VGH Kassel, Beschluss vom 27.09.2021, Az. 8 B 1885/21

8. Senat | REWIS RS 2021, 2356

VERWALTUNGSRECHT EUROPA HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF REISE GESUNDHEIT VERWALTUNGSGERICHT KASSEL CORONAVIRUS IMPFUNG

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Gegenstand

Kein Anspruch auf Ausstellung eines Impfzertifikats bei zweifacher Impfung mit dem Vakzin "Sputnik V".


Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des [X.] vom 1. September 2021 - 5 L 1529/[X.] - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

[X.] wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Ausstellung eines Impfzertifikats über zwei Impfungen gegen das das Coronavirus SARS-CoV 2.

2

Er wurde am 10. Mai 2021 in [X.] mit dem [X.] "[X.]" und am 19. Juli 2021 in [X.] ebenfalls mit dem [X.] "[X.]" geimpft. Mit Schriftsatz vom 12. August 2021 beantragte er beim Gesundheitsamt des Antragsgegners die Ausstellung eines Impfzertifikats bezüglich dieser beiden Impfungen. Durch Bescheid vom 23. August 2021 lehnte der Antragsgegner diesen Antrag mit der [X.] ab, dass der Impfstoff "[X.]" nicht zu den vom [X.] aufgelisteten Impfstoffen gehöre.

3

Am 26. August 2021 hat der Antragsteller um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

Der Antragsteller hat beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, ihm ein Impfzertifikat für die ihm in [X.] und [X.] verabreichten Impfungen mit dem [X.] "[X.]" gegen das Coronavirus [X.] auszustellen,

hilfsweise den Antragsgegner zu verpflichten, die ihm von dem Antragsteller über seine Impfungen in [X.] und in [X.] gegen das Coronavirus [X.] mit dem [X.] "[X.]" mitgeteilten Daten zu prüfen und die entsprechenden Informationen an das [X.][X.] zur Generierung eines Impfzertifikates weiterzuleiten.

Der Antragsgegner hat beantragt,

die Anträge abzulehnen.

4

Mit Beschluss vom 1. September 2021 hat das Verwaltungsgericht die Anträge abgelehnt. Zur [X.] hat es ausgeführt, dass der Antragsgegner für die Ausstellung eines Impfzertifikates nicht zuständig sei (Hauptantrag) und der Hilfsantrag auf Weiterleitung unzulässig sei, da der Antragsteller nur für in [X.] vorgenommene Impfungen ein Impfzertifikat erhalten könne und es dem Antrag daher am [X.] fehle.

5

Mit am 8. September 2021 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag hat der Antragsteller die vorliegende Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der [X.] wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 15. September 2021 (S. 44 der Gerichtsakte).

6

Der Antragsteller hat keinen ([X.]) Antrag gestellt.

7

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt und sich auch ansonsten nicht im Beschwerdeverfahren geäußert.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

9

Die zulässige – insbesondere form- und fristgerecht eingelegte – Beschwerde gegen den Beschluss des [X.] vom 1. September 2021 - 5 L 1529/21.KS - bleibt in der Sache ohne Erfolg.

10

Das Verwaltungsgericht hat die Anträge des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu Recht abgelehnt. Die von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Abänderung oder Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

11

Zwar hat der Antragsteller keinen bestimmten Antrag i.S.d. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gestellt. Der [X.] braucht jedoch nicht ausdrücklich als solcher gestellt zu sein. Er kann sich auch aus den [X.] ergeben (OVG für die [X.], Beschluss vom 5. Juli 2019, [X.].: 2 98/18, NVwZ-RR 2020, S. 181 = [X.] Rn. 7 f.; vgl. auch [X.]/[X.], Kommentar zur VwGO, 27. Auflage 2021, § 146 Rn. 41 jeweils mit weiteren Nachweisen). Es [X.], wenn sich aus dem innerhalb der [X.] mit hinreichender Bestimmtheit ermitteln lässt, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die Entscheidung des [X.] angefochten werden soll. Im Zweifel kann davon ausgegangen werden, dass die erstinstanzliche Entscheidung in vollem Umfang aufgehoben und die Anträge erster Instanz weiterverfolgt werden sollen (OVG für die [X.] wie zuvor).

12

Nach diesen Maßstäben ist hier das Vorliegen eines bestimmten Antrags des anwaltlich vertretenen Antragstellers (gerade) noch rechtsschutzfreundlich zu bejahen. Aus der [X.] vom 15. September geht hinreichend deutlich hervor, dass der Antragsteller weiterhin das Ziel verfolgt, ein Impfzertifikat entweder vom Antragsgegner selbst oder nach Prüfung und Weiterleitung der mitgeteilten Daten durch den Antragsgegner an das Robert [X.] durch dieses (vgl. § 22 Abs. 5 [X.]) zu erhalten.

