Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2005, Az. VIII ZB 105/04

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1629

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[X.] ZB 105/04 vom 27. September 2005 in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO §§ 519 Abs. 4, 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 Zu den Anforderungen an die Unterschriftleistung eines Rechtsanwalts unter die [X.] und die [X.]. [X.], Beschluss vom 27. September 2005 - [X.] 105/04 - [X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 27. September 2005 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.] [X.], [X.] und [X.] sowie die Richterin [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 12. Zivilkammer des [X.] vom 27. August 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. [X.]: 716,92 •
Gründe: [X.] Das Amtsgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 16. April 2004 zur Zahlung von Verbrauchskosten für Strom und Gas sowie Mahn- und Inkasso-kosten in Höhe von insgesamt 716,92 • nebst Zinsen verurteilt. Gegen das ih-ren Prozessbevollmächtigten am 22. April 2004 zugestellte Urteil haben diese für die Beklagte durch Schriftsatz des Rechtsanwalts G.

[X.] am 24. Mai 2004 (einem Montag) Berufung eingelegt und die Berufung durch einen weite-ren Schriftsatz von Rechtsanwalt [X.] am 22. Juni 2004 begründet. Nachdem das Berufungsgericht zunächst der Klägerin eine Frist zur Er-widerung auf die Berufungsbegründung gesetzt und dieser einen Hinweis in der Sache erteilt hatte, hat es auf eine entsprechende Rüge der Klägerin mit [X.] 2 - 3 - schluss vom 26. Juli 2004, zugestellt am 3. August 2004, die Beklagte darauf hingewiesen, dass dem [X.] und dem Berufungsbegründungs-schriftsatz die gemäß § 130 Nr. 6 ZPO erforderlichen Unterschriften fehlen dürf-ten, und weiter ausgeführt: Eine Unterschrift müsse zumindest einzelne Buch-staben erkennen lassen, weil es sonst an dem Merkmal einer Schrift überhaupt fehle. Die [X.] bestünden jedoch lediglich aus einem Strich und einer gewellten weitgehend gleichförmigen Linie und ließen keinen einzigen Buchstaben erkennen. Zudem liege kein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug vor; das [X.] unter den beiden Berufungsschriftsätzen dürfte von einem Dritten unschwer nachzuahmen sein. Schließlich weiche es eklatant von dem [X.] unter dem erstinstanzlichen Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 13. April 2004 ab. Die Beklagte hat daraufhin durch Rechtsanwalt [X.]

vorsorglich am 18. August 2004 erneut Berufung eingelegt, diese zugleich begründet und [X.] in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat der Pro-zessbevollmächtigte ausgeführt und anwaltlich versichert, er unterschreibe seit seiner Zulassung als Rechtsanwalt im Februar 2000 alle Schriftsätze ähnlich wie die Berufungsschrift vom 24. Mai 2004 und die [X.] vom 22. Juni 2004, ohne dass seine Unterschriftsleistung bisher durch ein Gericht beanstandet worden sei. Das [X.] hat durch Beschluss vom 27. August 2004 die Berufung der Beklagten verworfen und ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Zur Begründung hat es auf seinen Hinweisbeschluss vom 26. Juli 2004 Bezug genommen. Ergänzend hat es ausgeführt, eine [X.] in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, weil der [X.] - 4 - bevollmächtigte der Beklagten die Versäumung der Berufungsfrist durch die nicht den Erfordernissen des § 130 Nr. 6 ZPO genügende Unterschrift ver-schuldet habe und die Beklagte sich dieses Verschulden gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse. Auch wenn die Art der Unterschriftsleistung in der [X.] seit Februar 2000 von keinem Gericht beanstandet worden sei, habe der Anwalt damit seine ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt. Gegen die-sen Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde. I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet; die angefochtene Entscheidung ist deshalb aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Entschei-dung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und genügt den formellen Anforderungen des § 575 ZPO. Eine Entscheidung des [X.] ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), weil die angefochtene Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf Ge-währung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, das es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in [X.], aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Oktober 2003 - [X.], [X.], 367, unter [X.] bb m.w.Nachw.). Dies ist hier geschehen, weil das Berufungsgericht bei sei-nen Anforderungen an die gemäß §§ 519 Abs. 4, 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO erforderliche Unterschrift des Rechtsanwalts unter der Berufungsschrift und der [X.] eine mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung unvereinbare Strenge an den Tag gelegt hat (s. unter 2). 5 6 - 5 - 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. a) Als Unterschrift im Sinne von § 130 Nr. 6 ZPO ist nach der Rechtspre-chung des [X.] ein aus Buchstaben einer üblichen Schrift be-stehendes Gebilde zu fordern, das nicht lesbar zu sein braucht. Erforderlich, aber auch genügend ist das Vorliegen eines die Identität des [X.] ausreichend kennzeichnenden Schriftzuges, der individuelle und entspre-chend charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, der sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und der die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt ([X.], Beschluss vom 26. Februar 1997 - [X.], [X.], 737, [X.] m.w.Nachw.). In Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, ist jedenfalls dann, wenn die [X.] gesichert ist, bei den an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen ein großzügiger Maßstab anzulegen ([X.], Urteil vom 10. Juli 1997 - [X.], NJW 1997, 3380 unter [X.] a; Beschluss vom 29. Oktober 1986 - [X.], NJW 1987, 1333). Denn Sinn und Zweck des Unterschriftserfordernisses ist die äußere Dokumentation der vom Gesetz geforderten eigenverantwortli-chen Prüfung des Inhalts der Berufungs- und [X.] durch den Anwalt ([X.], Beschluss vom 23. Juni 2005 - [X.], NJW 2005, 2709, unter [X.]), die gewährleistet ist, wenn feststeht, dass die Un-terschrift von dem Anwalt stammt. b) An der Autorenschaft des Rechtsanwalts [X.]

