Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2014, Az. VIII ZR 100/13

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8711

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BUNDESGER[X.]CHTSHOF

[X.]M NAMEN DES VOLKES

URTE[X.]L
V[X.][X.][X.] ZR 100/13
Verkündet am:

15. Januar 2014
Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
ZPO § 170 Abs. 1
Die unter Verstoß
gegen §
170 Abs.
1 ZPO erfolgte Zustellung eines Vollstre-ckungsbescheids an eine aus dem zuzustellenden Titel nicht erkennbar pro-zessunfähige [X.] setzt die Einspruchsfrist in [X.] (Bestätigung von [X.], Urteile vom 25.
März 1988 -
V
[X.], [X.]Z 104, 109; vom 19.
März 2008 -
V[X.][X.][X.]
ZR 68/07, [X.]Z 176, 74 Rn.
9).
ZPO §
579 Abs.
1 Nr.
4, Abs.
2
Der prozessunfähigen [X.], die den [X.] der mangelhaften Ver-tretung geltend macht, kann nicht entgegengehalten werden, sie hätte den Ver-fahrensmangel durch ein Rechtsmittel geltend machen müssen. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die [X.] von vornherein von einem Rechtsmittel abgesehen oder ob sie ein zunächst eingelegtes Rechtsmittel zurückgenom-men hat (Fortführung von [X.], Urteil vom 5.
Mai 1982 -
[X.]Vb
[X.], [X.]Z 84, 24, 27).

[X.], Urteil vom 15. Januar 2014 -
V[X.][X.][X.] ZR 100/13 -
LG [X.]

[X.]

-
2 -
Der V[X.][X.][X.].
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15.
Januar 2014 durch den Vorsitzenden [X.],
die Richterin Dr.
Milger, [X.] und [X.] sowie die Richterin Dr.
Fetzer
für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des [X.] vom 15. März 2013 wird [X.].
Die
Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger ist -
gemeinsam mit
seiner Schwester -
Erbe seiner am 8. [X.] 2010 verstorbenen Mutter.
Für die Erblasserin bestand ab dem [X.] 2007 bis zu ihrem Tod eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis "Vermö-gensangelegenheiten".

Die Beklagte erwirkte am 27. Februar 2009 gegen die Erblasserin einen [X.] im Urkundenverfahren über eine Mietforderung
von einige Monate später einen weiteren
[X.], der aber nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.
Der
Vollstreckungsbe-1
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scheid
vom 27. Februar 2009 wurde der Erblasserin
am 5.
März 2009 zuge-stellt. Diese war sowohl zum Zeitpunkt der Zustellung des
vorausgegangenen Mahnbescheids
als auch bei Zustellung des
[X.]s
ge-schäfts-
und prozessunfähig. [X.]hrem Betreuer wurden Mahn-
und Vollstre-ckungsbescheid nicht
zugestellt.
Der Betreuer hat
gegen den [X.] am 4. Mai 2009 un-ter gleichzeitiger Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags Einspruch eingelegt, diesen aber am 4. Juni 2009 zurückgenommen. Am 20.
Mai 2009 hat er im Namen der Erblasserin Nichtigkeitsklage erhoben. Nach dem Ableben seiner Mutter hat der Kläger das nach § 239 ZPO unterbrochene Verfahren aufge-nommen; außerdem hat er auch gegen den zweiten [X.] Nichtigkeitsklage eingereicht.

Das Amtsgericht hat den [X.] stattgegeben und die Miet-zinsklagen der Beklagten -
unter Aufhebung der beiden [X.] -
als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklag-ten ist vor dem [X.] ohne Erfolg geblieben. Beide Vorinstanzen haben in dem Umstand, dass der Betreuer der Erblasserin den Einspruch gegen den [X.] vom 27. Februar 2009 zurückgenommen hat, kein Hin-dernis für die [X.] der gegen diesen [X.] gerichte-ten Nichtigkeitsklage gesehen. Mit ihrer vom Berufungsgericht beschränkt zuge-lassenen Revision
erstrebt die Beklagte die Abweisung der Nichtigkeitsklage gegen den [X.] vom 27. Februar 2009.

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4

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4 -
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat
keinen Erfolg.

