Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2023, Az. StB 58/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2023, 1816

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Gegenstand

Durchsuchungsanordnung wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung


Tenor

Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 25. November 2022 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

1

Der [X.] führt gegen zahlreiche Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen [X.] und weiterer Straftaten. Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des [X.] mit Beschluss vom 25. November 2022 (1 [X.] 726/22) die Durchsuchung der Person des Betroffenen, der von ihm genutzten Wohn-, Keller-, [X.]aragen- und sonstigen Nebenräume, der von ihm genutzten Räumlichkeiten an seiner Arbeitsstelle sowie der auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeuge zum Zwecke der Sicherstellung näher beschriebener Beweismittel angeordnet. Die Durchsuchung ist am 7. Dezember 2022 vollzogen worden. Dabei sind mehrere Smartphones, zwei Laptops, ein Tablet und verschiedene USB-Sticks in Verwahrung genommen worden. Der [X.], der auf einen Antrag auf richterliche Bestätigung der vorläufigen Sicherstellungen verzichtet hat, hat zwischenzeitlich die Herausgabe sämtlicher Asservate an den Beschwerdeführer angeordnet.

2

Der Betroffene wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss. Er begehrt die Feststellung, dass sowohl der Durchsuchungsbeschluss als auch die „Beschlagnahme der mitgenommenen Sachen“ rechtswidrig waren. Er macht geltend, schon für die Anordnung der Durchsuchung seien die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen; wie sich bereits aus dem Vermerk des [X.] vom 9. Dezember 2022 ergebe, habe eine Personenverwechselung des Beschwerdeführers mit seinem Bruder      H.     vorgelegen. Angesichts der [X.] einer Durchsuchungsmaßnahme habe bei der Identifikation der betroffenen Person ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab angelegt werden müssen. Diesen Anforderungen hätten die polizeilichen Ermittlungen nicht genügt.

3

Der Ermittlungsrichter des [X.] hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

4

Das Rechtsmittel ist gemäß § 304 Abs. 5 [X.] zulässig, aber unbegründet.

5

1. Das Rechtsmittel richtet sich gegen die Durchsuchungsanordnung als solche. Seiner Zulässigkeit steht insoweit nicht entgegen, dass die Maßnahme inzwischen vollzogen ist. Eine bereits eingelegte Beschwerde ist in diesem Fall als auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung gerichtet anzusehen (vgl. [X.], Beschluss vom 30. April 1997 - 2 BvR 817/90 u.a., [X.]E 96, 27, 38 ff.; [X.], Beschlüsse vom 18. Mai 2022 - StB 17/22, [X.], 638 Rn. 7; vom 17. Dezember 2014 - StB 10/14, juris Rn. 3 mwN; vom 9. Februar 2021 - StB 9/20 u.a., juris Rn. 6; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 65. Aufl., § 105 Rn. 15).

6

2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 [X.]) und die vorläufige Sicherstellung der Asservate zum Zwecke der Durchsicht (§ 110 Abs. 1 und 3 [X.]) lagen vor.

7

a) [X.]egen die Beschuldigten lag ein die Durchsuchung nach § 102 [X.] rechtfertigender Anfangsverdacht vor, sich [X.] an einer [X.] beteiligt zu haben, deren Zwecke oder deren Tätigkeit auf die Begehung von Mord (§ 211 St[X.]B) oder Totschlag (§ 212 St[X.]B) gerichtet gewesen seien, oder eine solche unterstützt zu haben.

8

aa) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen durchzuführenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05, [X.]K 9, 149, 153; [X.], Beschlüsse vom 20. Juli 2022 - StB 29/22, [X.], 692 Rn. 6; vom 12. August 2015 - StB 8/15, [X.]R [X.] § 102 Tatverdacht 3 Rn. 4; vom 18. Dezember 2008 - StB 26/08, [X.]R [X.] Tatverdacht 2 Rn. 5).

