Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.10.2021, Az. 5 AZR 211/21

5. Senat | REWIS RS 2021, 1891

ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) ARBEITSZEIT INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT CORONAVIRUS

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Gegenstand

Betriebsrisiko - Corona bedingte Betriebsschließung


Leitsatz

Die im Rahmen eines allgemeinen "Lockdowns" zur Bekämpfung der Corona-Pandemie staatlich verfügte vorübergehende Betriebsschließung ist kein Fall des vom Arbeitgeber nach § 615 Satz 3 BGB zu tragenden Betriebsrisikos.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. März 2021 - 11 [X.] 1062/20 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. September 2020 - 1 Ca 391/20 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über [X.]ergütung für den Monat April 2020.

2

Die Beklagte betreibt einen Handel mit Nähmaschinen und Zubehör mit einem Hauptgeschäft in [X.] und einer Filiale in [X.]. In letzterer ist die Klägerin im Rahmen ihrer Elternzeit seit Oktober 2019 als geringfügig Beschäftigte gegen eine monatliche [X.]ergütung von 432,00 Euro im [X.]erkauf tätig.

3

Die Filiale war im April 2020 aufgrund Ziff. 1 Buchst. d der „Allgemeinverfügung über das [X.]erbot von [X.]eranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus der Freien Hansestadt [X.]“ vom 23. März 2020 (iF Allgemeinverfügung) geschlossen. In der Allgemeinverfügung heißt es auszugsweise:

        

„Die [X.]oraussetzungen für das gegenständliche [X.]erbot ergeben sich aus § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 [X.] und sind vorliegend gegeben. (…)

        

Bei [X.] handelt es sich um einen Krankheitserreger im Sinne des § 2 Nr. 1 [X.]. Daneben wurden im [X.] bereits mehrere erkrankte, krankheitsverdächtige und krankheitsgefährdete Personen im Sinne des § 2 Nr. 4, 5 und 7 [X.] identifiziert.

        

Die in Ziffer 1 enthaltenen Regelungen sind zur [X.]erhinderung der [X.]erbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich. Sie orientieren sich eng an den Empfehlungen des Kabinettsausschusses der Bundesregierung vom 16. März 2020 und an den Ergebnissen der gestrigen Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten/Bürgermeistern der Bundesländer zum einheitlichen [X.]orgehen zur weiteren Beschränkung von [X.] Kontakten im öffentlichen Bereich.

        

Die in Ziffer 1 benannten Betriebe, Tätigkeiten und Zusammenkünfte weisen ein besonderes Infektionsrisiko für teilnehmende Personen oder Gäste auf. Sie zeichnen sich insgesamt durch ein enges Beisammensein oder besondere [X.]oraussetzungen für die Übertragung des [X.]irus aus. Sie sind deshalb auf das absolut notwendige Mindestmaß zu reduzieren. (…)

        

Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet. Gruppen feiernder Menschen auf öffentlichen Plätzen, in Wohnungen sowie privaten Einrichtungen sind angesichts der ernsten Lage inakzeptabel und unzulässig. (…) In der Öffentlichkeit ist, wo immer möglich, zu anderen als den vorgenannten Personen ein Mindestabstand von mindestens 1,5 Metern einzuhalten. (…)

        

Ziel der Allgemeinverfügung ist es, die Übertragungswege von SARS-Co[X.]-2 zu unterbrechen, das Risiko von Infektionen einzudämmen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens aufrechtzuerhalten. Um dies sicherzustellen, ist das hier verfügte [X.]erbot erforderlich und geboten. [X.], gleichwirksame Mittel zur Erreichung dieses Zwecks sind nicht ersichtlich. Die bisher verfügten individuellen Maßnahmen sind nicht ausreichend, um der weiteren [X.]erbreitung des [X.]irus entgegenzuwirken. (…)

        

Die Allgemeinverfügung ist auch angemessen, da die hiermit vorgenommenen notwendigen Grundrechtsbeschränkungen vorliegend nicht außer [X.]erhältnis zu dem in der Allgemeinverfügung angestrebten Schutz von Leben, Leib und Gesundheit der Bevölkerung stehen.“

4

Die Beklagte zahlte der Klägerin für den Monat April 2020 keine [X.]ergütung. Ohne die staatlich verfügte Schließung des Ladenlokals der [X.] hätte die Klägerin in diesem Monat gearbeitet und 432,00 Euro verdient.

5

Nachdem vorgerichtliche [X.]ergleichsverhandlungen scheiterten, hat die Klägerin am 19. August 2020 Klage auf [X.]ergütung wegen Annahmeverzugs erhoben. Sie hat im Wesentlichen gemeint, die Schließung des Betriebs aufgrund behördlicher Anordnung sei nach der Betriebsrisikolehre ein Fall des von der [X.] als Arbeitgeberin gemäß § 615 Satz 3 BGB zu tragenden [X.]. Dies gelte auch dann, wenn die Maßnahme im Rahmen der Bekämpfung der Corona-Pandemie erfolge.

6

Die Klägerin hat beantragt

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 432,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2020 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und im Wesentlichen gemeint, es entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers, dass der Arbeitgeber im Rahmen des § 615 Satz 3 BGB jedwedes Risiko zu tragen habe. Die behördlich angeordnete flächendeckende Schließung von [X.]erkaufsstellen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie betreffe das allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar und von [X.] gleichermaßen zu tragen sei.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der [X.]n hat Erfolg. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben, sie ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung für den Monat April 2020.

I. Ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung wegen Annahmeverzugs aus § 615 Satz 1, § 611a Abs. 2 [X.] besteht nicht. Danach kann der Arbeitnehmer im Falle des Annahmeverzugs des Arbeitgebers die vereinbarte Vergütung (§ 611a Abs. 2 [X.]) für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.

