Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.11.2012, Az. 10 AZR 3/12

10. Senat | REWIS RS 2012, 1406

ARBEITSRECHT ARBEITSVERTRAG INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT

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Gegenstand

Bonusanspruch - Insolvenzforderung - Schadenersatzanspruch - Halteprämie und Kündigung vor Auszahlungszeitpunkt


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 3. August 2011 - 10 [X.]/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision und die Kosten der Streithilfe im Revisionsverfahren zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des [X.]n, an den Kläger einen anteiligen sog. Incentive-[X.] iHv. 15.400,00 [X.] und einen sog. [X.] iHv. 55.300,00 [X.] zu zahlen.

2

Der Kläger war seit dem 1. Juli 2007 bei der später in Insolvenz gefallenen [X.] (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) als „Head of Marketing for Product Line Server“ auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 13. April/13. Juni 2007 beschäftigt. Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

        

„…    

        

5.    

Vergütung            

                 

Das Jahreszieleinkommen des Mitarbeiters beträgt

                 

111.400,00 [X.] brutto.

                 

Es setzt sich zusammen aus

                 

a)    

einem festen Jahresgehalt in Höhe von

                 

86.400,00 [X.] brutto,

                          

das in zwölf gleichen Raten jeweils zum Monatsende ausgezahlt wird,

                 

und     

                 

b)    

einem jährlichen [X.] bei Erreichen festgelegter Ziele.

                          

Der individuelle Zielbetrag für den [X.] beträgt für ein volles Geschäftsjahr (01.10. bis 30.09.) bei 100 % Zielerreichung

                 

25.000,00 [X.] brutto.

                          

Die Ziele werden jährlich auf Grundlage der jeweils geltenden Richtlinie ([X.] & Incentive Guideline), die jeweils Bestandteil dieses Vertrages ist, in einer gesonderten Vereinbarung (Zielvereinbarung) festgelegt. …

                                   
                          

Die Höhe des [X.] richtet sich nach dem Grad des Erreichens der in der Zielvereinbarung festgelegten Ziele. Der [X.] wird jeweils nach Ablauf des Geschäftsjahres ermittelt.

                 

…       

        

12.     

Beendigung des Arbeitsverhältnisses            

                 

Der Vertrag kann beiderseits unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Monatsende gekündigt werden, es sei denn, dass gesetzliche Bestimmungen eine andere Kündigungsfrist unabdingbar vorschreiben.“

3

In dem am 1. Oktober 2008 begonnenen Geschäftsjahr 2008/2009 betrug das Jahreszieleinkommen des [X.] 118.400,00 [X.] brutto. Es setzte sich aus einem festen Jahresgehalt iHv. 87.600,00 [X.] und einem Zielbonus iHv. 30.800,00 [X.] zusammen. Eine Zielvereinbarung für dieses Geschäftsjahr wurde zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin nicht abgeschlossen.

4

Am 16. Oktober 2008 erhielt der Kläger von der Insolvenzschuldnerin ein Schreiben mit folgendem Wortlaut:

        

Retention Payment

        

Sehr geehrter Herr Dr. S,

        

wir freuen uns, dass wir Ihnen zum 31. Januar 2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von

        

27.600,00 [X.] brutto

        

und zum 31. Mai 2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von

        

27.600,00 [X.] brutto

        

sowie zum 30. September 2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von

        

27.700,00 [X.] brutto

        

zusagen können. Die Auszahlung des jeweiligen Betrages setzt voraus, dass Sie zu dem jeweiligen [X.]punkt Ihr Arbeitsverhältnis mit der [X.] nicht von sich aus gekündigt haben. Die Auszahlung erfolgt mit der jeweils nächsten Gehaltsabrechnung.

        

Wir bestätigen Ihnen, dass die zugesagten Retention-Zahlungen zu 100 % auch im Falle einer einseitigen Kündigung durch Ihren Arbeitgeber oder durch eine vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung Ihres Arbeitsvertrages ausbezahlt wird. Die Auszahlung findet in diesem Fall mit Wirksamwerden der Kündigung bzw. des Auflösungsvertrages statt. [X.] für einen Auflösungsvertrag bleiben davon unberührt.

        

…“    

5

Mit Beschluss des Amtsgerichts M - Insolvenzgericht - vom 23. Januar 2009 wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin angeordnet und der [X.] zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit der Maßgabe bestellt, dass Verfügungen der Insolvenzschuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Am 1. April 2009 eröffnete das Amtsgericht M - Insolvenzgericht - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und bestellte den [X.]n zum Insolvenzverwalter.

