Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.02.2019, Az. I R 73/16

1. Senat | REWIS RS 2019, 9830

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Gegenstand

(Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG bei gewinnmindernder Ausbuchung einer unbesichert im Konzern begebenen Darlehensforderung)


Leitsatz

1. Die Abgrenzung zwischen betrieblich veranlassten Darlehen und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Einlagen ist anhand der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten vorzunehmen. Einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs ist dabei nicht die Qualität unverzichtbarer Tatbestandsvoraussetzungen beizumessen (Bestätigung des Senatsurteils vom 29. Oktober 1997 I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573, unter II.2.) .

2. Der Topos des sog. Konzernrückhalts beschreibt lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und bringt die Üblichkeit zum Ausdruck, innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern (insoweit entgegen Senatsurteile vom 24. Juni 2015 I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, und vom 29. Oktober 1997 I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573, unter II.3.d) .

3. Die fehlende Darlehensbesicherung gehört grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 DBA-Belgien 1967) .

4. Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 DBA-Belgien 1967) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (entgegen Senatsurteile vom 24. Juni 2015 I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, und vom 17. Dezember 2014 I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261) .

5. Ob einer Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Unionsrechts entgegensteht, bestimmt sich nach einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Dabei sind das wirtschaftliche Eigeninteresse und die Finanzierungsverantwortung auf der einen Seite sowie die strukturelle Nähe zur Eigenkapitalausstattung und die Änderung des Vermögens- und Liquiditätsstatus des Darlehensgebers auf der anderen Seite zu berücksichtigen .

6. Mit am 31.03.2021 veröffentlichtem Beschluss vom 04.03.2021 - 2 BvR 1161/19 hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, das BFH-Urteil vom 27.02.2019 - I R 73/16 aufgehoben und die Sache an den BFH zurückverwiesen. Der Rechtsstreit wird nun unter dem neuen Az. I R 15/21 geführt.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. November 2015  6 K 2095/13 K aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Einkünftekorrektur nach § 1 des Gesetzes über die Besteuerung bei [X.] ([X.]) i.d.[X.] von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz --StVergAbG--) vom 16. Mai 2003 ([X.], 660, [X.], 321) --AStG--.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine inländische GmbH, ist Alleingesellschafterin und zugleich Organträgerin der inländischen [X.] Letztere war zu 99,98 % an der [X.], einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in [X.], beteiligt. Die restlichen Anteile an der [X.] hielt die Klägerin.

3

Die [X.] führte für die [X.] ein Verrechnungskonto, das ab dem 1. Januar 2004 mit 6 % p.a. verzinst wurde. Am 30. September 2005 vereinbarten die [X.] und die [X.] einen Forderungsverzicht gegen [X.] in Höhe von ... €. Der Betrag entsprach dem nach Ansicht der [X.] wertlosen Teil der gegen die [X.] gerichteten Forderungen aus dem Verrechnungskonto. Er wurde zwar in der Bilanz der [X.] gewinnmindernd ausgebucht, jedoch hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) die Gewinnminderung mit Rücksicht auf die fehlende Forderungsbesicherung nach § 1 Abs. 1 AStG durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung neutralisiert.

4

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg (Urteil des [X.] vom 10. November 2015  6 K 2095/13 K, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2017, 553).

5

Das [X.] rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Das [X.] ([X.]) ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es unterstützt, ohne einen eigenen Antrag zu stellen, das Revisionsbegehren des [X.].

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Die Vorinstanz hat zu Unrecht angenommen, dass das Einkommen der [X.] nicht zu korrigieren ist.

9

1. Nach den Feststellungen der Vorinstanz bestand im Streitjahr eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft zwischen der [X.] (als Organgesellschaft) und der Klägerin (als Organträgerin). Dies hat gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung ([X.]) zur Folge, dass das Einkommen der [X.] der Klägerin zuzurechnen ist und die Einwendungen gegen die Höhe des zugerechneten Einkommens von der Klägerin als Organträgerin im Rechtsbehelfsverfahren gegen den an sie gerichteten Körperschaftsteuerbescheid geltend zu machen sind. Der die Organgesellschaft betreffende Steuerbescheid ist insoweit kein Grundlagenbescheid (vgl. [X.]surteil vom 6. Juli 2016 I R 25/14, [X.], 326, [X.] 2018, 124).

