Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2013, Az. VIII ZB 62/12

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4122

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V[X.]I ZB 62/12
vom

16. Juli 2013

in dem Rechtsstreit

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2
-
Der V[X.]I. Zivilsenat des [X.] hat am 16. Juli 2013
durch den Vorsitzenden [X.], die Richterinnen [X.] und
Dr.
Hessel sowie [X.] [X.]
und
Dr.
[X.]

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des
[X.]
wird der Beschluss des
12. Zivilsenats des [X.] vom 21. Sep-tember 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kos-ten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.
Wert des Beschwerdeverfahrens:
312.962,02

Gründe:
I.
Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der G.

F.

GmbH, verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichtab-nahme bei der Insolvenzschuldnerin bestellter
Ware. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist
bis zum 20. August 2012 verlängert [X.].

Die Berufungsbegründung ist
per Telefax am 20.
August 2012 und im Original nebst beglaubigter Abschrift am 23.
August 2012 bei Gericht eingegan-1
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gen. Die [X.] trägt den
Briefkopf der Rechtsanwalts-kanzlei F.

und W.

. Sie
schließt mit der maschinenschriftlichen [X.] "A.

D.

, Rechtsanwalt"
ab, die handschriftlich mit einem
wellenförmigen Zeichen sowie mit einer nahezu senkrecht verlaufenden leicht gekrümmten Linie überschrieben
ist, neben der sich links zwei
andeu-tungsweise erkennbare weitere nahezu senkrechte Linien
befinden.
Mit Verfügung vom 28.
August 2012 hat das Berufungsgericht die [X.] darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestünden, weil die die [X.] abschließende, nicht als Schriftzug erkennbare gekrümmte, nahezu senkrechte Linie
nicht den [X.] an eine Unterschrift genüge. Der Kläger ist dem entgegengetreten und hat vorsorglich unter Wiederholung der Berufungsbegründung Wiedereinset-zung in den vorigen Stand beantragt.
Mit Beschluss vom 21.
September 2012 hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen und den Wiedereinsetzungsantrag zurück-gewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, die Berufung sei mangels einer Unter-schrift, welche den gesetzlichen Anforderungen an diejenige unter bestimmen-den Schriftsätzen genüge, nicht formgerecht eingelegt worden. Die [X.] D.

sei bereits nicht eindeutig gesichert, viel-mehr zweifelhaft. Der Vergleich mit anderen Unterschriften dieses Rechtsan-walts in den Akten des vorliegenden Rechtsstreits ergebe nämlich, dass der Klägervertreter vorhergehende und nachfolgende Schriftsätze in anderer Weise unterzeichnet habe. Insbesondere im Hinblick auf die Kürze des Zeichens lie-ßen sich diesem auch sonst keine besonderen charakteristischen Merkmale entnehmen, welche die Wiedergabe eines Namens erkennen ließen. Dem [X.] lasse sich auch aus diesem Grund die Absicht einer Unterschrift mit vol-lem Namen nicht entnehmen.
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Der Antrag des [X.], ihm wegen Versäumung der Berufungsbegrün-dungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, sei unbegrün-det. Der Rechtsanwalt müsse sich über den Stand der Rechtsprechung infor-mieren. Es müssten ihm deshalb auch die höchstrichterlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze bekannt sein. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] hätte somit erkennen können und müssen, dass die Unterzeichnung der [X.] den allgemein anerkannten und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefor-derten Anforderungen an eine Unterschrift nicht genügt habe.
Schließlich könne sich der Prozessbevollmächtigte des [X.] auch nicht auf den Gesichtspunkt des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauens-schutzes berufen. Der [X.] habe keine Schriftsätze des Klägervertreters [X.] hingenommen, die einen der [X.] entspre-chenden Schriftzug aufgewiesen hätten.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.