[X.].
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
-
soweit für das Revisionsverfahren von [X.]nteresse -
im Wesentlichen ausgeführt:
Die gegen den [X.] vom 27. Februar 2009 gerichtete
Nichtigkeitsklage sei gemäß § 579
Abs. 1 Nr. 4 ZPO statthaft, weil die Erblasse-rin während des zu diesem Vollstreckungstitel
führenden Verfahrens
prozess-unfähig gewesen sei. Der Klage
stehe auch nicht entgegen, dass der Betreuer der Erblasserin den zunächst eingelegten Einspruch zurückgenommen habe, wodurch der [X.] rechtskräftig geworden sei. Denn die in §
579 Abs. 2 ZPO angeordnete Subsidiarität der Nichtigkeitsklage, die eine Klagemöglichkeit ausschließe, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden könne, greife
nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nur bei den Nichtigkeitsgründen
des § 579 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ZPO
(Mängel der Besetzung des Gerichts) ein, nicht aber bei
dem
hier einschlägigen Fall des §
579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO.

Die [X.] habe daher die Wahl, ob sie den Nichtigkeitstatbestand der
nicht ordnungsgemäßen Vertretung (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO)
durch ein Rechtsmittel im Ausgangsverfahren geltend
mache oder ob sie -
wie hier -
die ergangene Entscheidung in Rechtskraft erwachsen lasse und anschließend Nichtigkeitsklage erhebe. Diese Wahlmöglichkeit bleibe ihr auch dann erhalten, wenn sie im Ausgangsverfahren zunächst ein Rechtsmittel eingelegt, dieses dann aber zurückgenommen habe. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Wort-laut, sondern auch aus dem Regelungszweck des §
579 Abs. 2 ZPO. Denn 5
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durch die dort geregelte Subsidiarität der Nichtigkeitsklage solle vermieden werden, dass derselbe Wiederaufnahmegrund in zwei verschiedenen Prozes-sen, nämlich im Vorprozess und im [X.], geprüft
werde. Eine solche Situation sei aber nicht gegeben, wenn ein im Ausgangsverfahren einge-legtes Rechtsmittel -
wie hier -
vor der
Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zurückgenommen werde.
Die Voraussetzungen des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO lägen nach den [X.] Feststellungen der Vorinstanz vor, weil die geschäfts-
und prozessunfä-hige Erblasserin in dem zum
Erlass des [X.]s führenden Verfahren
nicht durch ihren Betreuer als gesetzlichen Vertreter vertreten [X.] sei. Dies führe zur Nichtigkeit des angefochtenen [X.]s. Weiter sei die dem [X.] zugrundeliegende Zahlungsklage durch Prozessurteil abzuweisen, da eine wirksame Zustellung des dem [X.] vorausgegangenen Mahnbescheids an die [X.] Erblasserin nicht habe erfolgen können, dieser Mangel auch nicht geheilt worden und damit keine Rechtshängigkeit eingetreten sei.

[X.][X.].
Diese Beurteilung hält
rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die gegen den [X.] vom 27. Februar 2009 gerichtete Nichtigkeitsklage für zulässig und begründet erachtet
und das dem [X.] zugrun-deliegende Zahlungsbegehren durch Prozessurteil abgewiesen.
1. Die gegen die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.
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6 -
a) Die Revision stellt nicht in Frage, dass die Subsidiaritätsregelung des § 579 Abs. 2 ZPO der Erhebung der Nichtigkeitsklage nicht entgegensteht, weil sich diese Bestimmung nicht auf den [X.] der Prozessführung durch eine prozessunfähige [X.] (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO)
erstreckt. Dies steht in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die im Hinblick darauf, dass der [X.] des § 579 Abs.
1 Nr. 4 ZPO als
einziger Nichtigkeitstatbestand keinen Einschränkungen unterliegt
(vgl. § 579 Abs. 1 Nr.
2, Abs. 2 ZPO), der prozessunfähigen [X.] die
Wahl eröffnet, diesen Ver-fahrensmangel
entweder
im Rechtsmittelwege oder
-
nach Rechtskraft der Ausgangsentscheidung -
durch Erhebung einer Nichtigkeitsklage geltend zu machen
([X.], Urteil vom 5. Mai 1982 -
[X.]Vb [X.], [X.]Z 84, 24,
27).

