Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.06.2020, Az. 2 B 30/19

2. Senat | REWIS RS 2020, 3944

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Gegenstand

Verwertung eines Sachverständigengutachtens aus einem anderen gerichtlichen Verfahren; Heilung eines wesentlichen Mangels der Disziplinarklageschrift; disziplinare Ahndung gravierend mangelhafter Aktenführung über die Gewährung von Sozialleistungen


Leitsatz

1. § 412 ZPO i.V.m. § 98 VwGO regeln nur die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, nachdem das Gericht in seinem eigenen gerichtlichen Verfahren selbst ein (erstes) Gutachten nach Maßgabe der §§ 402 ff. ZPO eingeholt hat. Daher kann zur Beurteilung der Frage, ob das Gericht einen Beweisantrag auf Einholung eines ersten, eigenen Sachverständigengutachtens ablehnen darf, nicht § 412 ZPO herangezogen werden.

2. Will das Tatsachengericht im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ein in einem anderen gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Verfahren eingeholtes Sachverständigengutachten verwerten, ist ihm zum einen der Weg über eine sog. Verwertungsanordnung gemäß § 411a ZPO i.V.m. § 98 VwGO eröffnet; für diesen Fall ist auch § 412 ZPO anwendbar.

3. Möglich ist zum anderen, das anderweitig eingeholte Sachverständigengutachten im Wege des Freibeweises als Urkundsbeweis in das eigene Verfahren einzuführen und unter Wahrung der Verfahrensrechte der Beteiligten zu verwerten, die diese nach den Regeln des Sachverständigenbeweises hätten.

4. In beiden Fällen kann das Gericht den Antrag eines Verfahrensbeteiligten auf Einholung eines (ersten, eigenen) gerichtlichen Sachverständigengutachtens ablehnen, wenn das Vorbringen des Verfahrensbeteiligten gegen das in dem anderen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten nach den Grundsätzen der richterlichen Überzeugungsbildung und freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 286 ZPO) nicht geeignet ist, den fachlichen Inhalt dieses Sachverständigengutachtens ernsthaft zu erschüttern. Hierfür gelten die allgemeinen Maßstäbe, die auch sonst an Beweisanträge und -anregungen zu stellen sind.

5. Die Beseitigung eines wesentlichen Mangels der Disziplinarklageschrift (§ 54 Abs. 3 LDG NRW) - selbst im Berufungsverfahren - ist auch dann möglich, wenn die (ursprüngliche, mangelhafte) Disziplinarklageschrift aufgrund einer gerichtlichen Fristsetzung für den Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens eingereicht wurde (§ 62 Abs. 1 LDG NRW).

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 8. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

1. Der 1967 geborene [X.] steht seit 1988 im Dienst der klagenden [X.] und wurde zuletzt im [X.] zum [X.]oberinspektor ([X.]esoldungsgruppe [X.]) befördert. Zuletzt war der [X.] für die Gewährung von Sozialleistungen zuständig. Das seit [X.]ai 2018 hierfür genutzte [X.]omputerprogramm eröffnet dem [X.]earbeiter die [X.]öglichkeit, fallrelevante Eingaben abzuspeichern, in einem sog. Prüflauf den elektronisch ermittelten Auszahlungsbetrag zu überprüfen, einzelne Zahlungen von der Auszahlung auszuschließen oder die Freigabe zur Auszahlung zu erteilen und den entsprechenden [X.]ewilligungsbescheid auszudrucken.

2

Im Jahr 2011 wurden wegen auffällig hoher Ausgaben im Asylbereich zunächst eine stichprobenartige Prüfung durch den Fachbereichsleiter und sodann eine genauere Überprüfung sämtlicher Auszahlungsläufe für den [X.]raum von Januar 2010 bis August 2011 durchgeführt; diese ergab, dass der [X.] in großem Umfang nicht hinreichend begründete einmalige [X.]eihilfen bewilligt hatte.

3

Im August 2011 leitete die Klägerin ein Disziplinarverfahren ein. Als Ergebnis ihrer gleichzeitig eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungen warf die Staatsanwaltschaft dem [X.]n in ihrer Anklageschrift vom 16. Januar 2012 vor, dass dieser in der [X.] vom 28. Dezember 2007 bis 5. August 2011 durch [X.]ewilligung von nicht hinreichend begründeten einmaligen [X.]eihilfen nach dem [X.] insgesamt rund 410 000 € veruntreut habe. Das Strafverfahren wurde vom [X.] im [X.]ärz 2015 gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt, nachdem der [X.] eine Geldauflage in Höhe von 3 000 € gezahlt hatte.

