Bundespatentgericht, Urteil vom 23.09.2016, Az. 2 Ni 48/11 (EP)

2. Senat | REWIS RS 2016, 4996

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Gegenstand

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung


Tenor

hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2016 durch [X.], [X.]. Dr. rer. nat. [X.] sowie die Richterin [X.] und [X.]. Dr. rer. nat. Zebisch und Dipl.-Ing. Matter

für Recht erkannt:

I. Das [X.] Patent EP 1 0644 931 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] im Umfang seiner Ansprüche 21 bis 23 teilweise für nichtig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10 zu tragen. Die Kosten der Nebenintervention haben die Klägerin zu 9/10 und die Nebenintervenientin zu 1/10 zu tragen.

III. [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des [X.] Patents 1 644 931 (im Folgenden: [X.]). Der [X.] war bei Klageerhebung Inhaber dieses am 17. Juni 2004 angemeldeten Patents, für das die Priorität der [X.] Patentanmeldung 03015888 vom 11. Juli 2003 und des [X.] Gebrauchsmusters 202004003254 U vom 2. März 2004 in Anspruch genommen wird. Das in der [X.] abgefasste Patent mit der Bezeichnung „Kennzeichnung eines Trägermaterials für zur Wiedergabe bestimmte Informationen“ wird vom [X.] unter der Nummer [X.] 50 2004 001 963 geführt. Der [X.] hat den [X.] Teil des Patents nach Eintritt der Rechtshängigkeit der Nichtigkeitsklage auf die Nebenintervenientin übertragen. Die Registerumschreibung ist am 16. September 2011 erfolgt.

Das [X.] umfasst 23 Ansprüche, von denen die Ansprüche 1 (Verfahren zum individualisierenden Kennzeichnen), 10 (Filmträger), 20 ([X.]) und 21 (Verfahren zum Identifizieren) nebengeordnet sind. Die übrigen Ansprüche 2 bis 9, 11 bis 19, 22 und 23 stellen [X.] zu den Ansprüchen 1 bzw. 10 und 21 dar.

[X.] Verfahren zum individualisierenden Kennzeichnen eines maschinell auslesbaren Filmträgers (10),

M1.2 der analoge und digitale Informationen beinhaltet, die in einer kontinuierlichen Abfolge auf dem Filmträger (10) enthalten und zur Wiedergabe bestimmt sind,

M1.3 wobei der Träger (10) in einem ersten Abschnitt (20) zur Wiedergabe bestimmte analoge Informationen als redundante sekundäre Informationsquelle und

M1.4 in wenigstens einem zweiten Abschnitt (30, 32) zur Wiedergabe bestimmte digitale Informationen als primäre Informationsquelle enthält; und

[X.] wobei im ersten Abschnitt (20) ein Identifizierungs-Code in Form einer den Träger (10) individualisierenden Abfolge örtlich beabstandeter Markierungen (14) ausgebildet wird, der zusammen mit dem ersten Abschnitt (40) auslesbar ist, um die Wiedergabe der im ersten Abschnitt (20) enthaltenen analogen Informationen in einer den Träger (10) individualisierenden Weise zu ändern,

M1.6 wobei die digitalen Informationen stellenweise fortgelassen und/oder nicht auslesbar gemacht werden, um zur Wiedergabe der Markierungen (14) einen Übergang von der primären auf die sekundäre Informationsquelle zu erzwingen.

M10.1 Maschinell auslesbarer, individualisierter Filmträger (10)

M10.2 für analoge und digitale Informationen, die in einer kontinuierlichen Abfolge auf dem Filmträger (10) enthalten und zur Wiedergabe bestimmt sind,

[X.] wobei auf dem Träger (10) in einem ersten Abschnitt (20) zur Wiedergabe bestimmte analoge Informationen als redundante sekundäre Informationsquelle und

M10.4 in wenigstens einem zweiten Abschnitt (30, 32) zur Wiedergabe bestimmte digitale Informationen als primäre Informationsquelle enthalten sind;

dadurch gekennzeichnet,

M10.5 - dass im ersten Abschnitt (20) ein Identifizierungs-Code in Form einer den Träger (10) individualisierenden Abfolge örtlich beabstandeter Markierungen (14) ausgebildet ist, die zusammen mit den zur Wiedergabe bestimmten Informationen auslesbar ist, um die Wiedergabe der im ersten Abschnitt (20) enthaltenen analogen Informationen in einer den Träger (10) individualisierenden Weise zu ändern,

M10.6 wobei die digitalen Informationen stellenweise fortgelassen und/oder nicht auslesbar sind, um zur Wiedergabe der Markierungen einen Übergang von der primären auf die sekundäre Informationsquelle zu erzwingen.

20.  [X.] enthaltend zur Wiedergabe bestimmte Informationen, erhalten durch Kopieren eines Filmträgers (10) nach einem der Ansprüche 10 bis 19.

M21.1 Verfahren zum Identifizieren eines Filmträgers (10) nach einem der Ansprüche 10 bis 19, umfassend

M21.2 - maschinelles Auslesen der auf dem Träger (10) enthaltenen und zur Wiedergabe bestimmten Informationen in einem mit den Markierungen (14) versehenen Bereich des Trägers (10);

M21.3 - Auswerten der ausgelesenen Informationen zum Ermitteln der Abfolge von Markierungen; und

M21.4 - Identifizieren des Trägers (10) auf der Grundlage der ermittelten Abfolge von Markierungen.

Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche wird auf die Patentschrift [X.] 1 644 931 [X.] verwiesen.

Der [X.] und die Nebenintervenientin verteidigen das [X.] in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt mit Patentansprüchen gemäß den am 16. Juni 2016 eingereichten [X.]. Der erste Hilfsantrag [X.] unterscheidet sich vom erteilten [X.] durch die Streichung der erteilten Ansprüche 21 bis 23. Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche in den von dem [X.]n und der Nebenintervenientin in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Anträgen [X.], [X.], [X.]a, [X.], [X.]a, [X.], [X.]a wird auf die am 16. Juni 2016 überreichten [X.] Bezug genommen.

 Die Klägerin greift das [X.] in vollem Umfang an und macht den [X.] der fehlenden Patentfähigkeit geltend. Zur Stützung ihres Vorbringens nennt sie u.a. folgende Druckschriften:

[X.] [X.] 0 574 239 [X.]

D2 [X.] 94/24 665 [X.]

D3 [X.] 5 400 319 A D4 [X.] 0 741 382 [X.] D5 [X.] 6 259 575 [X.]

D6 [X.] 37 07 608 [X.]

D7 [X.] 01/35 163 [X.]

D8 [X.] 85/02 293 [X.]

D9 [X.] 694 23 311 T2

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Zeitrang der unabhängigen Ansprüche 1 und 10 des [X.]s der 2. März 2004 sei, weil die Priorität vom 11. Juli 2003 aus der [X.] 03015888 ([X.]0: [X.] 1 496 516 [X.]) zu Unrecht in Anspruch genommen werde. Den Gegenständen nach den Ansprüchen 1 und 10 des [X.]s fehle es an erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik aus dem Dokument [X.] oder dem Dokument [X.] Zudem stehe der Patentfähigkeit eine offenkundige Vorbenutzung entgegen. Sie behauptet hierzu, dass die erfindungsgemäße Kodierungsmethode in der Filmverleiherbranche allgemein bekannt gewesen sei. Insbesondere seien diverse Kinofilme ab Juli/ August 2002 entsprechend der Lehre des [X.]s durch die Firma [X.] mit dem sogenannten „CompCodingSystem“ kodiert worden. Dementsprechend hätten auch der [X.] und die Nebenintervenientin vorgerichtlich bzw. im Verletzungsverfahren relevante Vorbenutzungshandlungen ab Oktober 2003 geltend gemacht. Da die Filme nach der Kodierung durch die [X.] GmbH in den Filmverleih gebracht und in Kinos vorgeführt worden seien, sei die erfindungsgemäße Lehre auch offenkundig geworden. Aufgrund der hohen Anzahl von Kopien habe nämlich eine Vielzahl von Personen, insbesondere Filmvorführer, Spediteure und Lageristen, Kontakt mit den kodierten Filmen bekommen. Die Klägerin meint, dass diese Personen keiner Geheimhaltungspflicht unterlägen und macht insbesondere geltend, dass verschiedene Chats im [X.] zeigten, dass die Filmvorführer die Kodierung erkannt und offenbart hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin und die von ihr eingereichten Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 1 644 931 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Der [X.] und die Nebenintervenientin verstehen die Patentansprüche nach Hauptantrag und [X.] jeweils als geschlossene Anspruchssätze und beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, das [X.] dadurch für nichtig zu erklären, dass seine Ansprüche die Fassung eines der am 16. Juni 2016 überreichten [X.] [X.], [X.], [X.]a, [X.], [X.]a, [X.], [X.]a, in dieser Reihenfolge, erhalten.

Der [X.] hält die Gegenstände des mit dem Hauptantrag und den [X.] verteidigten Patents für patentfähig. Der druckschriftlich belegte Stand der Technik weise wesentliche Merkmale des [X.]s nicht auf und lege den Gegenstand des [X.]s auch nicht nahe. Maßgeblich für die Beurteilung der Patentfähigkeit sei die Priorität der [X.] Patentanmeldung 03015888 vom 11. Juli 2003. Zumindest aber sei eine sechsmonatige Neuheitsschonfrist zu berücksichtigen, weil die Lehre des [X.]s missbräuchlich offenbart worden sei. Der [X.] behauptet hierzu, dass die Klägerin den Inhalt eines unstreitig am 17. September 2003 geführten [X.], in dem der [X.] die Lehre des [X.]s erläutert habe, entgegen der dabei getroffenen Geheimhaltungsvereinbarung an Dritte offenbart habe.

