Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.11.2016, Az. 9 W (pat) 24/12

9. Senat | REWIS RS 2016, 2109

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Gegenstand

(Patentbeschwerdeverfahren – "Nebenaggregat-Antriebssystem mit variabler Drehzahl für ein Hybridfahrzeug" – auswärtiger Beteiligter - notwendige Bestellung eines Inlandsvertreters – § 25 Abs. 1 PatG ist lex specialis zu § 97 Abs. 6 S. 2 PatG - Verfahrensvoraussetzung)


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2007 039 419.7

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie [X.], [X.] und Dr.- Ing. Geier

beschlossen:

Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Die Anmelderin hat am 21. August 2007 eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung

2

"Nebenaggregat-Antriebssystem mit variabler Drehzahl für ein Hybridfahrzeug"

3

eingereicht.

4

Mit Beschluss vom 23. Februar 2011 hat die Prüfungsstelle für Klasse B 60 K des [X.] die Anmeldung wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.

5

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde, eingegangen am 18. April 2011. Außerdem hat sie den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gestellt. In der Beschwerdebegründung bemängelt sie, dass der Prüfer trotz veränderter Ansprüche die beantragte Anhörung mit der Begründung versagt habe, dass es sich nur um Klarstellungen gehandelt habe.

6

Vor der mündlichen Verhandlung hat der [X.] die Anmelderin, die mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2016 ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und ihr Nichterscheinen zum anberaumten Termin angekündigt hat, mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2016 unter Fristsetzung von zwei Wochen aufgefordert, die erforderliche Inlandsvertretervollmacht gemäß § 25 [X.] für den Vertreter vorzulegen. Auf vorherige telefonische Nachfrage hatte der Vertreter dem juristischen Mitglied des [X.]s mitgeteilt, dass ihm eine solche nicht vorliege. Sie ist auch nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu den Akten gelangt.

7

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

8

Die Beschwerde ist zwar statthaft, jedoch nicht im Übrigen zulässig. Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört bei ausländischen Anmeldern und Beschwerdeführern die Vorlage einer Inlandsvertretervollmacht gemäß § 25 Abs. 1 [X.], die der Vertreter der ausländischen Beschwerdeführerin trotz wiederholter Aufforderung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht eingereicht hat.

9

Nach § 25 Abs.1 [X.] kann, wer im Inland weder Wohnsitz, Sitz noch Niederlassung hat, an einem im [X.] geregelten Verfahren vor dem Patentgericht nur teilnehmen und die Rechte aus einem Patent nur geltend machen, wenn er im Inland einen Rechtsanwalt oder Patentanwalt als Vertreter bestellt hat, der zur Vertretung im Verfahren vor dem Patentgericht bevollmächtigt ist. Die Teilnahme beginnt mit der Vornahme der  Verfahrenshandlung, die das betreffende Verfahren in Gang setzt; bei der Beschwerde, die auch zu den Verfahren nach § 25 [X.] gehört, ist dies deren Einreichung (vgl. [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl. 2014, § 25 Rdn. 19, 21).

Die ohne entsprechende Vertreterbestellung vorgenommenen Handlungen sind zwar nicht unwirksam, aber mit einem behebbaren Mangel behaftet. Wird der Mangel trotz Aufforderung nicht bis zur Entscheidung über die Beschwerde beseitigt, ist diese als unzulässig zu verwerfen (vgl. [X.]/[X.], a. a. [X.]. 42 e) m. w. N.; Busse/Keukenschrijver, [X.], 8. Aufl. 2016, § 25 Rdn. 48, 30; Busse/[X.] a. a. O, § 73 Rdn. 134). Denn es handelt sich um eine zwingende Verfahrensvoraussetzung, die von Amtswegen zu berücksichtigen ist (vgl. [X.] 1969, 246). Der Mangel wird auch nicht durch eine allgemeine Prozessvollmacht behoben, weil diese nicht die Bestellung zum Inlandsvertreter umfasst (vgl. [X.]/[X.], a. a. O., Rdn. 31).

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin, die ihren Sitz in den [X.] und keine selbständige Niederlassung im Inland im Sinne von § 21 ZPO geltend gemacht hat, konnte daher am Verfahren nur teilnehmen, wenn sie die Bestellung eines Inlandsvertreters durch Vorlage einer Vollmacht nach § 25 [X.] nachgewiesen hätte, was trotz Aufforderung nicht geschehen ist. Auf telefonische Nachfrage hat der Vertreter der Anmelderin erklärt, dass ihm keine solche Vollmacht vorliege. Nach schriftlicher Aufforderung vom 27. Oktober 2016, sie innerhalb von zwei Wochen dem [X.] vorzulegen, ist keine entsprechende Vollmachtsurkunde bis zum Ende der mündlichen Verhandlung zu den Akten gelangt.