9

bb) [X.]emessen hieran lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sachlich zureichende [X.]ründe für die Anordnung der Durchsuchung vor. Es bestand der Anfangsverdacht, dass die Beschuldigten sich an einer terroristischen [X.] als Mitglied gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 St[X.]B beteiligten oder sie gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 St[X.]B unterstützten.

(1) Nach dem maßgeblichen Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung (vgl. [X.], Beschluss vom 10. September 2010 - 2 BvR 2561/08, [X.], 291 Rn. 28) war im Sinne eines Anfangsverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Die Beschuldigten gehörten der sogenannten [X.] an. Sie schlossen sich spätestens Ende November 2021 zu einer auf längere Dauer angelegten Organisation zusammen, die sich zum Ziel setzte, die bestehende staatliche Ordnung in [X.] - insbesondere durch den Einsatz militärischer Mittel und [X.]ewalt gegen staatliche Repräsentanten - zu überwinden und durch eine eigene, bereits in [X.]rundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen. Dabei rechneten sie mit der Tötung von Personen und nahmen dies billigend in Kauf. Sie lehnten die freiheitlich-demokratische [X.]rundordnung der [X.]republik [X.] und deren Institutionen ab. Auf der [X.]rundlage einer entsprechenden gemeinsamen [X.]esinnung erwarteten sie an einem konkreten und unmittelbar bevorstehenden, aber noch nicht festgelegten „[X.]“ einen Angriff auf [X.] der staatlichen Führung der [X.]republik [X.] durch die sogenannte Allianz, ein [X.]eheimbund bestehend aus Angehörigen ausländischer Regierungen, [X.]s und [X.]eheimdienste.

Zum Zwecke der Umsetzung ihrer Umsturzpläne schufen die Mitglieder der [X.]ruppierung organisatorische, hierarchische und verwaltungsähnliche Strukturen mit einem „Rat“ als zentralem [X.]remium und einem „militärischen Arm“. Dieser sollte nach dem Angriff durch die „Allianz“ die noch verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des Staates bekämpfen und die Macht durch ein deutschlandweites Netz von Heimatschutzkompanien absichern. Ferner plante der engste Führungszirkel der [X.] das gewaltsame Eindringen einer bewaffneten [X.]ruppe in den [X.] mit dem Ziel, Abgeordnete, Kabinettsmitglieder sowie deren Mitarbeiter zu verhaften und abzuführen, wobei sie hierfür bereits in konkrete Vorbereitungshandlungen eingetreten waren. Im Einzelnen:

(a) Der von den Mitgliedern der Organisation unter der Führung des Beschuldigten     [X.]geschaffene, hierarchisch aufgebaute „Rat“ beschäftigte sich in regelmäßig stattfindenden Sitzungen mit dem Aufbau künftiger staatlicher Strukturen, die an die Stelle der geltenden freiheitlich-demokratischen [X.]rundordnung treten sollten. In den Rat wurden Personen aufgenommen, die als besonders vertrauenswürdig angesehen wurden und die dafür vorgesehen waren, an ministerielle [X.] angelehnte Zuständigkeiten wahrzunehmen. So verfügte der Rat - vergleichbar mit einem Kabinett einer regulären Regierung - über von einzelnen Beschuldigten besetzte Ressorts „Justiz“, „Außen“, „[X.]esundheit“, „Bildung“ und „[X.]“. Ein Beschuldigter suchte zudem auf verschiedenen Wegen Kontakt zur [X.] Regierung, mit der Vorbereitungshandlungen für Friedensverhandlungen getroffen werden sollten. Die Mitglieder hatten die ideologische Überzeugung, bis zum Abschluss eines [X.] mit den Alliierten gelte das Kriegsrecht unter Anwendung der Haager Landkriegsordnung fort.