Des Weiteren bestreitet der [X.] die Vorbenutzung der Lehre des [X.]s und deren Offenkundigkeit. Er hat hierzu ursprünglich vorgetragen, dass ab Oktober 2003 nahezu alle Filmkopien der Verleiher W…., [X.], [X.], [X.] u.a. erfindungsgemäße Tonkodierungen, mechanisch hergestellt durch die Fa. [X.] GmbH, enthalten hätten. Später hat er bestritten, dass das patentgemäße Kodierungsverfahren in der Filmbranche vor September/Oktober 2003 bekannt gewesen oder verwendet worden sei. Soweit die von der Klägerin behauptete Vorbenutzung auf die Kodierung der Filme „[X.] 3“ und „[X.]“, die u. a. Ausgangspunkt der vom [X.]n geltend gemachten Abmahnung vom 12. März 2004 waren, gestützt werde, bestreitet er, dass kodierte Kopien vor dem Prioritätsdatum in den Kinos gezeigt worden seien. An der Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzungen fehle es ohnehin schon deshalb, weil sämtliche in den Filmverleih eingebundene Personen zumindest einer stillschweigend vereinbarten Geheimhaltungspflicht unterlägen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Die gegen den bis zur Rechtshängigkeit im Register des [X.] als Patentinhaber eingetragenen Beklagten gerichtete Klage, mit der der [X.] der fehlenden Patentfähigkeit (Artikel 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Artikel 54 und Artikel 56 EPÜ, Artikel II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG) geltend gemacht wird, ist gemäß § 81 [X.] zulässig. Die nach der Rechtshängigkeit erfolgte Übertragung und Umschreibung des Streitpatents auf die Nebenintervenientin hat gemäß § 265 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 99 Abs. 1 [X.] keinen Einfluss auf den Prozess.

Die Klage ist teilweise begründet. Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung, die mit dem Hauptantrag verteidigt wird, ist nicht patentfähig, wohingegen die mit dem (ersten) Hilfsantrag [X.] verteidigte Fassung der Patentansprüche zulässig und ihr Gegenstand auch patentfähig ist.

Das Streitpatent betrifft die Individualisierung maschinell auslesbarer Filmträgermaterialien (

Bei Filmen sind die zur Wiedergabe bestimmten Informationen auf einem Filmträger enthalten. Bei der Filmvorführung werden diese zur Wiedergabe bestimmten Informationen mittels geeigneter Vorrichtungen, üblicherweise einem Filmprojektor, ausgelesen. Anschließend werden die ausgelesenen Informationen kombiniert optisch und akustisch wiedergegeben (

Verschiedene Gegebenheiten im Zusammenhang mit der Handhabung des Filmträgers lassen dessen Kennzeichnung wünschenswert erscheinen. So besteht bei der Produktion der Filmträger häufig das Erfordernis, die Filmträger mit einer individualisierenden Kennzeichnung wie beispielsweise einer fortlaufenden Seriennummer oder einer Chargenbezeichnung zu versehen. Eine derartige Kennzeichnung erleichtert das nachträgliche Ermitteln von Produktionsstätten, Produktionsparametern, Vertriebswegen, usw. (

In der Regel erfolgt das Kennzeichnen des Trägers dadurch, dass beispielsweise eine Seriennummer mittels geeigneter Druck- oder Graviertechniken auf eine Oberfläche des Filmträgers aufgebracht wird. Um die Wiedergabe der Informationen nicht zu beeinträchtigen, wird darauf geachtet, dass die Kennzeichnung beabstandet von denjenigen Bereichen des Filmträgers angebracht wird, welche die zur Wiedergabe bestimmten Informationen beinhalten (

In der Praxis hat sich herausgestellt, dass herkömmliche Kennzeichnungen häufig unbeabsichtigt oder auch absichtlich manipuliert werden (

So ist aus der [X.] 37 07 608 [X.] (= [X.]) ein kombiniertes Ton-/Bildkodierverfahren bekannt. Zur Kodierung im Ton wird wenigstens ein schmalbandiger Frequenzbereich ausgefiltert, um eine Fehlstelle im Frequenzband zu erzeugen. Die Position der Fehlstelle sowie deren Positionsänderung stellen einen Identitätscode für einen Film oder eine Filmkopie dar. Zur Bildkodierung werden in einer Kopiermaschine Kodierzeichen auf eine Filmkopie (Original) aufbelichtet. Dadurch wird es möglich, jeder Filmkopie einen anderen Code (beispielsweise eine fortlaufende Nummerierung) zu geben (

In der [X.] 163 [X.] (= [X.]) wird ein Verfahren beschrieben, bei dem ein maschinenlesbarer Barcode zwischen den Perforationen und dem Rand eines Filmstreifens angeordnet wird (

In der [X.] 293 [X.] (= [X.]) wird ein Verfahren erläutert, bei dem ein Markierungssignal auf ein Tonsignal aufmoduliert und das so erhaltene Tonsignal auf einer Tonspur aufgezeichnet wird (

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die

Das Verfahren des Anspruchs 1 und der Filmträger des Anspruchs 10 enthalten beide das Merkmal, dass die digitalen Informationen stellenweise fortgelassen und/oder nicht auslesbar gemacht werden bzw. sind, um zur Wiedergabe der Markierungen einen Übergang von der primären auf die sekundäre Informationsquelle zu erzwingen (Merkmal [X.] bzw. [X.]). Diese Maßnahme ist in der EP-Anmeldung 03015888 vom 11. Juli 2003 ([X.]: EP 1 496 516 [X.]) an keiner Stelle offenbart. So fehlt in dieser Anmeldung die [X.]. 4 des Streitpatents und die mit ihr verbundene Beschreibung, die die Erfindung des Streitpatents beispielhaft darstellt.

Anders ist dies im [X.] Gebrauchsmuster [X.] 20 2004 003 254 [X.] Dort wird der unter Anspruch 10 des Streitpatents beanspruchte Filmträger in Zusammenhang mit [X.]. 4 in den Absätzen [0056] bis [0060] beschrieben und in Zusammenhang mit den Ansprüchen 1, 15, 16 und 17 auch beansprucht. Das Verfahren des Anspruchs 1 ergibt sich damit analog aus diesen Stellen.