13

Der Senat lässt es dahinstehen, ob der Antragsgegner für die Ausstellung eines Impfzertifikats oder zumindest für die Prüfung und Weiterleitung der vom Antragsteller mitgeteilten Daten zwecks Ausstellung durch das Robert [X.] zuständig ist. Die Beschwerde bleibt jedenfalls deswegen erfolglos, weil gemäß § 2 Ziffer 3 [X.] ein Impfnachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens einer vollständigen Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in [X.], [X.], [X.], [X.] oder [X.] in verkörperter oder digitaler Form ist, wenn die zugrundeliegende Schutzimpfung mit einem oder mehreren vom [X.] im [X.] unter der Adresse www.pei.de/impfstoffe/covid-19 genannten Impfstoffen erfolgt ist. Diese Voraussetzung erfüllen weder die lediglich in Fotokopie eingereichte Bescheinigung vom 10. Mai 2021 (Anlage 2a zum Antragsschriftsatz vom 26. August 2021, [X.]) noch die Bescheinigung vom 19. Juli 2021 (Anlage 2b, [X.]), da hiermit zwei Impfungen mit "[X.]", einem in der [X.] [X.] nicht zugelassenen Impfstoff bescheinigt werden. Soweit der Antragsteller meint, dass § 22 Abs. 5 [X.] im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 lit. [X.] ([X.]) 2021/953 europarechtskonform dahingehend auszulegen sei, dass auch ein von einem Drittstaat ausgestelltes Zertifikat – [X.] ist nicht Mitgliedstaat der [X.] – wegen Art. 1 des [X.] ([X.]) 2021/1273 der [X.] (Anlage 8 zum Antragsschriftsatz, [X.]6 ff), wonach von der Republik [X.] ausgestellte Zertifikate als gleichwertig zu betrachten sind, in der [X.] anzuerkennen sind, führt seine Argumentation nicht zum Erfolg des Antrags. Denn dann bedürfte es – so denn eine Ausstellung über das "smdcc"-System erfolgt ist, was für den Senat nicht nachprüfbar ist – bereits der Ausstellung eines weiteren ([X.]) Zertifikats nicht. Abgesehen davon bestimmt Art. 8 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) 2021/953, der die Ausstellung eines Impfzertifikats für einen in einem Drittland verabreichten Impfstoff grundsätzlich ermöglicht, in seinem Satz 2, dass ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, ein Impfzertifikat für einen COVID-19-Impfstoff auszustellen, der nicht zur Verwendung in seinem Hoheitsgeiet zugelassen ist (s. auch [X.] Ziffer 31). Letzteres ist – wie bereits dargelegt – der Fall.

14

Die Versagung der Ausstellung eines Impfzertifikats begründet ebensowenig einen Verstoß gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der Freizügigkeit nach Art. 21 A[X.]V. Dieser verleiht jedem [X.] das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Dieses Recht kann von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Zuständigkeit – u.a. aus Gründen des Gesundheitsschutzes – beschränkt werden ([X.]/Hilf/[X.], Kommentar zum Europarecht, 72. Ergänzungslieferung, Stand: Februar 2021, A[X.]V Art. 21 Rn. 39). Eine solche Beschränkung stellen die o.g. Vorschriften dar. Die Mitgliedstaaten der [X.] können auf der Grundlage des Schutzes der öffentlichen Gesundheit Maßnahmen zur Beschränkung des freien Personenverkehrs ergreifen. Sie tragen gemäß Art. 168 Abs. 7 A[X.]V die Verantwortung u.a. für die Festlegung der einzelstaatlichen Gesundheitspolitik, weshalb diese von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sein können (so bereits Beschluss des Senats vom 20. August 2021, [X.].: 8 B 1727/21).

15

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO).

16

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Dabei geht der Senat vom [X.] aus und verzichtet angesichts der mit dem Antrag verfolgten Vorwegnahme der Hauptsache auf eine Reduzierung (vgl. dazu Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die [X.]barkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen [abgedruckt in: [X.]/[X.], VwGO, 27. Auflage 2021, Anhang zu § 164 Rdnr. 14]).

17

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).


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Meta

8 B 1885/21

27.09.2021

VGH Kassel 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

Zitier­vorschlag: VGH Kassel, Beschluss vom 27.09.2021, Az. 8 B 1885/21 (REWIS RS 2021, 2356)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2356

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