(b) Da den Ratsmitgliedern und allen weiteren Angehörigen der [X.] bewusst war, dass der angestrebte Systemwechsel nicht auf friedlichem Weg zu erreichen war, wurde neben dem Rat ein hieran anknüpfender „militärischer Arm“ geschaffen. Dieser wurde von der [X.]ruppierung vereinfacht als das „[X.]“ bezeichnet und vom Beschuldigten    [X.]    , einem ehemaligen Kommandanten eines Fallschirmjägerbataillons der [X.], geführt. Da er in dieser Funktion auch Mitglied des Rates war, bildete er zugleich das maßgebliche Bindeglied zwischen beiden Ebenen. Weitere Mitglieder des „militärischen Arms“ waren u.a. die Beschuldigten Oberst [X.], der an der [X.]ründung des Kommando Spezialkräfte der [X.] ([X.]) beteiligt gewesen war, und der ehemalige Kommandosoldat des [X.] [X.].

Zum Zwecke des Aufbaus von [X.]verwaltungsstrukturen waren die Angehörigen des „[X.]s“ damit befasst, neue Mitglieder insbesondere aus den Reihen des [X.] sowie der Polizei zu rekrutieren und Waffen, Munition sowie Ausrüstungsgegenstände zu beschaffen, wobei mehrere Beschuldigte über eigene Waffen verfügten. Ferner planten sie die zukünftige Unterbringung und Verpflegung der „neuen [X.]“. Hierfür besuchten einige Beschuldigte unter Vorlage des Truppenausweises eines von ihnen Kasernen im [X.]. Auch organisierten sie zur Vorbereitung des geplanten Umsturzes Schießübungen und führten diese durch. Daneben arbeiteten sie an der Schaffung einer eigenen, abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur. Zu diesem Zweck wurde der militärische Zweig der [X.]ruppierung in erheblichem Umfang von Mitgliedern des Rates finanziell unterstützt.

Parallel dazu bauten die Mitglieder des „[X.]s“ ein bundesweites System regionaler „Heimatschutzkompanien“ ([X.]) auf. Diese sollten nach der „Befreiung“ durch die „Allianz“ zur Absicherung der Macht der [X.] als Polizei und Armee fungieren sowie Kasernen, Waffen und sonstige Ausrüstung der [X.] übernehmen, die ihrerseits aufgelöst werden sollte.

(c) Der maßgebliche Führungszirkel der Organisation plante zudem das gewaltsame Eindringen in den Deutschen [X.] mit dem Ziel, Regierungsmitglieder und Abgeordnete festzunehmen sowie in Handschellen abzuführen. Alle insoweit involvierten Mitglieder wussten, dass dieses Unternehmen nur durch Anwendung von Waffengewalt gegen die Polizei und Sicherheitskräfte des Deutschen [X.]es durchgeführt werden könne. Sie rechneten daher auch mit der Tötung von Personen und nahmen dies billigend in Kauf.

Die Planungen der Beschuldigten [X.]und [X.]sahen die bewaffnete Erstürmung des [X.]es durch eine [X.]ruppe von bis zu 16 Personen vor, vornehmlich aus den Reihen aktiver oder ehemaliger Angehöriger des [X.] oder anderer Spezialeinheiten der [X.] und Polizei. Hierfür traten sie bereits in konkrete Vorbereitungshandlungen ein. So nahmen sie Kontakt zu mehreren Angehörigen des [X.] auf. Der Beschuldigte [X.]verschaffte sich mehrere hundert Schuss Munition, sechs [X.]ewehrmagazine, Nachtsichtgeräte, Fesselungsmaterial, weitere [X.]ausrüstung und einen Totschläger. Ferner begab er sich nach [X.] und fertigte Fotos von Absperrgittern im Bereich des [X.], vom Eingang der U-Bahn-Station „[X.]“ sowie dem [X.]. Zudem erstellte er eine Liste mit Namen zahlreicher Mitglieder der [X.]regierung und der [X.] Staatsregierung sowie von weiteren Politikern, Journalisten und Personen des öffentlichen Lebens.

