Bundespatentgericht, Urteil vom 20.05.2022, Az. 5 Ni 29/20

5. Senat | REWIS RS 2022, 5220

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Gegenstand

Patentnichtigkeitssache - "Formkern" – unzulässige Erweiterung – mangelnde Patentfähigkeit – Zurückweisung eines Hilfsantrages


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das [X.] Patent 10 2004 022 306

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] im schriftlichen Verfahren mit abschließender Frist zur Einreichung von Schriftsätzen bis zum 20. Mai 2022 der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, durch [X.], [X.]in [X.] und [X.] Dr.-Ing. [X.], [X.] und Dipl.-Ing. Maierbacher

für Recht erkannt:

I. Das [X.] Patent 10 2004 022 306 wird in vollem Umfang für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. IV. Der Streitwert für das Verfahren vor dem [X.] wird auf 312.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des [X.] Patents 10 2004 022 306 (Streitpatent), das am 4. Mai 2004 angemeldet worden ist. Der Hinweis auf die Erteilung des Streitpatents ist am 24. Mai 2012 veröffentlicht. Das mit

2

„Formkern“

3

bezeichnete Patent umfasst in der erteilten Fassung 16 Ansprüche.

4

Der die Vorrichtung betreffende erteilte Patentanspruch 1 lautet:

5

„1. Formkern für ein Spritzgusswerkzeug mit einem Schaft (4), der ein eine Formfläche (10) tragendes Schaftende (5) aufweist und dessen an das Schaftende (5) anschließender [X.] entlang einer zentralen Achse [X.] (14) aufweist, dadurch gekennzeichnet,

6

dass das Schaftende (5) aus einem Material mit höherer Wärmeleitfähigkeit als jener des [X.]es besteht,

7

dass das Schaftende (5) unlösbar mit dem [X.] verbunden ist und

8

dass das Schaftende (5) die [X.] (14) verschließt.“

9

Die Patentansprüche 2 bis 16 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen; wegen ihres Wortlauts wird auf die Akte verwiesen.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 sei gegenüber den ursprünglichen Unterlagen in mehrfacher Hinsicht unzulässig erweitert. Zudem sei das Streitpatent wegen des [X.] der mangelnden Patentfähigkeit, insbesondere wegen fehlender Neuheit und auch mangelnder erfinderischer Tätigkeit, für nichtig zu erklären. Dies stützt sie unter anderem auf folgende Druckschriften:

[X.] [X.] 198 02 387 A1

[X.]  [X.] 100 22 288 A1

NK10  [X.] 100 22 289 A1

[X.] [X.] 6 425 752 B1

NK12 [X.] 2002/003199 A1

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 10 2004 022 306 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit sie sich auch gegen eine der Fassungen des Streitpatents nach dem Hilfsantrag I bis III aus dem Schriftsatz vom 4. Januar 2022 und dem Hilfsantrag IV aus dem Schriftsatz vom 20. Mai 2022 richtet.

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I aus dem Schriftsatz vom 4. Januar 2022 sei dahingehend eingeschränkt, dass der Formkern aus einem [X.] und einem Außenkern bestehe, und dass der Formkern ein Formkern zur Herstellung von [X.] sei. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet ([X.]):

Abbildung

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II aus dem Schriftsatz vom 4. Januar 2022 sei zusätzlich zu den Merkmalen gemäß Hilfsantrag I dahingehend eingeschränkt, dass die Stirnfläche des [X.]s mit einer Anschlagfläche des [X.] durch Elektronenstrahlschweißen verbunden sei. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II lautet ([X.]):

Abbildung

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag III aus dem Schriftsatz vom 4. Januar 2022 sei zusätzlich zu den Merkmalen gemäß Hilfsantrag II dahingehend eingeschränkt, dass der [X.] im Bereich des [X.] aus Kupfer oder der einer kupferhaltigen Legierung geformt sei. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag III lautet ([X.]):

Abbildung

Abbildung

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag IV aus dem Schriftsatz vom 20. Mai 2022 sei zusätzlich zu den Merkmalen gemäß Hauptantrag dahingehend eingeschränkt, dass der Formkern für die Herstellung von [X.], umfassend einen Außenkern, vorgesehen sei und, dass die Stirnfläche des [X.]s mit einer Anschlagfläche des [X.] radial durch Elektronenstrahlschweißen verbunden sei. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag IV lautet ([X.]):

Abbildung

Die Beklagte tritt der Argumentation der Klägerin entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht für unzulässig erweitert und zudem für patentfähig, wenigstens aber in einer der verteidigten Fassungen Fassungen gemäß den [X.] bis IV für schutzfähig.

Der Senat hat den Parteien einen Hinweis vom 8. Dezember 2021 zugeleitet und hierin Fristen zur Stellungnahme auf den Hinweis von drei Wochen und auf etwaiges Vorbringen der jeweiligen Gegenpartei von weiteren drei Wochen gesetzt.

Zwischen den Parteien ist ein Patentverletzungsverfahren beim [X.] anhängig, das mit Einverständnis der Parteien im Hinblick auf das vorliegende [X.] ausgesetzt worden ist und in dem der Streitwert auf 250.000,- € festgesetzt worden ist.

