Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 19.09.2019, Az. 1 BvR 2059/18, 1 BvR 1063/19

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2019, 3419

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Verfassungsrechtliche Anforderungen (Wissenschaftsfreiheit, Art 5 Abs 3 S 1 GG; Grundsatz der Bestenauslese, Art 33 Abs 2 GG) an die Besetzung der Leitung einer staatlichen Hochschule - hier: Verfassungsbeschwerden gegen die Besetzung des Posten des Vizepräsidenten einer staatlichen Hochschule (Duale Hochschule Baden-Württemberg) teils bereits unzulässig, iÜ unbegründet


Tenor

Die [X.] werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Mit der Nichtannahme der [X.] werden die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).

Gründe

1

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Besetzung der Stelle des Vizepräsidenten an der [X.] ([X.]). Im Verfahren 1 BvR 2059/18 haben Mitglieder des [X.] [X.]beschwerde erhoben, im Verfahren 1 BvR 1063/19 Mitbewerber.

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1. Die [X.] ist eine staatliche Hochschule des Landes, mit einem Präsidium, dem Senat und einem Aufsichtsrat. Vorgaben für Wahlvorbereitung und Wahl der Leitungsorgane der Hochschule finden sich für die hiesigen Verfahren im [X.] von 2014 in der seit 2016 geltenden Fassung ([X.] in [X.] [[X.] - [X.]] vom 1. Januar 2005, [X.]. 2005, [X.], in der Fassung vom 23. Februar 2016, [X.]. 2016, [X.]08).

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2. Von September 2016 bis zur Wahl im März 2017 bereitete die Findungskommission "Vizepräsident" in Zusammenarbeit mit einem Personalberatungsunternehmen Wahlvorschläge und Wahl vor. Die Stelle wurde ausgeschrieben, und es wurden Bewerbungsgespräche geführt; sodann beschloss die Findungskommission einstimmig einen Wahlvorschlag mit einem Kandidaten und einer Kandidatin, die jedoch ihre Bewerbung im Laufe des Verfahrens zurückzog. Dann befasste sich der Senat mit den Bewerbungen; er stimmte mehrheitlich gegen eine Neuausschreibung, einstimmig gegen eine Ergänzung des Wahlvorschlags und mehrheitlich für den Wahlvorschlag. In einer Sitzung von Aufsichtsrat und Senat am 10. März 2017 unter der Leitung der [X.] als Vorsitzende des Aufsichtsrats wurde unter anderem die Wahl des Vizepräsidenten durchgeführt. Getrennt für Aufsichtsrat und Senat gab es jeweils drei Wahlgänge; der dritte Wahlgang wurde wegen der Gestaltung der Wahlzettel [X.] wiederholt. Im Aufsichtsrat erhielt der Kandidat jeweils die absolute Mehrheit; im Senat wurde der vorgeschlagene Kandidat schließlich mit 16 Ja-Stimmen zu 14 Nein-Stimmen und ohne Enthaltungen gewählt.

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3. Dagegen beantragten die Beschwerdeführer und weitere Senatoren Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht, wo das Verfahren aufgeteilt wurde.

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a) Das Verwaltungsgericht wies den Antrag der Senatoren mit Beschluss vom 14. März 2018 zurück; der [X.]hof wies die Beschwerde mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 30. Juli 2018 zurück.

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b) Der Antrag der Konkurrenten war vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich, wurde jedoch auf die Beschwerde des [X.] hin durch den angegriffenen Beschluss des [X.]hofs vom 26. März 2019 abgelehnt.

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4. Im Verfahren 1 BvR 2059/18 sieht der [X.]hof wesentliche Rechte der Beschwerdeführer als Mitglieder des [X.] nicht als verletzt an. Im Eilrechtsschutz bedürfe es keiner Vertiefung, ob die Besetzung des Aufsichtsrats und der Findungskommission verfassungswidrig seien. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des [X.] für das Land [X.] (im Folgenden: [X.]) vom 14. November 2016 - 1 [X.] - führe diese Rüge nicht zum Erfolg; der [X.] habe zwar nicht die hier maßgeblichen, aber damit im Zusammenhang stehende Normen für weiter anwendbar erklärt. Die Beteiligung der [X.] sei ebenso wenig zu beanstanden wie die Besetzung des Aufsichtsrats und der Findungskommission. Auch hinsichtlich der Wahlvorbereitung und der Wahl selbst bestünden keine durchgreifenden Bedenken.