1. Die [X.] befand sich allerdings im Annahmeverzug (§§ 293 ff. [X.]), weil sie die Klägerin im April 2020 nicht beschäftigt hat.

a) Dass die Klägerin im Streitzeitraum leistungsfähig und leistungswillig (§ 297 [X.]) war, steht zwischen den Parteien außer Streit. Ihrer Leistungsfähigkeit steht insbesondere die Allgemeinverfügung nicht entgegen. Diese enthält kein an die Klägerin oder generell an die in den betroffenen Betrieben Beschäftigten gerichtetes Beschäftigungsverbot (zu den Voraussetzungen eines zur Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers führenden behördlichen Beschäftigungsverbots [X.]. [X.] 21. Oktober 2015 - 5 [X.] 843/14 - Rn. 31 mwN, [X.]E 153, 85; aA für Fälle wie dem vorliegenden Wolf [X.] Preis 2021 S. 1531, 1533, der annimmt, eine staatliche Schließungsverfügung richte sich auch an die Belegschaft). Dementsprechend stellt die Allgemeinverfügung ausdrücklich klar, dass der Aufenthalt an der Arbeitsstätte nicht unter den [X.] fällt und der Weg zur Arbeit „selbstverständlich weiter möglich“ sei.

b) Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Klägerin - was die Feststellungen des [X.] nicht erkennen lassen - die von ihr zu bewirkende Leistung tatsächlich oder wörtlich angeboten hat. Denn ein Angebot der Arbeitsleistung war entbehrlich, weil aufgrund der Allgemeinverfügung offenkundig war, dass die [X.] die geschuldete Leistung nicht annehmen konnte (vgl. allgemein zur Entbehrlichkeit des Angebots [X.] 18. September 2019 - 5 [X.] 240/18 - Rn. 19 mwN, [X.]E 168, 25; speziell zur Entbehrlichkeit eines Angebots bei einem behördlichen Beschäftigungsverbot [X.] ArbR-HdB/ [X.] 19. Aufl. § 101 Rn. 6; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 615 [X.] Rn. 121; ähnlich [X.]/Tillmanns 5. Aufl. § 76 Rn. 82; ein Angebot der Arbeitsleistung in den [X.]fällen generell nicht für erforderlich haltend [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 122; [X.]/[X.] [2019] [X.] § 615 Rn. 226).

2. § 615 Satz 1 [X.] erfasst zunächst die Fälle, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen will („Annahmeunwilligkeit“). Für einen solchen Sachverhalt bestehen indes im Streitfall keine Anhaltspunkte. Zwar hat das [X.] im Rahmen der Prüfung von § 615 Satz 3 [X.] ausgeführt, die Allgemeinverfügung habe nur die Öffnung von Einzelhandelsgeschäften für den Publikumsverkehr verboten, so dass es „durchaus möglich gewesen (wäre), die Klägerin mit den ohnehin nur wenigen Stunden mit anderen zumutbaren Aufgaben im Geschäft zu beschäftigen - Näheres über den vertraglichen Aufgabenbereich ist nicht vorgetragen“. Diesen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ist gemäß § 559 Abs. 1 ZPO in tatsächlicher Hinsicht nur zu entnehmen, dass das Berufungsgericht zum „vertraglichen Aufgabenbereich“ der Klägerin in Ermangelung eines Parteivortrags keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat. Ungeachtet dieses Befundes hat das [X.] jedoch die Rechtsauffassung vertreten, die [X.] habe „die Klägerin mit den ohnehin nur wenigen Stunden mit anderen zumutbaren Aufgaben im Geschäft beschäftigen (können)“. Diese rechtliche Beurteilung unterliegt der revisionsrechtlichen Überprüfung. Dieser hält sie schon de[X.]alb nicht stand, weil die Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit nur beurteilt werden kann, wenn die vertraglich geschuldete Tätigkeit bekannt ist, denn diese ist Grundlage des Weisungsrechts des Arbeitgebers nach § 106 GewO. Da das [X.] den Inhalt der Arbeitspflicht nicht festgestellt hat, ist die Annahme des Berufungsgerichts, die [X.] habe die Klägerin mit anderen zumutbaren Aufgaben im Geschäft beschäftigen können, rechtsfehlerhaft. Zudem würde die Möglichkeit, die Klägerin mit einer anderen als der gemäß § 294 [X.] zu bewirkenden Arbeitsleistung zu beschäftigen, nach ständiger Rechtsprechung des [X.] nicht Annahmeverzug begründen, in Betracht käme allenfalls ein Anspruch auf Vergütung als Schadenersatz, bei dem es sich prozessual um einen anderen Streitgegenstand handelt (vgl. [X.] 14. Oktober 2020 - 5 [X.] 649/19 - Rn. 10 mwN, 27, 41).

3. Im Arbeitsverhältnis erfasst § 615 Satz 1 [X.] unmittelbar nicht die Fälle, in denen der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers annehmen möchte, aber nicht annehmen kann („Annahmeunmöglichkeit“).

a) Allerdings verlangt der Wortlaut des § 615 Satz 1 [X.] für die Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers nur, dass der Arbeitgeber die vom [X.] und leistungsfähigen Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt. Aus welchen Grund dies geschieht und ob der Arbeitgeber dies verschuldet hat, ist ohne Bedeutung (vgl. [X.]/[X.] 2020, 559), weil der Gläubigerverzug nach § 293 [X.] Verschulden des Gläubigers nicht voraussetzt ([X.] 22. Juli 2010 - [X.]/08 - Rn. 10; [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 56; MüKo[X.]/[X.] 8. Aufl. § 615 Rn. 40). Vielmehr reicht nach Auffassung des historischen Gesetzgebers für die Begründung des Annahmeverzugs die „nackte Tatsache der Nichtannahme der angebotenen Leistung“, „aus irgendeinem aufseiten des Gläubigers liegenden Grund“ (Motive zum [X.] 1888 Bd. 2 S. 68 f.; [X.] Die gesammten Materialien zum [X.] 1899 Bd. 2 S. 38; zur Entstehungsgeschichte des § 615 [X.] Huber Handbuch des Schuldrechts Leistungsstörungen Bd. 1 1999 § 10 V 4 mwN).