Der Zeitrang der übrigen Ansprüche ergibt sich auf Grund der Rückbezüge identisch zu dem der Ansprüche 1 und 10. Dies gilt auch für den nebengeordneten Anspruch 21. Anspruch 21 ist in der EP-Anmeldung 03015888 vom 11. Juli 2003 ([X.] = EP 1 496 516 [X.]) nahezu wortgleich als Anspruch 16 enthalten. Im Streitpatent geändert sind lediglich der Rückbezug und die Beschränkung auf Filmträger. Während das zweite sich aber bereits aus [X.]. 3 und der zugehörigen Beschreibung der EP-Anmeldung 03015888 ergibt, hat die Änderung des [X.] in der Zweckangabe (Merkmal M21.1.) Folgen, was sofort ersichtlich wird, wenn man vergleicht, welche Verfahren den jeweiligen Ansprüchen entgegengehalten werden können. So sei angenommen, dass ein Verfahren zum Identifizieren eines Trägers bekannt sei, das nur für eine intakte digitale Information geeignet ist, nicht jedoch für eine nicht lesbare digitale Information. Diese könnte dem in Anspruch 16 der angeblich prioritätsbegründenden EP-Anmeldung 03015888 beanspruchten Verfahren entgegengehalten werden, nicht jedoch dem Anspruch 21 des Streitpatents, da die beanspruchte Eignung fehlt. Dies macht deutlich, dass die beanspruchte Eignung in der EP-Anmeldung 03015888 nicht offenbart ist.

Das Verfahren des Anspruchs 21 des Streitpatents ist allerdings in dem ebenfalls prioritätsbegründenden [X.] Gebrauchsmuster [X.] 20 2004 003 254 [X.] in den Abs. [0028] und [0029] ursprünglich offenbart, da diese sich auch auf Träger bezieht, welche nicht auslesbare digitale Informationen im Bereich der Markierungen enthalten (

Im Ergebnis ist damit nicht nur die im Streitpatent als Priorität genannte Anmeldung EP 03015888 vom 11. Juli 2003 zu Unrecht in Anspruch genommen worden, sondern die zugehörige Offenlegungsschrift ([X.] = EP 1 0496 516 [X.]) ist auch eine nachveröffentlichte ältere Anmeldung, die gemäß Art. 54 Abs. 3 EPÜ bei der Beurteilung der Neuheit zu berücksichtigen ist.

[X.]. 55 Abs. 1 a) EPÜ kann vorliegen, wenn ein Dritter in Kenntnis seiner Nichtberechtigung unter Inkaufnahme eines Nachteils für den Erfinder oder unter Verletzung eines Vertrauensverhältnisses handelt (Singer, EPÜ, 7. Aufl., Art. 55 Rd. 15). Der Beklagte hat zwar behauptet, dass die Klägerin entgegen der vereinbarten Vertraulichkeit die in dem Gespräch am 17. Juni 2003 offenbarten Informationen über die Lehre des Streitpatents an Dritte offenbart habe. Ungeachtet der Frage, ob der zugehörige Vortrag überhaupt hinreichend substantiiert ist, hat er diese Behauptung aber jedenfalls nicht unter Beweis gestellt, obwohl es ihm oblegen hätte, eine lückenlose Kette der Wissensvermittler darzulegen und nachzuweisen (vgl. B[X.] GRUR 1978, 637 – Lückenlose Kette, [X.], [X.], 9. Aufl., § 3 Rd. 188; Busse, [X.], 7. Aufl., § 3 Rd. 181; [X.], [X.], 11. Aufl., § 3 Rd. 403).

Das ist notwendig, weil sich der Regelungsgehalt der Vorschrift nach seinem Wortlaut sowie Sinn und Zweck darauf beschränkt, die Fälle zu erfassen, in denen die Vorbenutzung auf die Erfindung des Anmelders zurückgeht (vgl. zu § 3 [X.]: [X.], [X.], 9. Aufl., § 3 Rd. 188). Allein der Umstand, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten zunächst Interesse an einer Kodierung bekundet hat und kurze Zeit später in der E-Mail vom 10. Oktober 2003 (Anlage [X.]) von einer Beauftragung des Beklagten mit Kodierungen Abstand genommen hat, besagt jedoch nichts darüber, ob und wie das in dem Gespräch vom 17. September 2003 vermittelte Wissen von der Klägerin an Dritte gelangt sein soll. Da ausweislich der vom Beklagten vorgelegten [X.] (Anlage [X.]) die ursprünglich von der [X.] eingesetzte Kodierungstechnik unzureichend war, erscheint es zumindest nicht fernliegend, dass die [X.] ihrerseits ebenfalls ein neues Kodierungssystem entwickelt und vermarktet hat. Vor diesem Hintergrund lässt der vom Beklagten behauptete chronologische Verlauf der Geschehnisse nicht den Rückschluss zu, dass die Klägerin die in dem Gespräch vermittelten Kenntnisse an die [X.] weitergegeben hat und führt auch nicht zur Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises oder einer Beweislastumkehr (vgl. dazu auch [X.], ZPO, 11. Aufl., Vor § 284 Rd. 34 ff.; [X.], [X.], 9. Aufl., Einleitung Rd. 145). Der Beklagte befindet sich auch nicht in Beweisnot, da ihm die Teilnehmer des Gesprächs vom 17. September 2003 bekannt sind, und er diese als Zeugen für die von ihm behauptete unbefugte Weitergabe der Erfindung hätte benennen können, um eine lückenlose, unbefugte Wissensvermittlung nachzuweisen.

Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung, die mit dem Hauptantrag als geschlossener Anspruchssatz verteidigt wird, ist nicht patentfähig, weil Patentanspruch 21 im Hinblick auf die mit der Druckschrift [X.] offengelegte nachveröffentlichte ältere Anmeldung EP 03015888 vom 11. Juli 2003 nicht neu ist.

Diese Druckschrift gehört zu dem zu berücksichtigenden Stand der Technik, weil das Streitpatent – wie oben dargelegt – die Priorität der zugehörigen Patentanmeldung EP 03015888 nicht rechtswirksam in Anspruch nehmen kann.

Die Druckschrift [X.] zeigt in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 21 des Streitpatents ein

Verfahren zum Identifizieren eines Filmträgers (

- maschinelles Auslesen der auf dem Träger (

- Auswerten der ausgelesenen Informationen zum Ermitteln der Abfolge von Markierungen (

- Identifizieren des Trägers (

Zudem ist das in den Absätzen [0045] bis [0048] in Zusammenhang mit der [X.]. 3a beschriebene Verfahren auch zum Identifizieren eines Filmträgers nach Anspruch 10 des Streitpatents geeignet. So zeigt [X.]. 3a keine digitale Tonspur. Es muss mit den vorhandenen Informationen, also den Bildern und der analogen Lichttonspur (

Mit Anspruch 21 des [X.] fallen auch die weiteren Patentansprüche des erteilten Patents. Indem der Beklagte und die Nebenintervenientin erklärt haben, dass sie die Ansprüche in dem Hauptantrag und in den [X.] jeweils als abgeschlossene Anspruchssätze betrachten, haben sie zum Ausdruck gebracht, dass sie das angegriffene Streitpatent in dieser Form nur insgesamt aufrechterhalten möchten.

Die Klage ist unbegründet soweit die Nichtigerklärung des Streitpatents auch in der Fassung der Patentansprüche, die mit dem Hilfsantrag [X.] vom 16. Juni 2016 verteidigt wird, begehrt wird. Diese Fassung der Patentansprüche ist zulässig, und ihr Gegenstand ist patentfähig.

Zu dem für die Neuheitsprüfung zu berücksichtigenden Stand der Technik zählen alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang des Streitpatents maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind ([X.] 1999, 834, 835 – [X.]; Singer, EPÜ, 7. Aufl., Art. 54 Rd. 21).

Das Verfahren des Anspruchs 1 sowie die Gegenstände der Ansprüche 10 und 20 sind neu und sie ergeben sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem druckschriftlich belegten Stand der Technik. Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 10 sind insbesondere im Hinblick auf den sich aus den [X.] oder [X.] unter Hinzuziehen der Druckschrift [X.] ergebenden Stand der Technik erfinderisch.

Druckschrift [X.] offenbart in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Anspruchs 10 einen

maschinell auslesbaren Filmträger (

für analoge (

wobei auf dem Träger (

in wenigstens einem zweiten Abschnitt (

Damit ist aus Druckschrift [X.] der Oberbegriff des Anspruchs 10 bekannt. Da Druckschrift [X.] jedoch keine Kennzeichnung des Filmträgers beschreibt, sind die Merkmale M10.5 und [X.] in Druckschrift [X.] nicht gegeben.

Druckschrift [X.] offenbart ebenfalls den Oberbegriff des Anspruchs 10 (

Eine Kennzeichnung, nämlich ein Kodierverfahren gegen Video- und Audioraubpiraterie, beschreibt die Druckschrift [X.] (

Ausgehend von entweder der Druckschrift [X.] oder der Druckschrift [X.] liegt es für den Fachmann zwar nahe, das in Druckschrift [X.] beschriebene Kodierverfahren auch auf die dort beschriebenen Filmträger anzuwenden, um so der Videopiraterie entgegenzuwirken, und betrachtet man den Bildbereich des Filmträgers als Bestandteil des die analoge Information enthaltenden ersten Abschnitts, so führt die in Druckschrift [X.] vorgeschlagene Bildkodierung durch das Einblenden von Zeichen zum zusätzlichen Merkmal M10.5. Auf das Merkmal [X.], nämlich das „stellenweise Fortlassen und/oder nicht auslesbar machen der digitalen Informationen“, um zur Wiedergabe der Markierungen einen Übergang von der digitalen auf die analoge Informationsquelle zu erzwingen, gibt es mangels eines digitalen Bildsignals jedoch keinen Hinweis.

Wird das in der Druckschrift [X.] für das Tonsignal vorgeschlagene Verfahren auf das Tonsignal in entweder der Druckschrift [X.] oder [X.] angewandt, so ergibt sich wiederum das Merkmal M10.5. So führt der Vorschlag, geringe Frequenzbereiche aus dem Tonsignal herauszufiltern und die Lage dieser Fehlstellen im Frequenzband im ablaufenden Film zu verändern (

Damit ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 10 nicht aus der Kombination der Lehre der Druckschrift [X.] oder [X.] mit der der Druckschrift [X.].