b) Die Revision meint jedoch, die Nichtigkeitsklage sei deswegen un-statthaft, weil das Ausgangsverfahren nicht -
wie von § 578 Abs. 1 ZPO gefor-dert -
rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Dieser Einwand bleibt ohne [X.]. Der [X.] vom 27. Februar
2009 ist durch die vom [X.] der Erblasserin am 4. Juni 2009 erklärte Rücknahme des hiergegen [X.] eröffneten Einspruchs (§
700 Abs. 1, § 338 ZPO) rechtskräftig geworden. Das Rechtsmittel der Berufung stand der Erblasserin nicht zur Verfügung
(§ 700 Abs.
1, § 514 Abs. 1 ZPO).
aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist der
Eintritt der Rechtskraft des [X.]s nicht gemäß § 705 Satz 1 ZPO dadurch gehindert worden, dass der Lauf der Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO nicht in [X.] gesetzt worden wäre. Denn die zweiwöchige Einspruchsfrist hat mit der am 5.
März 2009 bewirkten
Zustellung des [X.]s an die zu
die-sem Zeitpunkt geschäfts-
und prozessunfähige Erblasserin zu laufen begonnen.

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bb) Zwar ist
ein zustellungsbedürftiges Schriftstück bei nicht prozessfähi-gen Personen an deren gesetzlichen Vertreter zuzustellen
(§ 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO); eine Zustellung, die -
wie hier -
an den Prozessunfähigen selbst erfolgt, ist unwirksam (§ 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Weiter trifft es zu, dass die
unwirk-same Zustellung eines Versäumnisurteils oder eines [X.]s grundsätzlich die
Einspruchsfrist gemäß § 339 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO nicht in [X.] setzt (vgl. Senatsurteil vom 11. Mai 2011 -
V[X.][X.][X.] ZR 114/10, NJW 2011, 2218 Rn. 12 [X.]). Dies gilt jedoch -
wie der Senat in Fortführung der zu der Vorgängerregelung des § 171 Abs. 1 ZPO aF ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits entschieden hat -
nicht für die Fälle einer gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO unwirksamen Zustellung von Urteilen oder [X.] an die prozessunfähige [X.] (Senatsurteil vom 19. März 2008
-
V[X.][X.][X.] ZR 68/07, [X.]Z 176, 74 Rn. 9). Denn in Anbetracht der Ausgestaltung der Nichtigkeitsklage bei mangelhafter Vertretung einer [X.] (§
578 Abs.
1, §
579 Abs. 1 Nr. 4, §
586 Abs. 3, §
584 Abs. 2 ZPO) und des
Gebots
der Rechtssicherheit kommt
einer unwirksamen Zustellung an eine
als prozessfähig behandelte, tatsächlich aber prozessunfähige [X.] ausnahmsweise insoweit Rechtswirkung zu,
als es um die Auslösung der Einspruchs-
oder Rechtsmittel-frist geht (Senatsurteil vom 19. März 2008 -
V[X.][X.][X.] ZR 68/07, aaO Rn. 9 ff. [X.]).
(1) Nach § 586 Abs. 3 ZPO läuft die einmonatige Frist zur Erhebung [X.] (§ 586 Abs. 1 ZPO) im Falle der mangelhaften Vertretung der [X.] (§ 579 Abs.
1 Nr. 4 ZPO) erst mit der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung an die [X.] oder -
wenn der Vertretungsmangel darin besteht, dass die [X.] prozessunfähig ist, -
mit der Zustellung an ihren gesetzlichen Vertreter. Der Gesetzgeber bringt damit zum Ausdruck, dass die Erhebung [X.] wegen unzureichender Vertretung der [X.]
(§ 579 Abs.
1 Nr. 4 ZPO) auch in den Fällen
möglich
ist, in denen die Ausgangsentscheidung der prozessunfähigen [X.] selbst zugestellt worden ist. Um die [X.] in die-15
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-
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sen Fällen vor einem Verlust dieser Klagemöglichkeit zu schützen, soll [X.] die einmonatige Klagefrist für die Erhebung einer
Nichtigkeitsklage (§ 586 Abs. 1 ZPO) erst dann zu laufen beginnen, wenn eine -
nunmehr wirksame -
Zustellung an den gesetzlichen Vertreter der prozessunfähigen [X.] erfolgt ist (§ 586 Abs. 3 Halbs.