Spätestens im Rahmen eines Treffens am 25. November 2021 informierten die Beschuldigten [X.]und [X.]die Beschuldigten    [X.],   [X.]      und [X.]über ihre Pläne zur bewaffneten Erstürmung des Deutschen [X.]es, die sich diese nicht nur zu eigen machten, sondern auch zukünftig förderten. So übergab der Beschuldigte     [X.]dem Beschuldigten [X.]einen Betrag in Höhe von 50.000 €. Die der [X.]ruppierung angehörige, für das [X.] vorgesehene Beschuldigte und frühere [X.]sabgeordnete M.          informierte verschiedene Mitglieder der [X.] über Anwesenheitszeiten von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern. Daneben plante sie, das [X.] gemeinsam mit dem Beschuldigten    [X.]     zu betreten.

(2) Der Anfangsverdacht gründet sich im Wesentlichen auf Erkenntnisse des [X.], der [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] sowie der Verfassungsschutzbehörden des [X.] und der Länder und des [X.]amtes für den [X.]ischen Abschirmdienst, die maßgeblich auf [X.] 10-Maßnahmen - insbesondere Telefonüberwachung und Observation nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a, Abs. 2 [X.] 10 i.V.m. § 129a Abs. 1 St[X.]B - zurückzuführen sind. Die Ergebnisse dieser Maßnahmen sind für die Zwecke der Strafverfolgung freigegeben und gemäß § 4 Abs. 4 Nr. 2 [X.] 10, § 161 Abs. 2 Satz 1 [X.] in das Ermittlungsverfahren überführt worden.

Zu den weiteren Einzelheiten der den Tatverdacht gegen die Beschuldigten begründenden Umstände wird auf die Ausführungen im Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 25. November 2022 sowie die Antragsschrift des [X.]s vom 24. November 2022 verwiesen.

(3) In rechtlicher Hinsicht sind die Handlungen der Beschuldigten nach gegenwärtigem Erkenntnisstand als [X.]e Beteiligung an einer terroristischen [X.] und Unterstützung einer solchen zu werten, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 St[X.]B. Ob die Beschuldigten daneben verdächtig sind, sich zugleich wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 St[X.]B strafbar gemacht zu haben, bedarf hier keiner Entscheidung.

Bei der [X.]ruppierung um die Beschuldigten handelte es sich [X.] um eine terroristische [X.] im Sinne der § 129 Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 St[X.]B. Denn die [X.]ruppe bestand aus mehr als zwei Personen, war auf längere Dauer angelegt, hatte eine organisatorische Struktur und verfolgte mit der Abschaffung der freiheitlich-demokratischen [X.]rundordnung der [X.]republik [X.] sowie der Schaffung eines neuen deutschen Staatswesens ein übergeordnetes gemeinsames Interesse (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. November 2022 - AK 40-43/22, juris 44 ff.; vom 2. Juni 2021 - 3 StR 33/21, [X.], 159 mwN).

Dieses Ziel wollten die Mitglieder der [X.] nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen durch die Begehung von [X.] im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 St[X.]B erreichen. Die Beschuldigten wussten und fanden sich um des von ihnen verfolgten Zieles willen damit ab, dass es sowohl bei der geplanten gewaltsamen Erstürmung des Deutschen [X.]es als auch bei der Unterstützung des Angriffs durch die „Allianz“ am „[X.]“ zu vorsätzlichen Tötungen von Amtsträgern und Repräsentanten des Staates gemäß §§ 211, 212 St[X.]B kommen werde.

Dem steht nicht entgegen, dass der konkrete Eintritt des „[X.]“ - anders als das geplante bewaffnete Eindringen in das [X.] - scheinbar noch ungewiss war sowie die [X.]ruppierung die Begehung von [X.] durch den Einsatz ihres [X.]s vom Eingreifen der Allianz abhängig machte und insoweit mit dem Eintritt eines zukünftigen Ereignisses verknüpfte.

