Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.05.2015, Az. B 5 R 18/14 R

5. Senat | REWIS RS 2015, 11611

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Anforderungen an Revisionsbegründung


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 11. Februar 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom 11.2.2014 hat das [X.] einen Anspruch des [X.] auf Gewährung höherer Regelaltersrente und höherer Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten für die Kinder H. und B. verneint. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Wortlaut des § 249 Abs 6 [X.] habe der Kläger zwar einen Anspruch auf Anerkennung der begehrten Zeiten auch ohne eigene Erziehungsleistung. Der Geltendmachung dieser formalen Rechtsposition stehe jedoch der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegen. Hierbei handele es sich um einen Rechtsgrundsatz, der in der vom [X.] konstituierten Rechtsordnung alle positiven Rechtsnormen des [X.] oder der Länder und alle unterstaatlichen Rechtsnormen sowie deren Inhalt als Wirksamkeits-, Auslegungs-, Anwendungs- und Durchsetzbarkeitsvoraussetzung mitbestimme, soweit diese Normen oder ihre konkrete Anwendung übermäßig von ihm abwichen. In diesem Sinn sei der Grundsatz von [X.] und Glauben eine allen subjektiven Rechten, Rechtsverhältnissen, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Dass der Anspruch wegen unzulässiger Rechtsausübung nicht geltend gemacht werden könne, ergebe zudem eine teleologische Auslegung der gesetzlichen Vorschrift des § 249 Abs 6 [X.]. Wenn gemäß § 105 [X.] derjenige, der eine Tötungshandlung begangen habe, keinen Anspruch auf eine Rente wegen Todes habe, die sich als materieller Vorteil jener Tötungshandlung darstelle, könne ihm auch die im Verhältnis hierzu als ein Minus anzusehende Sozialleistung der Erhöhung der Rente wegen Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten als materieller Vorteil einer Tötung nicht zustehen. Mit dem Ausschluss von Sozialleistungen werde bei vorsätzlicher Tötung eines Angehörigen ein grober Verstoß gegen das die gesamte gesetzliche Rentenversicherung beherrschende Solidarprinzip sanktioniert. Wegen der Schwere und der Verwerflichkeit der Tötungshandlung solle der vorsätzlich handelnde Hinterbliebene nicht noch einen materiellen Vorteil aus seiner Tat ziehen können. Eine Gewährung von Hinterbliebenenrente wäre als "Lohn der Existenzvernichtung" ein Verstoß gegen die Menschenwürde der Versicherten. Nichts anderes könne für eine im Verhältnis hierzu als Minus anzusehende Sozialleistung gelten. Im vorliegenden Fall liege gerade eine solche verwerfliche vorsätzliche rechtswidrige Tötung der Ehefrau durch den Kläger vor, die als besonders schwerer Verstoß gegen das die Rentenversicherung beherrschende Solidarprinzip zu werten sei.

2

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 [X.] S[X.] und Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 [X.] S[X.] geltend.

3

II. Die Revision ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.

4

Gemäß § 164 Abs 2 S 1 S[X.] ist die Revision fristgerecht zu begründen. Nach [X.] der Vorschrift muss die Begründung "einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben." Diese gesetzlichen Anforderungen hat das [X.] in ständiger Rechtsprechung präzisiert (vgl nur [X.]-1500 § 164 [X.]; [X.]-1500 § 164 [X.]2 S 22, jeweils mwN; zustimmend: [X.] SozR 1500 § 164 [X.]7).

5

Zwar rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung des § 249 Abs 6 [X.]. Er legt aber nicht in der gebotenen Weise dar, worin die Rechtsverletzung liegen soll. Hierzu wäre unter Wiedergabe des entscheidungserheblichen Sachverhalts die Darstellung erforderlich gewesen, weshalb eine revisible Rechtsvorschrift auf den festgestellten Sachverhalt nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (vgl [X.] Beschluss vom 17.3.2003 - [X.] KR 12/02 R - Juris Rd[X.]4 und Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris Rd[X.]1; [X.] Beschluss vom 27.2.2008 - B 12 P 1/07 R - Juris Rd[X.]6). Hieran fehlt es.

6

Wendet sich die Revision gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (vgl zusammenfassend: [X.] Urteil vom 23.11.2005 - B 12 RA 10/04 R - Juris Rd[X.]0 mit zahlreichen Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung; [X.] Beschluss vom [X.] - B 13 RJ 46/05 R - Juris Rd[X.] 6 und 9). Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des [X.] einzugehen ([X.] Beschluss vom [X.] - Juris Rd[X.]0 und [X.] SozR 1500 § 164 [X.] 20). Dazu muss der [X.] - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist ([X.] SozR 1500 § 164 [X.]2 S 17 und [X.] 20 [X.]3 f mwN; Senatsurteil vom 11.6.2003 - [X.] RJ 52/02 R - Juris Rd[X.]2 ff).

7

Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Revisionsbegründung nicht.

