Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.06.2019, Az. I R 5/17

1. Senat | REWIS RS 2019, 6243

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 19.06.2019 I R 32/17 - Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG bei gewinnmindernder Ausbuchung einer unbesichert im Konzern begebenen Darlehensforderung)


Leitsatz

1. NV: Die fehlende Darlehensbesicherung gehört grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-Mustabk (hier: Art. 9 DBA-Schweiz 1971/1992, Bestätigung des Senatsurteils vom 27.02.2019 - I R 73/16, BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394) .

2. NV: Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 DBA-Schweiz 1971/1992) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (Bestätigung des Senatsurteils vom 27.02.2019 - I R 73/16, BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394) .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.], [X.], vom 12.01.2017 - 3 K 2647/15 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Einkünftekorrektur nach § 1 des Gesetzes über die Besteuerung bei [X.] ([X.]) i.d.[X.] von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz) vom 16.05.2003 ([X.], 660, [X.], 321) --AStG--.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine inländische GmbH, war seit dem 20.09.2001 zur Hälfte an der in [X.] ansässigen [X.] beteiligt; die restlichen Anteile an der [X.] hielt die ebenfalls in [X.] ansässige [X.]

3

Zum 31.12.2001 war das Eigenkapital der [X.] aufgebraucht. Daraufhin gewährte die Klägerin --wie auch die [X.] der [X.] mit Darlehensvertrag vom 23.11.2002 ab dem 01.01.2002 ein Darlehen über ... [X.] für eine feste Laufzeit bis zum 31.12.2003. Ein bestimmter --fester oder variabler-- Zinssatz wurde nicht vereinbart, sondern nur ein Höchstbetrag, der sich an Vorgaben der [X.] Steuerverwaltung orientierte und zwischen 0 und 6,5 % bewegen konnte. Sicherheiten wurden keine vereinbart; die [X.] sagte jedoch zu, anderen Gläubigern ohne ausdrückliche Zustimmung der Klägerin und der [X.] keine Kreditsicherheiten einzuräumen, die über die Sicherheiten für die beiden [X.]erinnen hinausgehen.

4

Für das Geschäftsjahr 2002 wies die [X.] einen Verlust über ... [X.] aus, der zur bilanziellen Überschuldung der [X.] führte. Die Klägerin verkaufte daraufhin in 2003 ihre Beteiligung an der [X.] an die [X.] für einen symbolischen Kaufpreis in Höhe von 2 [X.] und verzichtete unwiderruflich auf die Rückzahlung des Darlehens zuzüglich fälliger Zinsen. Aufgrund der [X.] und des Verzichts nahm die Klägerin erfolgswirksame Wertberichtigungen in Höhe von insgesamt ... € vor, wovon ... € auf die Ausbuchung der Darlehensforderung entfielen. Der Verlust aus der [X.] in Höhe von ... € wurde [X.] als die Ausbuchung der [X.] nach § 8b Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr (2003) geltenden Fassung ([X.]) [X.] hinzugerechnet. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) neutralisierte demgegenüber die durch die Ausbuchung der Darlehensforderung eingetretene Gewinnminderung nach § 1 Abs. 1 AStG und erhöhte das zu versteuernde Einkommen um ... €.

5

Die Klage hatte Erfolg (Urteil des [X.], [X.], vom 12.01.2017 - 3 K 2647/15, Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 635).

6

Das [X.] rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Vorinstanz hat zu Unrecht angenommen, dass das Einkommen der Klägerin nicht zu korrigieren ist.

9

1. Der Senat hat wegen der unbestimmten [X.] Zweifel, ob das zwischen der Klägerin und der [X.] vereinbarte Darlehen ernstlich gewollt und damit steuerrechtlich anzuerkennen ist (vgl. Senatsurteil vom 17.01.2018 - I R 74/15, [X.], 836, zum formellen Fremdvergleich bei einer unbestimmten [X.]). Dies kann jedoch offen bleiben, da sowohl im Fall einer durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Einlage als auch bei einem steuerrechtlich anzuerkennenden Darlehen die Gewinnminderung [X.] zu berichtigen ist.

2. Im Fall einer Einlage hätten sich insoweit die Anschaffungskosten der Klägerin auf die Beteiligung an der [X.] erhöht. Eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung auf diese Beteiligung wäre gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 [X.] ausgeschlossen.

3. [X.] einer betrieblich veranlassten Darlehensforderung wäre hingegen --mit dem nämlichen [X.] die Minderung des Steuerbilanzgewinns nach § 1 Abs. 1 [X.] zu neutralisieren (vgl. Senatsurteil vom 27.02.2019 - I R 73/16, [X.], 525, [X.], 394, Rz 17 ff.).

a) Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer ihm nahestehenden Person dadurch gemindert, dass er im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen zum Ausland Bedingungen vereinbart, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, so sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften gemäß § 1 Abs. 1 [X.] so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen [X.] vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Geschäftsbeziehung in diesem Sinne ist gemäß § 1 Abs. 4 [X.] jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden sind oder im Fall eines ausländischen Nahestehenden anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde.

b) Das [X.] zwischen der Klägerin und der [X.] wäre eine Geschäftsbeziehung i.S. von § 1 Abs. 4 [X.], zu deren Bedingungen die [X.] der Ansprüche gehört. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in dem Senatsurteil in [X.], 525, [X.], 394, Rz 21 Bezug genommen.

