Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.03.2016, Az. 20 W (pat) 6/12

20. Senat | REWIS RS 2016, 14617

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Verstärker" – zur notwendigen Bestellung eines Inlandsvertreters - zum Erfordernis der Vorlage einer Vollmachtsurkunde im Original


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2004 004 609.3

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2016 durch den Vorsitzenden [X.]. Dr. [X.], [X.] und [X.] sowie die Richterin Dorn

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

D1 EP 1 067 679 [X.] nicht mehr neu sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss der Prüfungsstelle verwiesen.

2

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 5. Dezember 2011 eingelegte Beschwerde der Anmelderin mit Sitz in [X.], die durch Patentanwalt [X.], Patent- und Rechtsanwälte [X.] in M…, unterzeichnet wurde.

3

Der Senat hat mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2016 eine [X.] der Beschwerdeführerin gemäß § 25 [X.] angefordert und darauf hingewiesen, dass die schriftliche Vollmachtsurkunde dem [X.] spätestens im Termin zur mündlichen Verhandlung im Original vorzulegen ist und mindestens den im Gesetzestext beschriebenen Umfang haben muss, gleichzeitig erfolgte ein Hinweis auf die Folgen der Nichtbestellung eines Inlandsvertreters. Bis zum Ende der mündlichen Verhandlung am 14. März 2016 um 9:45 Uhr lag keine entsprechende Vollmacht vor. Für die Anmelderin ist niemand zum Termin erschienen.

4

Der Bevollmächtigte der Anmelderin hat mit [X.] vom 5. Dezember 2011 sinngemäß beantragt,

5

den Beschluss der Prüfungsstelle für [X.] des [X.] vom 7. Oktober 2011 aufzuheben und das nachgesuchte Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

6

Patentansprüche:

7

Patentansprüche 1 bis 22 vom Anmeldetag (29.01.2004)

8

Beschreibung:

9

Beschreibungsseiten 1 bis 20 vom Anmeldetag (29.01.2004)

Zeichnungen:

 Figuren 1 bis 11 vom Anmeldetag (29.01.2004)

 

Patentansprüche 1 bis 22 vom 13.08.2007, beim [X.] eingegangen am selben Tag

Beschreibungsseiten 2 und 2a vom 13.08.2007, beim [X.] eingegangen am selben Tag

Beschreibungsseiten 1 und 3 bis 20 vom Anmeldetag (29.01.2004)

Patentansprüche 1 bis 19 vom 22.09.2011, beim [X.] eingegangen am selben Tag

Beschreibungsseiten 2 und 8 vom 22.09.2011, beim [X.] eingegangen am selben Tag

Beschreibungsseite 2a vom 13.08.2007, beim [X.] eingegangen am selben Tag

Beschreibungsseiten 1, 3 bis 7 und 9 bis 20 vom Anmeldetag (29.01.2004)

Patentansprüche 1 bis 19, überreicht in der Anhörung vor dem [X.] am 07.10.2011 Beschreibung wie Hilfsantrag 2

Zeichnungen jeweils wie Hauptantrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die statthafte Beschwerde ist unzulässig, da es die Beschwerdeführerin trotz ausdrücklicher Aufforderung versäumt hat, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die erforderliche Bestellung eines Inlandsvertreters nachzuweisen.

Nach § 25 Abs. 1 [X.] benötigt jeder, der an einem im [X.] geregelten Verfahren vor dem [X.] oder [X.] teilnimmt und im Inland weder einen Wohnsitz, Sitz noch eine Niederlassung hat, einen Inlandsvertreter, der zur Vertretung im Verfahren vor dem Patentamt, dem Patentgericht und in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die das Patent betreffen, sowie zur Stellung von [X.] bevollmächtigt ist. Der Beginn der Teilnahme im obigen Sinn besteht in der Vornahme der Verfahrenshandlung, die das jeweilige Verfahren – hier das Beschwerdeverfahren – in Gang setzt ([X.], [X.], 9. Aufl., § 25 Rn. 21), im vorliegenden Fall also mit der Einreichung der Beschwerde. Die Bestellung des Inlandsvertreters erfolgt regelmäßig durch Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde im Original, deren Mindestumfang sich aus § 25 Abs. 1 [X.] ergibt ([X.], a. a. [X.], § 25 Rn. 31).

Die notwendige Bestellung eines Inlandsvertreters gemäß § 25 Abs. 1 [X.] ist eine zwingende Verfahrensvoraussetzung für den sachlichen Fortgang des anhängigen Verfahrens ([X.] 69, 246 – Inlandsvertreter; [X.], a. a. [X.], § 25 Rn. 41). Die ohne Vertreterbestellung vorgenommenen Handlungen sind nicht unwirksam, sondern mit einem (behebbaren) Mangel behaftet. Die Bestellung muss aber spätestens bis zum Erlass der Entscheidung in der Sache nachgeholt werden (vgl. [X.], [X.], 10. Aufl., § 25 Rn. 24). Wird der Mangel des fehlenden Inlandsvertreters im Anmeldeverfahren trotz Aufforderung bis zur Sachentscheidung nicht behoben, führt dies in einseitigen Verfahren zur Zurückweisung der Anmeldung. Eine eingelegte Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (B[X.], Beschluss vom 18. Januar 2016 – 20 W (pat) 52/13; B[X.], Beschluss vom 20. Mai 2015 – 20 W (pat) 13/11; B[X.], Beschluss vom 27. Oktober 2011 –21 W (pat) 6/07; B[X.], Beschluss vom 16. November 2010 – 21 W (pat) 10/08; B[X.], Beschluss vom 8. Oktober 2014 – 29 W (pat) 542/12 [Markenbeschwerde]; [X.], a. a. [X.], § 25 Rn. 42; [X.], a. a. [X.], § 25 Rn. 29).