Mit Zustimmung der Parteien - Eingang der Erklärung der Klägerin am 27. April 2022 und der Beklagten am 28. April 2022 - hat der Senat mit Beschluss vom 5. Mai 2022 das schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und zugleich eine Frist bis 20. Mai 2022 bestimmt, bis zu der Schriftsätze eingereicht werden können, wobei dieser Zeitpunkt dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Auf die zulässige Klage ist das Streitpatent für nichtig zu erklären, weil der Gegenstand der Patentansprüche in erteilter Fassung gegenüber den ursprünglichen Unterlagen unzulässig erweitert und zudem nicht neu ist und nach den [X.] bis [X.] dem Streitpatent ebenfalls der [X.] der unzulässigen Erweiterung sowie der mangelnden Patentfähigkeit entgegensteht (§ 22 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 21 Abs. 1 [X.]. 4 sowie [X.]. 1 [X.], §§ 1-5 [X.]). Hilfsantrag [X.] war gemäß § 83 Abs. 4 [X.] als verspätet zurückzuweisen.

[X.]

1. Das Streitpatent betrifft einen [X.] für ein Spritzgusswerkzeug mit einem Schaft sowie den weiteren Merkmalen des Oberbegriffs entsprechend Absatz [0001] der [X.]. Neben einem „fertigen [X.]“ soll die Erfindung auch einen entsprechenden „Rohkern“ betreffen ([0004]), der in Abgrenzung zum Endprodukt u.a. an der Außenfläche des [X.] noch keine ausgeformte Formfläche aufweist, die zusammen mit einem Gegenpart des Formwerkzeugs die Kavität der Spritzgießform bildet. Die von der Formmasse beim Erstarren abgegebene Wärme soll dabei über den [X.] abgeführt werden, in dem wendelförmige, wasserdurchflossene Kühlkanäle vorgesehen sind ([0004]).

2. Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, [X.] vorzuschlagen, mit dem die Fertigungsleistung bekannter Spritzgießmaschinen erhöht wird (vgl. [X.] [0005]).

3. Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Fachhochschulabschluss oder mit entsprechendem Abschluss, der mehrere Jahre Berufserfahrung in der [X.] von [X.] aufweist.

I[X.]

Das Streitpatent in der erteilten Fassung ist insgesamt für nichtig zu erklären, da der Gegenstand von Patentanspruch 1 gegenüber den ursprünglichen Unterlagen unzulässig erweitert ist und zudem nicht neu ist (§ 22 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 21 Abs. 1 [X.]. 4 sowie [X.]. 1 [X.], §§ 1-5 [X.]).

1. Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung des Streitpatents lässt sich wie folgt gliedern:

1. [X.] für ein Spritzgusswerkzeug,

1.1 mit einem Schaft (4),

1.1.1  der ein eine Formfläche (10) tragendes Schaftende (5) aufweist,

1.1.2  und dessen an das Schaftende (5) anschließender [X.] entlang einer zentralen Achse [X.] (14) aufweist,

1.1.3  wobei das Schaftende (5) aus einem Material mit höherer Wärmeleitfähigkeit als jener des [X.]es besteht,

1.1.4  das Schaftende (5) unlösbar mit dem [X.] verbunden ist und

1.1.5  das Schaftende (5) die [X.] (14) verschließt.

2. Der zuständige Fachmann versteht die Merkmale des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung wie folgt:

Der [X.] für ein Spritzgusswerkzeug nach Anspruch 1 ist lediglich in Bezug auf seinen Schaft näher definiert. Der [X.] umfasst einen Schaft (4) (Merkmal 1.1), der einen [X.] und ein Schaftende aufweist, wobei das Schaftende (5) eine Formfläche für das [X.] bildet (Merkmal 1.1.1). Das Schaftende ist dabei mit dem [X.] unlösbar verbunden (Merkmal 1.1.4). Somit ist der Schaft zumindest aus zwei Teilen zusammengesetzt. Als gerades, langgestrecktes Teil (Bedeutung „Schaft“) liegen somit das Schaftende und der [X.] axial hintereinander, ein (radial) innenliegender und äußerer Teil ist damit nicht verbunden. Beide Schaftelemente weisen zudem eine unterschiedliche Wärmeleitfähigkeit auf (Merkmal 1.1.3) und bestehen demzufolge aus unterschiedlichen Materialien.

Da lediglich von einem [X.] mit einem Schaft die Rede ist, der unlösbar mit dem Schaftende verbunden ist, kann der [X.] somit lediglich aus [X.] bestehen, alternativ können jedoch auch mehrere, radial übereinanderliegende Kerne realisiert sein. In den Figuren sind jeweils Kerne mit Innen- und [X.] beschrieben; Figur 1 zeigt beide Kerne, in den Figuren 2 bis 4 ist jeweils nur das Rohteil eines [X.] dargestellt und beschrieben (Absatz [0035]).