4

[X.]it [X.]eschluss vom 12. Oktober 2015 setzte das Verwaltungsgericht der Klägerin auf Antrag des [X.]n eine Frist zur Entscheidung über den Abschluss des Disziplinarverfahrens bis zum 15. Dezember 2015. Auf der Grundlage der Ergebnisse des Ermittlungsführers vom 1. Oktober 2015 reichte die Klägerin am 15. Dezember 2015 beim Verwaltungsgericht mit einem unter dem [X.]riefkopf der beauftragten Anwaltskanzlei verfassten und von ihrem Prozessbevollmächtigten unterschriebenen Schriftsatz [X.] ein. Das Verwaltungsgericht hat, nachdem es das Disziplinarverfahren auf drei näher bezeichnete Asylfälle beschränkt und die übrigen Vorwürfe ausgeschieden hat, den [X.]n aus dem [X.]eamtenverhältnis entfernt.

5

Im [X.]erufungsverfahren hat die Klägerin eine von ihrer [X.]ürgermeisterin unterzeichnete inhaltsgleiche [X.]schrift vorgelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat die [X.]erufung des [X.]n zurückgewiesen und zur [X.]egründung im Wesentlichen ausgeführt: Die [X.] sei wirksam erhoben. Der [X.]angel der zuvor von einer hierzu nicht befugten Person unterzeichneten Klageschrift sei durch die nunmehr vorgelegte ordnungsgemäße [X.]schrift geheilt worden. Der [X.] habe in den Jahren 2008 bis 2011 in den drei noch streitgegenständlichen [X.] in insgesamt 232 Einzelfällen einmalige [X.]eihilfen oder Abschlagzahlungen nach dem [X.] in Höhe von mehr als 100 000 € zur Auszahlung gebracht, ohne in jedem einzelnen Vorgang einen Antrag aufzunehmen, die Prüfung der sachlichen Voraussetzungen der Leistungsbewilligung zu dokumentieren und einen [X.]ewilligungsbescheid zu erlassen sowie ohne Leistungen auf Drittkonten zu dokumentieren. Dadurch habe er gegen seine Pflicht zu vollem persönlichen Einsatz im [X.]eruf (§ 57 Satz 1 L[X.]G [X.], § 34 Satz 1 [X.]eamtStG), gegen seine Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 [X.]eamtStG) und seine Gehorsamspflicht (§ 35 Abs. 1 Satz 2 [X.]eamtStG) verstoßen. Der [X.] habe vorsätzlich und schuldhaft gehandelt; Letzteres sei weder wegen seiner Alkoholabhängigkeit noch wegen der Entwicklung einer depressiven Symptomatik ausgeschlossen. Dies ergebe sich maßgeblich aus dem im Strafverfahren erstatteten Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. [X.]. und gelte auch mit [X.]lick auf mehrere vom [X.]n vorgelegte ärztliche [X.]escheinigungen des [X.] [X.]ei Würdigung aller be- und entlastenden Umstände sei die [X.] die angezeigte und angemessene Disziplinarmaßnahme.

6

2. Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe gemäß § 67 Satz 1 [X.] [X.] i.V.m. § 132 Abs. 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde ist nicht begründet.

7

a) Die von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage,

ob die Frist zum gerichtlich angeordneten Abschluss eines Disziplinarverfahrens nach § 62 Abs. 1 [X.] [X.] bzw. § 62 Abs. 1 [X.] auch dann gewahrt ist, wenn der Dienstherr innerhalb der gerichtlich gesetzten Frist nur eine mit [X.]ängeln behaftete Abschlussentscheidung vorlegt und die [X.]ängel dieser Abschlussentscheidung erst nach Ablauf der Frist behoben werden,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung (§ 67 Satz 1 [X.] [X.] i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), weil sie auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens aufgrund der vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - im Sinne des [X.]erufungsgerichts - beantwortet werden kann.