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5. Mit ihrer [X.]beschwerde rügen die drei Beschwerdeführer im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Regelungen zum Aufsichtsrat an der [X.] bewirkten eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit. Die Mitwirkung einer Ministeriumsbeauftragten im Aufsichtsrat und in der Findungskommission sei verfassungswidrig. Es gebe beim Wahlvorschlag wesentliche Verfahrensfehler, die sich auf den Wahlausgang ausgewirkt hätten. Die Wahl selbst sei unter Verletzung des Anspruchs auf freie und effektive Stimmabgabe aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erfolgt.

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6. Im Verfahren 1 BvR 1063/19 wendet sich die [X.]beschwerde gegen den Beschluss des [X.]hofs, der die Entscheidung des [X.], das zugunsten der Konkurrenten entschieden hatte, abgeändert und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat.

a) Der [X.]hof geht davon aus, dass sich [X.] in Auswahlverfahren für Leitungsämter im Konkurrentenverfahren nur auf Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG berufen könnten. Unabhängig davon habe der 9. Senat ([X.], Beschluss vom 30. Juli 2018 - 9 S 764/18 -; Gegenstand des Verfahrens 1 BvR 2059/18) festgestellt, dass das Besetzungsverfahren mit Art. 5 Abs. 3 GG im Einklang stehe. Anhaltspunkte für Verletzungen des hier maßgeblichen Bewerbungsverfahrensanspruchs seien nicht ersichtlich.

b) Mit der [X.]beschwerde rügen die unterlegenen Konkurrenten eine Verletzung von Art. 33 Abs. 2 GG sowie Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG; auch sei Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt. Der [X.]hof [X.] die [X.] im Zugang zum Amt des Vizepräsidenten. Die Findung sei wegen grundrechtswidrig besetzter Gremien fehlerhaft, die Wahl selbst nicht [X.].

7. In beiden Verfahren wurde ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 [X.] gestellt.

Die [X.] sind nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 [X.]). Ihnen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a [X.]). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Die [X.] haben keine Aussicht auf Erfolg (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>). Sie sind teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.

1. Die [X.]beschwerde 1 BvR 2059/18 ist nur zulässig, soweit die Beschwerdeführer Rechte aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG in ihrer Funktion als Mitglieder des [X.] geltend machen; sie ist aber unbegründet.

a) Die [X.]beschwerde ist nur teilweise zulässig, weil sie nur teilweise hinreichend substantiiert ist (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.]; vgl. [X.] 140, 229 <232 Rn. 9> m.w.N.).

aa) Die Beschwerdeführer treten als Mitglieder des [X.] auf. In dieser Rolle sind sie auf die Geltendmachung mitgliedschaftlicher Rechte beschränkt, die ihre durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Mitwirkung in [X.] besetzten Organen der Hochschule sichern (vgl. [X.] 111, 333 <356, 363>; 136, 338 <364 Rn. 59>).

bb) Soweit sich die Beschwerdeführer auch darüber hinaus auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG stützen, ist zumindest zweifelhaft, ob sie vorliegend in eigenen Rechten betroffen sind. Zwar kann eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundsätzlich auch unmittelbar gegenüber [X.] geltend gemacht werden, um Schutz vor strukturellen Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit zu bieten (vgl. [X.] 127, 87 <113>; 136, 338 <359 Rn. 44>, 139, 148 <170 Rn. 42>; stRspr). Daher sind [X.] gegen hochschulorganisatorische Entscheidungen insoweit geschützt, als diese die Erfüllung ihrer Aufgabe, freie Wissenschaft zu ermöglichen, gefährden können (vgl. [X.] 111, 333 <354 f.>; 136, 338 <364 f. Rn 59 f.; 379 Rn. 92>; 139, 148 <170 Rn. 42; 182 f. Rn. 68>). Doch machen die Beschwerdeführer nicht geltend, selbst nicht mehr frei wissenschaftlich arbeiten zu können, sondern beanspruchen eben Rechte als Mitglieder eines Vertretungsorgans.

