Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 06.03.2020, Az. 1 BvR 2862/16

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2020, 2764

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Neuregelungen zur Medizinischen Hochschule Hannover (Art 1 Nr 37 des niedersächsischen Gesetzes zur Stärkung der Beteiligungskultur innerhalb der Hochschulen ; § 63e NHG nF idF vom 15.12.2015) - keine Verletzung der Wissenschaftsfreiheit (Art 5 Abs 3 S 1 GG)


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

1. Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen Neuregelungen im Hochschulrecht des Landes zur [X.] ([X.]). Mit dem Gesetz zur Stärkung der Beteiligungskultur innerhalb der [X.]n vom 15. Dezember 2015 (Nds. [X.]) hat der Landesgesetzgeber auf die Entscheidung des [X.] (Beschluss des [X.] vom 24. Juni 2014 - 1 BvR 3217/07 -) reagiert, wonach das stark unternehmerisch angelegte Gesamtgefüge die Wissenschaftsfreiheit auch angesichts der Besonderheiten medizinischer [X.]n nicht wahrte ([X.] 136, 338). Der Beschwerdeführer ist derselbe wie im ersten Verfahren zur [X.]; er gehört dem [X.] als Vertreter der Gruppe der [X.] an.

2

2. Die hier angegriffenen Neuregelungen betreffen die Verteilung der Entscheidungskompetenzen zwischen [X.] und Vorstand in § 63e des [X.] ([X.]) in der Fassung vom 26. Februar 2007, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. September 2019 (Nds. [X.]). § 63e [X.] war mit dem [X.] Hochschulgesetz vom 26. Februar 2007 (Nds. [X.]) geschaffen worden und wurde durch Art. 1 Nr. 37 des [X.] der Beteiligungskultur innerhalb der [X.]n vom 15. Dezember 2015 (Nds. [X.] <388>) zum 1. Januar 2016 - und später nochmals - geändert; die letzte Änderung in 2019 ist für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung.

3

3. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, da noch immer eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit vorliege. Für zentrale Entscheidungen der Leitung der [X.] sei weiterhin nur das Benehmen mit dem [X.] vorgesehen. Das sei kein hinreichender Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen. Der Vorstand habe weitreichende Befugnisse, ohne dass der [X.] wissenschaftsinadäquate Strukturentscheidungen verhindern könne. Die Möglichkeit der Abwahl von Vorstandsmitgliedern sei defizitär, da eine Mehrheit von Dreiviertel der Mitglieder des [X.] vorgesehen sei.

4

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 [X.]). Ihr kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a [X.]), und ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]).

5

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. [X.] 90, 22 <24 f.>; 96, 245 <248>). Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe sind geklärt (speziell zur [X.]: [X.] 136, 338; zeitlich nachfolgend auch [X.] 139, 148).

6

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>), denn sie ist nicht begründet. Die Neuregelungen zur Organisation verletzen nach der erforderlichen Gesamtwürdigung im Ergebnis nicht die Anforderungen an den Schutz der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Der Gesetzgeber hat von dem ihm zustehenden Gestaltungsspielraum im Hochschulrecht in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise Gebrauch gemacht.

7

a) Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verpflichtet den Staat zu Schutz und Förderung wissenschaftlicher Betätigung und garantiert den in der Wissenschaft Tätigen zugleich die Teilhabe am Wissenschaftsbetrieb. Diese Mitwirkung ist kein Selbstzweck, sondern dient dem Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen (vgl. [X.] 136, 338 <362 f. Rn. 56> m.w.[X.]); im [X.] wissenschaftliche Entscheidungen sind der Wissenschaft selbst überlassen. Der Staat muss danach für funktionsfähige Institutionen eines freien universitären Wissenschaftsbetriebs sorgen und sicherstellen, dass das Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung so weit unangetastet bleibt, wie das unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist (vgl. [X.] 136, 338 <362 Rn. 55> m.w.[X.]; stRspr).