Eine [X.] ist dann auf die Begehung von Straftaten gerichtet, wenn dies der verbindlich festgelegte Zweck ist, zu dessen Erreichung sich die Mitglieder verpflichtet haben. Die Organisation der [X.] muss auf den Zweck der gemeinschaftlichen Begehung von Straftaten hin konzipiert sein. Nur dann vermag die Betätigung der [X.] die ihre besondere [X.]efährlichkeit begründende Eigendynamik zu entfalten, die [X.]rund für die durch § 129 St[X.]B bestimmte Vorverlagerung des Strafschutzes ist. Daraus folgt, dass der gemeinsame Wille zur Begehung von Straftaten fest gefasst sein muss und nicht nur vage oder insbesondere von dem Ergebnis weiterer [X.] abhängig sein darf. Deshalb reicht es nicht aus, wenn sich die in der [X.] zusammengefassten Mitglieder bewusst sind, es könne bei der Verfolgung ihrer Pläne zu Straftaten kommen, sie diese mithin lediglich „ins Auge gefasst“ haben (vgl. [X.], Urteile vom 22. Januar 2015 - 3 [X.], [X.]St 60, 166 Rn. 30; vom 21. Oktober 2004 - 3 [X.], [X.]St 49, 268, 271 f.; MüKoSt[X.]B/[X.]/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 48; LK/Krauß, St[X.]B, 13. Aufl., § 129 Rn. 64).

Die Angehörigen der [X.]ruppierung hatten ihren Entschluss, die staatliche Ordnung der [X.]republik [X.] unter Anwendung von Waffengewalt gegen Repräsentanten des Staates zu beseitigen und sie durch eine eigene Staatsstruktur zu ersetzen, bereits fest gefasst. Dass der [X.] innerhalb der [X.]ruppe abgeschlossen war, zeigt sich in den vielfältigen Vorbereitungshandlungen der Beschuldigten für den gewalttätigen Umsturz. So erwarben einzelne Mitglieder nicht nur Munition, zahlreiche militärische Ausrüstungsgegenstände und Fesselungsmaterialien, sondern suchten darüber hinaus mehrere Waffengeschäfte zum Erwerb von Schusswaffen auf und führten Schießübungen durch. Daneben wurden durch die [X.]ruppierung bereits drei Heimatschutzkompanien aufgebaut, denen polizeiliche und militärische Aufgaben im Fall der Realisierung der Umsturzpläne zukommen sollten. Für die Ausführung war gerade kein neuer Tatentschluss, sondern nur der Eintritt eines konkreten und unmittelbar bevorstehenden, aber noch nicht festgelegten Ereignisses erforderlich. Die [X.]ruppierung behielt sich damit gerade nicht die Begehung von Straftaten für die Zukunft bloß vor.

Dies gilt umso mehr, als allein die Angehörigen der [X.]ruppierung die Deutungshoheit darüber hatten, welches tagesaktuelle Ereignis der „Allianz“ zuzurechnen und als Startsignal zur Umsetzung ihrer Umsturzpläne zu werten sein sollte. Die Mitglieder der [X.] hatten mithin nur noch darüber zu entscheiden, wann die Umsturzpläne umgesetzt werden. Dies zeigt sich insbesondere an den zahlreichen internen Diskussionen darüber, auf welches [X.]eschehen insoweit abzustellen ist, wobei von den Mitgliedern der [X.]ruppierung ein möglicher Börsencrash, das Ableben von [X.], ein elektromagnetischer Impuls durch [X.], Naturkatastrophen oder ein großflächiger Stromausfall als mögliches Startsignal diskutiert und in Betracht gezogen wurden. Es bestand daher die konkrete und sich potentiell jederzeit realisierende [X.]efahr, dass die Umsturzpläne vollzogen werden. Es mehrten sich zudem Anzeichen dafür, dass der Handlungsdruck innerhalb der [X.]ruppierung immer weiter anstieg. Trotz des teilweise fernliegenden [X.]edankenguts war somit die spezifische [X.]efährlichkeit der [X.] gegeben (vgl. MüKoSt[X.]B/[X.]/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 2 mwN).