bestanden hier auch beim Berufungsgericht zu keiner [X.] Zweifel. Sie wird zum einen da-7 8 9 - 6 - durch bestätigt, dass der Schriftzug in beiden Schriftsätzen über den maschi-nenschriftlichen Zusatz "G. [X.], Rechtsanwalt" gesetzt ist, und ergibt sich zum andern daraus, dass die Unterschrift, anders als das Berufungsgericht meint, keine wesentlichen Abweichungen von den [X.]n aufweist, mit denen Rechtsanwalt [X.] die unstreitig von ihm stammenden erstinstanzli-chen Schriftsätze in diesem Verfahren unterzeichnet hat. Bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs ist hier das Erfordernis einer Unterschrift noch erfüllt. Der [X.] kann die Prüfung der dafür erforderlichen Merkmale selbständig und ohne Bindung an die Ausführungen des Berufungsgerichts vornehmen (Se-natsurteil vom 24. Juli 2001 - [X.] ZR 58/01, NJW 2001, 2888, unter [X.]; [X.] vom 26. Februar 1997, aaO; Beschluss vom 29. Oktober 1986, aaO). Der Schriftzug auf der Berufungs- und der [X.] lässt die Absicht erkennen, eine volle Unterschrift zu leisten und die Schriftstücke nicht lediglich mit einer Paraphe oder Abkürzung abzuzeichnen. Er ist zwar [X.] strukturiert und einem starken Abschleifungsprozess unterlegen, aber dennoch so individuell ausgeführt, dass ihm insgesamt der Charakter einer Un-terschrift nicht abgesprochen werden kann. c) Wenn man dies anders sehen wollte, wäre das Berufungsgericht [X.] gehalten gewesen, dem Beklagten auf dessen den Anforderungen der §§ 234, 236 ZPO genügenden Antrag hin gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs- und der Beru-fungsbegründungsfrist zu gewähren. Da der Prozessbevollmächtigte des [X.] glaubhaft gemacht hat, dass seine Unterschrift von den Gerichten jahre-lang unbeanstandet geblieben ist, durfte er ohne Verschulden annehmen, dass sie den allgemein in der Rechtsprechung anerkannten Anforderungen [X.], und hatte er unter Berücksichtigung des Anspruchs auf faire Verfah-rensgestaltung vor dem Hinweisbeschluss vom 26. Juli 2004 keinen Anlass zu der Besorgnis, sie werde von der entscheidenden Kammer als unzureichend 10 - 7 - angesehen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 24. November 1997 - 1 BvR 1023/96, [X.], 1853, unter [X.]; [X.], Beschluss vom 28. September 1998 - [X.], [X.], 60, unter [X.]).

[X.] Dr. [X.] [X.]
[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 16.04.2004 - 503 C 20086/03 - [X.], Entscheidung vom 27.08.2004 - 12 S 36/04 -

Meta

VIII ZB 105/04

27.09.2005

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2005, Az. VIII ZB 105/04 (REWIS RS 2005, 1629)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1629

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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