8

Zur [X.] bedarf es eines Gesamtgefüges, in dem Entscheidungsbefugnisse und Mitwirkungsrechte, Einflussnahme, Information und Kontrolle durch die wissenschaftlich Tätigen so beschaffen sind, dass Gefahren für die Freiheit von Lehre und Forschung vermieden werden (vgl. [X.] 136, 338 <363 Rn. 57>; 139, 148 <182 f. Rn. 68> m.w.[X.]). Dies ist insbesondere nach dem Gewicht der Entscheidungsbefugnisse zwischen kollegialen Selbstverwaltungsorganen und Leitungsorganen zu bewerten. Zwar genießt keines von beiden pauschal einen Vorrang. Je mehr, je grundlegender und je substantieller jedoch wissenschaftsrelevante personelle und sachliche Entscheidungsbefugnisse dem kollegialen Selbstverwaltungsorgan entzogen und einem Leitungsorgan zugewiesen werden, desto stärker muss im Gegenzug die Mitwirkung des [X.] an der Bestellung und Abberufung dieses Leitungsorgans und an dessen Entscheidungen ausgestaltet sein, damit Gefahren für die Freiheit von Lehre und Forschung vermieden werden (vgl. [X.] 111, 333 <356 f.>; 127, 87 <117 f.>; 136, 338 <365 f. Rn. 60 ff.>; 139, 148 <183 Rn. 68>). [X.] Entscheidungen betreffen insofern nicht nur konkrete Forschungsvorhaben oder Lehrangebote, sondern auch die Planung der weiteren Entwicklung einer Einrichtung und die Ordnungen, die für die Organisation gelten sollen; dazu gehören alle den Wissenschaftsbetrieb prägenden Entscheidungen über die Organisationsstruktur und den Haushalt (vgl. [X.] 136, 338 <364 Rn. 58> m.w.[X.]).

9

Der Gesetzgeber muss im hochschulorganisatorischen Gestaltungsspielraum zudem die weiteren Aufgaben der [X.]n berücksichtigen (vgl. [X.] 57, 70 <99>) und diese im Sinne praktischer Konkordanz aller grundrechtlich geschützten Belange (vgl. [X.] 136, 338 <368 Rn. 65> m.w.[X.]) in einen Ausgleich bringen. Insofern müssen die [X.] für medizinische Fakultäten und [X.]n nicht nur die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. [X.] 136, 338 <366 f. Rn. 62 f.>) und die Aufgaben der Berufsausbildung nach Art. 12 Abs. 1 GG, sondern auch den Schutz der Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG berücksichtigen (vgl. [X.] 57, 70 <98 ff.>; 136, 338 <362 Rn. 55, 366 Rn. 61>).

Das Verfahren zur Auswahl der Hochschulleitung sowie die Wahl selbst müssen ebenfalls mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG im Einklang stehen (vgl. [X.] 111, 333 <363>; 127, 87 <128 f.>; 139, 148 <183 Rn. 68>). Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit wird nicht verletzt, wenn der Staat an der Entscheidung über die Besetzung von Hochschulleitungen beteiligt ist (vgl. [X.] 111, 333 <362 f.>; zuletzt [X.] 139, 148 <182 f. Rn. 68> m.w.[X.]). Doch muss auch hier ein hinreichender Einfluss der Träger der Wissenschaftsfreiheit gewahrt werden (vgl. [X.] 111, 333 <362 f.>; 127, 87 <117, 129>; 136, 338 <365 Rn. 60>). Aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgt insofern kein Anspruch, über die Hochschulleitung ausschließlich selbst zu bestimmen (vgl. [X.] 111, 333 <365>; 127, 87 <129>), aber ein Mitentscheidungsrecht. Der Gesetzgeber darf im Übrigen bei einer Neubestellung eines Leitungsorgans berücksichtigen, ob das Vertretungsorgan akademischer Selbstverwaltung vorher mitgewirkt hat (vgl. [X.] 136, 338 <378 Rn. 88>); eine Abwahl muss wiederum umso selbstbestimmter sein, je höher Ausmaß und Gewicht der [X.] sind (vgl. [X.] 127, 87 <130 f.>; 136, 338 <365 Rn. 60>).