(4) Die Strafgerichtsbarkeit des [X.] und damit Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des [X.] für den Erlass des [X.] ergibt sich aus § 169 Abs. 1 [X.], § 120 Abs. 1 Nr. 6, § 142 Abs. 1 Nr. 1, § 142a Abs. 1 Satz 1 [X.]V[X.].

b) Es lagen zudem hinreichende Tatsachen dafür vor, dass bei dem Beschwerdeführer bestimmte Beweismittel im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 [X.] aufgefunden werden können.

aa) Eine Ermittlungsdurchsuchung, die eine nichtverdächtige Person betrifft, setzt nach § 103 Abs. 1 Satz 1 [X.] Tatsachen dahin voraus, dass sich das gesuchte Beweismittel in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Es müssen konkrete [X.]ründe im Zeitpunkt der Anordnung, mithin aus ex ante-Sicht dafür sprechen (vgl. [X.], Beschluss vom 9. August 2019 - 2 BvR 1684/18, NJW 2019, 3633 Rn. 35; [X.], Beschlüsse vom 18. November 2021 - StB 6/21 u.a., NJW 2022, 795 Rn. 11; vom 5. Juni 2019 - StB 6/19, juris Rn. 8; vom 13. Juni 1978 - StB 51/78, [X.]St 28, 57, 59), dass der gesuchte Beweisgegenstand in den Räumlichkeiten des [X.] gefunden werden kann. Der Auffindeverdacht ist daher gegeben, wenn die vorliegenden Erkenntnisse den vertretbaren Schluss zulassen, dass die gesuchte Person oder Beweismittel gefunden werden ([X.], Beschluss vom 28. April 2003 - 2 BvR 358/03, [X.]K 1, 126, 132 f.; [X.], Beschlüsse vom 15. Oktober 1999 - StB 9/99, [X.]R [X.] § 103 [X.]egenstände 1; vom 7. Juni 1995 - StB 16/95, NJW 1996, 405, 406 [dort mit dem Aktenzeichen 2 [X.]]; vom 13. Januar 1989 - StB 1/89, [X.]R [X.] § 103 Tatsachen 1; vom 20. Dezember 1988 - 1 [X.] 1143/88, [X.]R [X.] § 103 Tatsachen 2; vom 13. Juni 1978 - StB 51/78, [X.]St 28, 57, 59; KK-[X.]/Henrichs/[X.], 9. Aufl., § 103 Rn. 5; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 27. Aufl., § 103 Rn. 14).

bb) Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Es lagen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung dafür vor, dass sich Beweismittel beim Beschwerdeführer befinden, die in dem anhängigen Ermittlungsverfahren von Bedeutung sein können. Auch der Vollzug der richterlichen Durchsuchungsanordnung war rechtmäßig.

(1) Die zum Zeitpunkt der richterlichen Durchsuchungsanordnung vorliegenden Erkenntnisse ließen den Schluss zu, dass sich der Beschwerdeführer mit den Beschuldigten    [X.]      und [X.], bei denen es sich um führende Mitglieder des militärischen Zweigs der terroristischen [X.] handelte, am 4. Oktober 2022 in einem Restaurant in [X.].    getroffen und mit ihnen den Aufbau der Heimatschutzkompanien, das geplante Vorgehen am „[X.]“ sowie die geplanten neuen [X.] besprochen hatte. Nach dem damaligen Erkenntnisstand wurde der Beschwerdeführer als damals im Restaurant anwesende Person identifiziert. Dieser Verdacht gründete sich zum einen auf das zum Treffpunkt mitgeführte Fahrzeug, welches auf ihn zugelassen ist, zum anderen auf einen Abgleich zwischen den durch die Observationseinheit von den Teilnehmern des Treffens gefertigten Lichtbildern einerseits und dem Lichtbild des [X.]personalausweises des Beschwerdeführers sowie einem im [X.] von ihm aufgefundenen Lichtbild andererseits.