8

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass eine [X.]schrift an einem wesentlichen [X.]angel [X.]. § 54 Abs. 1 [X.] [X.] leidet, wenn sie von einer unzuständigen [X.]ehörde oder von einem [X.] erhoben wird, der gemäß § 32 Abs. 5 [X.] [X.] oder nach der organisationsrechtlichen Vertretungsregelung hierzu nicht befugt ist ([X.]VerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 [X.] 3.12 - [X.]VerwGE 146, 98 Rn. 58 ff.). Dasselbe gilt, wenn die [X.]schrift von einem von dem Dienstherrn bevollmächtigten Rechtsanwalt gezeichnet ist ([X.]VerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 2 [X.] 12.17 - [X.] LDisziplinarG Nr. 53 Rn. 29). In diesen Fällen eröffnet § 54 Abs. 3 [X.] [X.] aber die [X.]öglichkeit, diesen wesentlichen [X.]angel des Verfahrens durch Vorlage einer von dem zuständigen [X.] unterzeichneten [X.] zu heilen. Dies kann gemäß § 65 Abs. 1 [X.] [X.], der u.a. auf § 54 [X.] [X.] verweist, auch noch im [X.]erufungsverfahren geschehen, sofern schutzwürdige [X.]elange des [X.]eamten hierdurch nicht beeinträchtigt werden ([X.]VerwG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - 2 [X.] 12.17 - [X.] LDisziplinarG Nr. 53 Rn. 30 und [X.]eschluss vom 10. Juli 2014 - 2 [X.] 54.13 - [X.] LDisziplinarG Nr. 26 Rn. 7).

9

Diese Heilungsmöglichkeit gilt auch in der hier gegebenen Fallkonstellation, dass der zuständigen [X.]ehörde gemäß § 62 Abs. 1 [X.] [X.] vom Verwaltungsgericht eine Frist zum Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens gesetzt wurde. Indem sie die angemahnte Abschlussentscheidung getroffen und fristgerecht [X.] erhoben hat, ist die Klägerin der Fristsetzung nachgekommen. Die ansonsten drohende Einstellung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht (§ 62 Abs. 3 [X.] [X.]) war damit abgewendet. [X.]ehr hatte das Verwaltungsgericht auch nicht zu prüfen (vgl. Weiß, in: [X.], [X.], Stand 4/2018, [X.] § 62 Rn. 50). Die gesetzlichen Regelungen geben keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass für eine nach Fristsetzung gemäß § 62 Abs. 1 [X.] [X.] eingereichte [X.]schrift andere, strengere Voraussetzungen gelten sollten als für den Normalfall einer ohne eine solche Fristsetzung eingereichten Klage. Wie bei Letzterer bleibt es auch im Fall eines (erst) nach gerichtlicher Fristsetzung abgeschlossenen behördlichen Disziplinarverfahrens dabei, dass wesentliche [X.]ängel des behördlichen Disziplinarverfahrens im gerichtlichen Verfahren geheilt werden können, auch noch in der [X.]erufungsinstanz, sofern schutzwürdige [X.]elange des [X.]eamten hierdurch nicht beeinträchtigt werden. Letzteres hat das [X.]erufungsgericht zutreffend verneint, weil die im [X.]erufungsverfahren vorgelegte Klageschrift mit der ursprünglichen Klageschrift inhaltsgleich ist, mithin keine neuen belastenden Tatsachen und [X.]eweismittel enthält.

Der Hinweis der [X.]eschwerde, dass das [X.] - anders als § 45 VwVfG [X.] - nicht von "Heilung", sondern lediglich von der [X.]ehe[X.]arkeit der [X.]ängel spreche (richtig: von ihrer "[X.]eseitigung", vgl. § 54 Abs. 3 Satz 1 und 3 [X.] [X.]), ist unbehelflich. Auch die "Heilung" von [X.] gemäß § 45 Abs. 1 VwVfG [X.] - sie werden dort für "unbeachtlich" erklärt - ist nichts anderes als deren [X.]eseitigung, nämlich durch eine nachträgliche Antragstellung, eine nachträgliche [X.]egründung, eine Nachholung einer Anhörung oder von [X.]itwirkungsakten (vgl. Nr. 1 bis 5 der Vorschrift). Entgegen der Ansicht der [X.]eschwerde sind auch die Rechtsfolgen der [X.]eseitigung des behördlichen Verfahrensmangels oder der Klageschrift geregelt: Wird der [X.]angel innerhalb der Frist nicht beseitigt, ist das Verfahren durch gerichtlichen [X.]eschluss einzustellen (§ 54 Abs. 3 Satz 3 [X.] [X.]); wird er dagegen beseitigt, liegt kein Verfahrensmangel (mehr) vor und es ergeht eine Sachentscheidung.