Das in den Ausführungsbeispielen dem [X.] (5) „verschließt“ zudem die [X.] (14) (Merkmal 1.1.5). Das Schaftende selbst ist daher als „Verschlusselement“ zumindest zweier [X.] zu sehen. Ein solches Verschließen ist allerdings in der Beschreibung nicht offenbart, insofern muss die [X.] hierzu im Wesentlichen aus den Figuren der Ausführungsbeispiele abgeleitet werden. Die in den Figuren 1, 3 und 4 jeweils in dem [X.] bzw. [X.] gezeigten axialen [X.] ([X.] 15 und [X.] 16) sind mit den im Schaftende selbst liegenden [X.]n direkt „verbunden“ und dienen zum verbesserten „Wärmemengenabtransport“ ([0013]) im Bereich des [X.]. Diese Kanäle im Schaftende werden offensichtlich axial und in Umfangsrichtung durchströmt, wobei sie bevorzugt „wendelförmig ausgebildet sind“ ([0018]). Die Kanäle des Schaftes (4) werden dabei im Schaftende (5) bis nahe der stirnseitigen Formfläche weitergeleitet und von dort durch das Schaftende sowie den anschließenden [X.] zurückgeführt. Ein „Verschließen“ der [X.] erfolgt dabei durch das radiale Verschweißen der zum Schaftende (5) gehörigen Hülsen (31) und (32) untereinander und durch das axiale Anschweißen des nicht näher bezeichneten, axial ganz außenliegenden „Deckelelements“, dargestellt in den Figuren 3 und 4. Mit diesem Verschließen der Kanäle erfolgt ein „Weiterleiten“ und „Rückführen“ des Kühlmittels. Zwar handelt es sich hierbei nicht um das Verschließen der Kanäle durch das (gesamte) Schaftende, sondern um ein Verschließen der [X.] des [X.] durch die entsprechenden Hülsenelemente, trotzdem „verschließt“ das Schaftende gemäß Wortlaut der Formulierung des Merkmals 1.1.5 die [X.] im [X.] „nach außen“. Der Begriff des „Verschließens der [X.]“ wird insofern seitens des Senats als „Abdichten“ gegenüber der Umgebung und Rückführung des zugeführten [X.] in den Abfluss- bzw. Rückflusskanal ausgelegt.

Mit dem „Verschließen der [X.]“ gemäß Merkmal 1.1.5 sind demgegenüber jedoch auch die Kanäle des inneren [X.] gemäß der Figur 1 gemeint (beschriebene „Innenkühlung“, Ende Absatz [0004] und Absatz [0031] i.V.m. der Figur 1). Dort kann das nicht separat bezeichnete Endstück des [X.]s (2) – das gleichfalls ein, eine Formfläche tragendes Schaftende eines [X.]-Schaftes darstellt und mit diesem zweifellos unlösbar verbunden ist – als „topfförmiger“ Verschluss der [X.] (14) (bzw. Kanäle im [X.] gemäß [X.]) angesehen werden. Die [X.] (14) setzen sich dabei aus einer zentralen Zuführung des Kühlmittels in einem nicht näher bezeichneten, zweiteiligen Einschubrohr und einer außerhalb dieser Rohrelemente wieder zurückgeführten Ableitung der Kühlflüssigkeit zusammen (Pfeile in Figur 1). Das topfförmige Endstück des [X.]s verschließt dabei den offenen [X.], indem es an seinem Topfboden zur „Umlenkung“ und damit analog zum [X.] zur „Weiterleitung“ und „Rückführung“ des „inneren“ [X.] führt und gleichzeitig mit seiner Innenwand den wendelförmigen [X.] des einen Rohrelements teilweise begrenzt.

Auch das Merkmal 1.1.2 kann in diesem Sinne sowohl auf die Kühlung im [X.] des [X.]s als auch des [X.] bezogen sein. Im [X.] sind die [X.] explizit mit dem anspruchsgemäßen Bezugszeichen (14) angegeben – wie im Übrigen auch in Merkmal 1.1.5. Zudem sind die [X.] nach Merkmal 1.1.2 entlang einer zentralen Achse des [X.]s angeordnet, was jedoch sowohl auf die inneren Kanäle (14) als auch für die äußeren, dem [X.] zugeordneten peripheren [X.] (15, 16) zutrifft, wobei in beiden Fällen die Kanäle in Teilbereichen wendelförmig ausgestaltet sind und damit in beiden Fällen nicht nur in Achsrichtung, sondern auch in Umfangsrichtung verlaufen. Der Gegenstand nach Anspruch 1 bezieht sich somit gleichfalls auf einen [X.] mit Kühlung im „Inneren“, unabhängig davon, ob der [X.] radial aus einem oder mehreren Kernen zusammengesetzt ist.

Da sowohl der Begriff „Schaftende“ gemäß der Patentschrift nicht zwingend auf den [X.] beschränkt ist und somit auch auf das [X.]ende bezogen werden kann und auch die äußeren [X.] ebenfalls als entlang einer zentralen Achse verlaufend bezeichnet werden können – und Bezugszeichen den Gegenstand ebenfalls nicht beschränken – legt der Senat das Merkmal 1.1.5 derart aus, dass das Verschließen der [X.] durch das Schaftende sowohl den [X.] als auch den [X.] betreffen kann. Bei einem einteiligen [X.] bezieht sich das Verschließen der [X.] dementsprechend auf eine „äußere“ Kühlung im Mantel sowie gleichfalls auf ein Verschließen der im Inneren des Kernes eingesetzten [X.].

3. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist unzulässig erweitert.

Wie die Klägerin zutreffend anmerkt, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 unzulässig erweitert und auch die Beschreibung in erheblichem Umfang geändert, so dass sie die Erfindung gegenüber der ursprünglichen [X.] in einem gänzlich neuen Lichte darstellt.