Auch die Lehren der übrigen Druckschriften legen weder für sich noch in Kombination mit den anderen Druckschriften den in Anspruch 10 beanspruchten Gegenstand nahe.

So beschäftigt sich Druckschrift [X.] mit der Kennzeichnung von [X.]. Das dabei verwendete Verfahren ist für die Aufzeichnungsmethode von [X.] spezifisch und nicht auf Filmträger übertragbar. Zudem enthält eine [X.] keine redundante analoge Information, so dass das Merkmal [X.] für [X.] ausgeschlossen ist.

Die Druckschriften [X.], [X.] und [X.] beschäftigen sich ebenfalls mit der Kennzeichnung von [X.] oder DVDs, doch auch hier gibt es keinen Hinweis auf das Merkmal [X.].

Druckschrift [X.] beschreibt dagegen die Kennzeichnung eines Filmträgers. Bei der Kennzeichnung handelt es sich jedoch um eine Kennzeichnung vor dem Entwicklungsprozess, die das Verarbeiten und Schneiden des Films erleichtern soll. Dabei ist die Kennzeichnung bereits vor der Entwicklung des Films lesbar. Einen Hinweis auf das Merkmal [X.] gibt es auch hier nicht.

Druckschrift [X.] beschäftigt sich wiederum mit einer Kennzeichnung, die der Videopiraterie entgegenwirken soll. Hierbei wird vor allem jedoch nicht ausschließlich an Magnetbänder, also Bänder für Videorekorder gedacht. Zwar werden Markierungen im Ton vorgenommen, doch gibt es auch in dieser Schrift keinen Hinweis auf das Merkmal [X.].

Für das Verfahren des Anspruchs 1 gilt wegen der zu den Merkmalen des Anspruchs 10 analogen Merkmale dasselbe, nämlich dass auch das dort beanspruchte Verfahren durch die [X.] bis [X.] nicht nahegelegt wird.

Auch der Gegenstand des Anspruchs 20 wird durch die [X.] bis [X.] nicht nahegelegt, denn wenn der Filmträger des Anspruchs 10 nicht nahegelegt wird, so ist auch ein durch Kopieren daraus erhaltener gekennzeichneter Träger nicht nahegelegt.

Die Darlegungs- und Beweislast für den geltend gemachten [X.] - vorliegend für die fehlende Patentfähigkeit – trägt die [X.] ([X.] 1999, 834, 836 – [X.]). Dies umfasst auch die Notwendigkeit zur Darlegung und ggf. zum Beweis des Umstands, dass eine bestimmte Information durch offenkundige Vorbenutzung öffentlich zugänglich war ([X.], [X.], 9. Aufl., § 3 Rd. 31; Busse, [X.], 7. Aufl., § 3 Rd. 193).

Die Klägerin hat behauptet, dass die Firma [X.] seit Oktober 2003 den Ton verschiedener Filme nach der Lehre des Streitpatents kodiert habe, und diese Filme danach in den Filmverleih gelangt seien. Dadurch seien sowohl die Filme selbst als auch die darauf befindliche Tonkodierung einer Vielzahl von Personen, insbesondere Filmvorführern, [X.]editeuren und Lageristen, zugänglich gemacht worden. Der Beklagte hat den Vortrag der Klägerin bestritten. Insoweit kann dahinstehen, ob der Beklagte in zulässiger Weise nur die Offenkundigkeit oder auch die Kodierung an sich bestreiten konnte, nachdem er zunächst behauptet hatte, dass ab Oktober 2003 alle Filmkopien der Klägerin und anderer Verleiher patentgemäß kodiert worden seien. Selbst wenn man unterstellt, dass eine Benutzung der patentgemäßen Lehre durch die Kodierung von Kinofilmen stattgefunden hat oder dass diese Benutzung zumindest im Hinblick auf einzelne Filme (die Gegenstand einer Abmahnung vom 12. bzw. 31. März 2004 (Anlage [X.] ([X.]. 88 d. A.), [X.]/[X.]a ([X.]. 269 d. A.) waren) nicht bzw. nicht in zulässiger Weise bestritten wurde, hat die Klägerin jedenfalls nicht hinreichend substantiiert zur Offenkundigkeit der Vorbenutzung vorgetragen.

Eine Information ist der Öffentlichkeit zugänglich, wenn auch nur ein Mitglied der Öffentlichkeit die Möglichkeit hatte, die Information zu erlangen und zu verstehen und wenn keine Geheimhaltungspflicht bestand (Singer, EPÜ, 7. Aufl., Art. 54 Rd. 21). Hierzu muss die technische Lehre so zugänglich gemacht worden sein, dass ein hinreichend Fachkundiger ausreichende Kenntnis von dem vorbenutzten Gegenstand und dessen Eigenschaften erhalten konnte und die Weiterverbreitung des auf diese Weise erlangten Wissens von der Erfindung an beliebige Dritte nach der Lebenserfahrung nahegelegen hat oder doch wenigstens nicht unwahrscheinlich ist (vgl. [X.] GRUR 2013, 367 Rd. 20 – [X.] für [X.]; [X.] X ZR 132/13, Ziffer III d) bb) – [X.]; [X.] GRUR 1996, 747, 752 – [X.]; [X.], [X.], 11. Aufl., § 3 Rd. 77). Das kann jede Handlung sein, die ihrer Art nach geeignet ist, den Erfindungsgedanken erkennbar werden zu lassen ([X.], [X.], 9. Aufl., § 3 Rd. 20). Hierzu gehört die