2. Das [X.] hat keine ausreichenden Feststellungen getroffen, um entscheiden zu können, ob es sich bei dem Verrechnungskonto um ein betrieblich veranlasstes und damit steuerrechtlich anzuerkennendes Darlehen der [X.] handelte oder ob dieses Konto durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Einlagen in das Vermögen der [X.] und damit in Höhe der Forderung nachträgliche Anschaffungskosten auf den [X.] der [X.] ausweist (nachfolgend zu 3.). Dies kann jedoch offen bleiben, da in beiden Fällen die Minderung des Aktivums außerbilanziell zu berichtigen ist (nachfolgend zu 4.).

3. Nach der zu Verträgen zwischen Angehörigen ergangenen Rechtsprechung ist die Abgrenzung zwischen privater und betrieblicher Veranlassung im [X.] an die Beschlüsse des [X.] vom 7. November 1995  2 BvR 802/90 ([X.] 1996, 34, unter [X.]) und vom 15. August 1996  2 BvR 3027/95 anhand der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten mit der Maßgabe vorzunehmen, dass nicht jede Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom [X.] im Sinne eines absolut wirkenden Tatbestandsmerkmals die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt. Vielmehr sind die einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung zu würdigen (vgl. zuletzt Urteil des [X.] --[X.]-- vom 10. Oktober 2018 [X.], [X.] nn, m.w.N.). Nichts anderes kann für Vertragsverhältnisse zwischen Gesellschaften und ihren Gesellschaftern und damit für die Frage gelten, ob eine Kapitalüberlassung der eigenen betrieblichen Sphäre oder derjenigen des [X.] (hier: Beteiligung der [X.] an der [X.]) zuzuordnen ist.

a) Demgemäß bedarf es auch bei der Beurteilung von [X.] zwischen verbundenen Unternehmen der Abgrenzung, ob das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der empfangenden Gesellschaft übergehen sollte und eine Rückzahlung nicht beabsichtigt war ([X.]-Urteil vom 6. November 2003 IV R 10/01, [X.] 204, 438, [X.] 2004, 416) oder ob die Beteiligten --im Sinne einer ernstlichen Abrede-- von der Überlassung von Kapital auf [X.] ausgegangen sind und davon ausgehen konnten, dass der Darlehensvertrag durchgeführt, insbesondere also das Darlehen zurückgezahlt wird (dazu [X.]surteil vom 17. Dezember 2014 I R 23/13, [X.] 248, 170, [X.] 2016, 261, Rz 26). Zwar kann diese Abgrenzung nur auf objektiv überprüfbare Umstände gestützt werden und ist hierbei von den fremdüblichen Voraussetzungen einer Darlehensgewährung auszugehen (sog. Fremdvergleich). Auch insoweit kann jedoch einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs nicht die Qualität unverzichtbarer Tatbestandsvoraussetzungen beigemessen werden. Diese sind vielmehr --worauf der [X.] mit Urteil vom 29. Oktober 1997 I R 24/97 ([X.] 184, 482, [X.] 1998, 573, unter II.2.) ausdrücklich hingewiesen [X.] zu würdigen (gl.A. [X.]-Urteil vom 16. Oktober 2014 IV R 15/11, [X.] 247, 410, [X.] 2015, 267, Rz 24 ff.).

