Allerdings ergibt sich die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte vorliegend nicht unter dem Gesichtspunkt des Ortes des für den Schaden ursächlichen Geschehens. Wird - wie im Streitfall - nur einer von mehreren mutmaßlichen Verursachern eines behaupteten Schadens verklagt und scheidet deshalb der Gerichtsstand der [X.]nmehrheit im Sinne von Art. 6 Nr. 1 [X.] aus (vgl. dazu Kur, GRUR Int. 2014, 749, 756), kann dieser [X.] wegen des für den Schaden ursächlichen Geschehens nicht vor einem Gericht verklagt werden, in dessen Zuständigkeitsbereich er keine Handlung vorgenommen hat ([X.], Urteil vom 16. Mai 2013 - [X.]/11, [X.], 2099 Rn. 30, 40 - [X.]; [X.], [X.], 806 Rn. 50 f. - [X.]/First Note Perfumes).

e) Das Berufungsgericht ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung des geltend gemachten Schadens gemäß Art. 5 Nr. 3 [X.] international zuständig.

aa) Der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs ist derjenige, an dem aus einem Ereignis, das eine Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung oder wegen einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, auslösen kann, ein Schaden entstanden ist ([X.], Urteil vom 16. Juli 2009 - [X.]/08, [X.]. 2009, [X.] = NJW 2009, 3501 Rn. 26 - Zuid-Chemie; [X.], [X.], 806 Rn. 54 - [X.]/First Note Perfumes). Wird eine Verletzung eines Rechts des geistigen oder gewerblichen Eigentums geltend gemacht, setzt dies voraus, dass das behauptete Recht im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts geschützt ist ([X.], [X.], 654 Rn. 25 - Wintersteiger; [X.], Urteil vom 3. Oktober 2013 - [X.]/12, [X.], 100 Rn. 33 - Pinckney). Geht es um einen Verstoß gegen ein innerstaatliches Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, setzt die Annahme einer internationalen Zuständigkeit unter dem Gesichtspunkt des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs voraus, dass die in einem anderen Mitgliedstaat begangene Tat nach dem Vortrag des [X.] einen Schaden im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verursacht hat (vgl. [X.], [X.], 806 Rn. 55 ff. - [X.]/First Note Perfumes).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall gemäß Art. 5 Nr. 3 [X.] die Zuständigkeit [X.] Gerichte unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung des geltend gemachten Schadens begründet.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Verwendung der beanstandeten Flakons in [X.] sei ein unlauterer Vergleich im Sinne von § 6 Abs. 1 und 2 Nr. 6 UWG und verstoße außerdem gegen die Grundsätze des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a und [X.]. Nach ihrem Vorbringen ist davon auszugehen, dass unter diesen Gesichtspunkten ein Schaden in [X.] verwirklicht sein kann. Dem entspricht das Klagebegehren, das sich auf den Vertrieb der beanstandeten Flakons in [X.] bezieht.

cc) Eine Verantwortlichkeit der [X.]n für die geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Verstöße kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen Rechtsinstitut der Konsumtion. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Haftung der [X.]n als Täterin einer etwaigen Markenverletzung in [X.] schließe ihre Haftung als Teilnehmerin einer von [X.] in [X.] begangenen Markenverletzung und eines Verstoßes gegen das UWG aus, weil die leichtere Begehungsform der Beihilfe durch die schwerere der Haupttat konsumiert werde. Dem kann nicht zugestimmt werden.

Das nach inländischem Strafrecht für den Schuldausspruch und die Strafzumessung bedeutsame Rechtsinstitut der Konsumtion hat für die Frage der internationalen Zuständigkeit [X.] Gerichte keine Bedeutung. Die Heranziehung nationaler Rechtskonzepte im Rahmen der Auslegung von Art. 5 Nr. 3 [X.] würde in den Mitgliedstaaten zu voneinander abweichenden Lösungen führen, die geeignet wären, das Ziel einer Vereinheitlichung der Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit, das die Verordnung nach ihrem zweiten Erwägungsgrund verfolgt, zu beeinträchtigen ([X.], [X.], 2099 Rn. 34 - [X.]). Die Zuständigkeitsregelungen der [X.] sind deshalb autonom und unter Bezugnahme auf die Systematik und Zielsetzung dieser Verordnung auszulegen ([X.], [X.], 806 Rn. 45 - [X.]/First Note Perfumes).

I[X.] Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit es um die von der Klägerin im Wege der eventuellen Klagehäufung geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche geht (§ 562 Abs. 1 ZPO). Insoweit ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da Feststellungen zur Begründetheit der auf Wettbewerbsrecht gestützten Klageanträge nicht getroffen sind und der [X.] nicht selbst entscheiden kann (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Büscher     

        

Ri[X.] Prof. Dr. Schaffert ist im
Urlaub und daher gehindert zu
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Koch   

                 

Büscher

                 
        

Löffler     

        

     Schwonke     

        

Meta

I ZR 1/11

27.11.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend EuGH, 5. Juni 2014, Az: C-360/12, Urteil

Art 93 Abs 5 EGV 40/94, Art 5 Nr 3 EGV 44/2001, § 4 Nr 9 Buchst a UWG, § 4 Nr 9 Buchst b UWG, § 6 Abs 1 UWG, § 6 Abs 2 Nr 6 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.11.2014, Az. I ZR 1/11 (REWIS RS 2014, 890)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 890


Verfahrensgang

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Az. IV ZR 3/17

Bundesgerichtshof, IV ZR 3/17, 04.07.2018.


Az. I ZR 1/11

Bundesgerichtshof, I ZR 1/11, 27.11.2014.

Bundesgerichtshof, I ZR 1/11, 28.06.2012.


Az. 20 U 170/09

Oberlandesgericht Köln, 20 U 170/09, 13.05.2016.


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