[X.].
[X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlan-desgericht.
1. [X.] ist nach §
522 Abs.
1 Satz
4, §
574 Abs.
1 Nr.
1 ZPO
statthaft und nach §
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO auch zulässig. Die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.], denn die angefochtene Entscheidung verletzt den Kläger
in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechts-5
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schutzes (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m.
dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu recht-fertigender Weise zu erschweren ([X.]sbeschlüsse
vom 9.
Februar 2010

[X.]/09, juris Rn.
7; vom 27.
September 2005
[X.], [X.], 3775 unter [X.] 1).
2. [X.] ist auch begründet. Die Ansicht des [X.], die Berufung des [X.] sei nicht innerhalb der bis zum 20.
August 2012 verlängerten Frist durch einen von einem Rechtsanwalt unter-zeichneten Schriftsatz begründet worden, ist rechtsfehlerhaft.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist bei bestimmenden Schriftsätzen die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers er-forderlich, um diesen unzweifelhaft identifizieren zu können (vgl. nur [X.]sbe-schluss vom 9. Februar 2010 -
[X.]/09, aaO
Rn. 9 mwN). Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift (§ 130 Nr. 6, § 519 Abs. 4 ZPO). Erforderlich, aber auch genügend ist danach das Vorliegen eines die Identität des [X.] ausreichend kennzeichnenden Schriftzugs, der individuelle und ent-sprechend charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschwe-ren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt ([X.]sbeschlüsse vom 9. Februar 2010 -
[X.]/09, aaO Rn. 9 f.; vom 27.
September 2005 -
[X.], [X.], 3775 unter [X.] 2 a).
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In Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und der-selben
Person aufweisen, ist jedenfalls dann, wenn die Autorenschaft gesichert ist, bei den an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen ein großzügiger Maßstab anzulegen. Denn Sinn und Zweck des Unterschriftserfordernisses ist die äußere Dokumentation der eigenverantwortlichen Prüfung des Inhalts des Schriftsatzes durch den Anwalt ([X.], Beschluss vom 23. Juni 2005 -
V [X.], [X.], 2709 unter [X.]I 2 a bb), die gewährleistet ist, wenn feststeht, dass die Unterschrift von dem Anwalt stammt ([X.]sbeschluss vom 27. Sep-tember 2005 -
[X.], aaO).
b) An der Autorenschaft des Klägervertreters bestanden hier -
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts -
keine Zweifel. Sie ergibt sich daraus, dass die [X.] unter dem Briefkopf als Ansprechpartner "Rechtsanwalt A.

D.

"
aufführt und der von dem Klägervertreter zur Unterzeichnung des [X.]satzes verwendete [X.] Schriftzug, welcher über den maschinenschriftlichen Zusatz "A.

D.

Rechtsanwalt"
gesetzt ist, bei Anlegung des gebotenen großzügi-gen Maßstabs noch den Anforderungen an eine formgültige Unterschrift genügt.
Dies kann der [X.] selbständig und ohne Bindung an die Auffassung
des Berufungsgerichts beurteilen
([X.]sbeschlüsse vom 9.
Februar 2010

[X.]/09, aaO Rn.
11; vom 27.
September 2005

[X.], aaO unter [X.] 2
b mwN). Das [X.] stellt eine zwar einfach strukturierte, gleichwohl aber als solche erkennbare Namensunterschrift
dar. Sie ist offen-sichtlich in flüchtigerem Duktus, jedoch ersichtlich mit der gleichen mechani-schen Bewegung hergestellt wie die übrigen in der Gerichtsakte enthaltenen Unterschriften, die das Berufungsgericht nicht beanstandet hat, namentlich die Unterzeichnung der Berufungsschrift und des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.
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3. Da der Kläger seine Berufung rechtzeitig begründet hat, hätte das Be-rufungsgericht sie nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Der Beschluss ist [X.] aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
577 Abs.
4 Satz
1 ZPO). Es bedarf keiner Entscheidung über den von dem Kläger wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vorsorglich gestell-ten
Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Insoweit ist der Be-schluss des Berufungsgerichts gegenstandslos.
[X.]
[X.]
Dr. Hessel

Dr. [X.]
Dr. [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.05.2012 -
41 [X.] 1364/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 21.09.2012 -
12 U 1239/12 -

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Meta

VIII ZB 62/12

16.07.2013

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2013, Az. VIII ZB 62/12 (REWIS RS 2013, 4122)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4122

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Anforderungen an die anwaltliche Unterzeichnung der Berufungsschrift und der Berufungsbegründungsschrift: Übliche Verwendung eines vereinfachten, nicht …


Referenzen
Wird zitiert von

5 AZR 849/13

Zitiert

VIII ZB 62/12

VIII ZB 67/09

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