Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.12.2010, Az. VI ZR 288/09

6. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 696

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Gegenstand

Verkehrsunfallhaftung des Leasingnehmers und Halters des Kraftfahrzeugs gegenüber dem Leasinggeber und Eigentümer


Leitsatz

Der Leasinggeber und Eigentümer des Kraftfahrzeugs hat gegen den Leasingnehmer und Halter des Kraftfahrzeugs bei einer Beschädigung dieses Fahrzeugs keinen Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 14. September 2009 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 13. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um gesamtschuldnerische Ausgleichsansprüche nach einem Verkehrsunfall.

2

Die Beklagte zu 2 (zukünftig: Beklagte) ist Halterin eines von ihr geleasten Fahrzeugs, das am 29. Juli 2006 bei einem Unfall beschädigt wurde. An dem Unfall waren das bei der Klägerin haftpflichtversicherte Fahrzeug einerseits sowie andererseits das vom früheren [X.] zu 1 geführte, auf Namen der [X.] gehaltene und im Eigentum der Leasinggeberin stehende Fahrzeug beteiligt. Die Unfallursache hat im Verfahren nicht geklärt werden können.

3

Die Klägerin hat die Schadensersatzansprüche der Leasinggeberin vollständig reguliert und begehrt von den [X.] den [X.] in Höhe von 50% der regulierten Kosten. Das Amtsgericht hat der Klage gegenüber dem früheren [X.] zu 1 hinsichtlich der regulierten Kosten stattgegeben; die Klage gegen die Beklagte hat es abgewiesen. Gegen das erstinstanzliche Urteil hat die Klägerin mit einem am 23. März 2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Nachdem am 27. März 2009 die geltend gemachte Forderung ausgeglichen worden ist, hat sie den Rechtsstreit hinsichtlich ihrer Hauptforderung für erledigt erklärt und den Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Das Berufungsgericht hat daraufhin entsprechend dem Antrag der Klägerin festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 € zu zahlen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Nach Auffassung des Berufungsgerichts stand der Klägerin vor dem erledigenden Ereignis gemäß § 426 Abs. 1 [X.] auch gegenüber der [X.] der geltend gemachte Gesamtschuldnerausgleich in Höhe von 50% des gegenüber der Leasinggeberin vollständig regulierten Schadens zu. Das Amtsgericht habe den früheren [X.] zu 1 nach § 18 StVG unter Zugrundelegung der gleich hoch eingeschätzten Betriebsgefahr der beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge von je 50% verurteilt. Die Beklagte hafte gesamtschuldnerisch in gleicher quotenmäßiger Höhe, weil auch eine Leasingnehmerin als Halterin des Fahrzeugs im Verhältnis zur Leasinggeberin aus § 7 Abs. 1 StVG hafte. Deshalb müsse sie der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Verzugs auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren erstatten.

II.

5

Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Revision macht zu Recht geltend, dass der Leasinggeber und Eigentümer des Kraftfahrzeugs gegen den Leasingnehmer und Halter eines Kraftfahrzeugs bei einer Beschädigung dieses Fahrzeugs keinen Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG auf Ersatz des entstandenen Schadens hat und deswegen keine Gesamtschuld zwischen der Klägerin und der [X.] besteht, die nach § 426 [X.] ausgeglichen werden könnte.

6

1. Die Frage, ob der Halter eines Kraftfahrzeugs dem Eigentümer gegenüber aus § 7 Abs. 1 StVG auf Ersatz eines Schadens am Kraftfahrzeug haftet, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet.