b) Die [X.]beschwerde ist, soweit sie zulässig ist, nicht begründet. Die Entscheidung des [X.]hofs ist im Hinblick auf die Maßgaben des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG enthält neben einem individuellen Freiheitsrecht eine objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde, wertentscheidende [X.] (vgl. [X.] 35, 79 <112>; 136, 338 <362 Rn. 55>; stRspr). Der Staat muss danach für funktionsfähige Institutionen eines freien Wissenschaftsbetriebs sorgen und durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass das individuelle Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung soweit unangetastet bleibt, wie das unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist. Dabei kann der Gesetzgeber die Organisation der Hochschulen nach seinem Ermessen ordnen, solange gewährleistet ist, dass der Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung der Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers vorbehalten bleibt (vgl. [X.] 35, 79 <115 ff.>; 55, 37 <58>; 93, 85 <95>; zuletzt [X.] 139, 148 <181 Rn. 63>). Im Übrigen hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des wissenschaftsorganisatorischen Gesamtgefüges einen weiten Gestaltungsraum (vgl. [X.] 47, 327 <404>; 93, 85 <95>; 111, 333 <355 f.>; 136, 338 <363 Rn. 57>).

Hochschulleitungen sind gemeinsam staatlich und wissenschaftsautonom zu besetzen (vgl. [X.] 111, 333 <362 f.>; zuletzt [X.] 139, 148 <182 f. Rn. 68> m.w.N.), wobei die Auswahlentscheidung inhaltlich an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist ([X.] 111, 333 <364>). Aufgrund der von der Hochschulleitung zu treffenden Entscheidungen ist die Besetzung jedenfalls mittelbar wissenschaftsrelevant, so dass ein hinreichender Einfluss der Träger der Wissenschaftsfreiheit gewahrt werden muss ([X.] 111, 333 <363>). Die Sicherung der Wissenschaftsfreiheit verlangt, dass die Grundrechtsträger selbst durch ihre Vertreterinnen und Vertreter in den Hochschulorganen Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit abwehren und ihre fachliche Kompetenz zur Verwirklichung der Wissenschaftsfreiheit in die Hochschule einbringen können (vgl. [X.] 127, 87 <117>). Aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgt also kein Anspruch, über die Hochschulleitung ausschließlich selbst zu bestimmen (vgl. [X.] 111, 333 <365>; 127, 87 <129>), aber ein Mitentscheidungsrecht (vgl. [X.] 136, 338 <376 f. Rn. 83>). Das Verfahren zur Auswahl der Hochschulleitung muss insoweit mit den Anforderungen aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG im Einklang stehen (vgl. [X.] 111, 333 <363>; 127, 87 <128 f.>; 139, 148 <182 f. Rn. 68>).

bb) Der [X.]hof hat diese Bedeutung und Tragweite von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG für die Bildung und Besetzung des Aufsichtsrats und der Findungskommission, die Vorbereitung der Wahl und die Wahl eines Mitglieds der Hochschulleitung der [X.] nicht verkannt.

(1) Der [X.]hof durfte die Weitergeltungsanordnung der Entscheidung des [X.] vom 14. November 2016 - 1 [X.] - zwar nicht durch Auslegung auf andere Normen erstrecken, konnte sich aber verfassungsrechtlich vertretbar die Auslegung der streitentscheidenden Normen des [X.] zu eigen machen.