Eine allgemeine Prozessvollmacht, die lediglich zur Vertretung vor dem [X.] ermächtigt, umfasst die Bestellung zum Inlandsvertreter nicht (B[X.], Beschluss vom 18. Januar 2016 – 20 W (pat) 52/13; B[X.], Beschluss vom 20. Mai 2015 – 20 W (pat) 13/11; B[X.], Beschluss vom 16. November 2010 – 21 W (pat) 10/08; [X.], a. a. [X.], § 25 Rn. 31).

Die Beschwerdeführerin hat ihren Sitz in [X.]. Es wurde weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie im Inland eine Niederlassung [X.] § 21 ZPO hat. Demzufolge hätte die Beschwerdeführerin im Inland einen Patent- oder Rechtsanwalt als Vertreter mit einer Vollmacht bestellen müssen, die den Anforderungen des § 25 Abs. 1 [X.] entspricht. Bis zur Entscheidung über die Beschwerde ist jedoch trotz ausdrücklichen Hinweises des Senats in der Ladung keine entsprechende schriftliche Vollmachtsurkunde zu den Akten gelangt.

Von der Vorlage konnte auch nicht deshalb abgesehen werden, weil als Bevollmächtigte hier Patentanwälte aufgetreten sind. Zwar wird vom 23. Senat des [X.]s die Meinung vertreten, dass der in § 97 Abs. 6 Satz 2 [X.] zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, wonach die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nicht erforderlich ist, wenn als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt oder Patentanwalt auftritt und weder Anhaltspunkte für einen Mangel der Vollmacht erkennbar sind noch ein solcher gerügt wurde, auch anwendbar sei, wenn es gemäß § 25 [X.] eines Inlandsvertreters bedürfe und vor dem [X.] ein Rechts- oder Patentanwalt als Bevollmächtigter auftrete (B[X.], Beschluss vom 20. März 2014 – 23 W (pat) 9/10, B[X.]E 54, 276, 278 = [X.] 2014, 367, 368 - Zickzackabtastpfad). Begründet wird die Entscheidung damit, dass § 25 Abs. 1 [X.] in Bezug auf die Vorlage einer Vollmachtsurkunde keine Regelung treffe, die als lex specialis der allgemeinen Regelung des § 97 Abs. 6 Satz 2 [X.] vorgehen könne, insbesondere finde sich in § 25 [X.] keine Regelung, dass die [X.] schriftlich vorgelegt werden müsse; eine Vorschrift über den Nachweis der Vollmacht enthielten allein § 97 Abs. 5 und 6 [X.]. Eine andere Rechtsauslegung würde auch zu einem Wertungswiderspruch in Bezug auf die im Wortlaut fast übereinstimmende Regelung des § 88 Abs. 2 ZPO führen, der § 97 Abs. 6 Satz 2 [X.] nachgebildet sei und wonach selbst dann die Vorlage einer schriftlichen Prozessvollmacht für einen Rechtsanwalt nicht erforderlich sei, wenn der Vertretene – etwa im Verfahren vor dem [X.] – nicht postulationsfähig sei. Es sei nicht einzusehen, warum im Verfahren vor dem [X.] strengere Voraussetzungen gelten sollten als im Zivilprozess mit Anwaltszwang (B[X.] a. a. [X.]).

Dieser Ansicht kann sich der erkennende Senat nicht anschließen. Vielmehr ist nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des Senats bei Erforderlichkeit eines Inlandsvertreters nach § 25 Abs. 1 [X.] auch dann eine entsprechende [X.] (im Original) vorzulegen, wenn ein Rechts- oder Patentanwalt am Verfahren beteiligt ist. Denn als in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachtende Verfahrensvoraussetzung unterliegt die Vollmacht [X.] § 25 Abs. 1 [X.] nicht wie allgemeine Verfahrensvollmachten der eingeschränkten Prüfung nach § 97 Abs. 6 Satz 2 [X.], vielmehr geht § 25 Abs. 1 [X.] als lex specialis der allgemeineren Regelung des § 97 Abs. 6 Satz 2 [X.] vor (B[X.], Beschluss vom 18. Januar 2016 – 20 W (pat) 52/13; B[X.], Beschluss vom 20. Mai 2015 – 20 W (pat) 13/11; vgl. auch B[X.], Beschluss vom 11. Januar 2011 – 21 W (pat) 1/07; B[X.], Beschluss vom 27. Oktober 2011 – 21 W (pat) 6/07; B[X.], Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 29 W (pat) 542/12 [zu den gleichlautenden Vorschriften der § 96 Abs. 1, § 81 Abs. 6 [X.]]); [X.] a. a. [X.], § 97 Rn. 5; Busse/Baumgärtner, [X.], 7. Aufl., § 25 Rn. 28; [X.]/[X.] GRUR 2012, 674 und [X.], 550). Dies wird im Übrigen auch durch die Regelung in § 97 Abs. 1 Satz 2 [X.] klargestellt, wonach § 25 [X.] unberührt bleibt. Da der Hinweis auf § 25 [X.] gleich zu Beginn des § 97 [X.] erfolgt, wird deutlich, dass die Regelungen zum Inlandsvertreter von den weiteren Absätzen des § 97 [X.] ebenfalls nicht berührt werden (B[X.], Beschluss vom 18. Januar 2016 – 20 W (pat) 52/13; B[X.], Beschluss vom 20. Mai 2015 – 20 W (pat) 13/11).