6

Der [X.] kündigte das Arbeitsverhältnis des [X.] am 1. April 2009 zum 31. Juli 2009 und stellte den Kläger von der Arbeitsleistung frei. Am 20. April 2009 kündigte der Kläger selbst zum 30. April 2009. Mit Schreiben vom 22. April 2009 bestätigte der [X.] dem Kläger die Beendigung des Arbeitsverhältnisses „aufgrund Ihrer Kündigung vom [X.] auf Ihren Wunsch hin ... im gegenseitigen Einvernehmen zum 30.04.2009.“

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, für die [X.] vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2009 stehe ihm ein anteiliger Incentive-[X.] iHv. 15.400,00 [X.] in Form eines Schadensersatzanspruchs zu, weil die Insolvenzschuldnerin entgegen den arbeitsvertraglichen Vorgaben keine Zielvereinbarung für das Geschäftsjahr 2008/2009 mit ihm abgeschlossen habe. Der Anspruch sei eine Masseforderung, weil er erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und somit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei. Darüber hinaus könne er aufgrund des Schreibens vom 16. Oktober 2008 einen [X.] iHv. 55.300,00 [X.] verlangen. Die in diesem Schreiben niedergelegten Voraussetzungen seien am 31. Mai 2009 bzw. 30. September 2009 erfüllt worden.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

den [X.]n zu verurteilen, an ihn 70.700,00 [X.] brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Der [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, bei dem Schadensersatzanspruch wegen nicht abgeschlossener Zielvereinbarung handele es sich um eine Insolvenzforderung. Der Kläger könne den im Schreiben vom 16. Oktober 2008 zugesagten [X.] nicht verlangen. Die Voraussetzungen für dessen Auszahlung seien nicht erfüllt, weil der Kläger das Arbeitsverhältnis selbst zum 30. April 2009 gekündigt habe.

Der [X.] hat den beiden Vorstandsmitgliedern der Insolvenzschuldnerin den Streit verkündet. Diese sind am 15. November 2010 dem Rechtsstreit auf Seiten des [X.]n beigetreten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben richtig entschieden.

A.  Die Klage ist unbegründet. Der Anspruch auf den [X.] für die [X.] vom 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009 ist eine Insolvenzforderung (zu I). Den [X.] kann der Kläger nicht verlangen, weil die Voraussetzungen für dessen Auszahlung nicht erfüllt sind (zu II).

I. Der Kläger kann von dem [X.]eklagten keine Zahlung des anteiligen [X.] verlangen. Zugunsten des [X.] kann unterstellt werden, dass ihm ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 3 iVm. § 283 Satz 1 [X.]G[X.] wegen einer zu vertretenden Pflichtverletzung zusteht, weil keine Zielvereinbarung für das Geschäftsjahr 2008/2009 zustande gekommen ist. Ein solcher Anspruch ist jedoch keine Masseforderung, sondern eine Insolvenzforderung iSd. § 108 Abs. 3 [X.]. Der Kläger kann den Anspruch gemäß § 87 [X.] nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens verfolgen und muss ihn gemäß § 174 [X.] beim Insolvenzverwalter anmelden.

1. Eine Masseverbindlichkeit iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 [X.] liegt nicht vor.

a) Masseverbindlichkeiten iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 [X.] sind Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung für die [X.] nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.

aa) Die Regelung stellt sicher, dass der Gläubiger, der noch voll zur Masse leisten muss, auch die volle Gegenleistung erhält und die Masse nicht auf seine Kosten bereichert wird ([X.] 19. Juli 2007 - 6 [X.] 1087/06 - Rn. 19, [X.]E 123, 269; 27. April 2006 -  6 [X.] 364/05  - Rn. 21, [X.]E 118, 115). Soweit Arbeitsverhältnisse betroffen sind, beruht die Vorschrift auf dem Grundgedanken, dass der Arbeitnehmer trotz Insolvenz seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen muss und im Gegenzug seine vertraglich vereinbarten Ansprüche behalten soll. Unter § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 [X.] fallen daher alle Lohn- und [X.], die aus der [X.]eschäftigung von Arbeitnehmern nach der Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter erwachsen, sowie alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben. Maßgeblich ist, ob die geltend gemachten Ansprüche vor oder nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind, wobei nicht auf die Fälligkeit, sondern auf den [X.]punkt des Entstehens der Forderung abzustellen ist ([X.] 19. Juli 2007 - 6 [X.] 1087/06 - aaO; 19. Januar 2006 -  6 [X.] 529/04  - Rn. 18, [X.]E 117, 1).

bb) Unter welchen Voraussetzungen jährliche Sonderzuwendungen als Masseverbindlichkeiten iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 [X.] anzusehen sind, hängt von dem Zweck der Sonderzuwendung ab.