c) Die [X.] der Rückzahlungsforderung aus dem Darlehen weicht auch von den Bedingungen ab, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten (sog. Fremdvergleich).

aa) Zwar hat das [X.] zu der Frage, ob die fehlende Besicherung der Darlehensrückzahlungsforderung dem entspricht, was ein fremder, nicht mit der [X.] verbundener Darlehensgeber (ex ante) vereinbart hätte, keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Es hat sich --aus seiner Sicht konsequent-- mit der Fremdvergleichsproblematik nicht näher befasst, weil es der bisherigen Senatsrechtsprechung (Urteile vom 17.12.2014 - I R 23/13, [X.], 170, [X.], 261, und vom 24.06.2015 - I R 29/14, [X.], 386, [X.], 258) gefolgt ist. Dieser Rechtsprechung zufolge sollte unter der Geltung der Art. 9 Abs. 1 des Musterabkommens der [X.] ([X.] --[X.]--) nachgebildeten Bestimmungen, zu denen auch der im Streitfall einschlägige Art. 9 des Abkommens zwischen der [X.] und der [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.08.1971 ([X.] 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.[X.] ([X.] 1993, 1888, [X.], 928) --[X.] 1971/1992-- gehört, eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 [X.] nur dann möglich sein, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis seiner Höhe (seiner Angemessenheit) nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhalte. An dieser Rechtsprechung hält der Senat indessen nicht fest. Vielmehr ermöglicht der Korrekturbereich des Art. 9 Abs. 1 [X.] auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf. Zur Begründung wird wiederum auf das Senatsurteil in [X.], 525, [X.], 394, Rz 24 ff. Bezug genommen. Für Art. 9 [X.] 1971/1992 ergibt sich insoweit nichts anderes.

bb) Die Prüfung anhand dessen, was fremde Dritte vereinbart hätten (§ 1 Abs. 1 [X.]) ist auch nicht aufgrund des sog. [X.] im Konzern entbehrlich. Zum einen verfügte die Klägerin mit ihrem 50 %-Anteil nicht über eine Mehrheitsbeteiligung an der [X.], so dass bereits das Vorliegen eines Konzernverhältnisses zweifelhaft ist. Zum anderen beschreibt der Topos des sog. [X.] lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der [X.] und bringt die Üblichkeit zum Ausdruck, innerhalb eines Konzerns [X.] nicht wie unter Fremden abzusichern. Eine fremdübliche (werthaltige) Besicherung des Rückzahlungsanspruchs im Sinne einer aktiven Einstandsverpflichtung kann allein in den Einflussnahmemöglichkeiten des (beherrschenden) Gesellschafters auf den Darlehensnehmer jedoch nicht gesehen werden. Auch insoweit wird auf die Senatsurteile in [X.], 525, [X.], 394, Rz 13, 18 und vom 27.02.2019 -I R 81/17 ([X.], 297, Rz 15) Bezug genommen.

cc) Der Senat kann die erforderliche Würdigung nach Maßgabe des Fremdvergleichs jedoch selbst nachholen, da aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen zur Vermögenssituation der [X.] ein fremder Darlehensgeber das konkrete Darlehen --insbesondere auch unter Berücksichtigung der unbestimmten [X.]-- nur gegen werthaltige Sicherungsrechte gewährt hätte. Dass die [X.] ein Darlehen zu vergleichbaren Konditionen gewährt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die [X.] als 50 %iger Mitgesellschafter nicht zum Kreis der "fremden" [X.] gehört.

d) [X.] ist ferner i.S. von § 1 Abs. 1 [X.] durch ("dadurch") die fehlende Besicherung eingetreten. Zur weiteren Begründung wird erneut auf das Senatsurteil in [X.], 525, [X.], 394, Rz 23 Bezug genommen.

e) Schließlich [X.] auch das Unionsrecht nicht einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 [X.]. Da die [X.] kein Mitgliedsstaat der [X.] ist, wird insoweit auf die Ausführungen im Senatsurteil vom 27.02.2019 - I R 51/17 ([X.], 292, Rz 20 ff.) Bezug genommen.

4. Nach dem Ausgeführten ist das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

I R 5/17

19.06.2019

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 12. Januar 2017, Az: 3 K 2647/15, Urteil

§ 1 Abs 1 AStG, § 1 Abs 2 AStG, § 1 Abs 4 AStG vom 16.05.2003, Art 9 Abs 1 OECDMustAbk, Art 9 DBA CHE 1971 vom 21.12.1992, Art 49 AEUV, Art 63 AEUV, Art 64 AEUV, Art 9 Abs 1 OECD-MA

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.06.2019, Az. I R 5/17 (REWIS RS 2019, 6243)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6243

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I R 54/17 (Bundesfinanzhof)

(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 19.06.2019 I R 32/17 - Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. …


I R 34/18 (Bundesfinanzhof)

(Aufgehobene Entscheidung I R 34/18 - Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 14.08.2019 I R 14/18 …


I R 14/18 (Bundesfinanzhof)

(Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG bei gewinnmindernder Abschreibung auf unbesicherte Konzerndarlehen)


I R 72/17 (Bundesfinanzhof)

(Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG bei gewinnmindernder Abschreibung auf unbesicherte Konzerndarlehen)


I R 21/18 (Bundesfinanzhof)

(Teilwertabschreibung auf den Beteiligungsansatz nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG und Gegenkorrektur gemäß …


Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1161/19

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.