b) Die von der [X.]eschwerde behauptete Divergenz (§ 67 Satz 1 [X.] [X.] i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

Die [X.]eschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht habe den von der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 15. November 2018 - 2 [X.] 60.17 - [X.]VerwGE 163, 356) abweichenden Rechtssatz aufgestellt, der Dienstherr brauche sich die Kenntnis eines dienstvorgesetzten [X.]eamten von dem pflichtwidrigen Verhalten des angeschuldigten [X.]eamten nicht zurechnen zu lassen; auf die Notwendigkeit zu einem abgestuften disziplinarrechtlichen Vorgehen könne sich ein nachgeordneter [X.]eamter nicht berufen, wenn dem Dienstherrn das dienstwidrige Verhalten unbekannt geblieben sei.

Die Rüge greift aus einem doppelten Grunde nicht durch. Zum einen geht sie von einem Sachverhalt aus, den das [X.]erufungsgericht nicht festgestellt hat. Ihr liegt die Annahme zugrunde, der (unmittelbare) dienstvorgesetzte [X.]eamte des [X.]n - der Leiter des [X.] - habe (positive) Kenntnis von den Dienstpflichtverletzungen des [X.]n gehabt. Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts, die von der [X.]eschwerde nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen sind, bestehen aber gerade keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Vorgesetzten die Arbeitsweise des [X.]n bekannt gewesen ist ([X.] oben). Daran wäre der Senat in dem angestrebten Revisionsverfahren gebunden. Zum anderen wäre die behauptete Divergenz nicht entscheidungserheblich. Denn die von der [X.]eschwerde angeführte Aussage stammt aus einer Passage der Entscheidungsgründe ([X.]), in der das [X.]erufungsgericht nur hilfsweise hypothetische Erwägung anführt ([X.] unten: "Aber auch wenn der Vorgesetzte ... Kenntnis gehabt haben sollte ...").

c) Schließlich liegen auch die von der [X.]eschwerde gerügten Verfahrensmängel nicht vor (§ 67 Satz 1 [X.] [X.] i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

aa) Zu den nachfolgenden [X.] eines Verstoßes gegen die gerichtliche Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 57 [X.] [X.] i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO) ist - vorab für alle [X.] einheitlich - festzuhalten, dass der [X.] zu keinem der nachfolgenden Punkte vor dem Oberverwaltungsgericht einen [X.]eweisantrag gestellt hat. Zur ordnungsgemäßen Rüge einer mangelnden Sachaufklärung gehört aber (u.a.) die Darlegung, dass und in welcher Weise der [X.]eteiligte selbst bereits im Verfahren vor dem [X.], insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt hat oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von Amts wegen hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 - 6 [X.] 52.65 - [X.]VerwGE 31, 212 <217 f.>; [X.]eschlüsse vom 6. [X.]ärz 1995 - 6 [X.] - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 8, vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f. = NJW 1997, 3328 und vom 18. Juni 1998 - 8 [X.] - [X.] 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475).

Eine derartige substanziierte Darlegung enthält die [X.]eschwerdebegründung nicht. Insbesondere ist zu allen nachfolgenden Einzelpunkten nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich, dass sich dem [X.]erufungsgericht die Notwendigkeit einer solchen Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen.

[X.]) Zu den einzelnen Verfahrensrügen ist darüber hinaus noch anzuführen:

(1) Das [X.]erufungsgericht hat seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 57 [X.] [X.] i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO) nicht dadurch verletzt, dass es die fachpsychiatrische Stellungnahme des [X.] vom 24. Februar 2017 nicht zum Anlass für eine (eigene, weitere) [X.]eweiserhebung genommen hat ([X.]eschwerdebegründung unter [X.] 1. a).