b) Das durch die hier angegriffenen Normen geprägte Gesamtgefüge der Organisation der [X.] genügt diesen Anforderungen. Der Gesetzgeber hat dem Vorstand der [X.] zwar weitreichende wissenschaftsrelevante Entscheidungsbefugnisse übertragen (aa), und der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des [X.] Landtags hatte deshalb insoweit zutreffend auf verfassungsrechtliche Bedenken hingewiesen (vgl. [X.], S. 16 f.). Die Entscheidungsbefugnisse des akademischen [X.] sind im Gesamtgefüge aber so ausgestaltet, dass jedenfalls ein maßgeblicher Einfluss auf Wahl und Abwahl des Vorstands als Leitung der [X.] gesichert ist (bb).

aa)Der Gesetzgeber hat die Mitwirkung des [X.] als Kollegialorgan der wissenschaftlich Tätigen an Entscheidungen des Vorstands mit der hier in Rede stehenden Neuregelung zumindest teilweise gestärkt.

(1) Nach den angegriffenen Regelungen ist der gesamte Vorstand als Leitung der [X.] nach § 63e Abs. 2 Nr. 2 [X.] n.F. zuständig für die Errichtung, Änderung, Zusammenlegung und Aufhebung von Organisationseinheiten sowie die Festlegung ihrer Aufgaben und Organisationsstrukturen. Das sind Entscheidungen über Forschung und Lehre (vgl. [X.] 35, 79 <123>; 136, 338 <370 Rn. 69>) auch dann, wenn sie ressortübergreifend fallen, weil sie zum Beispiel die Krankenversorgung betreffen.

An diesen Entscheidungen des Vorstands wirkt der akademische [X.] der [X.] nach § 63e Abs. 3 Satz 1 [X.] n.F. nur im Wege des Benehmens mit. So kann der [X.] wissenschaftsrelevante Organisationsentscheidungen im Sinne des § 63e Abs. 2 Nr. 2 [X.] n.F. nicht verhindern, denn dafür wäre ein Einvernehmen erforderlich (vgl. [X.] 136, 338 <373 f. Rn. 76>). Ein Einvernehmen fordert der Gesetzgeber nach § 63e Abs. 4 Satz 2 [X.] n.F. nur in bestimmten, in Satz 1 Nr. 1 bis 5 benannten, dem für Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglied zugewiesenen Fragen der Organisation und Weiterentwicklung von Forschung und Lehre, nach Satz 2 aber nur in "Angelegenheiten" von grundsätzlicher Bedeutung. Für Organisationsentscheidungen nach Abs. 2 Nr. 2 wollte der Gesetzgeber ausdrücklich kein Einvernehmen des [X.]. Er sah jedoch die Änderungen der Kreationsrechte des [X.] zur Findung, Bestellung und Entlassung des Vorstands als geeignet an, etwaige Mitwirkungsdefizite des [X.] auszugleichen (vgl. [X.], S. 16).

(2) Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1, § 41 Abs. 2 Satz 1 [X.] n.F. ist jede Zielvereinbarung zwingend ("aufgrund") an die Entwicklungsplanung der [X.] gebunden (vgl. [X.] 136, 338 <369 f. Rn. 68>). Der Abschluss von Zielvereinbarungen ist jetzt nicht mehr ohne gültige Entwicklungsplanung und damit nicht mehr ohne den [X.] möglich (vgl. [X.] 17/3949, [X.]3 f.). Das sichert den Einfluss der wissenschaftlich Tätigen durch ihre Vertretung im [X.] (vgl. [X.] 136, 338 <370 Rn. 68>), wo die Gruppe der [X.] nach § 16 Abs. 3 Satz 1 [X.] die Mehrheit der Stimmen hat und Entscheidungen zur Forschung zwingend diese Mehrheit benötigen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 [X.]).

Dem steht nicht entgegen, dass der Vorstand die Entwicklungsplanung vorbereitet (§ 37 Abs. 1 Satz 2 [X.] n.F.) und sein Einvernehmen mit der Entwicklungsplanung (§ 41 Abs. 2 Satz 1, § 63e Abs. 2 Nr. 1 [X.] n.F.) erklären muss. So kann der Vorstand die Entwicklungsplanung zwar blockieren. Das könnte der Gesetzgeber auch anders regeln. Doch fordert der Schutz vor strukturellen Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit in der [X.] kein Alleinentscheidungsrecht des [X.], sondern nur dessen gehaltvolle Mitwirkung. Verfassungsrechtlich ist entscheidend, dass der [X.] seine Befugnis tatsächlich zur Teilhabe an der Entwicklungsplanung nutzen kann (vgl. [X.] 136, 338 <370 Rn. 68>). Das ist hier mit der Bindungsregelung der Fall.