b) Nach dieser ursprünglichen Konzeption der Norm weist § 615 Satz 1 [X.] dem Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung die Substratsgefahr zu, also die Gefahr, die vom Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung wegen einer Störung des [X.] nicht annehmen zu können, gleichwohl aber die vereinbarte Vergütung zahlen zu müssen ([X.] [X.] Prölss 2009 S. 21, 34; [X.]/[X.] 2020, 559, 560; MüKo[X.]/[X.] 8. Aufl. § 615 Rn. 107; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 615 [X.] Rn. 9; [X.] ArbR-HdB/[X.] 19. Aufl. § 101 Rn. 4; [X.]/[X.] [2019] [X.] § 615 Rn. 19 ff.; [X.]/Tillmanns 5. Aufl. § 76 Rn. 4, 81; [X.] 1979, 285, 292; [X.]. [X.] 1985, 693, 698 ff.; auf das entsprechende Schrifttum hinweisend, aber ohne eigene Stellungnahme [X.] 18. Mai 1999 - 9 [X.] 13/98 - zu I 2 c der Gründe). § 615 Satz 1 [X.] übernahm damit einen seit der Antike durch die Jahrhunderte ([X.]. dazu im Einzelnen Picker [X.] 497, 500 ff.) anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach der Gläubiger die Gegenleistungsgefahr trägt, wenn der leistungsbereite und leistungswillige Schuldner seine Leistungen nicht erbringen kann, weil der vom Gläubiger dem Schuldner zur Verfügung gestellte Gegenstand oder die Mittel, an oder mit denen die Arbeit erbracht werden soll, versagen (Picker [X.] Kissel 1994 S. 813, 852; [X.]. [X.] 497, 532 f.; ebenso [X.]/[X.] 2020, 559, 560).

c) Davon abweichend hat die Rechtsprechung schon früh (RG 6. Februar 1923 - [X.] - [X.] 106, 272; [X.] 20. Juni 1928 - [X.] 72/28 - [X.] 3, 116; daran anknüpfend [X.] 8. Februar 1957 - 1 [X.] 338/55 - [X.]E 3, 346; 30. Mai 1963 - 5 [X.] 282/62 -) angenommen, im Falle einer weder durch den Arbeitnehmer noch durch den Arbeitgeber verschuldeten Unmöglichkeit der Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung regele sich die Frage der Entgeltfortzahlung nicht - jedenfalls „nicht ausschließlich und nicht in erster Linie“ (so die Formulierung in [X.] 27. März 1935 - [X.] 235/34 - [X.] 23, 219) - nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften des § 323 [X.] (aF, jetzt § 326 Abs. 1 [X.]) und § 615 [X.]. Zur Schließung einer - vermeintlichen - Regelungslücke hat sie die [X.] entwickelt (näher Kalb Rechtsgrundlage und Reichweite der [X.] 1977 S. 22 ff.; Picker [X.] 497, 527 ff. mwN).

d) Ob dies, wie die herrschende Meinung im neueren Schrifttum mit guten Gründen annimmt, verfehlt war (vgl. die Nachw. oben Rn. 17), bedarf keiner abschließenden Bewertung des [X.]. Denn der Gesetzgeber hat im Rahmen der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 § 615 Satz 3 [X.] eingefügt. Danach gelten die Sätze 1 und 2 des § 615 [X.] entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des [X.] trägt. Mit dieser gesetzlich angeordneten Analogie ([X.] 28. September 2016 - 5 [X.] 224/16 - Rn. 21, [X.]E 157, 34) sollte das von der Rechtsprechung entwickelte [X.] gleichsam kodifiziert und seine Konkretisierung wie bi[X.]er der Rechtsprechung überlassen bleiben (vgl. [X.]. 14/6857 S. 48; [X.]. dazu auch MüKo[X.]/[X.] 8. Aufl. § 615 Rn. 97; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 615 [X.] Rn. 10, 113; Picker [X.] 2006 S. 497, 535). Damit hat der neuere Gesetzgeber klargestellt, dass in Fällen, in denen dem Arbeitgeber die Annahme der Arbeitsleistung wegen einer Störung des [X.] nicht möglich ist, er aber das Risiko des [X.] trägt, der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers (§ 611a Abs. 2 [X.]) nicht bereits unmittelbar nach § 615 Satz 1 [X.], sondern über dessen in § 615 Satz 3 [X.] angeordnete entsprechende Anwendung aufrechterhalten bleibt (ähnlich [X.]/[X.] 9. Aufl. § 615 [X.] Rn. 10, 113; im Ergebnis auch [X.]/[X.] [2020] [X.] § 326 Rn. [X.] 44 ff.). Trotz aller - nicht gänzlich unberechtigter - Kritik im Schrifttum an dieser Regelungstechnik (vgl. - pars pro [X.] - [X.]/[X.] [2019] [X.] § 615 Rn. 6 und - sehr pointiert - [X.]/[X.] 2020, 559, 560: eine „inhaltsleere, überflüssige Regelung, eingefügt von einem geschichtsblinden Gesetzgeber“; Picker [X.] [X.] 2006, S. 497, 535: „Die Beweggründe für ein derart inhaltsleeres Gesetz schaffen Rätsel“), haben jedenfalls die Gerichte diesen aus den Gesetzesmaterialien klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers zu respektieren und Kriterien herauszuarbeiten, die eine Risikotragung des Arbeitgebers rechtfertigen ([X.]/[X.] 9. Aufl. § 615 [X.] Rn. 10; [X.] [X.] Preis 2021, 1199, 1202; allgemein zur Bedeutung der historischen Auslegung [X.] 6. Juni 2018 - 1 [X.] -, - 1 BvR 1375/14 - Rn. 73, [X.]E 149, 126; Rüthers/[X.]/[X.] Rechtstheorie 11. Aufl. Rn. 788).

II. Ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Monat April 2020 kommt nur aus § 615 Satz 3 [X.] iVm. § 615 Satz 1 [X.] iVm. § 611a Abs. 2 [X.] in Betracht. Nach der Rechtsgrundverweisung des § 615 Satz 3 [X.] (zutr. [X.]/[X.] Stand 1. Februar 2020 [X.] § 615 Rn. 121; MüKo[X.]/[X.] 8. Aufl. § 615 Rn. 97; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 615 [X.] Rn. 121; [X.] ArbR-HdB/[X.] 19. Aufl. § 101 Rn. 6; [X.]/Tillmanns 5. Aufl. § 76 Rn. 82; aA [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 122) bleibt dem arbeitsfähigen und arbeitswilligen Arbeitnehmer im Falle der Annahmeunmöglichkeit der Vergütungsanspruch aufrechterhalten, wenn der Arbeitgeber das Risiko des [X.] trägt. An Letzterem mangelt es im Streitfall.

1. § 615 Satz 3 [X.] regelt - wie bereits dargelegt (Rn. 19) - selbst nicht, in welchen Fällen der Arbeitgeber das Risiko des [X.] trägt. Die Norm meint - wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt ([X.]. 14/6857 S. 48) - das von der Rechtsprechung entwickelte [X.] ([X.] 23. September 2015 - 5 [X.] 146/14 - Rn. 22, [X.]E 152, 327; 28. September 2016 - 5 [X.] 224/16 - Rn. 20, [X.]E 157, 34; ganz [X.], vgl. nur [X.]/[X.] § 615 [X.] Rn. 136; [X.]/[X.] Stand 1. September 2021 [X.] § 615 Rn. 88; MüKo[X.]/[X.] 8. Aufl. § 615 Rn. 97; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 615 [X.] Rn. 113; [X.] ArbR-HdB/[X.] 19. Aufl. § 101 Rn. 5; [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 122), also das Risiko des Arbeitgebers, seinen Betrieb betreiben zu können.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] trägt der Arbeitgeber das [X.], weil er den Betrieb leitet, die betrieblichen Abläufe organisiert, die Verantwortung trägt und die Erträge bezieht ([X.] 8. Februar 1957 - 1 [X.] 338/55 - [X.]E 3, 346). De[X.]alb muss er dafür einstehen, dass die Arbeitsleistung aus Gründen unmöglich wird, die in seinem Einflussbereich liegen, wie etwa der Ausfall von Maschinen, Betriebsstoffen oder anderer für den Betriebsablauf notwendiger Betriebsmittel (vgl. [X.] 23. September 2015 - 5 [X.] 146/14 - Rn. 22, [X.]E 152, 327; 18. November 2015 - 5 [X.] 814/14 - Rn. 52; [X.]. auch die Übersichten bei [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 130 f.; [X.]/[X.] [2019] [X.] § 615 Rn. 232 ff.). Über diese „internen Betriebsstörungen“ hinaus trägt der Arbeitgeber grundsätzlich auch das Risiko für von außen auf das Unternehmen einwirkende Umstände ([X.] 30. Mai 1963 - 5 [X.] 282/62 - zu 2 b der Gründe), die sich als höhere Gewalt darstellen, wie zB die Überschwemmung eines Fabrikgebäudes aufgrund einer Naturkatastrophe (vgl. [X.] 23. September 2015 - 5 [X.] 146/14 - Rn. 22, [X.]E 152, 327), die Zerstörung der Betriebseinrichtungen durch Brand ([X.] 28. September 1972 - 2 [X.] 506/71 - [X.]E 24, 446), den Ausfall einer Ölheizung im Betrieb wegen eines plötzlichen Kälteeinbruchs ([X.] 9. März 1983 - 4 [X.] 301/80 - [X.]E 42, 94) oder den Stromausfall infolge einer Störung im Elektrizitätswerk ([X.] 30. Januar 1991 - 4 [X.] 338/90 - [X.]E 67, 118). Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber aufgrund äußerer Einflüsse Entscheidungen trifft, die zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führen, etwa wenn ein Zement- und Baustoffhandel aufgrund der Witterung seinen Betrieb vorübergehend einschränkt oder stilllegt ([X.] 9. Juli 2008 - 5 [X.] 810/07 - Rn. 24, [X.]E 127, 119) oder er den Betrieb für eine vorgeschriebene Inventur kurzzeitig schließt ([X.] 7. Dezember 1962 - 1 [X.] 134/61 - zu 3 der Gründe; ebenso schon [X.] 12. Oktober 1929 - [X.] 200/29 - [X.] 7, 137, 141).

b) In älteren Entscheidungen hat die Rechtsprechung auch ein behördliches Verbot von „öffentlichen Lustbarkeiten“ dem [X.] zugerechnet. So wurde der Betreiber eines Tanz- und [X.] zur Entgeltzahlung an den Leiter einer Tanz- und Schaukapelle verurteilt, obwohl diese wegen des Verbots öffentlicher Tanzveranstaltungen infolge eines großen Brandunglücks in [X.] nicht auftreten konnte. Das [X.] stützte dies darauf, dass zu den mit der Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers im Zusammenhang stehenden und die Führung des Betriebs betreffenden Ereignissen auch solche gehörten, die zwar nicht öfter, aber doch gelegentlich vorzukommen pflegen und vom Arbeitgeber in Rechnung gestellt werden können und müssen; begebe sich der Arbeitgeber - an[X.] als andere Unternehmen - mit seinem Betrieb in eine besondere Risikosphäre, müsse er ein Risiko tragen, das durch die besondere Art des Betriebs bedingt sei ([X.] 30. Mai 1963 - 5 [X.] 282/62 - zu 2 b der Gründe; im Ergebnis ebenso schon [X.] 27. März 1935 - [X.] 235/34 - [X.] 23, 219 zur Lohnzahlung an Musiker, die wegen der [X.] anlässlich des Todes von [X.] nicht auftreten konnten: zum [X.] zählten Ereignisse, „die den Weiterbestand des Betriebes nicht in Frage stellen, sondern nur die regelmäßige Fortführung vorübergehend beeinträchtigen, die im Einzelfall vielleicht nicht vermeidbar waren, mit denen aber doch der Unternehmer im allgemeinen rechnen und deren wirtschaftliche Nachteile er in seine Kostenrechnung einstellen kann“).