Ungeachtet der Frage, ob neben den Filmvorführern auch andere im Rahmen des Filmverleihs agierende Auftragnehmer, wie z. B. [X.]editeure und Lageristen, fachlich überhaupt in der Lage waren, die patentgemäße Lehre zu erkennen, fehlt es für die öffentliche Zugänglichkeit jedenfalls an der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch

Dem Begriff »Öffentlichkeit« ist ein finales Element eigen, d. h. die neuheitsschädliche Tatsache muss für die Öffentlichkeit bestimmt sein ([X.] 1999, 834, 835 – [X.]). Daran fehlt es, wenn die Möglichkeit der Kenntnisnahme auf bestimmte Personen beschränkt war und die berechtigte Erwartung bestand, dass diese ihre Kenntnisse nicht weitergeben ([X.] 1999, 834, 835 – [X.]). Eine Benutzung der beanspruchten Lehre durch bzw. gegenüber zur Geheimhaltung verpflichteten Personen steht der Neuheit jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Beteiligten ihre Pflicht zur Verschwiegenheit einhalten ([X.] GRUR 1997, 892, 894 – [X.] m. w. N.). Folglich kommt es darauf an, ob eine Geheimhaltungspflicht ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart wurde oder sich aus [X.] ergibt oder ob zu erwarten war, dass der Empfänger die maßgeblichen technischen Merkmale wegen eines eigenen geschäftlichen Interesses geheim halten werde ([X.] X ZR 132/13, Ziffer III d) bb) – [X.]; [X.] GRUR 1996, 747, 752 – [X.] Beschichtungssystem; [X.] GRUR 2013, 367 Rn. 20 f. m. w. N. – [X.] für [X.]).

Nachdem somit entscheidend ist, ob die maßgebliche Lehre der Öffentlichkeit zugänglich war und damit Stand der Technik geworden ist, kommt es auch nicht darauf an, dass die Geheimhaltungspflicht gerade im Interesse des Erfinders besteht, sondern es genügt, dass eine vertrauliche Behandlung aus objektiven Gründen von den an der Vorbenutzung beteiligten Kreisen erwartet werden kann.

Ungeachtet der Frage, ob es vorliegend ausdrückliche Geheimhaltungsvereinbarungen zwischen den Kodierunternehmen, den Filmverleihern und den im Verleih beteiligten Personen gab bzw. ob diese Geheimhaltungsverpflichtungen auch Informationen über die Art der Kodierung umfassten, ergibt sich bereits aus den Umständen, dass Informationen über technische Merkmale von Kodierungen nicht an Dritte weitergegeben werden durften. Es bestand nach [X.] (§ 242 BGB) für alle systemgemäß an der behaupteten Kodierung und am Filmverleih beteiligten Personen, wie insbesondere Filmvorführer, Lageristen und [X.]editeure, zumindest eine stillschweigende Geheimhaltungspflicht im Hinblick auf mögliche Erkenntnisse über Kodierungen am Filmmaterial. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Kodierung, die dazu dienen soll, Raubkopien zu identifizieren und Raubkopierer zu überführen, nur dann sinnvoll eingesetzt werden kann, wenn die Art der Kodierung geheim bleibt. Den beteiligten Filmvorführern und Lageristen war daher nicht nur bewusst, dass sie die ihnen überlassenen Filmkopien weder selbst kopieren noch an Dritte herausgeben durften, sondern darüber hinausgehend auch, dass sie Einzelheiten über Erkenntnisse von [X.] nicht an Dritte offenbaren durften. Dies gilt erst recht für die beteiligten [X.]editeure, denen im Rahmen des [X.]editionsvertrags noch nicht einmal ein direkter Zugriff auf das Filmträgermaterial erlaubt wäre.

Diese nach den Umständen nicht von der Hand zu weisende stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung hat die insoweit beweisbelastete Klägerin (vgl. [X.] GRUR 2001, 819, 823 – Schalungselement; Singer, EPÜ, 7. Aufl., Art. 54 Rd. 164; [X.], [X.], 9. Aufl., § 3 Rd. 31) nicht ausgeräumt.

Der infolge der stillschweigenden Geheimhaltungsvereinbarung fehlenden öffentlichen Zugänglichkeit steht insbesondere auch nicht entgegen, wenn der beteiligte Personenkreis relativ groß ist (zu umfangreichen Vertriebsaktivitäten vgl.: [X.] 1999, 834, 835 – [X.]; [X.], [X.], 11. Aufl., § 3 Rd. 81). Auch in einem solchen Fall bedarf es vielmehr konkreter Anhaltspunkte dafür, dass gegen die Vertraulichkeitspflicht verstoßen wurde, eine bloße Wahrscheinlichkeit reicht dafür nicht aus ([X.] GRUR 1993, 466 – photovoltaisches Halbleiterbauelement; vgl. [X.] GRUR 2015, 463, 466, 469 – [X.]; [X.], [X.], 9. Aufl., § 3 Rd. 26; [X.], [X.], 11. Aufl., § 3 Rd. 81).