Der [X.] für ein Spritzgusswerkzeug weist in der erteilten Fassung einen Schaft (4) auf, der lediglich aus den Elementen [X.] und einem damit unlösbar verbundenen Schaftende (5) besteht. Damit ist ein [X.] mit einem Schaft umfasst, der lediglich aus diesen beiden (Schaft-) Elementen bestehen kann. Eine weitere „Unterteilung“ des [X.] ist dem Anspruch 1 nicht zu entnehmen. Demgegenüber ist in den ursprünglichen eingereichten Unterlagen (vom 4. Mai 2004) sowie in der gleichlautenden [X.] ([X.] 10 2004 022 306 [X.]) formuliert, dass „Die Erfindung…einen [X.] eines Spritzgusswerkzeugs bestehend aus einem [X.] und einem [X.]…“ betrifft, „…wobei der [X.] sich gliedert in einen Schaft und ein, vorzugsweise eine Formfläche tragendes, Schaftende“, Absatz [0001] der [X.]. Diese definitionsmäßige Zugehörigkeit des Schaftes zum [X.] sowie ein dazugehöriger [X.] – als radial zweiteiliger [X.] – ist dabei in den ursprünglichen Unterlagen durchgängig beibehalten, auch wenn dem Absatz [0001] nachfolgend zum Teil lediglich allgemein von „Schaft“ die Rede ist. Sowohl in der allgemeinen Beschreibung als auch in den Ausführungen zu den Ausführungsbeispielen ist jeweils von einem [X.] mit Außen- und [X.] die Rede. Ein allgemeiner [X.] – ohne die (radiale) Unterteilung in Innen- und [X.] – ist jedenfalls dort nicht zu entnehmen.

Der ursprünglich eingereichte Patentanspruch 1 bezog sich ebenfalls auf einen „[X.] eines Spritzgusswerkzeugs bestehend aus einem [X.] und einen [X.]“. Die Änderung eines eingereichten Patentanspruchs ist dabei zwar jederzeit möglich, wenn die Einfügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht oder nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Merkmals zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt ([X.], Urteil vom 20. Oktober 2020 – [X.], [X.], 571 Rn. 40 m.w.N.). Keine bloße Einschränkung in diesem Sinne, sondern ein Aliud liegt vor, wenn das hinzugefügte Merkmal einen technischen Aspekt betrifft, der den ursprünglich eingereichten Unterlagen weder in seiner konkreten Ausgestaltung noch zumindest in abstrakter Form als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist, d. h. der neu formulierte [X.] muss sich innerhalb des [X.]sgehaltes der ursprünglich eingereichten Unterlagen bewegen ([X.], Urteil vom 21. Juni 2011 - [X.], [X.], 1003 Rn. 28 f. - Integrationselement; Beschluss vom 6. August 2013 - [X.], [X.], 1135 Rn. 27 - Tintenstrahldrucker; Urteil vom 17. Februar 2015 - [X.], [X.]Z 204, 199 = [X.], 573 Rn. 53 - Wundbehandlungsvorrichtung). Das in der [X.] gleichzeitige Weglassen der in den ursprünglichen Unterlagen getroffenen Beschränkung, dass die Erfindung einen [X.] eines Spritzgusswerkzeugs betreffe, der aus einem [X.] und einem [X.] besteht, führt jedoch zu einer Veränderung des [X.]sgehaltes des Streitpatents und somit zu einem anderen, erweiterten [X.]. Dieser umfasst nun auch einteilige [X.]e, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen nicht entnehmen konnte.

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist somit gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen unzulässig erweitert.

4. Im Übrigen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung gegenüber der [X.] nicht neu (§ 22 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 21 Abs. 1 [X.]. 1 [X.], §§ 1-5 [X.]).

Die Druckschrift [X.] ([X.] 198 02 387 [X.]) offenbart zwar einen gekühlten [X.] eines Druckgusswerkzeuges, der jedoch in seinen gegenständlichen Merkmalen mit denen des [X.] des Streitpatents gemäß Patentanspruch 1 übereinstimmt.

Obwohl der Begriff „Druckguss“ nahezu durchgehend für den „metallischen Spritzguss“ eingesetzt wird, unterscheiden sich [X.] (beim [X.]) – in Bezug auf deren grundsätzlichen Geometrie – nicht zwingend von denen beim Metall-Druckguss.

Das Merkmal 1 umfasst somit einen [X.], der hinsichtlich seines Einsatzes (Zweck) für das Spritzgießen mit Kunststoffen vorgesehen ist. Er muss demnach derart ausgestaltet sein, dass er – über die rein körperlich formulierten Merkmale hinaus – für das [X.] geeignet ist. Dies ist vorliegend beim [X.] der [X.] der Fall. Der Fachmann erkennt im Übrigen, dass das Formwerkzeug der [X.] zumindest für das [X.] geeignet ist und kein spezifisches Metall-Druckgusswerkzeug betrifft (Übersetzungsfehler der [X.] gegenüber den Prioritätsdokumenten der [X.]; dort sind jeweils Spritzgießvorrichtungen beschrieben, „Machine/[X.]“ bzw. „Injection Moulding Apparatus“).

Der [X.] (74) der [X.] weist ferner einen Schaftkörper (langgestreckten [X.]) auf, der an seinem Schaftende (vorderer Abschnitt oder Kopf 72 des gekühlten Kerns 74) auch eine Formungsfläche besitzt (Figuren 1 und 2 sowie Spalte 2, Zeilen 37 ff.; Merkmale 1.1 und 1.1.1). Diese umfasst gemäß dem Ausführungsbeispiel die gesamte Außenfläche des Kopfes, so dass das herzustellende [X.] offensichtlich eine Schraubkappe ist. Der [X.] wird über eine Mittelbohrung (88) entlang des Schaftes mit Kühlwasser versorgt, das im Bereich des [X.] (u.a. [X.] 114) über entsprechende Bohrungen (100) und Leitungen (128) umgelenkt und außerhalb des [X.] (90) wieder zurückgeführt wird (Merkmal 1.1.2). Das [X.] kann alternativ auch mit einem Material höherer Wärmeleitfähigkeit (Beryllium-Kupfer-Legierung, Spalte 3, Zeile 30) gegenüber dem Standardwerkstoff eines Werkzeugstahls des übrigen Schaftkörpers eingesetzt werden (Merkmal 1.1.3).