c) Als Grenze für das Tragen des [X.]s galt der Rechtsprechung in der Vergangenheit die Gefährdung der Existenz des Betriebs „bei Zahlung der vollen Löhne“ (zuletzt [X.] 23. Juni 1994 - 6 [X.] 853/93 - zu 1 der Gründe, [X.]E 77, 123; 9. März 1983 - 4 [X.] 301/80 - [X.]E 42, 94; zust. MüKo[X.]/[X.] 8. Aufl. § 615 Rn. 105 - der ein von ihm so genanntes Existenzvernichtungsverbot in § 242 [X.] verankert sieht; abl. [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 126; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 615 [X.] Rn. 120; [X.]/[X.] [2019] [X.] § 615 Rn. 231 - jeweils mwN). In neueren Entscheidungen des [X.] zum [X.] findet diese „Opfergrenze“ keine Erwähnung mehr. Ob daran festzuhalten wäre (für pandemiebedingte Betriebsschließungen davon ausgehend [X.]/[X.] [X.] 2020, 345, 348; [X.] 2020, 1457, 1459; abl. [X.] [X.] Preis 2021 S. 1199, 1209; [X.]/[X.] 2020, 559, 564, denen es aber nicht ausgeschlossen erscheint, dass der „Existenzsicherungsausnahme“ in der [X.] erstmals zur praktischen Bedeutung verholfen wird), braucht der [X.] nicht zu entscheiden. Im Streitfall bestehen keinerlei Anhaltspunkte für eine entsprechende Existenzgefährdung der [X.]n, diese hat derartiges - worauf das [X.] zutreffend hingewiesen hat - auch nicht geltend gemacht.

2. Ob zu dem vom Arbeitgeber nach § 615 Satz 3 [X.] zu tragenden [X.] auch eine im Rahmen der Bekämpfung einer [X.] - wie derjenigen der [X.]orona-[X.] - behördlich angeordnete (vorübergehende) Betriebsschließung gehört, ist im Schrifttum umstritten.

a) Während [X.]/Hengstberger ([X.] 2020, 559) ausgehend vom Prinzip der Substratsgefahrtragung ([X.]. oben Rn. 17) bei pandemiebedingten behördlichen Betriebsschließungen einen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs bereits aus § 615 Satz 1 [X.] herleiten, weil der Arbeitgeber stets das [X.] zu tragen habe, verneint Wolf ([X.] Preis 2021 S. 1531, 1533 f.) bereits Annahmeverzug. Der Arbeitnehmer sei de facto zum Angebot seiner Arbeitsleistung nicht in der Lage, weil sich die staatliche Schließungsverfügung auch an ihn richte (zu Recht gegen diese Annahme [X.]/[X.] 2020, 559, 561 f.). Im Übrigen meint er - sich auf „Grundgedanken der Substratsgefahr“ berufend - bei einer allgemeinen Schließungsverfügung oder -verordnung verwirkliche sich eine allgemeine Gefahrensituation, die sowohl die Pflicht zur Leistungserbringung als auch die Pflicht zur Vergütung entfallen lasse.

b) Ein Teil des Schrifttums ist unter Berufung auf die vom [X.] (weiter-)entwickelten Grundsätze zum [X.] der Auffassung, die staatlich/behördlich angeordnete Schließung des Betriebs aufgrund einer [X.] sei generell ein vom Arbeitgeber nach § 615 Satz 3 [X.] zu tragendes Risiko (etwa [X.]/[X.] 9. Aufl. § 615 [X.] Rn. 116; [X.]/Tillmanns 5. Aufl. § 76 Rn. 83; einschränkend Hohenstatt/Krois [X.] 2020, 413, die im [X.] an [X.] [X.] Prölss 2009 S. 21, 38 f. maßgeblich darauf abstellen wollen, ob der Arbeitnehmer die vertraglich vereinbarten Dienste noch an[X.]wo erbringen könnte). Dabei wird zum Teil ergänzend angeführt, die Zuweisung des [X.]s an den Arbeitgeber auch bei flächendeckenden Betriebsschließungen entspreche allgemeinen Prinzipien der Arbeitsrechtsordnung ([X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 132a ff., 132j; grundsätzlich auch Preis/[X.]/[X.] [X.] 2020, 1137, 1142 f., allerdings mit der Einschränkung, „diese Bewertung (könne) sich ändern, wenn staatliche Eingriffe gegen die Gesamtwirtschaft gerichtet werden und sich dann lediglich das allgemeine Risiko der [X.] verwirklicht“; vgl. auch, der angefochtenen Entscheidung zust., [X.] EWiR 2021, 504, 505; [X.] [X.] Preis 2021 S. 1199, 1203 ff. [1208], die maßgeblich darauf abstellt, dass es in der Hand des Arbeitgebers liege, dem Risiko des [X.] zu begegnen).

c) Andere Autoren differenzieren: Werde einem individuellen Arbeitgeber zu Zwecken des Gesundheitsschutzes behördlich die Schließung seines Betriebs aufgegeben, trage er das [X.], wenn die Schließung durch die besondere Eigenart des Betriebs bedingt sei, wie zB die Schließung schadstoffausstoßender Betriebe bei [X.]. Richte sich das Verbot jedoch gegen ein Infektionsrisiko, das flächendeckend praktisch alle Betriebe treffe, reagierten die staatlichen Maßnahmen nicht auf ein dem zu schließenden Betrieb anhaftendes Risiko, sondern auf das allgemeine Infektionsrisiko, das Arbeitgeber nicht einmal abstrakt beherrschen könnten ([X.]/[X.] NJW 2020, 1112, 1116; ähnlich [X.] ArbRB 2020, 110, 115 f.; [X.] 2020, 1457, 1459; [X.] ArbR-HdB/[X.] 19. Aufl. § 101 Rn. 11; [X.] 13/2021 [X.]. 4; auf „[X.] 2020, 1177, 1181 f.).