Erforderlich wäre daher zumindest ein Kommunikationsakt, der die Annahme rechtfertigt, dass beliebige Dritte die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der erfindungsgemäßen Lehre hatten ([X.] GRUR 2015, 463, 466 – [X.]). Denn eine Weitergabe an beliebige Dritte kann nicht mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwartet werden, wenn ausschließlich zur Verschwiegenheit verpflichteten [X.] Informationen zugänglich werden und keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen sind, dass diese die Geheimhaltungsverpflichtung nicht einhalten werden ([X.] GRUR 1997, 892, 894 – [X.]). Vorliegend fehlen solche hinreichenden Anhaltspunkte für eine pflichtwidrige Offenbarung der erfindungsgemäßen Lehre durch die zur Vertraulichkeit verpflichteten Kreise.

Ein konkreter Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht, der vor dem maßgeblichen [X.] zur Offenbarung der erfindungsgemäßen Lehre geführt hätte, ergibt sich insbesondere nicht aus den von der Klägerin als Anlagen [X.] bis [X.] vorgelegten Chat-Protokollen der Filmvorführer. Die Anlage [X.] betrifft einen Zeitraum nach dem maßgeblichen Prioritätszeitpunkt und kann deshalb nicht berücksichtigt werden. Die als Anlage [X.] und [X.] vorgelegten Protokolle über einen Internet-Chat aus einem Filmvorführerforum liegen demgegenüber vor dem maßgeblichen Prioritätszeitpunkt. Diese zeigen zwar, dass sich einzelne Filmvorführer in Zusammenhang mit Ton- bzw. Bildstörungen schon vor dem Prioritätsdatum in einem öffentlich zugänglichen Forum über Kodierungsmaßnahmen ausgetauscht haben, eine Offenbarung der erfindungsgemäßen Lehre ist dabei indes nicht erfolgt. In Anlage [X.] schreibt „[X.]“ am 19. November 2002 lediglich, dass im Ton an einer beliebigen Stelle ein Datentelegramm einkopiert sei, das sich wie eine verkratzte Stelle anhöre. In dem als Anlage [X.] vorgelegten Chat erklärt „[X.]“ unter dem 29. November 2002 nur, dass „Codemarkierungen in die Akte geritzt“ werden. Eine Offenbarung der erfindungsgemäßen Lehre beinhalten diese Angaben jedoch nicht, da insbesondere jeder Hinweis auf das Merkmal [X.]. fehlt, wonach die digitalen Informationen stellenweise fortgelassen und/oder nicht auslesbar gemacht werden, um zur Wiedergabe der Markierungen (in der [X.]) einen Übergang von der Digital- auf die [X.] zu erzwingen.

Auch im Übrigen ergeben sich aus den Besonderheiten der Filmbranche keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte, die darauf schließen ließen, dass [X.] im Allgemeinen nicht eingehalten werden. Der [X.] hat sich insoweit ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob der Umstand, dass Raubkopien in der Filmbranche weit verbreitet sind und häufig auch Filmvorführer in deren Erstellung involviert sind (vgl. [X.] Beschreibung [X.]. 5; Anlage [X.], Artikel aus: [X.]iegel 1/2006, S. 117 ff., 118) dazu führt, dass die Weitergabe an beliebige Dritte erwartet werden kann, zumal auch das Streitpatent in Absatz [0005] der Beschreibung davon ausgeht, dass es Raubkopien gibt und bestehende Kennzeichnungen häufig manipuliert werden. Indes können Raubkopien auch ohne Mitwirkung der zur Vertraulichkeit verpflichteten Personen durch schlichte Mitschnitte in Kinovorführungen entstehen, deren Identifizierung die Lehre des Streitpatents in erster Linie dienen soll. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass manchmal auch Filmvorführer an der Erstellung von Raubkopien mitwirken und diese sich in Internetforen zumindest in allgemeiner Form über Codierungen austauschen, rechtfertigt der nur gelegentliche Verstoß gegen Geheimhaltungspflichten in Einzelfällen nicht die Annahme, dass es auch im konkreten Fall einen Verstoß gegen die bestehende Geheimhaltungspflicht gegeben hat. Auch erscheint es zu weitgehend, aufgrund solcher Verstöße in Einzelfällen anzunehmen, dass der generelle Erfahrungssatz, dass bestehende [X.] eingehalten werden, in der Filmverleiherbranche oder unter Filmvorführern generell nicht anwendbar sei. Aufgrund des geltenden [X.] können allgemeine Vermutungen die Feststellung eines konkreten Sachverhalts, aus dem sich die naheliegende Möglichkeit eines Offenkundigwerdens ergibt, nicht ersetzen (vgl. [X.] 1999, 835, 836 – [X.]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO. Nach § 99 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 265 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist ein Nebenintervenient, der dem Rechtsstreit auf der Seite des Beklagten als dessen Rechtsnachfolger beitritt, nicht als Streitgenosse des Beklagten anzusehen (vgl. [X.] GRUR 2012, 149, 150 – Sensoranordnung) und daher nach Maßgabe des § 101 Abs. 1 ZPO nur an den Kosten der Nebenintervention zu beteiligen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Meta

2 Ni 48/11 (EP)

23.09.2016

Bundespatentgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 23.09.2016, Az. 2 Ni 48/11 (EP) (REWIS RS 2016, 4996)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4996


Verfahrensgang

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Az. X ZR 94/16

Bundesgerichtshof, X ZR 94/16, 11.01.2017.


Az. 2 Ni 48/11 (EP)

Bundespatentgericht, 2 Ni 48/11 (EP), 23.09.2016.


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