b) Hiervon ausgehend ist zwar in der den Streitfall kennzeichnenden [X.] des [X.]s aus dem Verrechnungskonto einerseits ein nicht fremdüblicher Umstand zu sehen, da ein mit der [X.] nicht verbundener Kreditgeber auf einer banküblichen Sicherheit bestanden hätte. Abweichendes kann auch dem Topos des [X.] nicht entnommen werden, da er --ohne Hinzutreten einer rechtlichen Verpflichtung, für die Rückzahlung des Darlehens einzustehen-- lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der [X.] und die Üblichkeit zum Ausdruck bringt, innerhalb eines Konzerns [X.] nicht wie unter Fremden abzusichern (z.B. [X.], Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2018/2019, 947, 963 ff.). Soweit den Urteilen des [X.]s vom 24. Juni 2015 I R 29/14 ([X.] 250, 386, [X.] 2016, 258) sowie in [X.] 184, 482, [X.] 1998, 573, unter [X.], Abweichendes zu entnehmen ist, wird hieran nicht festgehalten. Dies schließt es andererseits --wie erläutert-- aber nicht aus, auch ertragsteuerrechtlich von einer ernstlichen, d.h. betrieblich veranlassten [X.] auszugehen ([X.]surteil in [X.] 184, 482, [X.] 1998, 573, zu II.2.). Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung sind hierbei neben der fehlenden Konzernüblichkeit der Anspruchsbesicherung (dazu [X.]surteil vom 21. Dezember 1994 I R 65/94, [X.] 176, 571) vor allem die sonstigen Umstände des Vertragsschlusses (z.B. berechtigte Ertragserwartungen des Kreditnehmers, Einfluss des Kreditgebers auf dessen Geschäftstätigkeit, grundsätzliche Bereitschaft, die kreditnehmende Gesellschaft im Geschäftsverkehr nach außen zu stützen) indiziell mit Rücksicht darauf zu würdigen, ob [X.] des nicht fremdüblichen Verzichts auf die Einräumung einer werthaltigen Sicherung der [X.] die Beteiligten von einer Kapitalüberlassung auf [X.] und damit insbesondere von der Rückzahlung des [X.] ausgegangen sind und bei objektiver Würdigung ausgehen konnten.

c) Eine solche Gesamtabwägung hat das [X.] nicht vorgenommen. Sie kann in der Revisionsinstanz auch nicht nachgeholt werden.

4. Die Abgrenzung ist im Streitfall indes nicht entscheidungserheblich, da die mit der Forderungsausbuchung verbundene Gewinnminderung ungeachtet dessen außerbilanziell zu korrigieren ist, ob die [X.] eine durch das Gesellschaftsverhältnis (Beteiligungsverhältnis) veranlasste Kapitaleinlage in das Vermögen der [X.] geleistet (nachfolgend zu a) oder dieser ein betrieblich veranlasstes Darlehen gewährt hat (nachfolgend zu b und c).

a) Im Fall einer Einlage hätten sich insoweit die Anschaffungskosten der [X.] auf die Beteiligung an der [X.] erhöht. Eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung auf diese Beteiligung wäre gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 [X.] ausgeschlossen.

b) Im Fall der Ausbuchung einer betrieblich veranlassten Darlehensforderung wäre hingegen --mit dem nämlichen Ergebnis und wie vom [X.] die Minderung des Steuerbilanzgewinns nach § 1 Abs. 1 [X.] zu neutralisieren.