(3) An Entscheidungen des Vorstandsmitglieds für Forschung und Lehre nach § 63e Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] für die Organisation und Weiterentwicklung von Forschung und Lehre ist ein Einvernehmen des [X.] vorgegeben. Dies gilt nach § 63e Abs. 4 Satz 2 [X.] n.F. wiederum nur für Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung. Das entspricht den [X.] für [X.] und Fakultätsrat in § 41 Abs. 2 Satz 2 und § 44 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Danach haben alle Entscheidungen, die Forschung und Lehre nicht nur punktuell im Einzelfall betreffen, sondern finanzielle oder hochschul- oder fakultätspolitische Tragweite haben und insbesondere Organisationsentscheidungen grundsätzliche Bedeutung und müssen im Einvernehmen mit dem [X.] getroffen werden.

(4) Desgleichen sind die - eindeutig wissenschaftsrelevanten (vgl. [X.] 136, 338 <371 Rn. 71, 374 Rn. 77>) - Befugnisse des [X.] bestimmten Ressourcen (§ 63e Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 4 [X.]) bei grundsätzlicher Bedeutung an ein Einvernehmen des [X.] gebunden. Was über punktuelle Entscheidungen im Einzelfall hinausgeht, bedarf damit des Einvernehmens mit dem [X.]. Zudem ist die Entscheidung des Vorstandsmitglieds für Forschung und Lehre nach § 63a Abs. 3 Satz 1 [X.] n.F. daran gebunden, dass Mittel für Forschung und Lehre zweckentsprechend verwendet werden und allen wissenschaftlich Tätigen eine Mindestausstattung gesichert werden muss (vgl. [X.] 43, 242 <285>; 127, 87 <125>; stRspr).

bb) Die zwar gestärkte, aber weiterhin relativ geringe Mitwirkung des akademischen [X.] an eindeutig wissenschaftsrelevanten Leitungsentscheidungenist im Gesamtgefüge der Organisation zu bewerten. Sie wird hier durch Entscheidungsbefugnisse des [X.] selbst sowie durch seinen Einfluss auf die Kreation des Vorstands ergänzt. Damit ist insgesamt keine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit gegeben.

(1) Der Gesetzgeber hat dem akademischen [X.] der [X.] durchaus gewichtige Befugnisse zugewiesen.

Der [X.] kann in der [X.] über die Entwicklungsplanung entscheiden (§ 41 Abs. 2 Satz 1 [X.] n.F.). Sie bestimmt nach § 1 Abs. 3 Satz 2 [X.] die Entwicklungs- und Leistungsziele der [X.] in ihren Grundzügen. Damit ist sie zwar auf grobe Ziele beschränkt und darf nicht auf die operative Tätigkeit der Leitung übergreifen (vgl. [X.] 14/4142, [X.]), bindet den Vorstand aber. Dem steht nicht entgegen, dass die Entwicklungsplanung im Einvernehmen mit dem Vorstand erfolgen muss (§ 41 Abs. 2 Satz 1 [X.] n.F.).

Der [X.] hat zudem erheblichen Einfluss auf Berufungen (§ 26 Abs. 2 Satz 7, Abs. 4 Satz 2, § 26 Abs. 8 Satz 1 [X.] n.F.). Das schützt die aktuell wissenschaftlich Tätigen zwar nicht gegen freiheitsgefährdende Entscheidungen des Vorstands zu ihrer Forschung und Lehre, ist aber für die Entwicklung der [X.] von zentraler Bedeutung. Daneben stehen Befugnisse in Fragen der Gleichberechtigung und des Datenschutzes (§ 42 Abs. 1 Satz 6, Abs. 5 Satz 3, § 3 Abs. 1 Satz 3, § 17 Abs. 1, 2 Satz 2 [X.] n.F.).