(2) Trotz der sich aus dem Vermerk des [X.] vom 9. Dezember 2022 ergebenen Zweifel an der Identität des Beschwerdeführers war der Vollzug der Durchsuchungsanordnung rechtmäßig. Zwar kann sich ein zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegender Verdacht durch neu hinzugetretene Umstände zerstreuen und damit die Maßnahme erübrigen ([X.], Beschluss vom 27. Juni 2005 - 2 BvR 2428/04, [X.]K 5, 347, 353 ff.; Meyer [X.]oßner/[X.]/[X.], [X.], 65. Aufl., § 105 Rn. 8a; MüKo[X.]/[X.], 2. Aufl., § 105 Rn. 27; KK-[X.]/Henrichs/[X.], 9. Aufl., § 105 Rn. 12). Derartige während der Durchsuchung neu hinzugetretene evidente Umstände, die den Auffindeverdacht beim Betroffenen und damit die Rechtmäßigkeit der ursprünglich zulässig angeordneten Maßnahme haben nachträglich entfallen lassen und aufgrund derer die für den Vollzug zuständige Staatsanwaltschaft sie hätte beenden müssen, lagen jedoch nicht vor. Zwar hatte eine am Vollzug der Durchsuchungsanordnung beteiligte Polizeibeamtin Zweifel, ob der anwesende Beschwerdeführer und die auf dem Lichtbild der Observationseinheit abgebildete Person identisch waren. Eine mögliche Verwechselung mit dem Bruder des Beschwerdeführers konnte jedoch während der Maßnahme durch die Ermittlungsbehörden nicht näher aufgeklärt werden. Erst eine Einwohnermeldeanfrage zwei Tage später ergab eine „hohe Ähnlichkeit“ zwischen dem Bruder und der während der Observation abgelichteten männlichen Person.

cc) Die Durchsuchung bei einer nichtverdächtigen Person setzt - anders als im Fall des § 102 [X.] für die Durchsuchung beim Tatverdächtigen, bei dem eine allgemeine Aussicht genügt, irgendwelche relevanten Beweismittel zu finden - nach § 103 [X.] überdies voraus, dass hinreichend individualisierte (bestimmte) Beweismittel für die aufzuklärende Straftat gesucht werden. Diese [X.]egenstände müssen im Durchsuchungsbeschluss so weit konkretisiert werden, dass weder bei dem Betroffenen noch bei dem die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und zu beschlagnahmenden [X.]egenstände entstehen können ([X.], Beschluss vom 21. November 2001 - StB 20/01, [X.]R [X.] § 103 [X.]egenstände 2). Ausreichend ist dafür allerdings, dass die Beweismittel der [X.]attung nach näher bestimmt sind; nicht erforderlich ist, dass sie in allen Einzelheiten bezeichnet werden ([X.], Beschlüsse vom 20. Juli 2022 - StB 29/22, [X.], 692, 693 Rn. 14; vom 28. Juni 2018 - StB 14/18, juris Rn. 16; vom 15. Oktober 1999 - StB 9/99, [X.]R [X.] § 103 [X.]egenstände 1; jeweils mwN).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss ebenfalls gerecht. Es wurden die zu sichernden [X.]egenstände, insbesondere elektronische Kommunikationsmittel, Dokumente und Unterlagen, auch in elektronischer Form, Waffen und militärische Ausrüstungsgegenstände dahin konkretisiert, dass diese mit der terroristischen [X.] in Zusammenhang stehen mussten. Durch diese Einschränkung der möglicherweise aufzufindenden Beweismittel war den durchsuchenden Beamten hinreichend deutlich aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk zu richten hatten.

c) Die Mitnahme der bei der Wohnungsdurchsuchung aufgefundenen elektronischen Speichermedien im Rahmen einer vorläufigen Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht auf beweisrelevante Daten war noch Teil der richterlichen angeordneten Durchsuchung und von § 110 Abs. 1 und 3 [X.] gedeckt.

aa) Die Asservate durften als elektronische Speichermedien, deren Durchsicht auf [X.] im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung vor Ort nicht möglich war, zur Auswertung mitgenommen und hierfür einstweilen sichergestellt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 2248/00, NJW 2002, 1410; [X.], Beschlüsse vom 20. Mai 2021 - StB 21/21, [X.]R [X.] § 98 Abs. 2 Bestätigung 2 Rn. 11; vom 5. Juni 2019 - StB 6/19, juris Rn. 17; vom 5. August 2003 - StB 7/03, [X.]R [X.] § 105 Abs. 1 Durchsuchung 3; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 65. Aufl., § 110 Rn. 2a).