(1) Mit einer Sonderzuwendung kann die vom Arbeitnehmer im [X.]ezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honoriert werden. Der Anspruch auf eine solche Sonderzuwendung entsteht regelmäßig während des [X.]ezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer („pro rata temporis“) und wird nur zu einem anderen [X.]punkt insgesamt fällig ([X.] 18. Januar 2012 - 10 [X.] 667/10 - Rn. 10, [X.] § 307 Nr. 59 = EzA [X.]G[X.] 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 32; 21. April 2010 - 10 [X.] 178/09 - Rn. 14, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 45; 28. März 2007 - 10 [X.] 261/06 - Rn. 17, [X.] § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA [X.]G[X.] 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 21). [X.] sind solche arbeitsleistungsbezogenen Sonderzuwendungen dem [X.]raum zuzuordnen, für den sie als Gegenleistung geschuldet sind (für zeitliche Zuordnung nach der KO: [X.] 21. Mai 1980 -  5 [X.] 441/78 - [X.] KO § 59 Nr. 10 = EzA KO § 59 Nr. 9; [X.]/[X.] 12. Aufl. Einf. [X.] Rn. 44; [X.]/[X.] [X.] 13. Aufl. § 55 Rn. 67; MünchKomm[X.]/Hefermehl 2. Aufl. § 55 Rn. 167): Soweit mit ihnen Arbeitsleistungen vergütet werden, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, handelt es sich um Masseforderungen (für zeitliche Zuordnung nach der KO: [X.] 4. Juni 1977 - 5 [X.] 663/75 - zu 2 a der Gründe, [X.]E 29, 211). Soweit durch sie vor Verfahrenseröffnung erbrachte Arbeitsleistungen honoriert werden, liegen Insolvenzforderungen vor (für zeitliche Zuordnung nach der KO: [X.] 21. Mai 1980 - 5 [X.] 337/78 - [X.]E 33, 113). Für einen ratierlichen Erwerb des Anspruchs in dem hier dargestellten Sinne genügt es, dass der Anspruch - unabhängig von einer gleichmäßigen Zielerfüllung im Geschäftsjahr - kontinuierlich an die Arbeitsleistung anknüpft. Ist die zusätzliche Vergütung dagegen für besondere, zu bestimmten [X.]en während des Geschäftsjahres zu erbringende Leistungen versprochen, kann es allein auf diese [X.]räume ankommen.

(2) Sonderzuwendungen können auch anderen Zwecken als der Vergütung erbrachter Arbeitsleistung dienen. Sie können als „Treueprämie“ langfristige oder als „Halteprämie“ kurzfristige bzw. künftige [X.]etriebstreue honorieren ( [X.] 18. Januar 2012 - 10 [X.] 667/10 - Rn. 13, [X.] § 307 Nr. 59 = EzA [X.]G[X.] 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 32 ); der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum [X.] typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen (vgl. [X.] 5. Juli 2011 - 1 [X.] 94/10 - Rn. 35). Die Zahlung solcher Sonderzuwendungen hängt nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom [X.]estand des Arbeitsverhältnisses ab ([X.] 18. Januar 2012 - 10 [X.] 667/10 - aaO). [X.] sind derartige stichtags- oder anlassbezogene Sonderzuwendungen dem [X.]raum zuzurechnen, in den der Stichtag fällt ([X.] 11. Dezember 2001 - 9 [X.] 459/00 - zu I 1 der Gründe, [X.] [X.] § 209 Nr. 1 = EzA [X.] § 210 Nr. 1). Liegt der Stichtag zeitlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit ([X.] 3. Februar 2010 - 4 [X.]/09 - Rn. 42, ZIP 2010, 1189; [X.] 12. März 2008 - 6 [X.]/07 - Rn. 30, [X.] 2008, 594; [X.]/[X.] § 55 Rn. 67; MünchKomm[X.]/Hefermehl § 55 Rn. 168). Im anderen Fall ist eine solche Zahlung in voller Höhe als Insolvenzforderung anzusehen. Diese Unterscheidung entspricht auch der Rechtsprechung des [X.] zur Einbeziehung von [X.] in die Insolvenzgeldberechnung ([X.]SG 21. Juli 2005 - [X.] 11a/11 AL 53/04 R - [X.] 2006, 437).