Der [X.] ist weiter zuständig für Entscheidungen über die Mitwirkung der Mitglieder der [X.] an der Selbstverwaltung (§ 16 Abs. 2 Satz 3, 7 [X.]), Status und Rechte der Angehörigen der [X.] (§ 16 Abs. 4 [X.]), die Zusammensetzung des [X.] (§ 41 Abs. 4 Satz 2 [X.]), die Vertretung der Promovierenden (§ 9 Abs. 4 Satz 2 [X.] n.F.) und die Festlegung der Amtszeit der Studiendekanin oder des Studiendekans und die Freistellung von deren Aufgaben als Professorin oder Professor (§ 43 Abs. 3 Satz 4, 5 [X.]). Auch insoweit haben die wissenschaftlich Tätigen also Einfluss.

Zu berücksichtigen ist im Gesamtgefüge schließlich die Rechenschaftspflicht des Vorstands sowie das Informationsrecht des [X.] und sein Recht zu Stellungnahmen (§ 41 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1, § 41 Abs. 2 Satz 2 [X.]), da sie eine Kontrolle der Tätigkeit des Vorstands ermöglichen.

(2) Neben den [X.] hat der Gesetzgeber dem [X.] gewichtige Befugnisse bei der Wahl und Abwahl des Vorstands zugewiesen.

(a) Für eine Abwahl von Vorstandsmitgliedern ist - anders als nach der verfassungsgerichtlich beanstandeten Vorgängerregelung (vgl. [X.] 136, 338 <380 f. Rn. 95>) - kein wichtiger Grund mehr erforderlich. Es genügt allerdings weiterhin erst eine Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen im [X.] (§ 40 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 63c Abs. 2 [X.] n.F.; vgl. [X.] 136, 338 <370 Rn. 69> mit Verweis auf [X.] 35, 79 <132 f.>). Diese Dreiviertelmehrheit ist eine hohe Hürde. Doch ist eine solche Hürde auch zu rechtfertigen (vgl. [X.] 111, 333 <364>). Sie schützt die Person und die Institution vor leichtfertigen Entscheidungen.

Die Befugnisse des [X.] werden auch nicht dadurch eingeschränkt, dass an der Abwahl eines Vorstandsmitglieds der Hochschulrat beteiligt ist (vgl. insoweit [X.] 136, 338 <379 Rn. 93>). Der Hochschulrat muss den Vorschlag, ein Vorstandsmitglied zu entlassen, bestätigen (§ 40 Satz 2 i.V.m. § 63c Abs. 2 [X.] n.F.). Nach einer gemeinsamen Sitzung von [X.] und Hochschulrat darf der [X.] jedoch im Regelfall abschließend entscheiden (§ 40 Satz 3, 4 i.V.m. § 63c Abs. 2 [X.] n.F.; dazu [X.] 17/3949, [X.]3). Die Sonderregelung für die Entlassung des [X.], wonach der Hochschulrat die Entlassung zwingend bestätigen muss (§ 63c Abs. 2 [X.] n.F.), lässt sich rechtfertigen, um den besonderen Belangen des Krankenversorgungsauftrags Rechnung zu tragen (vgl. [X.] 136, 338 <380 Rn. 94>).

Das Mitwirkungsrecht des [X.] wird auch nicht dadurch unzulässig beschränkt, dass für die Entlassung der Vorstandsmitglieder nach § 48 Abs. 1 [X.] das Fachministerium zuständig ist. Es darf der Entlassung nur widersprechen, wenn rechtlich tragfähige Gründe vorliegen, diese also von einem die Wissenschaft als Bereich autonomer Verantwortung achtenden, entsprechend gewichtigen öffentlichen Interesse getragen sind (vgl. [X.] 136, 338 <377 Rn. 83>).

(b) Im Gesamtgefüge sind auch die geänderten Vorgaben zu den [X.] für die Vorstandsmitglieder (vgl. [X.], [X.] f.) zu berücksichtigen.