2 ZPO).
(2) Da das Gesetz eine Nichtigkeitsklage wegen mangelhafter Vertretung (§
579 Abs.
1 Nr. 4 ZPO) auch bei der Zustellung an eine prozessunfähige [X.] vorsieht
(vgl. § 586 Abs. 3 ZPO), eine solche Klage
aber gemäß § 578 Abs.
1 ZPO zwingend
voraussetzt,
dass ein rechtskräftiges
Urteil ergangen
oder ein
rechtskräftiger
[X.] (vgl. § 584 Abs. 2 ZPO) erlas-sen worden ist,
müssen
auch ein an die prozessunfähige [X.] zugestelltes Urteil oder ein an sie zugestellter [X.] rechtskräftig werden können
(vgl. Senatsurteil vom 19.
März 2008 -
V[X.][X.][X.] ZR 68/07, aaO Rn. 11; [X.], 63, 64).
Daraus ergeben sich wiederum Folgerungen für die [X.]ngangset-zung von Einspruchs-
oder [X.] durch eine nach § 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO unwirksame Zustellung.
(a) [X.] und [X.]e, die nur mit dem [X.] (§ 338 ZPO, § 700 Abs. 1 ZPO), nicht aber mit der Berufung angefoch-ten werden können (§ 514 Abs. 1 ZPO), erlangen
allein
durch Ablauf der [X.]sfrist (§ 339 Abs. 1 ZPO) Rechtskraft.
Die vom Gesetz vorgesehene Nichtigkeitsklage wegen mangelhafter Vertretung (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) setzt daher unabdingbar
voraus, dass die Einspruchsfrist (auch)
bei
einer
-
nach § 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO unwirksamen -
Zustellung an die prozessunfä-hige [X.] zu laufen beginnt.
(b) Entsprechendes gilt -
wenn auch etwas abgeschwächt
-
für den Lauf von [X.]. Zwar ist bei mit den allgemeinen Rechtsmitteln an-fechtbaren Urteil der Eintritt der Rechtskraft nicht stets von dem Ablauf der 17
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[X.] abhängig, da solche Entscheidungen bei fehlender oder un-wirksamer Zustellung spätestens sechs Monate nach ihrer Verkündung rechts-kräftig werden (§§ 517, 548, 544 Abs. 1 ZPO).
Diese Möglichkeit ist aber bei Urteilen, die keiner Verkündung bedürfen
(§ 310 Abs. 3, §§
307, 341 Abs.
2 ZPO), ausgeschlossen. [X.]n diesen Fällen ist daher für den Eintritt der Rechtskraft zwingend erforderlich, dass der Lauf der Rechtsmittelfrist durch eine nach § 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO unwirksame Zustellung ausgelöst wird.
[X.]n den übrigen Fällen ist zu berücksichtigen, dass durch die Regelungen der §§ 517, 548, 544 Abs. 1 ZPO die Systematik der Nichtigkeitsklage nicht verändert werden sollte. Die Bestimmungen, wonach ein Urteil unabhängig von seiner Zustellung jedenfalls sechs Monate nach seiner Verkündung rechtskräf-tig wird, sollen
gewährleisten, dass ein Urteil, dessen Zustellung aus vielerlei Gründen fehlschlagen kann, überhaupt in Rechtskraft erwächst (BT-Drucks. 8/2287, [X.]). Dass der
Gesetzgeber hierdurch einer prozessunfähigen [X.], der das Urteil selbst zugestellt wurde, abverlangen wollte, mit der Erhebung einer auf den [X.] des § 578 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gestützten [X.] bis sechs Monate nach der Urteilsverkündung zuzuwarten, ist den Gesetzesmaterialien dagegen nicht zu entnehmen. Die mit dem Gesetz über die Prozesskostenhilfe vom 13. Juni 1980 ([X.] [X.] S. 677) erfolgte Wiederein-führung der -
in der [X.] vom 3. Dezember 1976 mit Blick
auf die
nun vorgesehene Amtszustellung von Urteilen gestrichenen
(vgl. BT-Drucks. 7/2729, [X.]3, 15, 88, 93; [X.] [X.] S.
3281) -
Möglichkeit, dass ein Urteil sechs Monate nach seiner Verkündung in Rechtskraft erwächst (§§
516, 552 ZPO aF; heute: §§ 517, 548 ZPO), war für erforderlich erachtet worden, weil auch bei der [X.] bei der Ausführung und Dokumentation der Zustellung, die zu einer unwirksamen Zustellung führen, nicht ausschließbar sind (BT-Drucks. 8/2287, aaO). Der Sonderfall der unwirksamen
Zustellung an 20