3. Ausgehend von der bi[X.]erigen Rechtsprechung des [X.] zum [X.], die durch § 615 Satz 3 [X.] gleichsam dynamisch festgeschrieben werden sollte, um den Besonderheiten denkbarer Fallgestaltungen Rechnung zu tragen (vgl. [X.]. 14/6857 S. 48), bedarf die Beantwortung der Frage, ob der Arbeitgeber das Risiko des [X.] bei einer durch die [X.]orona-[X.] bedingten Betriebsschließung trägt, der Differenzierung.

a) Nimmt der Arbeitgeber die [X.] zum Anlass, aus eigener Entscheidung den Betrieb (vorübergehend) zu schließen - etwa, weil ein Teil der Belegschaft in [X.] ist, es infolge der [X.] an erforderlichen Materialien oder Rohstoffen fehlt, der Absatz stark zurückgeht oder die Kunden ausbleiben - trifft ihn, sofern nicht bereits ein Fall des vom Arbeitgeber stets zu tragenden Wirtschaftsrisikos vorliegt (zum Begriff [X.]. - statt vieler - [X.] 7. Dezember 2005 - 5 [X.] 535/04 - zu [X.] 5 a der Gründe mwN, [X.]E 116, 267; MüKo[X.]/[X.] 8. Aufl. § 615 Rn. 98; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 615 [X.] Rn. 112; [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 120 f.), grundsätzlich das [X.], denn es ist seine autonome Entscheidung, die zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führt (vgl. [X.] 9. Juli 2008 - 5 [X.] 810/07 - Rn. 24, [X.]E 127, 119).

b) Muss der Arbeitgeber aufgrund einer behördlichen Anordnung im Rahmen und zur Bekämpfung der [X.] seinen Betrieb (vorübergehend) schließen, lässt sich die Annahme, der Arbeitgeber trage in diesem Fall stets das Risiko des [X.] nach § 615 Satz 3 [X.], nicht mit „höherer Gewalt“ begründen (aA unter Hinweis auf die Rechtsprechung zur [X.] durch Naturereignisse und -katastrophen [X.]/[X.] 2020, 559, 560). Als solche stellen sich allenfalls die [X.] bzw. der sie auslösende Krankheitserreger dar, die jedoch nicht zwingend eine Betriebsschließung bedingen, etwa, wenn durch [X.] und entsprechende Schutzmaßnahmen der Ansteckungsgefahr ausreichend begegnet werden kann. Die Ursache der „Betriebsstörung“ liegt vielmehr in einer hoheitlichen Maßnahme, die die zuständigen staatlichen Stellen zur Bekämpfung der [X.] für erforderlich halten (im Ergebnis ebenso [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 132 f.).

c) Ob der Arbeitgeber das [X.] bei einer öffentlich-rechtlich verfügten Betriebsschließung trägt, kann sich nur nach dem Zweck der Maßnahme richten.

aa) Zielt eine behördliche Maßnahme darauf, einem im Betrieb des Arbeitgebers angelegten besonderen Risiko zu begegnen, etwa, weil die vom Arbeitgeber gewählten Produktionsmethoden oder -bedingungen oder von ihm zu verantwortende Arbeitsbedingungen (wie zB in Teilen der Fleischwirtschaft und bei [X.] in der Landwirtschaft) eine beson[X.] hohe Ansteckungsgefahr innerhalb der Belegschaft in sich [X.], trifft ihn das Risiko des [X.] und ist er nach § 615 Satz 3 iVm. Satz 1 und § 611a Abs. 2 [X.] zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Der Arbeitgeber trägt die Verantwortung für die von ihm gewählten und organisierten betrieblichen Abläufe und hat dafür einzustehen, dass seine Arbeitnehmer durch diese nicht im Vergleich zur Allgemeinheit zusätzlichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt werden.

bb) Dagegen trägt der Arbeitgeber nicht das Risiko des [X.], wenn die behördlich verfügte Betriebsschließung im Rahmen allgemeiner Maßnahmen staatlicher Stellen zur [X.]bekämpfung erfolgt und - betriebsübergreifend - zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von S[X.]-[X.]oV-2-Infektionen die [X.] Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In einem solchen Fall realisiert sich gerade nicht ein in einem bestimmten Betrieb aufgrund seiner konkreten Produktions- und Arbeitsbedingungen - dem Betriebssubstrat - angelegtes Risiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist vielmehr Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage, die der einzelne Arbeitgeber nicht - auch nicht im weitesten Sinne - verursacht und zu verantworten hat. Dieses „allgemeine Risiko“, das Folge letztlich politischer Entscheidungen zur Eindämmung des die Allgemeinheit insgesamt treffenden Infektionsrisikos ist, muss der Arbeitgeber - bei gebotener wertender Betrachtung - nicht tragen. Für die Zurechnung des [X.]s in diesen Fällen genügt eine bloße „(besondere) Eigenart“ des Betriebs oder seine „Publikumsaffinität“ nicht ohne weiteres (so aber [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 132g; Preis/[X.]/[X.] [X.] 2020, 1137, 1142 f.; wie hier im Ergebnis [X.] 13/2021 [X.]. 4). Hinzukommen muss vielmehr eine objektive Verantwortung für die die Verbreitung des die [X.] auslösenden Krankheitserregers in besonderer Weise begünstigenden Arbeits- und Produktionsbedingungen in dem betroffenen Betrieb. Nur in diesem Fall handelt es sich auch um einen Grund „auf Seiten“ des Gläubigers (Motive zum [X.] 1888 Bd. 2 S. 68), der es rechtfertigt, dem Arbeitgeber das [X.] zuzuweisen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist es Sache des Staates, gegebenenfalls für einen angemessenen Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen (zutr. Wolf [X.] Preis 2021 S. 1531, 1541).