aa) Der gewinnmindernden Ausbuchung der Darlehensforderung steht der sog. Konzernrückhalt und damit auch der Umstand nicht entgegen, dass die [X.] beherrschende Gesellschafterin der [X.] war. Soweit der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s entnommen werden konnte, dass allein in den Einflußnahmemöglichkeiten des beherrschenden Gesellschafters auf den Darlehensnehmer eine fremdübliche (werthaltige) Besicherung des Rückzahlungsanspruchs im Sinne einer aktiven Einstandsverpflichtung zu sehen ist, hält er hieran --wie bereits erläutert-- nicht fest (insoweit entgegen [X.]surteil in [X.] 176, 571). Demgemäß schließt der sog. Konzernrückhalt weder aus, dass ein Darlehen wertlos und damit auf den geringeren Teilwert abgeschrieben wird, noch hat er bei der im anhängigen Verfahren zu beurteilenden verzichtsbedingten Ausbuchung des Darlehensanspruchs zur Folge, dass diese durch den Ansatz einer verdeckten Einlage in Höhe des Nominalbetrags des [X.]s ausgeglichen wird (vgl. [X.]surteile in [X.] 250, 386, [X.] 2016, 258; vom 12. April 2017 I R 36/15, [X.], 58, Rz 22). Der [X.] bestimmt sich vielmehr nach dem Teilwert des [X.], auf den verzichtet wurde, im Streitfall mithin --nach den Feststellungen der [X.] auf null € (vgl. Beschluss des Großen [X.]s des [X.] vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, [X.] 183, 187, [X.] 1998, 307; sowie nachfolgende [X.]surteile vom 15. Oktober 1997 I R 23/93, [X.]/NV 1998, 826; I R 58/93, [X.] 184, 432, [X.] 1998, 305; I R 103/93, [X.]/NV 1998, 572; vom 28. November 2001 I R 30/01, [X.]/NV 2002, 677).

bb) Die hierdurch bedingte Gewinnminderung unterliegt indes in voller Höhe der Korrektur gemäß § 1 Abs. 1 [X.].

Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer ihm nahestehenden Person dadurch gemindert, dass er im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen zum Ausland Bedingungen vereinbart, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, so sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften gemäß § 1 Abs. 1 [X.] so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen [X.] vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Geschäftsbeziehung in diesem Sinne ist gemäß § 1 Abs. 4 [X.] jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden sind oder im Fall eines ausländischen Nahestehenden anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde.

(1) Das Darlehensverhältnis zwischen der [X.] und der [X.] ist eine solche Geschäftsbeziehung, zu deren Bedingungen die [X.] der Ansprüche gehört (noch offen gelassen im [X.]surteil in [X.] 248, 170, [X.] 2016, 261, Rz 15). Der Begriff der Bedingung ist zwar gesetzlich nicht definiert, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr sind hierzu jedoch --neben Vereinbarungen über die Laufzeit, Art und Weise der Rückzahlung sowie Höhe und Zahlungszeitpunkt der [X.] üblicherweise auch Vereinbarungen über die zu stellenden Sicherheiten zu rechnen (vgl. Nr. 13 AGB-Banken, Nr. 22 AGB-Sparkassen). Auch die Rechtsprechung teilt diese Ansicht (z.B. [X.]surteil vom 7. September 2016 I R 11/14, [X.]/NV 2017, 165, Rz 21, im Zusammenhang mit einem "weitergeleiteten Konzerndarlehen" und § 8a Abs. 1 [X.] 2002 n.F.; [X.]-Urteile vom 16. Dezember 1998 [X.], [X.]/NV 1999, 780, und vom 28. November 1990 [X.], [X.] 163, 264, [X.] 1991, 327).

(2) Die [X.] weicht --wie bereits ausgeführt-- vom [X.] ab, weil ein fremder Gläubiger die Darlehensgewährung (hier Verrechnungskonto) von der Einräumung werthaltiger Sicherungsrechte abhängig gemacht hätte. Gegen die Annahme fehlender Fremdüblichkeit kann nicht eingewendet werden, dass die dem [X.] zugrunde liegende Abrede steuerrechtlich als Darlehen angesehen wird. Letzteres beruht --wie gleichfalls bereits erläutert-- auf der Würdigung der [X.], die trotz fehlender Fremdüblichkeit einzelner Indizien (hier: keine Besicherung) dazu führen kann, nicht von einer durch das Gesellschaftsverhältnis (Beteiligungsverhältnis) veranlassten Einlage, sondern einer darlehensweisen Kapitalausreichung auszugehen. Folge hiervon ist indes nicht, dass der Vertrag in seiner Gesamtheit dem entspräche, was einander Fremde vereinbaren würden. Vielmehr bleibt die Qualifikation der betroffenen und vom Marktüblichen (Banküblichen) abweichenden Vertragsteile als nicht fremdüblich erhalten. Nichts anderes ergibt sich aus § 1 [X.]. Im Gegenteil: auch diese Vorschrift unterscheidet nach ihrer Struktur (Tatbestand und Rechtsfolge) die "Geschäftsbeziehung" zum Ausland --hier das steuerrechtlich anzuerkennende Darlehen-- von den einzelnen, nicht fremdüblichen "Bedingungen" mit der weiteren Folge, dass nur die hierdurch --d.h. die fehlende Fremdüblichkeit einzelner Bedingungen (hier: fehlende Besicherung)-- veranlassten Einkunftsminderungen dem [X.] der Norm unterfallen.