(1) Die [X.], das nach § 63b Satz 4 Nr. 1 [X.] für Forschung und Lehre zuständig ist und als Präsident oder Präsidentin wirkt, gibt den [X.]mitgliedern die Hälfte der Stimmen (Anlage 1 Nr. 1 [X.] n.F.). Das sind zwar nicht zwingend die [X.], doch kann die Wahl auch nicht gegen den Willen dieser Gruppe erfolgen, da sie nach § 16 Abs. 3 Satz 1 [X.] im [X.] die Mehrheit der Stimmen hat. Damit ist sichergestellt, dass für das Wissenschaftsressort keine Person vorgeschlagen werden kann, die nicht das Vertrauen der wissenschaftlich Tätigen genießt (vgl. [X.] 136, 338 <378 Rn. 85>).

(2) Der [X.], das nach § 63b Satz 4 Nr. 3 [X.] für Wirtschaftsführung und Administration zuständig ist, gehören vier Mitglieder an. Sie werden nach Anlage 1 Nr. 3 Buchst. a [X.] n.F. vom [X.] aus seiner Mitte gewählt. Sie können eine Entscheidung verhindern, da sie in der [X.] die Hälfte der Stimmen haben. Damit kommen die Belange der Wissenschaft auch hier ausreichend zur Geltung (vgl. [X.] 136, 338 <378 Rn. 87>).

(3) In der [X.], das nach § 63b Satz 4 Nr. 2 [X.] für die Krankenversorgung zuständig ist, muss aufgrund der Verzahnung der Krankenversorgung mit der Forschung und Lehre ein Einfluss der wissenschaftlich Tätigen vorhanden sein, jedoch nicht ausschlaggebend (vgl. [X.] 136, 338 <378 Rn. 86>).

(c) Schließlich sind die Vorgaben zur Wahl der Vorstandsmitglieder als Leitung der [X.] von Bedeutung.

Nach den neuen Regelungen schlägt der [X.] eine Person vor (§ 38 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 63c Abs. 1 Satz 1 [X.] n.F.). Der Hochschulrat hat nach § 38 Abs. 2 Satz 4, 6 in Verbindung mit § 63c Abs. 1 Satz 1 [X.] n.F. ein Recht zur gemeinsamen Erörterung mit dem [X.] und zur Stellungnahme. Das Fachministerium bestellt das Vorstandsmitglied nach § 38 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 63c Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 [X.].

Damit kommt den wissenschaftlich Tätigen bei der Wahl des Vorstands ausschlaggebender Einfluss zu. Für den Vorschlag des [X.] hat die Gruppe der [X.] die Stimmmehrheit (§ 16 Abs. 3 Satz 1 [X.]). Dieser Einfluss wird durch die Beteiligung von Hochschulrat und Fachministerium nicht entwertet. Der Hochschulrat handelt nicht rechtsverbindlich, und das Fachministerium ist rechtlich gebunden (vgl. [X.] 136, 338 <377 Rn. 83>).

Auch auf eine Bestellung der Vorstandsmitglieder für eine weitere Amtszeit hat die Wissenschaft selbst erheblichen Einfluss. Sie ist nach § 38 Abs. 4 Satz 4 in Verbindung mit § 63c Abs. 1 Satz 5 [X.] n.F. nur mit Zustimmung von [X.] und Hochschulrat möglich. Gegen den Willen der Mehrheit im [X.] kann sie damit nicht erfolgen.

cc) Insgesamt hat der Gesetzgeber damit ein Gesamtgefüge geschaffen, das eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit nicht erkennen lässt.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 2862/16

06.03.2020

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

Art 5 Abs 3 S 1 GG vom 15.12.2015, Art 1 Nr 37 HSchulGÄndG ND 7, § 63e Abs 2 Nr 2 HSchulG ND 2007 vom 15.12.2015, § 63e Abs 2 Nr 3 HSchulG ND 2007 vom 15.12.2015, § 63e Abs 3 HSchulG ND 2007 vom 15.12.2015, § 63e Abs 4 S 1 Nr 1 HSchulG ND 2007 vom 15.12.2015, § 63e Abs 4 S 1 Nr 2 HSchulG ND 2007 vom 15.12.2015, § 63e Abs 4 S 1 Nr 4 HSchulG ND 2007 vom 15.12.2015, § 63e Abs 4 S 2 HSchulG ND 2007 vom 15.12.2015

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 06.03.2020, Az. 1 BvR 2862/16 (REWIS RS 2020, 2764)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2764

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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