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eine prozessunfähige [X.] nach § 171 Abs. 1 ZPO aF (heute: §
170 Abs. 1 ZPO) war dabei nicht in den Blick genommen worden (BT-Drucks. aaO).
(3) Nach der
Konzeption
und der Funktion der Nichtigkeitsklage
soll
der Lauf der Einspruchs-
und Rechtsmittelfrist also auch durch eine nach §
170 Abs.
1 Nr. 2 ZPO (§
171 Abs. 1 ZPO aF) unwirksame Zustellung an die pro-zessunfähige [X.] in [X.] gesetzt
werden. Das wird allerdings von einzelnen Stimmen im Schrifttum
mit der Erwägung in Frage gestellt, eine Nichtigkeitskla-ge wegen mangelhafter Vertretung
(§ 579 Abs.
1 Nr. 4, §
586 Abs. 3 ZPO) sei auch bei fehlender Rechtskraft der Ausgangsentscheidung zulässig (Eyinck, [X.], 1255
f.; [X.], 4.
Aufl., §
170 Rn.
5).
Dabei blenden sie
die zentrale Vorschrift des § 578 Abs. 1 ZPO und das Wesen der Nichtigkeitsklage als [X.]nstrument zur Durchbrechung der Rechtskraft aus. Weiter sehen sie eine Benachteiligung der prozessunfähigen [X.] darin, dass [X.] bei einer nach § 170 Abs. 1 Nr. 2 ZPO unwirksamen Zustellung an eine prozessunfähige [X.] hinsichtlich der [X.]ngangsetzung von Einspruchs-
und Rechtsmittelfrist anders behandelt werden als eine auf anderen Mängeln beruhende unwirksame Zustellung an eine prozessfähige
[X.] ([X.], aaO; Eyinck, aaO). Auch dies
trifft bei näherer Betrachtung nicht zu. Denn eine
-
wegen [X.] unwirksame -
Zustellung an eine prozessfähige [X.] kann mangels Verwirklichung des [X.]es der mangelhaften Vertretung (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) nicht im Wege der [X.] angefochten
werden. Die ordnungsgemäß vertretene [X.] muss folglich
dagegen geschützt werden, dass ihr die ihr einzig zur Verfügung ste-hende Möglichkeit eines Rechtsmittels oder eines Einspruchs vorschnell [X.] wird. Daher muss es in diesen Fällen bei dem Grundsatz bleiben, dass eine unwirksame Zustellung keinen Fristenlauf auslöst.