(3) Ob der Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergütet oder sonstige Zwecke verfolgt, ist durch Auslegung der vertraglichen [X.]estimmungen zu ermitteln. Der [X.] ist eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft ist ([X.] 18. Januar 2012 - 10 [X.] 667/10 - Rn. 15, [X.] § 307 Nr. 59 = EzA [X.]G[X.] 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 32; 7. Juni 2011 - 1 [X.] 807/09 - Rn. 41 f., [X.] [X.]etrVG 1972 § 77 Nr. 55 = EzA [X.]etrVG 2001 § 88 Nr. 3).

cc) Schadensersatzansprüche eines Arbeitnehmers, die an die Stelle von Vergütungsansprüchen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis treten, sind insolvenzrechtlich wie die ihnen zugrunde liegenden Vergütungsansprüche zu behandeln, dh. sie sind demjenigen [X.]raum zuzuordnen, auf den sich der ursprüngliche Vergütungsanspruch bezog ([X.] 13. August 1980 5 [X.] 588/78 - zu II 1 b der Gründe, [X.]E 34, 101; vgl. auch [X.]SG 17. Juli 1979 - 12 [X.] - [X.] 4100 § 141b Nr. 10 ; 17. Juli 1979 -  12 [X.] - [X.] 4100 § 141b Nr. 12 ).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht um eine Masseverbindlichkeit iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 [X.], sondern um eine Insolvenzforderung.

aa) Gemäß Ziffer 5 des Arbeitsvertrags setzt die Zahlung des [X.]onus das Erreichen bestimmter, in einer Zielvereinbarung festzulegender Ziele voraus. Die Höhe des [X.]onus richtet sich nach dem Grad des Erreichens dieser Ziele. Eine solche erfolgsabhängige Vergütung wird als unmittelbare Gegenleistung für die entsprechend der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung geschuldet ([X.] 18. Januar 2012 - 10 [X.] 667/10 - Rn. 10, 15, [X.] § 307 Nr. 59 = EzA [X.]G[X.] 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 32; 12. April 2011 - 1 [X.] 412/09 - Rn. 25, [X.]E 137, 300). Keine Rolle spielt, dass der [X.] erst nach Ablauf des Geschäftsjahres ermittelt wird.

bb) Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch bezieht sich auf die Monate Oktober 2008 bis März 2009 und damit auf einen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden [X.]raum. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es nach der Art der zu vereinbarenden Ziele auf besondere Ergebnisse oder Leistungen außerhalb dieses [X.]raums hätte ankommen können. Der Kläger hat nichts dafür vorgetragen, dass der [X.] entgegen der dargestellten Regel überwiegend erst in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres verdient worden wäre. [X.] wäre der [X.]onus erst nach Abschluss des Geschäftsjahres entstanden.

cc) Für die insolvenzrechtliche Einordnung ist unerheblich, dass der Kläger nicht einen Erfüllungsanspruch, sondern einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 3 iVm. § 283 Satz 1 [X.]G[X.] wegen nicht abgeschlossener Zielvereinbarung geltend macht. Ein solcher Schadensersatzanspruch tritt gemäß § 280 Abs. 3 [X.]G[X.] an die Stelle des Anspruchs aus der Zielvereinbarung, weil die Vereinbarung von Zielen mit Ablauf der [X.] unmöglich geworden ist, § 275 [X.]G[X.] (vgl. [X.] 12. Dezember 2007 - 10 [X.] 97/07 - Rn. 46 f., [X.]E 125, 147); er ist daher insolvenzrechtlich demselben [X.]raum zuzuordnen.