Das Schaftende in Form des [X.]s (114) wird gemäß der Beschreibung zu Figur 5 mittels eines Pulvers einer [X.] (130) sowie einer entsprechenden Wärmebehandlung mit dem übrigen Schaftkörper ([X.]) hartverlötet, „…um [X.] (74) zu bilden“, Spalte 3, Zeile 63 bis Spalte 4, Zeile 14; Merkmal 1.1.4). Das Schaftende verschließt dabei auch den Zu- und [X.] des Kühlwassers bzw. lenkt diesen durch die Deckelfläche des [X.]s 114 um. Damit erfüllt das Schaftende die gleiche Verschließfunktion wie beim Gegenstand des Streitpatents (Merkmal 1.1.5).

Damit sind alle Merkmale von Patentanspruch 1 des Streitpatents aus der [X.] bekannt, so dass der Gegenstand nach Anspruch 1 gegenüber dieser Druckschrift nicht neu ist.

5. Da die Beklagte die abhängigen Unteransprüche nicht isoliert verteidigt, bedürfen diese keiner gesonderten Prüfung. Mit dem sich nicht patentfähig erweisenden Patentanspruch 1 nach erteilter Fassung des Streitpatents sind auch die auf ihn direkt oder indirekt rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 16 der erteilten Fassung des Streitpatents für nichtig zu erklären, da die Beklagte weder geltend gemacht hat, noch sonst ersichtlich ist, dass die zusätzlichen Merkmale dieser Ansprüche zu einer anderen Beurteilung der Patentfähigkeit führen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Juni 2007 – [X.], [X.], 862 Leitsatz – Informationsübermittlungsverfahren [X.]; [X.], Urteil vom 29. September 2011 - [X.] 109/08 1. Leitsatz – Sensoranordnung).

[X.][X.]

Die Beklagte kann das Streitpatent auch in der Fassung der [X.] nicht erfolgreich verteidigen, weil der nach Patentanspruch 1 beanspruchte Gegenstand gemäß den [X.] bis [X.] ebenfalls unzulässig erweitert sowie zudem gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig ist (§ 22 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 21 Abs. 1 [X.]. 4 sowie [X.]. 1 [X.], §§ 1-5 [X.]). Hilfsantrag [X.] war gemäß § 83, Abs. 4 [X.] als verspätet zurückzuweisen.

1. Die jeweiligen Patentansprüche 1 der Hilfsanträge I bis [X.] lassen sich mit ihren Änderungen sich wie folgt gliedern:

1.1 In Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I sind gegenüber dem Patentanspruch 1 in erteilter Fassung folgende Merkmale geändert (1‘. und 1.1‘) bzw. neu aufgenommen (1.a; Hinzufügungen unterstrichen):

1‘. [X.] eines Spritzgusswerkzeugs

1.a  bestehend aus einem [X.] und einem Außenkern

1.1‘  mit einem Schaft (4) zur Herstellung von [X.],

1.2 In Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag [X.] ist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I noch folgendes zusätzliche Merkmal aufgenommen:

1.1.6  die Stirnfläche (35) des [X.]s mit einer Anschlagfläche (36) des [X.] (5) durch Elektronenstrahlschweißen verbunden ist [sind].

1.3 In Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag [X.] ist gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag [X.] noch folgendes weitere Merkmal aufgenommen:

1.1.7   wobei der [X.] (2) im Bereich des [X.] (5) aus Kupfer oder einer kupferhaltigen Legierung geformt ist.

Die Gegenstände der Patentansprüche 1 der [X.] bis [X.] sind nun auf einen [X.] bestehend aus einem Innen- und [X.] beschränkt und sind zur Herstellung von [X.] vorgesehen. Die Stirnfläche des [X.]s gemäß Hilfsantrag [X.] ist ferner mit einer Anschlagfläche des [X.] durch [X.] verbunden, wobei nicht spezifiziert ist, ob der Schaft des Innen- oder [X.] gemeint ist. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag [X.] weist zudem einen [X.] auf, der im Bereich des [X.] aus Kupfer oder einer kupferhaltigen Legierung geformt ist.

2. Die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche 1 der Hilfsanträge I bis [X.] sind unzulässig erweitert.

Soweit die Klägerin die Zulässigkeit der Gegenstände der Ansprüche 1 der [X.] bis [X.] beanstandet, ist dies nur teilweise begründet. Zutreffend weist sie darauf hin, dass bei keinem der [X.] eine Zuordnung der [X.] zum Innen- oder [X.] gegeben ist. Allerdings sieht der Senat eine [X.]sgrundlage für Merkmal 1.1.5, wonach das Schaftende die [X.] verschließt.

In den ursprünglichen Unterlagen bzw. in der [X.] des Streitpatents sind in Absatz [0001] zwei Begriffsdefinitionen enthalten. Zum einen besteht der [X.] „aus einem [X.] und einem [X.]“, zum anderen gliedert sich der [X.] „in einen Schaft und ein…Schaftende“. Auch nach dem Hinzufügen des Merkmals 1.a in den Anspruch 1 der [X.] bis [X.], wonach nun wieder ein radial zweiteiliger Schaft formuliert ist, fehlt ferner jedoch der Bezug, dass Schaft und Schaftende lediglich auf den [X.] bezogen sind. In den ursprünglichen Unterlagen entnimmt der Fachmann durchgehend die Eigenschaften von Schaft und Schaftende auf den [X.]. Nach dem Weglassen der beiden Begriffsdefinitionen gemäß Absatz [0001] der [X.] fehlt nun dieser konkrete Bezug auf den [X.] in der [X.], so dass – entsprechend der Auslegung in [X.]. I[X.] 2. – der Schaft und das Schaftende in den jeweiligen Ansprüchen 1 der [X.] bis [X.] sowohl auf den [X.] wie auch auf den [X.] zu beziehen ist. Der Fachmann, der aus den ursprünglichen Unterlagen alle dem Schaft sowie dem Schaftende zugeordneten Merkmale 1.1.1 bis 1.1.5 lediglich auf den [X.] bezogen hat, wird nun in der [X.] mit einem breiteren Gegenstand konfrontiert, den er ursprünglich nicht entnehmen konnte.