Der [X.] durfte ohnehin nur diejenigen Normen für unvereinbar mit der Verfassung erklären, über die er zulässig zu entscheiden hatte (§ 59 Abs. 2, § 50 Satz 2 [X.]; für Bundesrecht [X.] 107, 133 <148 f.>; 117, 1 <70>; 127, 87 <131 f.>). Auch ist die Weitergeltung gesetzlicher Regelungen durch den Tenor der verfassungsgerichtlichen Entscheidung begrenzt. Sie umfasst hier nicht die Regelung in § 20 [X.] über den Aufsichtsrat. Doch hat der [X.] den Gesamtkomplex des [X.]es geprüft, in dem die Vorgaben zur Wahl der Rektoratsmitglieder angesiedelt sind, denn er hatte das hochschulorganisatorische Gesamtgefüge mit seinen unterschiedlichen Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten (vgl. [X.] 111, 333 <355>; 127, 87 <116>; stRspr) zu beurteilen. Der [X.] hat denn auch die Regelung in § 18 [X.] mit Blick auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum weiter für anwendbar erklärt, damit Wahlen von Mitgliedern des Präsidiums der [X.] möglich bleiben. Wenn sich der [X.]hof den Wertungen dieser Entscheidung anschließt, ist dies nicht zu beanstanden.

(2) Der [X.]hof hat Bedeutung und Tragweite von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auch im Hinblick auf den Wahlvorschlag nicht verkannt.

Soweit die Beschwerdeführer davon ausgehen, dass die Findungskommission das [X.] zu früh eingeengt habe, lässt sich daraus keine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ableiten. Nicht nur steht ein Vorschlag mit einer Person im Einklang mit der Vorgabe des § 18 Abs. 2 Satz 1 [X.], wonach die Findungskommission "einen Wahlvorschlag mit bis zu drei Namen" beschließt. Der Senat hatte nach § 18 Abs. 2 Satz 3 [X.] zudem die Möglichkeit, den Wahlvorschlag der Findungskommission zu ergänzen, wogegen er sich jedoch - einstimmig - entschieden hat.

Auch die fehlende Dokumentation eines Gesprächs der [X.] mit dem Personalberatungsunternehmen lässt keine Grundrechtsverletzung erkennen, die der [X.]hof übergangen haben könnte. Die Beschwerdeführer selbst weisen darauf hin, dass Dokumentationspflichten aus Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet werden, damit Konkurrentinnen und Konkurrenten in die Lage versetzt werden, ihre [X.] wirksam gerichtlich geltend machen zu können (vgl. [X.] 143, 22 <28 f. Rn. 20> m.w.N.; stRspr). Die Beschwerdeführer treten jedoch nicht in dieser Rolle auf. Dass ihre organschaftlichen Rechte verletzt worden wären, ist hier nicht erkennbar.

(3) Der [X.]hof hat Bedeutung und Tragweite von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auch hinsichtlich der Wahl selbst nicht verkannt, indem er sie unbeanstandet gelassen hat.

Zwar ist nachvollziehbar, dass die Stimmzettelgestaltung zunächst ohne ausdrückliche [X.] und die Anpassungen während der Wahl durch handschriftliche Ergänzungen von den Beschwerdeführern kritisiert werden. Unklarheiten über die Reichweite des Wahlrechts oder die zu wählende Person konnten jedoch nicht entstehen. Zum einen hatte die Vorsitzende des Aufsichtsrats unstreitig darauf hingewiesen, dass ein fehlendes Ja automatisch Nein bedeute. Zum anderen hat der [X.]hof anhand der in § 18 Abs. 2 Satz 4 bis 6 [X.] normierten Quoren dargelegt, warum die fehlende Enthaltungsoption in den ersten beiden Wahlgängen unproblematisch war. Eine unzulässige Beeinflussung der Stimmabgabe durch die Stimmzettelgestaltung oder Unklarheiten der handschriftlichen Ergänzungen im "dritten" Wahlgang ist nicht erkennbar.

Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der [X.]hof die Stimmen der Grundrechtsträger im letzten Wahlgang nicht mit 50% gewichtet hat. Soweit die Beschwerdeführer vorbringen, dass der [X.]hof diese Gewichtung - entgegen der damals geltenden Regelung - als "Kompensation" im Wege verfassungskonformer Auslegung hätte vornehmen müssen, überzeugt dies nicht. Es ist nicht Aufgabe der Fachgerichte, die Umsetzung einer Entscheidung eines [X.] durch den Gesetzgeber vorwegzunehmen (vgl. [X.] 99, 300 <313>).

2. Die [X.]beschwerde 1 BvR 1063/19 ist überwiegend zulässig, aber ebenfalls unbegründet.

a) Zulässig ist die [X.]beschwerde, soweit sich die Beschwerdeführer auf Art. 33 Abs. 2 GG berufen. Soweit eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gerügt wird, ist sie unzulässig, weil die Darlegungen nicht den Substantiierungsanforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] genügen.

b) Die [X.]beschwerde ist, soweit sie zulässig ist, nicht begründet. Die Entscheidung des [X.]hofs verletzt die Beschwerdeführer weder in Art. 33 Abs. 2 GG noch in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Der [X.]hof durfte seiner Entscheidung Art. 33 Abs. 2 GG in seiner Ausprägung als Bewerbungsverfahrensanspruch zugrunde legen.

aa) Auch hier ist zu berücksichtigen, dass Hochschulleitungen gemeinsam staatlich und wissenschaftsautonom zu besetzen sind, wobei die Auswahlentscheidung inhaltlich an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist. In der Auswahl muss ein hinreichender Einfluss der Träger der Wissenschaftsfreiheit gewahrt werden; sie haben ein Mitentscheidungsrecht. Insofern muss das Verfahren zur Auswahl der Hochschulleitung mit den Anforderungen aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG im Einklang stehen (oben 1 [X.] m.w.N.).

Wäre die Entscheidung des [X.]hofs zwingend so zu verstehen, als sei bei der Wahl einer Hochschulleitung nur Art. 33 Abs. 2 GG zu berücksichtigen, stünde dies mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben nicht in Einklang. Vielmehr ist Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG im Rahmen von Auswahlentscheidungen für die Hochschulleitung zu berücksichtigen. Das modifiziert aber nicht den Grundsatz der Bestenauslese, an den alle Beteiligten inhaltlich gebunden sind (vgl. [X.] 111, 333 <364>). Insofern ist nicht zu beanstanden, wenn der [X.]hof zentral auf Art. 33 Abs. 2 GG abstellt.

bb) Die Entscheidung des [X.]hofs verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG auch unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht.

(1) Danach sind öffentliche Ämter nach dem Grundsatz der Bestenauslese zu besetzen. Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen (vgl. [X.] 143, 22 <28 Rn. 18> m.w.N.). Handelt es sich um eine Entscheidung über Bewerbungen auf Ämter der Hochschulleitung, sind zudem die Maßgaben des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zur hinreichenden Mitwirkung der Träger der Wissenschaftsfreiheit (oben 1 [X.]) zu beachten.

Damit eröffnet Art. 33 Abs. 2 GG bei Entscheidungen über den Zugang zu einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst einen Beurteilungsspielraum des Dienstherrn, der schon von [X.] wegen einer nur begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. [X.] 39, 334 <354>; 108, 282 <296>). Die Nachprüfung durch die Fachgerichte beschränkt sich im Wesentlichen darauf, ob der Dienstherr von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den beamten- und verfassungsrechtlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (vgl. [X.] 141, 56 <78 Rn. 56>; stRspr).

(2) Danach ist die Entscheidung des [X.]hofs nicht zu beanstanden.