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Bei einer prozessunfähigen [X.], die Adressat einer unwirksamen Zu-stellung ist, greifen dagegen
andere Schutzmechanismen
ein. Hier eröffnet das Gesetz
der prozessunfähigen [X.] die Wahl, gegen die Ausgangsentschei-dung entweder mittels eines Rechtsmittels oder eines Rechtsbehelfs vorzuge-hen oder aber die
Entscheidung
in Rechtskraft erwachsen zu lassen und an-schließend -
unter den Erleichterungen des § 586 Abs. 3 ZPO -
eine auf §
579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gestützte Nichtigkeitsklage zu erheben (vgl. § 579 Abs.
2 ZPO). Um der prozessunfähigen [X.] diese Wahlmöglichkeit zu erhalten muss der
Lauf der Einspruchs-
und Rechtsmittelfrist auch bei einer nach § 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO unwirksamen Zustellung an die [X.] in [X.] gesetzt werden. An-dernfalls würden
[X.],
[X.]e und Urteile, die nicht verkündet werden, überhaupt nicht in Rechtskraft erwachsen (vgl. § 339 Abs. 1, § 700 Abs. 1, § 310 Abs. 3
ZPO) und sonstige Urteile nur mit erhebli-cher Verzögerung, nämlich nach Ablauf von sechs Monaten ab Verkündung (§§
517, 548, 544 Abs. 1 ZPO).
(4) Davon abgesehen trägt der
Lauf von Rechtsmittel-
und Einspruchs-fristen
bei einer gemäß
§
170 Abs. 1 Satz 2 ZPO unwirksamen Zustellung dem
Bedürfnis
Rechnung, im
[X.]nteresse von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit [X.] möglichst bald durch den Eintritt der formellen Rechtskraft der ergange-nen Entscheidung zu beenden. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der formelle Akt der Zustellung in seiner Wirkung, die Rechtsbehelfsfrist in Lauf zu setzen, durch Mängel, die bei der Zustellung nicht erkennbar sind und erst in einem längeren Verfahren geprüft werden müssten, in Frage gestellt würde ([X.], Urteil vom 25. März 1988 -
V [X.], [X.]Z 104, 109, 111 f.; Senatsur-teil vom 19. März 2008 -
V[X.][X.][X.] ZR 68/07, aaO Rn. 12). Die Belange eines
Zustel-lungsempfängers, dessen Geschäftsunfähigkeit trotz § 56 Abs. 1 ZPO uner-kannt geblieben ist, werden durch die Ausgestaltung der Regelungen zur Nich-22
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tigkeitsklage (§ 579 Abs. 1 Nr.
4, §
584 Abs. 2, § 586 Abs. 3 ZPO) ausreichend geschützt (Senatsurteil vom 19.
März 2008 -
V[X.][X.][X.] ZR 68/07, aaO Rn. 13).
(5) Entgegen der Auffassung der Revision sind diese Grundsätze, die schon unter der Geltung des § 171 Abs. 1 ZPO aF allgemeiner Ansicht entspra-chen (vgl. die Nachweise im Senatsurteil vom 19.
März 2008 -
V[X.][X.][X.] ZR 68/07, aaO Rn. 8 ff. [X.]),
mit der Einführung des § 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht ob-solet geworden. Denn mit dieser Regelung war keine sachliche Änderung ge-genüber § 171 Abs. 1 ZPO aF verbunden, sondern es sollte nur -
im [X.]nteresse der Klarstellung -
eine ausdrückliche Normierung des bereits für § 171 Abs. 1 ZPO aF
anerkannten Rechtsgrundsatzes erfolgen, dass Zustellungen an Pro-zessunfähige unwirksam sind
(vgl. BT-Drucks. 14/4554, [X.]7; Senatsurteil vom 19.
März 2008 -
V[X.][X.][X.] ZR 68/07, aaO Rn. 8, 10).