Im vorliegenden Fall konnte auf die Vorlage auch nicht verzichtet werden, weil hier ein Patentanwalt als Bevollmächtigter aufgetreten ist, der sich nach der vom 23. [X.] vertretenen Auffassung (B[X.]E 54, 276) auf die Privilegierung des § 97 Abs. 6 Satz 2 [X.] berufen könne, da sie vom Rechtsgedanken her auch auf die Vorlage der Inlandsvertretervollmacht anzuwenden sei. Wie der 20. [X.] in einer späteren Entscheidung (B[X.]E 55, 57 = [X.], 135 – Antennenanordnung) zu Recht und mit ausführlicher Begründung dargelegt hat, geht § 25 Abs. 1 [X.] als Spezialnorm der allgemeineren Regelung des § 97 Abs. 6 S. 2 [X.] vor; deren Rechtsgedanke kann auch nicht herangezogen werden, weil dies im Widerspruch zur gesetzgeberischen Wertung stehen würde. Zum einen bestimmt § 97 [X.] gleich in Abs.1 Satz 2, dass § 25 [X.] unberührt bleibe. Zum andern ist mit der Änderung von § 25 [X.] im Jahre 2001 unterstrichen worden, dass die Inlandsvertretervollmacht eine Bevollmächtigung mit einem besonderen Umfang darstellt; ob er vorliegt, kann nur nach Einreichung einer entsprechenden Urkunde geprüft werden, was dem Gericht von Amts wegen obliegt, da es sich um eine zwingende Verfahrensvoraussetzung handelt (s. o.). Auf die nähere Begründung des 20. [X.]s ([X.], 135), der sich der [X.] in vollem Umfang anschließt, wird verwiesen. Im Übrigen wird auch in der Kommentarliteratur überwiegend vertreten, dass die Privilegierung von Anwälten durch § 97 Abs. 6 Satz 2 [X.] nicht auf die Einreichung einer Inlandsvertretervollmacht auszudehnen ist (vgl. [X.]/ [X.], a. a. O., § 97 Rdn. 5; [X.]/[X.] a. a. O.; Busse/ Keukenschrijver, a. a. O. § 25 Rdn. 48, 30; Busse/[X.] a. a. O, § 73 Rdn. 134; Benkard/[X.], [X.], 11. Aufl. 2015, § 25 Rdn. 16 a. E.; wohl auch [X.]/ [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2012, § 25 Rdnrn. 19 und 27).

Nach alledem war die Beschwerde nach § 79 Abs. 2 [X.] als unzulässig zu verwerfen, da sie mangels eines Nachweises über die Bestellung eines Inlandsvertreters unzulässig war.

Die Beschwerdegebühr ist nicht zurückzuerstatten.

Eine Rückzahlung gemäß § 812 BGB kommt nicht in Betracht, weil die Beschwerdegebühr verfallen ist. Sie ist fristgemäß gezahlt worden, so dass die Beschwerde wirksam eingelegt ist, unabhängig davon, ob die Beschwerdeerklärung rechtzeitig eingegangen und wirksam ist (Benkard/[X.]/[X.], a. a. O. § 80 Rdn. 20).

Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen sieht der [X.] keinen hinreichenden Anlass.

Der Entscheidung über die Rückzahlung der Gebühr nach § 80 Abs. 3 [X.] steht  nicht entgegen, dass mangels Inlandsvertreterbestellung kein entsprechender wirksamer Antrag gestellt worden ist. Denn über die Rückzahlung aus Billigkeitsgründen hat der [X.] auch ohne Antrag, nämlich von Amts wegen zu befinden (Benkard/[X.]/[X.], a. a. [X.]. 21 m. w. N., [X.]/[X.], a. a. O. § 80 Rdn.111). Dies gilt auch für unzulässige oder zurückgenommene Beschwerden (vgl. [X.]/[X.] a. a. [X.]. 114).

Im vorliegenden Fall sieht der [X.] aber nach Würdigung des Ablaufs des amtlichen Verfahrens noch keinen hinreichenden Grund für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus [X.]. Auch wenn man hier über die Sachdienlichkeit der Durchführung einer Anhörung unterschiedlicher Meinung sein kann, ist zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der Beantragung durch die Anmelderin die damals geltende Fassung von § 46 [X.] den Prüfer berechtigte, die beantragte Anhörung zurückzuweisen, wenn er sie nicht für sachdienlich hielt. Im angegriffenen Beschluss hat der Prüfer begründet, warum er die Sachdienlichkeit verneint hat, nämlich weil er in zwei vorangegangenen Prüfungsbescheiden Stellung genommen hatte und die vorgenommenen Änderungen für nicht erfindungswesentlich gehalten hat. Eine solche Einschätzung der Sachdienlichkeit ist nicht von vornherein als unangemessen einzustufen, zumal der Schriftsatz der Anmelderin vom 24. Januar 2011 dahingehend verstanden werden konnte, dass es sich bei den Änderungen weitgehend um Klarstellungen und Konkretisierungen gehandelt habe.

Unter diesen Umständen liegt nach Auffassung des [X.]s noch kein solch schwerwiegender Verfahrensverstoß vor, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen gebieten würde.

Meta

9 W (pat) 24/12

21.11.2016

Bundespatentgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.11.2016, Az. 9 W (pat) 24/12 (REWIS RS 2016, 2109)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2109

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