(aa) Soweit der [X.]hof davon ausgeht, dass allein aus der Eigenschaft als [X.] für die (unterlegenen) Mitbewerberinnen und Mitbewerber auf Leitungspositionen in der Wissenschaft weder Vor- noch Nachteile entstehen dürften, trifft dies im Ausgangspunkt zu. Eine Verletzung ihrer (individuellen) Wissenschaftsfreiheit durch wissenschaftsgefährdende [X.] ist von dem Schutz im Rahmen der Bewerbung auf eine Leitungsposition zu unterscheiden. Die Beschwerdeführer haben hier ohnehin nicht dargelegt, dass ihre Aussichten in einem zweiten Auswahlverfahren zumindest offen seien, ihre Auswahl also möglich erscheine. Der [X.]hof weist zutreffend darauf hin, dass alle Beschlüsse der Findungskommission, die die Wahlvorschläge unterbreitet, einstimmig getroffen worden sind, und dass die Wahlgremien (Senat und Aufsichtsrat) eine Erweiterung des Wahlvorschlags einstimmig abgelehnt beziehungsweise nicht in Betracht gezogen haben, obgleich die beiden Beschwerdeführer als Bewerber um das Amt des Vizepräsidenten den Gremien bekannt waren. Die dagegen in der [X.]beschwerdeschrift geäußerten Bedenken überzeugen hier nicht.

(bb) Der Einwand, die Wirtschaftsministerin habe an der Findung nicht beteiligt werden dürfen, greift nicht durch. Positionen der Hochschulleitung dienen der Wissenschaft, aber auch der Erfüllung staatlicher Aufgaben, weshalb der Staat hier eingebunden werden darf (vgl. [X.] 111, 333 <362 f.>; oben 1 [X.]).

([X.]) Der [X.]hof durfte davon ausgehen, dass die Beschwerdeführer nicht in die Vorschlagsliste der Findungskommission aufgenommen werden mussten. Er legt dar, dass der Findungskommission alle für die Auswahlentscheidung relevanten Tatsachen, in der Auswertung der Unterlagen durch das Personalberatungsunternehmen und als vollständige Bewerbungsunterlagen aller Kandidatinnen und Kandidaten, bekannt waren. Es ist nicht erkennbar, dass damit verfassungsrechtliche Maßgaben verkannt worden wären.

([X.]) Der [X.]hof durfte weiter davon ausgehen, dass die Findungskommission bei der Erstellung des Wahlvorschlags das Anforderungsprofil aus der Stellenausschreibung berücksichtigen konnte. Der Dienstherr ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht gehindert, die Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistungen bereits im Vorfeld der Auswahlentscheidung durch ein Anforderungsprofil zu konkretisieren (vgl. [X.] 141, 56 <69 Rn. 32>). Weist der Gesetzgeber einem Gremium die [X.] zu, dann hat dieses das Anforderungsprofil sogar zugrunde zu legen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten [X.] vom 8. Oktober 2007 - 2 BvR 1846/07 u.a. -, Rn. 15 ff.).

Die Findungskommission hat sich vom Anforderungsprofil nicht gelöst. Der [X.]hof konnte insoweit maßgeblich auf die - unveränderte - Beschlusslage in der Findungskommission abstellen. Die [X.]beschwerde, die auf Äußerungen verschiedener Mitglieder der Findungskommission verweist, wertet diese anders, enthält aber keine verfassungsrechtlich tragfähigen Einwände.

(ee) Aus Art. 33 Abs. 2 GG folgte keine Pflicht für die Findungskommission, drei Kandidaten auf die Vorschlagsliste zu setzen. Da die Auswahlentscheidung an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist, findet auch die Wahlvorschlagsliste dort ihre Grenze; daher können nur solche Bewerberinnen und Bewerber gesetzt werden, die der Bestenauslese entsprechen. Das gilt auch für die Personalauswahl für die hauptamtliche Hochschulleitung.

Mit der Nichtannahme der [X.] werden die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GO[X.]).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 2059/18, 1 BvR 1063/19

19.09.2019

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 30. Juli 2018, Az: 9 S 764/18, Beschluss

Art 5 Abs 3 S 1 GG, Art 33 Abs 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 18 HSchulG BW, § 20 HSchulG BW

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 19.09.2019, Az. 1 BvR 2059/18, 1 BvR 1063/19 (REWIS RS 2019, 3419)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3419

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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