2. Der Schadensersatzanspruch ist auch nicht nach anderen Vorschriften Masseverbindlichkeit. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] liegen nicht vor, weil der Anspruch nicht durch eine Handlung des [X.]eklagten begründet wurde. § 55 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 [X.] sind nicht anwendbar, weil auf den [X.]eklagten als vorläufigen Insolvenzverwalter nicht die Verfügungsbefugnis übergegangen (§  21 Abs. 2 Nr.  2 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 [X.]), sondern zu seinen Gunsten lediglich ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet worden war (§  21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 [X.]). Eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 [X.] auf die Fälle der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts scheidet mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke aus ( [X.] 31. Juli 2002 - 10 [X.] 275/01 - zu II 1 b cc (2) der Gründe , [X.]E 102, 82 ; [X.]GH 24. Januar 2008 - [X.]/06 - Rn. 9 , NJW 2008, 1442; [X.]/[X.] § 55 Rn. 93 mwN).

II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den [X.] iHv. 55.300,00 Euro. Die im Schreiben vom 16. Oktober 2008 niedergelegten Voraussetzungen für die Auszahlung liegen nicht vor.

1. Nach Satz 1 und Satz 2 des og. Schreibens erhält der Kläger Geldbeträge, wenn er das Arbeitsverhältnis am 31. Mai 2009 bzw. 30. September 2009 nicht von sich aus gekündigt hat. Diese Voraussetzungen sind unstreitig nicht erfüllt, weil der Kläger das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. April 2009 zum 30. April 2009 gekündigt hat.

2. Nach Satz 4 des Schreibens vom 16. Oktober 2008 wird der [X.] in vollem Umfang auch im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung ausgezahlt. Diese Regelung setzt ebenfalls voraus, dass das Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig vom Kläger selbst gekündigt wurde.

a) Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Zusage. Gemäß Satz 4 des Schreibens werden auch im Falle der Kündigung durch den Arbeitgeber „die zugesagten Retention-Zahlungen“ ausgezahlt. Damit wird auf die im ersten Teil des Schreibens unter den dort genannten Voraussetzungen zugesagten Zahlungen [X.]ezug genommen. Deren Entstehen setzt gemäß Satz 2 des Schreibens voraus, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis nicht selbst vorzeitig kündigt.

b) Der Verlust des Anspruchs bei vorzeitiger [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger entspricht auch dem Sinn der Halteprämie. Zweck der Zusage vom 16. Oktober 2008 ist die [X.]elohnung von [X.]etriebstreue. Vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Insolvenzschuldnerin wurden den Arbeitnehmern Zahlungen für den Fall versprochen, dass ihr Arbeitsverhältnis zu bestimmten, in der Zukunft liegenden Stichtagen entweder von Arbeitnehmerseite ungekündigt fortbesteht oder aber allein deshalb nicht mehr besteht, weil es auf Veranlassung des Arbeitgebers vorzeitig beendet worden ist. Damit wurde ein Anreiz für die Arbeitnehmer geschaffen, ihr Kündigungsrecht trotz der schwierigen finanziellen Lage nicht auszuüben und der Insolvenzschuldnerin bis zu den vereinbarten Stichtagen bzw. der von ihr veranlassten [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses [X.]etriebstreue zu erweisen. Diesem Zweck widerspräche es, wenn ein Mitarbeiter die Treueprämie erhielte, obwohl er das Arbeitsverhältnis vorzeitig gekündigt und der Arbeitgeberin damit gerade nicht die geforderte [X.]etriebstreue erwiesen hat.

c) Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] reicht allein der Ausspruch der arbeitgeberseitigen Kündigung für das Entstehen des Anspruchs nach Satz 4 der Zusage nicht aus. Vielmehr muss sich der Arbeitnehmer bis zur tatsächlichen [X.]eendigung des [X.] verhalten; ihm obliegt, das Arbeitsverhältnis jedenfalls nicht zu einem früheren [X.]punkt zu kündigen. Der Kläger übersieht, dass im Schreiben der Insolvenzschuldnerin allein die Nichtausübung seines Kündigungsrechts als Voraussetzung für den Anspruch genannt ist. Die Kündigung durch den Arbeitgeber ist dagegen nicht als Anspruchsvoraussetzung gestaltet, sondern lediglich als ein Umstand benannt, der - bei Vorliegen der einzigen Anspruchsvoraussetzung - den Anspruch nicht ausschließt. Es handelt sich folglich um einen Einwendungsausschluss, nicht um ein Tatbestandsmerkmal für das Entstehen des Anspruchs.