(6) Ohne Erfolg macht die Revision weiter geltend, das Gebot der Rechtssicherheit
erfordere es jedenfalls, einer im Verfahren nicht wirksam ver-tretenen [X.], die gegen die ergangene Entscheidung den dafür vorgesehe-nen Rechtsbehelf -
unter nunmehr wirksamer Vertretung -
ergriffen, diesen
aber später zurückgenommen habe, eine Nichtigkeitsklage zu versagen.
Die [X.] verkennt hierbei den Bedeutungsgehalt des Gebotes der Rechtssicherheit
und des Rechtsfriedens. Dieses ist darauf gerichtet, Rechtsstreitigkeiten mög-lichst bald durch Eintritt der formellen Rechtskraft (vgl. § 705 ZPO) der ergan-genen Entscheidungen zu beenden ([X.], Urteil vom 25. März 1988 -
V [X.], [X.]Z 104, 109, 111). Dagegen lässt sich aus ihm nicht die Forderung ableiten, [X.] soweit als möglich auszuschließen
und einer pro-zessunfähigen [X.], die -
nunmehr wirksam vertreten -
ein Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf ergriffen, dann aber zurückgenommen hat, die Möglichkeit zu nehmen, eine Nichtigkeitsklage nach § 578 Abs. 1, § 579 Abs. 1 Nr.
4 ZPO zu erheben. Dem steht schon
die Konzeption der genannten Vorschriften ent-24
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gegen. § 578 Abs. 1 ZPO macht
die [X.] der Nichtigkeitsklage allein von der Rechtskraft der Ausgangsentscheidung abhängig und unterscheidet nicht danach, auf welche Weise die Rechtskraft (Rücknahme, Verwerfung
oder Zurückweisung des Rechtsmittels/Rechtsbehelfs bzw. Verzicht hierauf) einge-treten ist
(§ 578 Abs. 1 ZPO). Außerdem ist -
wie oben bereits aufgezeigt (unter [X.][X.]. 1 a) -
der [X.] der mangelhaften Vertretung (§
579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) als einziger
Nichtigkeitstatbestand nicht den in § 579 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO aufgeführten Einschränkung unterworfen
mit der Folge, dass der pro-zessunfähigen [X.] nicht entgegengehalten werden kann, sie hätte den Ver-fahrensmangel durch ein Rechtsmittel geltend
machen müssen
(vgl. § 579 Abs.
1 Nr. 2, §
579 Abs. 2 ZPO; [X.], Urteil vom 5. Mai 1982 -
[X.]Vb [X.], aaO). Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die [X.] von vornherein von einem Rechtsmittel abgesehen hat oder ob sie ein zunächst eingelegtes Rechtsmittel zurückgenommen hat.
2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die
Nichtigkeitsklage auch für begründet erachtet und die vom erstinstanzlichen Gericht ausgesprochene Aufhebung des [X.]s bestätigt. Die Erblasserin war nach den
vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen bei Durchführung des Mahnverfahrens und auch bei Zustellung des [X.]s pro-zessunfähig und damit nicht ordnungsgemäß vertreten (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Dass
die Voraussetzungen des Nichtigkeitstatbestands des §
579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erfüllt sind, stellt auch die Revision nicht in Frage.
3. Entgegen der Auffassung der Revision ist es aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das
dem [X.] zugrundeliegende Zahlungsbegehren
durch Prozessurteil abgewiesen hat. Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht die Klage nicht wegen mangelnder Konkretisierung des Klagebegehrens
(vgl. § 253 Abs. 2, 26
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§
690 Abs.
1
ZPO) als unzulässig abgewiesen, sondern deswegen, weil die Erblasserin bei Zustellung des dem [X.] zugrundeliegenden Mahnbescheids, auf den für die Rechtshängigkeit abzustellen ist (§ 700 Abs. 2 ZPO),
prozessunfähig war und es damit an der für den Erlass eines [X.] unabdingbaren Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Klageerhebung gefehlt
hat
(vgl. Senatsurteil vom 9.
Januar 2008 -
V[X.][X.][X.] ZR 12/07, [X.], 155 Rn.
11). Ein solcher
Mangel hätte
zwar nachträglich durch eine rügelose Ein-lassung des gesetzlichen Vertreters der prozessunfähigen [X.] gemäß § 295 ZPO geheilt werden können (Senatsurteil vom 9.
Januar 2008 -
V[X.][X.][X.] ZR 12/07, aaO Rn. 12 [X.]). Nach den vom Berufungsgericht getroffenen
Feststellungen, die von der Revision nicht angegriffen worden sind, ist eine solche Heilung [X.] nicht erfolgt. Die Revision macht lediglich geltend, der Betreuer der Erb-lasserin habe auch inhaltliche Einwände gegen die Forderung erhoben. Dies
reicht aber nicht aus, um die Rechtswirkungen des § 295 Abs. 1 ZPO auszulö-sen.
[X.]
Dr. Milger
[X.]

[X.]
Dr. Fetzer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.09.2012 -
27 [X.] (13) -

LG [X.], Entscheidung vom 15.03.2013 -
10 [X.]/12 -

Meta

VIII ZR 100/13

15.01.2014

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2014, Az. VIII ZR 100/13 (REWIS RS 2014, 8711)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8711

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VIII ZR 100/13

VIII ZR 114/10

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