Dies gilt auch, obwohl die einzelnen Merkmale sich prinzipiell auch für den [X.] aus der Beschreibung und der Figur 1 jeweils singulär entnehmen lassen. In der Gesamtheit der [X.] der ursprünglichen Unterlagen entnahm der Fachmann jedenfalls Merkmale, die im Wesentlichen auf den [X.] gerichtet waren und zumindest in ihrer Gesamtheit nicht auf den [X.] zu beziehen waren.

Das Merkmal 1.1.5, das das Verschließen der [X.] (14) durch das Schaftende (5) fordert, ist selbst nicht unzulässig erweitert. Dieses Merkmal ist nicht erst durch die [X.] neu aufgenommen worden, sondern ist bereits Bestandteil des Patentanspruchs 1 der erteilten Fassung. Insofern ist dieses Merkmal nicht entsprechend den Anforderungen durch § 34 Abs 3 [X.] 3 [X.] i.V.m. der Patentverordnung in Bezug auf Formulierungen von Patentansprüchen zu messen, sondern ist zwingend fachmännisch auszulegen. Die Auslegung dieses Merkmals erfolgt dabei gemäß [X.]. I[X.] 2.

3. Die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche 1 der Hilfsanträge I bis [X.] sind im Übrigen nicht patentfähig, sie beruhen jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß der [X.] und [X.] umfassen jeweils den Gegenstand des enger gefassten Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag [X.][X.] Nachdem letzterer, wie die nachfolgenden Ausführungen zum Hilfsantrag [X.] zeigen, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sind auch die Patentansprüche 1 nach Hilfsantrag I und [X.] nicht rechtsbeständig.

Die Entgegenhaltung [X.] ([X.] 100 22 289 [X.]) offenbart eine Vorrichtung zum Herstellen eines zu temperierenden Werkstücks und Verfahren zum Herstellen eines hülsenförmigen Elements (Bezeichnung der [X.]) stellt einen geeigneten Ausgangspunkt der fachmännischen Überlegungen dar, da beim Spritzgießen einer offensichtlichen Schraubkappe mehrere radial übereinanderliegende Kerne eingesetzt werden. Einen alternativen Ausgangspunkt stellt die [X.] ([X.] 100 22 288 [X.]) dar, die inhaltlich weitgehend mit der [X.] übereinstimmt und explizit eine [X.] offenbart.

Das spritztechnisch herzustellende Kunststoffwerkstück der [X.] (38; Absatz [0002]) ist dabei gemäß der Figur des Ausführungsbeispiels aus fachlicher Sicht offensichtlich eine Schraubkappe, zumindest ist das Werkzeug objektiv dazu geeignet, Kunststoffkappen mit Schraubgewinde herzustellen. Hierzu wird in dem Formwerkzeug eines Spritzgusswerkzeugs ein Schraubkern mit einem langgestreckten Schaft eingesetzt, der aus mehreren radial unterteilten Elementen zusammengesetzt ist, darunter einen zentral gelegenen, feststehenden [X.] (Kern 1) und einen axial und rotatorisch bewegbaren [X.] (Drehkern 14). Beide Kernelemente weisen an ihren Enden entsprechende Stirnflächen aus, die jeweils anteilige [X.] bilden ([0047] und Figur). Ferner sind entlang der zentralen Achse des Schafts auch [X.] vorhanden, die sowohl im Schaft des [X.]s (Kanal 5) als auch im Schaft des [X.] sowie im entsprechenden Schaftende verlaufen (Kanäle 17, 18, 19; [0041]). Das mit dem äußeren [X.] („Drehkern“) einstückig verbundene Schaftende ist dabei – wie der [X.] selbst auch – über [X.] (15, 16) miteinander unlösbar „stoffschlüssig verbunden“ (dto.). Zudem ist auch das mit dem feststehenden [X.] (Kern 1) verbundene „[X.]“ (ohne Bezugszeichen) unlösbar mit diesem verbunden, so dass beide [X.] das Merkmal 1.1.4 erfüllen. Merkmal 1.1.5 ist dabei durch das „[X.]“ bekannt, da dieses den Zu- und [X.] (Kanal 5) „verschließt“ sowie den Kühlmittelstrom umleitet. Damit sind die Merkmale 1‘. bis 1.1.2 sowie 1.1.4 und 1.1.5 aus der [X.] bekannt.