d) Im Übrigen macht die in Satz 5 des Schreibens verwendete Formulierung, wonach die Auszahlung „mit Wirksamwerden der Kündigung“ stattfindet, deutlich, dass es auf den Grund für die konkrete [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses ankommen soll. Liegt sie in einer Kündigung des Arbeitnehmers, so entsteht kein Anspruch, auch wenn der Arbeitgeber zu einem späteren [X.]punkt kündigt. Mit dem „Wirksamwerden der Kündigung“ ist der [X.]punkt gemeint, zu dem die Kündigung des Arbeitgebers die mit ihr beabsichtigten rechtlichen Wirkungen entfaltet, dh. das Arbeitsverhältnis beendet wird. Auch die weitere in Satz 4 des Schreibens genannte Alternative der „vom Arbeitgeber veranlasste[n] Auflösung [des] Arbeitsvertrages“ macht deutlich, dass Voraussetzung für das Entstehen des Zahlungsanspruchs die [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht lediglich eine auf die [X.]eendigung gerichtete Handlung ist. Der bereits dargelegte Zweck der Zusage spricht ebenfalls für ein solches Verständnis.

e) Danach liegen die Voraussetzungen für die Zahlung des [X.] im Falle der arbeitgeberseitigen Kündigung nicht vor, weil das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des [X.] vom 20. April 2009 vorzeitig zum 30. April 2009 beendet wurde.

3. Die Kündigung des [X.] vom 20. April 2009 stellt schließlich auch keine „vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung des Arbeitsvertrags“ iSd. Satzes 4 des Schreibens dar.

a) „Auflösung“ iSd. Zusage ist nur die einvernehmliche [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungs- oder Auflösungsvertrag (§ 623 [X.]G[X.]), nicht hingegen die einseitige Kündigung durch den Arbeitnehmer. Das belegt die Fälligkeitsregelung in Satz 5 des Schreibens, nach der die Auszahlung im Falle der veranlassten Auflösung mit Wirksamwerden „des Auflösungsvertrages“ stattfindet.

b) Eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses liegt nicht vor. Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis durch Schreiben vom 20. April 2009 einseitig gekündigt. In dem Schreiben vom 22. April 2009 hat der [X.]eklagte dem Kläger zwar bestätigt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund seiner Kündigung „im gegenseitigen Einvernehmen“ zum 30. April 2009 beendet wird. Dieses Schreiben ist jedoch lediglich als [X.]estätigung des Erhalts der Kündigung zu werten und ggf. als Zusage, trotz Nichteinhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gegen die Kündigung nicht rechtlich vorzugehen. Es kann aber nicht als Annahme eines Angebots zur einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses angesehen werden, zumal auch das gesetzliche Schriftformerfordernis (§§ 623, 126 Abs. 2 Satz 1 [X.]G[X.]) nicht eingehalten ist. Selbst wenn man von einem Auflösungsvertrag ausgeht, wurde die Auflösung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls nicht durch den [X.]eklagten veranlasst. Er hatte das Arbeitsverhältnis erst zum 31. Juli 2009 gekündigt. Die vorzeitige [X.]eendigung zum 30. April 2009 erfolgte auf Veranlassung und im erklärten Interesse des [X.].

c) Daran ändert nichts, dass der Kläger mit Ausspruch der Kündigung durch den [X.]eklagten freigestellt wurde. Zwar hat der [X.]eklagte dadurch zu erkennen gegeben, dass ihm an der Arbeitsleistung des [X.] bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nichts mehr gelegen war. Gleichwohl sah der Kläger aus eigenem Antrieb davon ab, die besonderen Risiken, die mit einem Verbleib im Arbeitsverhältnis verbunden waren, zu tragen; stattdessen strebte er danach, lukrativere [X.]eschäftigungsangebote bereits ab Mai 2009, statt erst ab August 2009, annehmen zu können. Den Verzicht darauf zu honorieren, war jedoch gerade der Sinn der Halteprämie.

[X.]. Im Hinblick auf das erfolglos gebliebene Rechtsmittel hat der Kläger die Kosten der Revision und der Streithelfer im Revisionsverfahren zu tragen, § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    [X.]    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    [X.]    

        

    [X.]    

                 

Meta

10 AZR 3/12

14.11.2012

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 8. Dezember 2010, Az: 37 Ca 6586/09, Urteil

§ 55 Abs 1 InsO, § 55 Abs 2 InsO, § 108 Abs 3 InsO, § 280 BGB, § 283 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.11.2012, Az. 10 AZR 3/12 (REWIS RS 2012, 1406)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1406

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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