Eine Anwendung des in § 97 Abs. 6 Satz 2 [X.] zum Ausdruck kommenden o. g. Rechtsgedankens verbietet sich nach Auffassung des Senats auch aufgrund der Wertung des Gesetzgebers, die aus der im Jahre 2001 vorgenommenen Neufassung des § 25 [X.] hervorgeht. So lautete die relevante Regelung in § 25 [X.] in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung:

Durch diese Formulierung konnte der – nach Auffassung des Gesetzgebers unzutreffende – Eindruck entstehen, dass ein Inlandsvertreter stets berechtigt sei, in allen genannten gerichtlichen Verfahren als Vertreter aufzutreten, mithin [X.] auch bei Verfahren, bei denen [X.] herrscht (vgl. Gesetzesbegründung in [X.] 14/6203 vom 31. Mai 2001, Seite 61, rechte Spalte vorletzter Absatz). Die Befugnis zur Vertretung in Verfahren vor dem Patentamt oder dem Patentgericht und in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die das Patent betreffen, und zur Stellung von [X.] wäre dann unmittelbar Ausfluss der Bevollmächtigung als solcher gewesen.

Durch Art. 7 Nr. 9 des [X.] auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 ([X.]) wurde die Vorschrift des § 25 [X.] dahingehend geändert, dass sie nun in der hier relevanten Passage lautet:

Damit wurde klargestellt, dass es für die Wirksamkeit der Bestellung eines Inlandsvertreters auf den in § 25 Abs. 1 [X.] konkret genannten Umfang der rechtsgeschäftlichen Vollmacht ankommt. An die Bevollmächtigung sind also - anders als bei der allgemeinen Prozessvollmacht vor dem [X.] (§ 97 [X.]) - besondere Anforderungen zu stellen. Aus diesem Grund muss die wirksame Bestellung als Inlandsvertreter durch Einreichung einer entsprechenden schriftlichen Vollmacht im Original nachgewiesen werden, auch wenn dies nicht unmittelbar aus § 25 [X.] hervorgeht. Nur so kann das [X.] bei Erforderlichkeit eines Inlandsvertreters auch feststellen, ob die zwingende Verfahrensvoraussetzung des § 25 Abs. 1 [X.] erfüllt ist. Eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 97 Abs. 6 Satz 2 [X.] auf die [X.] würde zu dieser gesetzgeberischen Wertung im Widerspruch stehen und ist daher nach Ansicht des Senats abzulehnen (B[X.], Beschluss vom 18. Januar 2016 – 20 W (pat) 52/13; B[X.], Beschluss vom 20. Mai 2015 – 20 W (pat) 13/11).

Der unterlassene Nachweis der Bestellung eines Inlandsvertreters führt zur Unzulässigkeit der Beschwerde, die daher gemäß § 79 Abs. 2 [X.] zu verwerfen war.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kann vorliegend ferner dahingestellt bleiben, ob der elektronisch erstellte und signierte Beschluss des [X.] möglicherweise an [X.] leidet (vgl. B[X.], Beschluss vom 12. Mai 2014 – 20 W (pat) 28/12 – u. a. im Hinblick auf das Erfordernis einer signierten Urschrift in der elektronischen Akte).

III.

Die Rechtsbeschwerde war zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 100 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Denn der erkennende Senat weicht aus o. g. Gründen hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit der Regelung des § 97 Abs. 6 Satz 2 [X.] auf eine [X.] nach § 25 Abs. 1 [X.] von der Entscheidung des 23. Senats (Beschluss vom 20. März 2014 -23 W (pat) 9/10), in der dies bejaht wurde, ab. Eine höchstrichterliche Entscheidung des [X.] hierzu liegt noch nicht vor. Die in den o. g. Beschwerdeverfahren 20 W (pat) 13/11 und 20 W (pat) 52/13 vom erkennenden Senat aus dem gleichen Grund jeweils zugelassene Rechtsbeschwerde wurde nicht bzw. bislang nicht eingelegt.

Meta

20 W (pat) 6/12

14.03.2016

Bundespatentgericht 20. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.03.2016, Az. 20 W (pat) 6/12 (REWIS RS 2016, 14617)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14617

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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