7

a) Das Berufungsgericht meint unter Hinweis auf ein Urteil des [X.]s vom 22. März 1983 und eine im Schrifttum vertretene Auffassung, im Fall der Beschädigung eines geleasten Fahrzeugs könne der vom Halter verschiedene Eigentümer des Kraftfahrzeugs den Leasingnehmer als dessen Halter aus § 7 StVG in Anspruch nehmen (vgl. [X.]surteil vom 22. März 1983 - [X.], [X.], 133, 138; [X.], Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., § 7 StVG Rn. 218; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., [X.]. 17 Rn. 31, 95). Dass die Gefährdungshaftung (anders als bei Mithaltern) eingreife, obwohl das schädigende Fahrzeug zugleich die beschädigte Sache sei, finde seinen Grund in der von den Beteiligten vorgenommenen Aufspaltung von rechtlicher und faktischer Herrschaftsgewalt ([X.], aaO). Die Haftung aus § 7 StVG ergebe sich nämlich nicht aus Eigentum, sondern aus der durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs hervorgerufenen Gefährdung anderer Rechtsgüter. Eine Einschränkung der Halterhaftung dahingehend, dass Ansprüche des Eigentümers der beschädigten Sache dann ausgeschlossen sein sollen, wenn die Beschädigung durch den Halter des Fahrzeugs beim Betrieb desselben hervorgerufen worden sei, ergebe sich aus § 7 StVG nicht.

8

b) Nach anderer Auffassung soll der Leasinggeber den Leasingnehmer für Schäden am geleasten Fahrzeug nur dann in Anspruch nehmen können, wenn den Leasingnehmer ein Verschulden trifft. Deshalb stehe dem regulierenden Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer kein Gesamtschuldnerausgleich gegenüber dem nur aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung mithaftenden Halter und Leasingnehmer zu. Die Haftung des Halters nach § 7 Abs. 1 StVG erstrecke sich nicht auf das von ihm gehaltene Fahrzeug selbst. Unter der "Sache", für deren Beschädigung er bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG im Übrigen hafte, sei nur eine vom Fahrzeug verschiedene Sache zu verstehen, nicht dagegen das Fahrzeug selbst (vgl. [X.], [X.], 565, 568; [X.], Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 3 Rn. 252; [X.], [X.], 610, 611 f.; [X.], [X.], 1, 5; [X.] in [X.]/[X.]/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 7 StVG Rn. 16a; [X.]/[X.], [X.] Verkehrsrecht, 2003, Teil 2 Rn. 237, 250 f. und [X.], 327; [X.] in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 3. Aufl., [X.]. 6 Rn. 338; Nugel, [X.], 313, 315; [X.], NJW 1994, 301).

9

c) Diese Auffassung ist richtig. Soweit sich aus dem [X.]surteil vom 22. März 1983 etwas anderes ergeben sollte, wird daran nicht mehr festgehalten.

Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das [X.] in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist (vgl. [X.]surteile vom 18. Januar 2005 - [X.], [X.], 566, 567; vom 26. April 2005 - [X.], [X.], 992, 993, jeweils m.w.[X.]). Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden (vgl. [X.]surteile vom 23. Mai 1978 - [X.], [X.], 212, 214; vom 2. Juli 1991 - [X.], [X.], 84, 86; vom 18. Januar 2005 - [X.], aaO; vom 26. April 2005 - [X.], aaO; vom 5. Oktober 2010 - [X.], juris Rn. 24, z.[X.].). Die Haftung wird mithin nicht schon durch jede Verursachung eines Schadens begründet, der im weitesten Sinne im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgelöst worden ist. Eine Haftung tritt vielmehr erst dann ein, wenn das Schadensereignis dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs nach dem Schutzzweck der Gefährdungshaftung auch zugerechnet werden kann. An diesem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will (vgl. [X.]surteile vom 27. Januar 1981 - [X.], [X.], 259, 263; vom 6. Juni 1989 - [X.], [X.], 359, 367; vom 2. Juli 1991 - [X.], aaO, 86 f.; vom 1. Dezember 1981 - [X.], [X.], 243, 244; vom 26. April 2005 - [X.], aaO).