cc) Dass der Staat für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte die finanziellen Folgen seiner Maßnahmen durch den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld abgemildert hat, steht dieser Einordnung des „[X.]risikos“ nicht entgegen (im Ergebnis ebenso Wolf [X.] Preis 2021 S. 1531, 1541; aA [X.]/[X.] 2020, 559, 562 f., die darin eine „klare gesetzgeberische Wertung“ dahingehend sehen, der Arbeitgeber solle in dieser Situation das [X.] tragen). Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) wirksam Kurzarbeit, werden die gegenseitigen Hauptleistungspflichten gerade im Umfang der Kurzarbeit aufgehoben. Mangels bestehender Arbeitspflicht kann Annahmeverzug nicht eintreten ([X.] 22. April 2009 - 5 [X.] 310/08 - Rn. 12 mwN, [X.]E 130, 331; MüKo[X.]/[X.] 8. Aufl. § 615 Rn. 86; [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 14). Eine Entgeltzahlungspflicht nach § 615 Satz 3 iVm. Satz 1 und § 611a Abs. 2 [X.] besteht in diesen Fällen nicht. Dementsprechend setzt der Anspruch auf Kurzarbeitergeld voraus, dass ein erheblicher Arbeitsausfall mit [X.] vorliegt (§ 95 Satz 1 Nr. 1 SG[X.]).

dd) Liegen die Voraussetzungen für Kurzarbeit vor und können dadurch die durch die staatlich verfügte Betriebsschließung entstehenden finanziellen Nachteile für die Arbeitnehmer abgemildert werden, dürfte der Arbeitgeber - vorbehaltlich der Umstände des Einzelfalls - aufgrund seiner Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 [X.] verpflichtet sein, von diesem Instrument Gebrauch zu machen und seinen Beschäftigten den Bezug von Kurzarbeitergeld zu ermöglichen. Anderenfalls könnte er sich in Höhe des entgangenen Kurzarbeitergelds gegenüber den anspruchsberechtigten Arbeitnehmern (§ 95 [X.]) nach § 280 Abs. 1 [X.] schadenersatzpflichtig machen (in diese Richtung auch [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 132k). Wie weit die [X.] im Einzelnen reichen, bedarf vorliegend keiner näheren Erörterung.

ee) Für die Einordnung eines Risikos als [X.] kommt es auf - mögliche - nachgelagerte Ansprüche nicht an. Diese haben auf das Bestehen bürgerlich-rechtlicher Ansprüche aus § 615 Satz 3 iVm. Satz 1, § 611a Abs. 2 [X.] keinen Einfluss.

(1) Unerheblich ist, ob der Staat für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch seinen hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile tatsächlich gesorgt hat. Dass für geringfügig Beschäftigte - wie die Klägerin - ein Zugang zum Kurzarbeitergeld nicht gewährleistet ist, beruht auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Hieraus ergeben sich indes keine Rückschlüsse auf eine Zahlungspflicht des Arbeitgebers nach § 615 Satz 3 iVm. Satz 1, § 611a Abs. 2 [X.].

(2) Ohne Belang ist ferner, ob das Risiko, den Betrieb aufgrund hoheitlicher Maßnahmen schließen zu müssen, versicherbar ist (aA [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 132a; [X.] [X.] Preis 2021 S. 1199, 1208; vgl. auch [X.] 28. September 1972 - 2 [X.] 506/71 - zu 2 der Gründe, [X.]E 24, 446). Unabhängig davon, ob dies im Einzelfall möglich (gewesen) wäre (pars pro [X.] ablehnend [X.] 5. Oktober 2021 - 4 [X.] -; [X.] 7. September 2021 - I 9 [X.] -; OLG [X.]elle 1. Juli 2021 - 8 [X.] -; bejahend [X.] 5. Oktober 2021 - 12 [X.]/21 -, jeweils mwN), bietet die Versicherbarkeit keinen dogmatischen Ansatz dafür, dem Arbeitgeber das Risiko des [X.] iSd. § 615 Satz 3 [X.] zuzurechnen. Eine Versicherung kann lediglich die finanziellen Folgen der hoheitlich verfügten Betriebsschließung für den versicherten Arbeitgeber ausgleichen oder mildern, besagt aber nichts darüber, ob solche überhaupt entstehen, insbesondere der Arbeitgeber den Beschäftigten trotz Nichtarbeit zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist.

(3) Die Zuordnung des [X.]s bei einem Arbeitsausfall aufgrund behördlich angeordneter Betriebsschließung an den Arbeitgeber lässt sich nicht mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur [X.] rechtfertigen (aA [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 132j). Der Begriff [X.] wird dort verwendet, um ein Abwägungsmerkmal bei der Verteilung des [X.] zu kennzeichnen, nicht aber in der ihm sonst zukommenden Bedeutung als Lohnzahlungsrisiko bei Unmöglichkeit der Arbeitsleistung (so ausdrücklich [X.] 27. September 1994 - [X.] (A) - zu [X.] II 2 der Gründe, [X.]E 78, 56). Ein solches „[X.]“ bzw. eine Risikodeckung durch eine Versicherung betrifft nicht den [X.], sondern die [X.] im Rahmen des § 254 [X.]. Auch bei der [X.] soll der Arbeitgeber jedoch nicht mit dem allgemeinen Lebensrisiko des Arbeitnehmers belastet werden ([X.] 22. März 2018 - 8 [X.] 779/16 - Rn. 49, 61 mwN, [X.]E 162, 275).

(4) Für die Risikoverteilung unerheblich ist ferner, ob der Arbeitgeber das [X.] „abmildern“ könnte, etwa durch den Abbau von Überstunden und [X.] oder die Gewährung von Urlaub (an[X.] [X.] [X.] Preis 2021 S. 1199, 1208). Sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer derartiges - ohne Rücksicht darauf, ob es rechtlich überhaupt möglich ist - einvernehmlich verabreden, betrifft dies nur die Auswirkungen einer behördlich angeordneten Betriebsschließung, besagt aber nichts darüber, wer das Risiko des [X.] zu tragen hat. Dasselbe gilt für das Instrument der betriebsbedingten Kündigung. Die Annahme, der Arbeitgeber könne sein Zahlungsrisiko durch ordentliche betriebsbedingte Kündigungen begrenzen (so [X.]/Preis 21. Aufl. [X.] § 615 Rn. 132k; Preis/[X.]/[X.] [X.] 2020, 1137, 1143), dürfte bei einer vorübergehenden Betriebsschließung aufgrund behördlicher Anordnung mit dem [X.] (vgl. dazu ausführlich APS/Preis 6. Aufl. Grundlage H. Rn. 55 ff.) nur schwerlich zu vereinbaren sein, jedenfalls solange der Arbeitgeber die behördliche Anordnung nicht zum Anlass nimmt, seinen Betrieb endgültig stillzulegen (vgl. auch - zur Abgrenzung von Betriebsstilllegung und [X.] - [X.] 21. Juni 2001 - 2 [X.] 137/00 - zu II 1 a der Gründe).

