Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 16.02.2023, Az. IX ZR 189/21

9. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 1476

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Gegenstand

Notwendigkeit einer Unterzeichnung von Vergütungsabrechnungen durch einen ehemaligen Rechtsanwalt


Leitsatz

Ein Rechtsanwalt ist auch nach seinem Ausscheiden aus der Anwaltschaft berechtigt und verpflichtet, zur Einforderung seiner Vergütung außerhalb eines Kostenfestsetzungsverfahrens entsprechende Berechnungen zu unterzeichnen und den Auftraggebern mitzuteilen, wenn ein Abwickler nicht bestellt oder der bestellte Abwickler insoweit nicht tätig geworden ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - IX ZR 85/03, WM 2004, 2222, 2223).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 15. Zivilsenats in [X.] des [X.] vom 7. Oktober 2021 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte ist ein Gesellschafter der [X.] (im Folgenden: [X.]), welche den Kläger im Jahr 2013 mit [X.] beauftragt hatte. Der seit dem 9. Juni 2015 nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassene Kläger erstellte für seine der [X.] erbrachten Leistungen am 28. Dezember 2015 zwei Rechnungen und am 27. Dezember 2016 weitere 17 Rechnungen. Den Unterschriften des [X.] auf den Rechnungen vom 28. Dezember 2015 ist anders als auf den Rechnungen vom 27. Dezember 2016 maschinenschriftlich der Zusatz "Rechtsanwalt" angefügt.

2

Der Kläger hat am 31. Dezember 2015 Mahnbescheide bezüglich der Rechnungen aus dem [X.] allein gegen die [X.] und am 31. Dezember 2016 bezüglich der übrigen Rechnungen beantragt und die [X.] sowie gesamtschuldnerisch unter anderem den Beklagten in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Mahnbescheide erlassen und der [X.] zugestellt.

3

Der Kläger verlangt mit seiner Klage die der [X.] in Rechnung gestellten Honorare und Auslagen in Höhe von insgesamt 95.406,89 €. Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Forderungen weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Entscheidung hat infolge der Säumnis des Beklagten durch Versäumnisurteil zu ergehen, beruht aber inhaltlich auf einer Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81 f).

I.

5

Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss angenommen, dem Kläger stehe der geltend gemachte Honoraranspruch gegen den Beklagten nicht zu, weil er seiner Mandantschaft keine ordnungsgemäße Abrechnung der Vergütung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgelegt habe und damit die streitigen Vergütungsansprüche schon nicht einforderbar seien. Die mit der Unterzeichnung der [X.] bezweckte Übernahme der strafrechtlichen, zivilrechtlichen und standesrechtlichen Verantwortung erfordere es, dass der Unterzeichner zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sei. Infolge der Beendigung seiner Zulassung sei der Kläger nicht mehr zur wirksamen Unterzeichnung der hier interessierenden [X.] als Rechtsanwalt in der Lage gewesen.

II.

6

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

7

1. Der Senat hat zu § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] entschieden, dass der ehemalige Rechtsanwalt als Gläubiger seiner Vergütungsansprüche auch nach dem Ausscheiden aus der Anwaltschaft berechtigt und verpflichtet ist, zur Einforderung dieser Ansprüche außerhalb eines Kostenfestsetzungsverfahrens entsprechende Berechnungen zu unterzeichnen und den Auftraggebern mitzuteilen, wenn der bestellte Abwickler insoweit nicht tätig geworden ist ([X.], Urteil vom 6. Mai 2004 - [X.], [X.], 2222, 2223; [X.] in Bischof/​Jungbauer/[X.]/Hellstab/Klipstein/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 10 Rn. 17; [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 10 Rn. 10; [X.], Kostenrecht, 52. Aufl., § 10 [X.] Rn. 11; [X.]/Nöker, [X.], 10. Aufl., § 55 Rn. 45b; [X.]/[X.] in Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl., § 2 Rn. 418). Ob vorliegend überhaupt ein Abwickler bestellt worden war, haben die Vorinstanzen nicht festgestellt, allerdings ist in Bezug auf die hier eingeforderten Gebühren allein der Kläger tätig geworden.

8

2. An dieser Rechtslage hat sich durch Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes gemäß Art. 3, 8 Satz 1 des [X.] vom 5. Mai 2004 (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, BGBl. I S. 718) nichts geändert; denn § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] stimmt mit § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] wörtlich überein. Auch die Gesetzesmaterialien zu § 10 [X.] halten fest, dass die Vorschrift über die Form der Rechnung § 18 [X.] entspricht (BT-Drucks. 15/1971, [X.]). Schließlich ist kein sachlicher Grund ersichtlich, einem ehemaligen Rechtsanwalt die Geltendmachung seiner Gebühren in formaler Sicht dadurch zu erschweren, dass allein für die Unterzeichnung der Berechnung ein Abwickler bestellt oder sonstwie ein zugelassener Rechtsanwalt beauftragt werden müsste.

9

3. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Funktion der Unterzeichnung greifen zu kurz. Die standesrechtliche Verantwortung scheidet aus, wenn der [X.] nicht mehr Rechtsanwalt ist. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines ehemals anwaltlichen [X.]s endet nicht damit, dass er nicht mehr nach dem leichteren Amtsdelikt des § 352 StGB (zur Privilegierung vgl. [X.], Urteil vom 6. September 2006 - 5 [X.], [X.], 3219, 3221 Rn. 18) zu bestrafen ist, sondern allgemeine Straftatbestände, insbesondere derjenige des Betruges (§ 263 StGB), eingreifen können. Zivilrechtlich bleibt der Beauftragte aus dem Anwaltsdienstvertrag nachwirkend verpflichtet, obwohl seine Zulassung zur Anwaltschaft erloschen ist. Das gilt gerade auch für die richtige und billige Einforderung noch offener Vergütungen und die dazu gehörige Mitteilung der Berechnung ([X.], Urteil vom 6. Mai 2004, aaO).