Mit der ganz überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung erstreckt sich nach dem Schutzzweck die Haftung des Halters nach § 7 Abs. 1 StVG nicht auf das von ihm gehaltene Fahrzeug selbst. Unter der "Sache", für deren Beschädigung er bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG im Übrigen haftet, ist nur eine vom Fahrzeug verschiedene Sache zu verstehen, nicht dagegen das Fahrzeug selbst. Die verschärfte Haftung des Kraftfahrzeughalters bezweckt nur, Dritte vor den ihnen aufgezwungenen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs zu schützen (vgl. Amtliche Begründung zu § 3 des Gesetzesentwurfs über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, Verhandlungen des Reichstages 1909 Bd. 248, 5599; [X.]surteil vom 13. Juli 1971 - [X.], [X.], 1043; [X.], aaO, 4. Aufl., § 3 Rn. 4). Damit wäre eine Haftung des Leasingnehmers gegenüber dem Leasinggeber alleine aufgrund dessen Eigentums nicht zu vereinbaren. Anders als etwa in dem Fall, dass der Eigentümer und Leasinggeber durch den Betrieb des Fahrzeugs körperlich geschädigt wird (vgl. [X.], aaO, Rn. 252), greift hier der Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG nicht ein, Dritte vor den ihnen aufgezwungenen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs zu schützen.

Dieses Ergebnis ist nicht unbillig, insbesondere auch nicht im Hinblick auf das Urteil des erkennenden [X.]s vom 10. Juli 2007 ([X.], [X.], 182). In diesem Urteil hat der [X.] nur entschieden, dass sich ein Leasinggeber, der Eigentümer aber nicht Halter des [X.] ist, im Rahmen der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach § 823 [X.] wegen Verletzung seines Eigentums am Leasingfahrzeug bei einem Verkehrsunfall weder ein Mitverschulden des Leasingnehmers oder des Fahrers des [X.] noch dessen Betriebsgefahr anspruchsmindernd zurechnen lassen muss. Diese Entscheidung betrifft mithin nur den Schadensersatzanspruch des Eigentümers aus § 823 [X.]. In diesem Fall des vom Fahrer des [X.] oder dem Halter mitverschuldeten Unfalls besteht zwischen diesen und dem "gegnerischen" Fahrer, Halter oder Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer im Verhältnis zum Leasinggeber ein Gesamtschuldverhältnis, so dass dann nach - ungekürzter - Regulierung der Ansprüche des Leasinggebers aus § 823 [X.] der Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 [X.] vorgenommen werden kann. Bestehen hingegen wegen nicht nachweisbaren Verschuldens nur Ansprüche des Leasinggebers aus Gefährdungshaftung im Sinne des § 7 StVG, muss er sich im Haftungssystem des [X.] das Verschulden des Fahrers des [X.] bereits bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Unfallgegner nach §§ 9, 17 StVG, § 254 [X.] anspruchsmindernd zurechnen lassen. In diesem Fall sind nämlich anders als im Fall des [X.]surteils vom 10. Juli 2007 die Sondervorschriften des [X.] für die Gefährdungshaftung anwendbar (vgl. [X.], aaO, 611; [X.]/[X.], [X.] Verkehrsrecht, Teil 2, Rn. 223; [X.], aaO, Rn. 306). Wird der Anspruchsgegner bzw. sein Haftpflichtversicherer nur aus § 7 Abs. 1 StVG in Anspruch genommen, ist mithin keine Notwendigkeit für den Gesamtschuldnerausgleich gegeben.

2. Das Berufungsurteil ist auch nicht deswegen im Ergebnis richtig, weil sich ein Schadensersatzanspruch des Leasinggebers gegen den Leasingnehmer unter Umständen aus § 280 [X.] oder §§ 823 ff. [X.] ergeben könnte, da eine Pflichtverletzung des früheren [X.] zu 1 nicht festgestellt ist. Der Unfallhergang konnte nicht aufgeklärt werden.

3. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Galke                                       Zoll                               [X.]

                 [X.]                              [X.]

Meta

VI ZR 288/09

07.12.2010

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Chemnitz, 14. September 2009, Az: 6 S 101/09, Urteil

§ 7 Abs 1 StVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.12.2010, Az. VI ZR 288/09 (REWIS RS 2010, 696)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 696

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