(3) [X.] ist weiterhin i.S. von § 1 [X.] durch ("dadurch") die fehlende Besicherung eingetreten (noch offen gelassen in [X.] in [X.] 250, 386, [X.] 2016, 258, Rz 16, und in [X.] 248, 170, [X.] 2016, 261, Rz 15). Maßgeblich hierfür ist --im Sinne des Veranlassungsprinzips (dazu [X.]surteil vom 18. April 2018 I R 37/16, [X.] 261, 166, [X.] 2019, 73, Rz [X.] das die gewinnmindernde Forderungsausbuchung "auslösende Moment". Bei der hierfür gebotenen wertenden Betrachtung ist nicht auf die Zahlungsunfähigkeit der [X.], sondern deshalb vorrangig auf den Sicherungsverzicht abzustellen, weil die [X.] durch eben diesen Verzicht ihren Darlehensrückzahlungsanspruch an die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Tochtergesellschaft geknüpft hat und eine solche "Vermischung der Vermögensrisiken" im Falle der Einräumung werthaltiger Sicherungsrechte nicht eingetreten wäre.

cc) Die hierdurch bedingte Einkünftekorrektur gemäß § 1 Abs. 1 [X.] wird nicht durch Art. 9 des Abkommens zwischen der [X.] und dem [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11. April 1967 ([X.] 1969, 18, BStBl I 1969, 39) --[X.]-Belgien 1967-- ausgeschlossen (Aufgabe der bisherigen [X.]srechtsprechung).

(1) Art. 9 [X.]-Belgien 1967 sieht u.a. vor, dass dann, wenn ein Unternehmen eines Vertragsstaats unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, Kontrolle oder Finanzierung eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats beteiligt ist und zwischen den beiden Unternehmen hinsichtlich ihrer kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen Bedingungen vereinbart oder auferlegt werden, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und besteuert werden dürfen.

(2) Geht man bei der Ermittlung des [X.] eines völkerrechtlichen Vertrags vom [X.] über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 --[X.]-- ([X.] 1985, 927) aus ([X.]surteil vom 11. Juli 2018 I R 44/16, [X.] 262, 354), so ist ein solches Abkommen nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen (Art. 31 Abs. 1 [X.]).

(3) Maßgeblich ist mithin der Wortlaut des Vertrags und die "gewöhnliche Bedeutung" der verwendeten Ausdrücke. Hiernach handelt es sich bei der fehlenden Besicherung um zwischen der [X.] und der [X.] "vereinbarte Bedingungen", die --wie gezeigt-- vom [X.] abweichen. Der [X.] hat zwar bisher das Merkmal der Bedingung im Falle der Darlehensgewährung allein auf den vereinbarten Zinssatz --i.S. einer Preiskorrektur-- beschränkt ([X.]surteile in [X.] 250, 386, [X.] 2016, 258, und in [X.] 248, 170, [X.] 2016, 261). An dieser Rechtsprechung wird indes nicht festgehalten. Unberührt hiervon bleiben hingegen die Grundsätze des [X.]surteils vom 11. Oktober 2012 I R 75/11 ([X.] 239, 242, [X.] 2013, 1046). Die in dieser Entscheidung zu beurteilende sog. Sonderbedingung in Form einer "klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung", denen beherrschende Unternehmen im Rahmen der [X.] nach § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] unterworfen sind (sog. formeller Fremdvergleich), ist unverändert nicht zu den Bedingungen i.S. des Art. 9 Abs. 1 des Musterabkommens der [X.] ([X.] --[X.]--) zu rechnen.