bb) Da die Durchsicht der sichergestellten Asservate noch Teil der Durchsuchung ist ([X.], Beschlüsse vom 20. November 2019 - 2 BvR 31/19 u.a., NJW 2020, 384 Rn. 39; vom 20. September 2018 - 2 BvR 708/18, NJW 2018, 3571 Rn. 25; vom 30. Januar 2002 - 2 BvR 2248/00, NJW 2002, 1410, 1411; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 65. Aufl., § 110 Rn. 10), ist ihre Zulässigkeit weiter davon abhängig, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Wohnungsdurchsuchung gemäß §§ 102, 103 [X.] zum Zeitpunkt der Durchsicht gegeben waren ([X.], Beschlüsse vom 20. November 2019 - 2 BvR 31/19 u.a., NJW 2020, 384 Rn. 39; vom 20. September 2018 - 2 BvR 708/18, NJW 2018, 3571 Rn. 25; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 65. Aufl., § 110 Rn. 10). Das ist der Fall. Die Beschuldigten sind der ihnen zur Last gelegten Tat (weiterhin) verdächtig. Auch lagen hinreichende Tatsachen dafür vor, dass bei dem Beschwerdeführer bestimmte Beweismittel im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 [X.] aufgefunden werden können (vgl. II. 2. a) und b)).

d) Die Anordnung der Durchsuchung entsprach - auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Belange des Betroffenen - dem [X.]rundsatz der Verhältnismäßigkeit.

aa) Sie war zur weiteren Aufklärung einer Beteiligung der Beschuldigten an dem Tatgeschehen geeignet und erforderlich, da unter den gegebenen Umständen zu erwarten war, dass die Durchsuchung zum Auffinden von [X.]egenständen, insbesondere von elektronischen Kommunikationsmitteln führen würde, die nicht nur eine inhaltliche Kommunikation zwischen den Beschuldigten    [X.]        und [X.] sowie dem Beschwerdeführer nachweisen oder widerlegen, sondern auch Aufschluss über weitere Kontaktpersonen innerhalb der [X.] erbringen können. Der Umstand, dass die Ermittlungsbehörden bereits über andere Beweismittel verfügten, stellt die Erforderlichkeit der Maßnahme nicht in Frage ([X.], Beschluss vom 18. Mai 2022 - StB 17/22, juris Rn. 17).

bb) Die Anordnung der Durchsuchungen stand zudem in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und Schwere der aufzuklärenden Straftat. Die von der in Rede stehenden [X.]ruppierung ausgehende [X.]efahr ist erheblich. Dies zeigt sich insbesondere in den konkreten vielfältigen Vorbereitungshandlungen einiger Mitglieder der [X.] für eine bewaffnete Erstürmung des Deutschen [X.]es durch eine [X.]ruppe von bis zu 16 Personen, vornehmlich aus den Reihen aktiver oder ehemaliger Angehöriger des [X.] oder anderer Spezialeinheiten der [X.] sowie Polizei, und dem geplanten sowie in Teilen bereits umgesetzten Aufbau von militärischen „Heimatschutzkompanien“ im gesamten [X.].

[X.]                    Berg                    [X.]

Meta

StB 58/22

30.03.2023

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 25. November 2022, Az: 1 BGs 726/22

§ 102 StPO, § 103 Abs 1 S 1 StPO, § 105 StPO, § 110 Abs 1 StPO, § 110 Abs 3 StPO, § 129 Abs 2 StGB, § 129a Abs 1 Nr 1 StGB, § 129a Abs 5 S 1 StGB, § 211 StGB, § 212 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2023, Az. StB 58/22 (REWIS RS 2023, 1816)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1816

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2 BvR 708/18

2 BvR 1684/18

3 StR 233/14

3 StR 33/21

2 BvR 2561/08

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