Ausgehend von der [X.] ist der Fachmann bestrebt, die Ableitung der Wärme weiterhin zu erhöhen, um die Taktzeit des [X.] weiter zu verkürzen. Dabei zieht der Fachmann auch die Druckschrift [X.] heran, die ebenfalls einen [X.] eines Werkzeuges zur Herstellung einer [X.] offenbart. In der [X.] ist in Spalte 3, 2. Absatz ff. sowie in den Figuren 2 bis 6 jeweils ein Schaftende ([X.] 114) beschrieben und gezeigt, das aus einem anderen Material im Vergleich zum übrigen Schaftkörper gebildet sein kann. Das Schaftende des Kerns kann dabei „…aus einem Werkstoff mit höherer Wärmeleitfähigkeit wie etwa einer Beryllium-Kupfer-Legierung hergestellt…“ sein (Spalte 3, Zeilen 28 – 31; Merkmal 1.1.7). Dieses Schaftende weist dabei eine Anschlagfläche auf, die mit der Stirnfläche des [X.]s ([X.]) eines radial einteiligen Kerns – der entsprechend der Kühlung dem [X.] eines zweiteiligen Kerns entspricht – stoffschlüssig verbunden wird. Als Fügeverfahren hierfür wird in der [X.] das Hartlöten angewandt (Spalte 4, Zeilen 13 f.), an anderer Stelle ist offenbart, dass zwei Teile des Kerns (138, 140) über Stirnflächen alternativ miteinander verschweißt werden (Spalte 4, Zeilen 37 – 40). Dass ein derartiges Fügeverfahren auch als [X.] durchgeführt werden kann, ist zudem bereits aus der [X.] bekannt ([0022]), da dort [X.] zur Ausbildung der Kühlkanäle auch im Bereich des [X.] mit diesem Verfahren zusammengefügt werden. Damit sind auch die Merkmale 1.1.3, 1.1.6 und 1.1.7 durch eine Zusammenschau der Druckschriften [X.] und [X.], auch in Verbindung mit den übrigen Merkmalen, für den Fachmann nahegelegt.

4. Die Beklagte kann das Streitpatent auch in der Fassung des [X.] nicht erfolgreich verteidigen. Der mit Schriftsatz vom 20. Mai 2022 erstmals formulierte und eingereichte Hilfsantrag [X.], der den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag im Merkmal 1.1.8 erstmals um ein Merkmal aus dem erteilten Unteranspruchs 12 ergänzt, war als verspätet zurückzuweisen (§ 83 Abs. 4 [X.]) und bleibt deshalb unberücksichtigt.

4.1 Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag [X.] gliedert sich gegenüber dem Patentanspruch 1 in erteilter Fassung wie folgt:

1‘‘. [X.] eines Spritzgusswerkzeugs für die Herstellung von [X.],

1.a‘  umfassend einen Außenkern (3)

1.1 mit einem Schaft (4),

1.1.1  der ein eine Formfläche (10) tragendes Schaftende (5) aufweist,

1.1.2  und dessen an das Schaftende (5) anschließender [X.] entlang einer zentralen Achse [X.] (14) aufweist,

1.1.3  wobei das Schaftende (5) aus einem Material mit höherer Wärmeleitfähigkeit als jener des [X.]es besteht,

1.1.4  das Schaftende (5) unlösbar mit dem [X.] verbunden ist, und

1.1.5  das Schaftende (5) die [X.] (14) verschließt und

1.1.8  die Stirnfläche (35) des [X.]s mit einer Anschlagsfläche (36) des [X.] (5) radial durch Elektronenstrahlschweißen verbunden ist.

4.2 § 83 [X.] sieht mit den in das [X.] eingeführten Präklusionsregeln grundsätzlich die Möglichkeit vor, verspätetes Vorbringen zurückzuweisen und bei der Entscheidung unberücksichtigt zu lassen. Voraussetzung hierfür ist nach § 83 Abs. 4 [X.], dass das Vorbringen unter Versäumung der nach § 83 Abs. 2 [X.] gesetzten Frist erfolgt, die betroffene [X.] die Verspätung nicht genügend entschuldigt und die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung erfordert hätte.

Diese Voraussetzungen für eine Zurückweisung sind vorliegend gegeben.

Der erstmals mit Schriftsatz vom 20. Mai 2022 eingereichte geänderte Hilfsantrag [X.] ist erst nach Ablauf der mit dem Hinweis des Senats vom 8. Dezember 2021 gesetzten letzten Frist (spätestens 6 Wochen nach Zustellung an die Beklagte vom 14. Dezember 2021 am 25. [X.]), über deren Versäumnisfolgen die [X.]en belehrt worden waren (§ 83 Abs. 4 Satz 1 [X.]. 3 [X.]), von der Beklagten eingereicht worden.

Die Zulassung des [X.] hätte eine Möglichkeit zur Stellungnahme für die Klägerin und damit einen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung bzw. erneute Stellungnahmefristen erforderlich gemacht, verbunden mit der Verlegung des Schlusses der mündlichen Verhandlung im schriftlichen Verfahren (§ 83 Abs. 4 Satz 1 [X.]. 1 [X.]). Denn bei der gegenüber dem erteilten Patent und dem mit Schriftsatz vom 20. Mai 2022 eingereichten Hilfsantrag [X.] vorgenommenen Änderung handelt es sich – entgegen der Behauptung der Beklagten – schon um keine durch den Verlauf des Verfahrens bedingte Ergänzung der [X.], sondern um einen wesentlich geänderten, bis dato so nicht formulierten Antrag.

Die Beklagte hat damit nämlich erstmals Patentanspruch 1 dahingehend eingeschränkt (Merkmal 1.1.8), dass „die Stirnfläche (35) des [X.]s mit einer Anschlagfläche (36) des [X.] (5) des [X.]s radial durch [X.] verbunden sind“. Demgegenüber ist in der seitens der Beklagten genannten [X.]sstelle in der [X.] (Patentanspruch 12) lediglich von einem radialen Verschweißen entsprechend konzentrisch angeordneter Hülsen die Rede. [X.] und Schaftende werden gemäß Merkmal 1.1.8 und auch Patentanspruch 13 jedoch über die Stirnfläche und dementsprechend axial verbunden. Damit „vermischt“ die Beklagte die axiale Verbindung von [X.] und Schaftende mit der radialen Verbindung entsprechender Hülsenelemente.