(4) Bestätigung findet dieses Verständnis im Zweck des Art. 9 [X.]-Belgien 1967. Die Regelung zielt auf die Einkünfteabgrenzung bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen am Maßstab des vom [X.] getragenen Fremdvergleichs ([X.][X.] in [X.] Art. 9 Rz 2). Sie will zudem die gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen unabhängigen und verbundenen Unternehmen sicherstellen.

(5) Aus dem Vorstehenden sowie dem prinzipiellen Einklang mit den Erläuterungen zu § 1 [X.] ergibt sich weiterhin, dass der [X.] einer abschließenden Entscheidung darüber enthoben ist, ob der Auslegung des Art. 9 [X.]-Belgien 1967 die Grundsätze des [X.] oder gemäß Art. 3 Abs. 2 [X.]-Belgien 1967 (sog. [X.]) das Recht des Anwenderstaats zugrunde zu legen ist (vgl. zum Verhältnis zwischen Art. 3 Abs. 2 [X.] und Art. 31 ff. [X.]: [X.] in Flick/[X.]/[X.], Doppelbesteuerungsabkommen [X.], Art. 3 Rz 155; Oellerich in [X.], [X.] § 2 Rz 34; [X.]/[X.] in [X.], Internationales Steuerrecht, 4. Aufl., Rz 19.67; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]/[X.], Art. 3 [X.] Rz 5.1; [X.] in [X.] Art. 3 Rz 77).

c) Schließlich [X.] auch das Unionsrecht nicht einer Einkünftekorrektur nach § 1 [X.].

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] --früher: [X.] ([X.]) stellt eine Regelung wie diejenige des § 1 Abs. 1 [X.] eine zur Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 des [X.] [X.] i.d.F. des [X.] zur Änderung des [X.] [X.], der Verträge zur Gründung der [X.]en sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der [X.]en 2002, Nr. [X.] 325, 1) dar (jetzt Art. 49 des [X.] Arbeitsweise der [X.] i.d.[X.] zur Änderung des [X.] [X.] und des [X.] [X.], Amtsblatt der [X.] 2008, Nr. [X.] 115, 47; [X.]-Urteil [X.] vom 31. Mai 2018 [X.]-382/16, [X.]:[X.]:2018:366, [X.] --[X.]-- 2018, 580).

bb) Soweit der [X.] mit der zuletzt genannten Entscheidung für die unentgeltliche Übernahme von Garantie- und Patronatszusagen im Rahmen seiner Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit erkannt hat, dass das wirtschaftliche Eigeninteresse der Konzernobergesellschaft an ihren Beteiligungsgesellschaften sowie die gewisse Verantwortung als Gesellschafterin bei der Finanzierung dieser Gesellschaften Geschäftsabschlüsse unter nicht fremdüblichen Bedingungen rechtfertigen ("erklären") und damit einer Berichtigung nach § 1 [X.] entgegenstehen können, kommt diese Einschränkung vorliegend nicht zum Tragen.

(1) Auszugehen ist hierbei davon, dass die genannten wirtschaftlichen Gründe (hier: "gewisse" Finanzierungsverantwortung der [X.] für [X.]; Partizipation an deren Erfolg z.B. über Gewinnausschüttungen) nach dem [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.]:2018:366, [X.] 2018, 580) nicht im Sinne eines Automatismus dazu führen, dass die Wahrung der territorialen Besteuerungsrechte der Mitgliedstaaten (durchgängig) verdrängt werden. Aus den Formulierungen des Urteils (vgl. dort Rz 54, 56 f: "können") ergibt sich vielmehr zweifelsfrei, dass das nationale Gericht Gründe dieser Art zu berücksichtigen und damit im Rahmen einer Abwägung daran zu messen hat, mit welchem Gewicht die jeweils zu beurteilende Abweichung vom Maßstab des [X.] in den Territorialitätsgrundsatz und die hierauf gründende Zuordnung der Besteuerungsrechte eingreift (gl.A. zur gebotenen Einzelfallabwägung [X.], [X.], 2655, 2657; Rasch/[X.]hwalek/[X.], [X.] 2018, 275, 279; [X.]/[X.], [X.] 2018, 2527, 2534; a.A. wohl BMF-Schreiben vom 6. Dezember 2018, [X.], 1305).