8

Der Kläger versäumt es bereits, den vom [X.] festgestellten entscheidungserheblichen Sachverhalt darzustellen. Soweit die [X.] einen Sachverhalt schildert, ist ihr nicht zu entnehmen, ob die angeführten Tatsachen auf Feststellungen des Berufungsgerichts beruhen. Die Hinweise auf Blattzahlen in der Verwaltungs- und Gerichtsakte deuten vielmehr darauf hin, dass sich der Kläger anhand dieser Akten einen Sachverhalt selbst zusammengestellt hat. Für das Revisionsgericht sind aber die im Berufungsurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen maßgeblich (vgl § 163 S[X.]). Fehlen diesbezügliche Ausführungen, wird das Revisionsgericht nicht in die Lage versetzt, allein anhand der Revisionsbegründung zu prüfen, ob die in Streit stehende revisible Rechtsvorschrift auf den festgestellten Sacherhalt nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Es ist nicht Aufgabe des [X.], die entscheidungserheblichen Tatsachen selbst zusammenzutragen.

9

Darüber hinaus ist der Kläger nicht ausreichend auf die Gründe des Berufungsurteils eingegangen. So fehlt jede Auseinandersetzung mit den Ausführungen des [X.] zur immanenten Inhaltsbegrenzung aller subjektiven Rechte, Rechtsverhältnisse, Rechtslagen und Rechtsnormen durch den Grundsatz von [X.] und Glauben, zur teleologischen Auslegung des § 249 Abs 6 [X.] (Argument a maiore ad minus unter Berücksichtigung des § 105 [X.]) und zu dem Gedanken, dass in einer vorsätzlichen Tötung eines Angehörigen ein grober Verstoß gegen das die gesamte gesetzliche Rentenversicherung beherrschende Solidarprinzip liege, der mit dem Ausschluss von Sozialleistungen sanktioniert werde. Der Kläger begnügt sich vielmehr damit, der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts seine eigene Rechtsansicht entgegenzusetzen, nach der § 105 [X.] die Vorschrift des § 249 Abs 6 [X.] nicht einschränke und die ihm zustehenden Kindererziehungszeiten unter den Schutzbereich des Art 14 Abs 1 [X.] fielen, wobei weder § 105 [X.] noch § 242 BGB eine wirksame Schrankenbestimmung iS des Art 14 Abs 1 S 2 [X.] darstellten.

Ebenso wenig hat der Kläger einen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel des [X.] schlüssig dargelegt.

Der Kläger sieht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör iS von §§ 62, 128 Abs 2 S[X.], Art 103 Abs 1 [X.] als verletzt an, weil das Berufungsgericht das Strafurteil des [X.] vom 24.10.1986 beigezogen habe, ohne ihm vor Erlass des angefochtenen Urteils ausreichend Gelegenheit gegeben zu haben, sich hierzu zu äußern. Ohne diesen Verfahrensfehler hätte er vorgetragen, dass der sozialrechtlich relevante Sachverhalt entsprechend seinen Ausführungen zu Punkt II der [X.] unter gänzlich anderen Kriterien hätte geprüft werden müssen.

Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs hat zwar zum Inhalt, dass die Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Abgabe sachgemäßer Erklärungen haben müssen und ihnen dazu eine angemessene Zeit eingeräumt wird ([X.]-1500 § 62 [X.] Rd[X.] 6 mwN). Warum der Kläger erst nach Übersendung des Strafurteils durch das [X.] und Einräumung einer Erklärungsfrist insbesondere zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung des § 249 Abs 6 [X.] sowie des Schutzbereichs des Art 14 Abs 1 [X.] und seiner Schranken sachgemäß hätte Stellung nehmen können, zeigt die Revisionsbegründung aber nicht auf. Hierzu hätte umso mehr Anlass bestanden, als der Kläger schon im Widerspruchsbescheid vom 31.5.2011 und im erstinstanzlichen Urteil vom [X.] mit der Rechtsauffassung konfrontiert worden ist, dass eine Anwendung des § 249 Abs 6 [X.] bei (vorsätzlicher) Tötung der Kindesmutter durch den Kindesvater unter Berücksichtigung von § 105 [X.] oder § 242 BGB nicht in Betracht komme, eine Tat, die er während des gesamten Verfahrens nicht in Abrede gestellt hat.

Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Beiziehung des Strafurteils weitere Verfahrensmängel rügt (insbesondere Verletzung von §§ 117, 118 Abs 1 S 1 S[X.] iVm §§ 415 ff ZPO), hat er nicht dargelegt, dass die angefochtene Entscheidung auf diesen beruhen kann. Allein die Behauptung, das Berufungsurteil beruhe auf einem überraschenden [X.] (zur Feststellung welcher bisher ungeklärten Tatsache?), der Verwertung einer vom Gericht in den Prozess nicht eingeführten Urkunde, reicht für die Darlegung der möglichen Kausalität zwischen dem angeblichen Verfahrensmangel und dem angefochtenen Urteil nicht aus.

Die nicht formgerecht begründete Revision ist nach § 169 S[X.] als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 S[X.].

Meta

B 5 R 18/14 R

05.05.2015

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Mainz, 22. August 2013, Az: S 1 R 337/11, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 164 Abs 2 S 1 SGG, § 164 Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.05.2015, Az. B 5 R 18/14 R (REWIS RS 2015, 11611)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11611

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