ff) Schließlich lässt Art. 240 § 1 Abs. 2 und Abs. 4 Nr. 2 EG[X.] nicht den - zumindest nicht den zwingenden - Rückschluss zu, der Gesetzgeber habe „in der gegenwärtigen Situation dem Arbeitgeber das primäre [X.] auferlegen wollen“ (so aber [X.]/[X.] 2020, 559, 563 f.). Die Herausnahme arbeitsrechtlicher Ansprüche aus dem in Art. 240 § 1 Abs. 2 EG[X.] unter bestimmten Voraussetzungen für Kleinstunternehmen vorgesehenen Zahlungsmoratorium (Art. 240 § 1 Abs. 4 Nr. 2 EG[X.]) bedeutet lediglich, dass Ansprüche auf Vergütung wegen geleisteter Arbeit oder Vergütung wegen Annahmeverzugs von den Arbeitnehmern auch im Kleinstunternehmen nicht gestundet werden müssen. Sie besagt aber nichts darüber, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei einer im Rahmen der Bekämpfung der [X.]orona-[X.] behördlich verfügten Betriebsschließung ein Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs entsteht bzw. entstehen kann.

4. Nach diesen Grundsätzen muss im Streitfall die [X.] nicht das Risiko des [X.] durch die Schließung ihrer Filiale in [X.] aufgrund der Allgemeinverfügung der Freien Hansestadt [X.] vom 23. März 2020 tragen. Infolgedessen hat die Klägerin für den Monat April 2020 keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 Satz 3 iVm. Satz 1, § 611a Abs. 2 [X.].

a) Die genannte Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, dessen [X.] zur Folge hat, dass die Gerichte aller [X.] an sein Bestehen und seinen Inhalt gebunden sind und ihn, sofern er nicht nichtig ist, ihren Entscheidungen als gegeben zugrunde zu legen haben ([X.]. im Einzelnen [X.] 22. Juli 2021 - 2 [X.] 193/21 - Rn. 15 mwN). Anhaltspunkte für die Nichtigkeit der Allgemeinverfügung sind weder ersichtlich noch von den Parteien vorgebracht worden.

b) Nach der Allgemeinverfügung richtete sich die von der Freien Hansestadt [X.] verfügte Betriebsschließung nicht speziell gegen die [X.] und nicht gegen ein gerade in deren Betrieb angelegtes besonderes Gesundheitsrisiko.

aa) Die weitgehende Schließung aller Verkaufsstellen des Einzelhandels im Bundesland [X.] - mit Ausnahme nur der für die Versorgung der Bevölkerung als notwendig angesehenen Einrichtungen - war eingebettet in ein ganzes Bündel von Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor weiteren S[X.]-[X.]oV-2-Infektionen und dem damit verbundenen Risiko schwerer und tödlicher Krankheitsverläufe, insbesondere auch des Verbots von Veranstaltungen, Feiern und ähnlichen Zusammenkünften sowie der Beschränkung des Aufenthalts im öffentlichen Raum. Sie orientierte sich eng an den Empfehlungen des Kabinettsausschusses der Bundesregierung vom 16. März 2020 und an den Ergebnissen der Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer vom 22. März 2020 zum einheitlichen Vorgehen zur weiteren Beschränkung von [X.] Kontakten im öffentlichen Raum.

bb) Ausweislich ihrer Begründung war es Ziel der Allgemeinverfügung, die Übertragungswege von S[X.]-[X.]oV-2 zu unterbrechen, das Risiko von Infektionen einzudämmen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens aufrechtzuerhalten. Die hoheitlichen Eingriffe dienten damit allgemeinen epidemiologischen und gesundheitspolitischen Zielen. Sie erfassten in ihrer Breite die Gesamtbevölkerung des Bundeslandes [X.] (und letztlich mit vergleichbaren Maßnahmen aller anderen Bundesländer die Gesamtbevölkerung der [X.]) und beschränkten sich nicht auf die Abwehr besonderer, von einzelnen Betrieben ausgehenden Gefahren, sondern sollten eine die Gesellschaft insgesamt treffende Gefahrenlage bekämpfen. Infolgedessen differenzieren die in der Allgemeinverfügung angeordneten Schließungen nicht danach, wie stark der Publikumsverkehr einer Einrichtung ist und ob das Infektionsrisiko dort durch Hygienemaßnahmen und [X.] beherrschbar wäre oder nicht. Vielmehr sollten pauschal durch die Schließung aller nicht „lebensnotwendigen“ Einrichtungen, dem Verbot von Veranstaltungen, Festen und ähnlichen Zusammenkünften sowie der Beschränkung des Aufenthalts im öffentlichen Raum generell infektionsträchtige Situationen unterbunden werden, indem die Menschen - innerhalb ihres Hausstands - für sich bleiben, Kontakte mit hau[X.]altsfremden Personen vermeiden und sich möglichst nicht in den öffentlichen Raum begeben.

III. Die Klägerin hat nach § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    [X.]    

        

    Bubach    

        

    Biebl    

        

        

        

    Jungbluth    

        

    Zorn     

                 

Meta

5 AZR 211/21

13.10.2021

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Verden, 29. September 2020, Az: 1 Ca 391/20, Urteil

§ 615 Abs 3 BGB, § 615 S 1 BGB, § 611a Abs 2 BGB, § 293 BGB, § 297 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.10.2021, Az. 5 AZR 211/21 (REWIS RS 2021, 1891)

Papier­fundstellen: NJW 2022, 560 MDR 2022, 375-376 REWIS RS 2021, 1891

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