(2) Hiernach kommt im Streitfall eine Einschränkung der Berichtigung nach § 1 [X.] nicht in Betracht.

Zwar hatte die [X.] --im Gegensatz zu einander fremden [X.]-- die Wahl, die [X.] entweder mit Fremd- oder mit Eigenkapital auszustatten. Gleicht die [X.] von Fremdkapital aber eine unzureichende Eigenkapitalausstattung aus und ist sie damit zugleich Voraussetzung dafür, dass die [X.] die ihr zugedachte wirtschaftliche Funktion (weiter) erfüllen kann, so steht dies nicht nur strukturell der Zuführung von Eigenkapital nahe (vgl. jeweils zu § 1 [X.] a.F. [X.]surteile vom 23. Juni 2010 I R 37/09, [X.] 230, 156, [X.] 2010, 895; vom 27. August 2008 I R 28/07, [X.]/NV 2009, 123; vgl. auch § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. [X.] n.F.), sondern hat des Weiteren zur Folge, dass eine unterschiedliche Behandlung von Einlage (dazu unter 4.a) und [X.] mit Rücksicht auf den auch unionsrechtlich anerkannten Geltungsanspruch der Gewinnabgrenzung nach Maßgabe fremdüblicher Bedingungen ausgeschlossen ist.

Welche Weiterungen sich hieraus für unentgeltliche Garantie- und Patronatserklärungen ergeben, die dem [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.]:2018:366, [X.] 2018, 580) zugrunde lagen, bedarf vorliegend bereits deshalb keiner weiteren Erörterung, weil Verpflichtungen der zuletzt genannten Art mit keiner Änderung des Vermögens- und [X.] der betroffenen Gesellschaften einhergehen, wohingegen die im anhängigen Verfahren zu beurteilenden Verzichtserklärungen --gleich der Leistung einer Einlage-- bis zum Eintritt des [X.] auf einen Kapitalverlust, jedenfalls aber auf einen Kapitaltransfer gerichtet waren. Auch dem ist im Rahmen der gebotenen Abwägung --wie aufgezeigt-- das ihm zukommende Gewicht zu geben mit der Folge, dass die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit einer Einkunftskorrektur nach § 1 [X.] nicht entgegensteht.

5. Nach dem Ausgeführten ist das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 73/16

27.02.2019

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 10. November 2015, Az: 6 K 2095/13 K, Urteil

§ 1 Abs 1 AStG vom 16.05.2003, § 1 Abs 4 AStG vom 16.05.2003, § 8b Abs 3 S 3 KStG 2002, Art 31 Abs 1 VtrRKonvG, Art 3 Abs 2 OECDMustAbk, Art 9 Abs 1 OECDMustAbk, Art 3 Abs 2 DBA BEL 1967, Art 9 DBA BEL 1967, Art 3 Abs 2 OECD-MA, Art 9 Abs 1 OECD-MA, KStG VZ 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.02.2019, Az. I R 73/16 (REWIS RS 2019, 9830)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9830


Verfahrensgang

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Az. I R 73/16

Bundesfinanzhof, I R 73/16, 27.02.2019.


Az. 2 BvR 1161/19

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1161/19, 04.03.2021.


Az. I R 15/21

Bundesfinanzhof, I R 15/21, 13.01.2022.


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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1079/20

2 BvR 1161/19

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