III.

Der angefochtene Beschluss erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - die vom [X.] bejahte Frage der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB) offen gelassen. Auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des [X.] ist keine Verjährung eingetreten.

1. Das [X.] hat außer [X.] gelassen, dass § 129 Abs. 1 HGB sinngemäß für die [X.] gilt ([X.], Urteil vom 22. März 2011 - [X.], [X.], 1036 Rn. 9 mwN). Nimmt ein Gläubiger - hier der Kläger - wegen einer Verbindlichkeit der [X.] einen [X.]er - hier den Beklagten - entsprechend § 128 HGB in Anspruch, so kann dieser Einwendungen und Einreden gegen die [X.] nicht mehr erheben, wenn sie der [X.] nicht mehr zustehen. Insbesondere wirkt eine Hemmung der Verjährung der [X.] zu Lasten des [X.]ers ([X.], Urteil vom 12. September 2019 - [X.], [X.], 2019, 2021 Rn. 34 mwN).

2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen der Klage behauptete anwaltliche Tätigkeiten in der zweiten Hälfte des Jahres 2013 zugrunde, für welche die Vergütungsansprüche laut den Feststellungen des [X.]s noch im selben Jahr fällig im Sinne von § 8 Abs. 1 [X.] wurden, so dass die Verjährungsfrist von drei Jahren ohne Rücksicht auf die Mitteilung der Berechnung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 [X.]) gemäß §§ 195, 199 BGB mit dem Schluss des Jahres 2013 begann und mit Ablauf des 31. Dezember 2016 vollendet gewesen wäre. Die am 31. Dezember 2015 hinsichtlich der Rechnungen aus dem [X.] und am 31. Dezember 2016 auch bezüglich der übrigen Rechnungen eingegangenen Mahnanträge des [X.] gegen die [X.] haben die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB rechtzeitig gehemmt, da die Zustellungen an die [X.] am 9. Januar 2016 und am 7. Januar 2017 und damit demnächst im Sinne von § 167 ZPO erfolgt sind.

3. Da es insoweit an Feststellungen der Vorinstanzen fehlt, ist revisionsrechtlich auf Grund des Vorbringens des [X.] in der Berufungsbegründung zu unterstellen, dass das Mahngericht den Kläger am 22. Januar 2016 von der Zustellung in Bezug auf die Rechnungen aus dem [X.] in Kenntnis gesetzt hat, die Verjährung damit gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB bis zum Ablauf des 22. Juli 2016 gehemmt geblieben und bis zum 22. Juli 2017 weitergelaufen ist. Durch die gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags am 10. Juli 2017 zurückwirkende Zustellung des weiteren Mahnbescheids gegen den Beklagten am 22. Juli 2017 ist die Verjährung gegenüber dem Beklagten rechtzeitig erneut gehemmt worden. Im Übrigen ist zu beachten, dass der Schuldner die Beweislast dafür trägt, dass die eingetretene Hemmung infolge [X.] beendet worden ist ([X.]/[X.], 9. Aufl., § 204 Rn. 88; [X.]/[X.], BGB, 82. Aufl., § 204 Rn. 55; vgl. auch [X.], Urteil vom 22. Juli 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1604, 1608 Rn. 28). Ein Schriftsatz des Beklagten ist indessen im Berufungsverfahren nicht zu den Akten gelangt.

4. Ebenso ist hinsichtlich des die Rechnungen aus dem [X.] betreffenden [X.] vom 31. Dezember 2016 in der Revisionsinstanz zu unterstellen, dass die Verjährung infolge des Eingangs der Zustellungsnachricht beim Kläger am 19. Januar 2017 gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB bis zum Ablauf des 19. Juli 2017 gehemmt war und noch innerhalb dieser Frist die auf den 10. Juli 2017 zurückwirkende Zustellung an den Beklagten als zweiten Antragsgegner am 18. Juli 2017 bewirkt worden war.

IV.

Der angefochtene Beschluss ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Sollte auf Grund der im wiedereröffneten zweiten Rechtszug nachzuholenden Feststellungen keine Verjährung eingetreten sein, wird das Berufungsgericht nunmehr in die weitere Prüfung der Gebührenforderungen des [X.] einzutreten haben.

Schoppmeyer     

  

Möhring     

  

Röhl

  

Harms     

  

Weinland     

  

[X.] vom 16. Februar 2023

Tenor:

Das Versäumnisurteil vom 16. Februar 2023 wird gemäß § 319 Abs. 1 ZPO dahin berichtigt, dass vor den Unterschriften folgende Rechtsbehelfsbelehrung eingefügt wird:

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem [X.], Herrenstraße 45 a, [X.], durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Schoppmeyer     

  

Möhring     

  

Röhl

  

Harms     

  

Weinland     

  

Meta

IX ZR 189/21

16.02.2023

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 7. Oktober 2021, Az: 15 U 299/20

§ 204 Abs 1 Nr 3 BGB, § 204 Abs 2 S 2 BGB, § 214 Abs 1 BGB, § 18 Abs 1 S 1 BRAGebO, § 129 Abs 1 HGB, § 10 Abs 1 S 1 RVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 16.02.2023, Az. IX ZR 189/21 (REWIS RS 2023, 1476)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1476

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