Die Neuformulierung in Hilfsantrag [X.] verändert den Gegenstand des Anspruchs durch die Anforderung der Verbindung von [X.] und Schaftende damit offensichtlich erstmals dementsprechend wesentlich – sofern überhaupt zulässig offenbart. Diese Einschränkung war auch nicht Gegenstand der bisherigen Erörterung der Patentfähigkeit des Streitpatents oder der bis dahin ins Verfahren eingeführten [X.] bis [X.][X.] Es handelt sich insoweit auch nicht um eine geringfügige Änderung eines verteidigten Patentanspruchs. Die erstmals mit Schriftsatz vom 20. Mai 2022 formulierte Ergänzung, mit der sich die Beklagte vom bisher in das Verfahren eingeführten und bereits im gerichtlichen Hinweis diskutierten Stand der Technik abgrenzen will, stellt vielmehr eine neue Verteidigungslinie dar und konfrontiert die Klägerin mit neuen Tatsachen.

Die Beklagte, die im Hinweis über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden war, hat die Verspätung zudem nicht – genügend – entschuldigt (§ 83 Abs. 4 [X.]. 2 [X.]). Entgegen der angedeuteten Behauptung der Beklagten ist nicht ersichtlich, weshalb sie Anträge mit diesem Inhalt nicht bereits in ihrem Schriftsatz vom 4. Januar 2022 zusammen mit den [X.] bis [X.] gestellt hat. Dies gilt umso mehr, sofern die Beklagte aufgrund des gerichtlichen Hinweises Zweifel gehabt haben sollte, ob ihr bisheriges Vorbringen vom Senat umfassend gewürdigt worden sei. Dann hätte sich die Beklagte aus prozessualer Vorsorge erst Recht innerhalb der gesetzten Fristen umfassend erklären müssen und hätte Veranlassung gehabt, auch den später formulierten Hilfsantrag [X.] fristgerecht einzureichen.

Nachdem Hilfsantrag [X.] wegen Verspätung zurückzuweisen war, war über die Zulässigkeit und Patentfähigkeit des Gegenstands nach dessen Anspruch 1 nicht zu entscheiden.

B.

Nebenentscheidungen

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 ZPO.

3. Der Streitwert für das Verfahren vor dem [X.] war endgültig auf 312.500 € festzusetzen (§ 2 Abs. 2 S. 4 PatKostG i. V. m. § 63 Abs. 2 S. 1 GKG).

Die Festsetzung entspricht der vorläufigen [X.] mit Beschluss vom 1. September 2020.

Der Streitwert im Patentnichtigkeitsverfahren ist nach § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG i. V. m. § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Maßgeblich für die Bestimmung des Streitwerts ist das Interesse der Allgemeinheit an der Nichtigerklärung des angegriffenen Patents im beantragten Umfang. Dementsprechend kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang die einzelne Nichtigkeitsklägerin vom Streitpatent wirtschaftlich betroffen ist. Das Allgemeininteresse ist nach ständiger Rechtsprechung mit dem gemeinen Wert des Streitpatents bei Erhebung der Klage zuzüglich des Betrags der gerichtlich oder außergerichtlich geltend gemachten Schadensersatzforderungen zu bemessen ([X.], Beschluss vom 12. April 2011 - [X.] 28/09, [X.], 757 - [X.] I; [X.], Beschluss vom 27. August 2013 - [X.] 83/10, [X.], 1287 f. - [X.] [X.]). Ist das Streitpatent wie hier bereits Grundlage eines anhängigen Verletzungsstreitverfahren, legt der [X.] die Summe der Streitwerte der Verletzungsverfahren zugrunde, die zur Berücksichtigung des darüber hinausgehenden gemeinen Werts des Streitpatents um einen Aufschlag von in der Regel 25 % zu erhöhen ist ([X.] a. a. O. - [X.] I). Diese beziffert regelmäßig das Interesse an der erstrebten Vernichtung des Streitpatents, mit der der bzw. den [X.] die Grundlage entzogen werden soll. Eine Streitwertfestsetzung im [X.] unterhalb dieses Betrages kommt grundsätzlich nicht in Betracht (grundlegend: [X.], Beschluss vom 12. April 2011 - [X.] 28/09, [X.], 757, Rn. 2 f. - [X.]; Beschluss vom 16. Februar 2016 - [X.] 110/13, [X.] 2016, 69 Rn. 7).

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ergibt sich vorliegend der im Tenor genannte Streitwert. Das Streitpatent betreffend war bei Eingang der [X.] die Verletzungsklage beim [X.] anhängig, in der der [X.] auf 250.000 € festgesetzt worden ist. Aus dem nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung um den [X.] von 25 % zu erhöhenden [X.] errechnet sich der im Tenor genannte [X.].

Meta

5 Ni 29/20

20.05.2022

Bundespatentgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

§ 83 Abs 4 PatG, § 22 Abs 1 PatG, § 21 Abs 1 Nr 4 PatG, § 21 Abs 1 Nr 1 PatG, § 1 PatG, § 2 PatG, § 3 PatG, § 4 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 20.05.2022, Az. 5 Ni 29/20 (REWIS RS 2022, 5220)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5220

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Xa ZR 129/07 (Bundesgerichtshof)


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X ZR 158/18

X ZR 43/09

X ZB 2/12

X ZR 161/12

X ZR 109/08

X ZR 28/09

X ZR 83/10

X ZR 110/13

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