Das [X.]erufungsgericht hat die angeführte Stellungnahme von [X.] dahingehend gewürdigt ([X.] f.), dass in dieser lediglich eine "Vermutung" - so heißt es dort in der Tat - geäußert werde (nämlich dass der [X.] aufgrund seiner Suchtproblematik und depressiven Symptomatik kaum in der Lage sei, Tätigkeiten korrekt auszuführen und richtige Entscheidungen zu treffen); es hat weiter ausgeführt, dass Letzteres gerade keine Schuldunfähigkeit belege und dass diese [X.]escheinigung deshalb nicht geeignet sei, die Ausführungen des Sachverständigen [X.] in dessen im vorangegangenen strafgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten zu erschüttern. In dem Gutachten hatte [X.] bereits frühere [X.]escheinigungen desselben Arztes aus dem [X.] als die Schuld des [X.]n nicht ausschließend bewertet. Das [X.]erufungsgericht hat die wesentlichen Aussagen des Gutachtens von [X.] nochmals zusammenfassend dargestellt, gewürdigt, sich ihm angeschlossen und mit der obigen [X.]egründung in der Stellungnahme von [X.] keinen Anlass für eine eigene [X.]eweiserhebung gesehen.

Dies ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.

(aa) Allerdings ist das [X.]erufungsgericht nicht den seit dem Inkrafttreten des [X.] vom 24. August 2004 ([X.]) durch die Einfügung des § 411a ZPO i.V.m. § 98 VwGO eröffneten Weg gegangen, die Einholung eines eigenen schriftlichen Sachverständigengutachtens durch die Verwertung des in einem anderen gerichtlichen Verfahren (hier: im strafgerichtlichen Verfahren) eingeholten Gutachtens des Sachverständigen [X.] zu ersetzen (vgl. zu § 411a ZPO: Rudisile, in: [X.]/[X.]/[X.]ier, VwGO, [X.], Stand: [X.].[X.]. Februar 2019, § 98 Rn. 173a; [X.], in: [X.], VwGO, 15. Aufl. 2019, § 98 Rn. 34.). Hierfür ist eine sog. Verwertungsanordnung erforderlich, die - schon aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit - zweckmäßigerweise als förmlicher [X.]eweisbeschluss ergehen sollte, doch billigt die zivilgerichtliche Rechtsprechung offenbar auch konkludent getroffene Anordnungen (vgl. etwa [X.], [X.]eschlüsse vom 14. November 2017 - [X.]/17 - NJW 2018, 1171 Rn. 19, vom 27. April 2016 - [X.]/15 - NJW-RR 2016, 833 Rn. 15; [X.], in: [X.]usielak/[X.], ZPO, 16. Aufl. 2019, § 411a Rn. 13; [X.], in: [X.], ZPO, 33. Aufl. 2020, § 411a ZPO Rn. 4; [X.], in: [X.]/[X.], ZPO, 41. Aufl. 2020, § 411a ZPO Rn. 3). In jedem Fall ist den [X.]eteiligten vor der Anordnung (oder der Verwertung) rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 16. November 2011 - [X.] - FamRZ 2012, 293 Rn. 24 m.w.[X.]). Entscheidend ist, dass die [X.]eteiligten die Verfahrensrechte wahrnehmen können, die ihnen bei Einholung eines neuen Gutachtens zustehen würden, also den Gutachter gemäß § 406 ZPO abzulehnen oder seine Anhörung zur mündlichen Erläuterung gemäß § 411 Abs. 4 ZPO zu beantragen. [X.]ei einem Vorgehen gemäß § 411a ZPO richtet sich die Entscheidung über die Einholung eines neuen Gutachtens nach § 412 ZPO.

Das [X.]erufungsgericht ist - wie in der Praxis der Verwaltungsgerichte auch nach Einführung von § 411a ZPO offenbar nach wie vor überwiegend üblich - diesen Weg im Streitfall nicht gegangen. Dass § 411a ZPO in der Praxis der [X.]e bislang offenbar geringe [X.]edeutung gewonnen hat, mag u.a. darauf beruhen, dass im vom Amtsermittlungsgrundsatz gesteuerten Verwaltungsprozess sich Sachverständigengutachten oftmals bereits in den von den Verwaltungsgerichten regelmäßig beigezogenen [X.]ehördenakten befinden oder - so auch hier - von behördlicher Seite vorgelegt werden.

Für die [X.]eurteilung der Frage, ob das [X.]erufungsgericht ein neues Gutachten (durch denselben oder einen anderen Sachverständigen) hätte einholen müssen, kann daher nicht § 412 ZPO i.V.m. § 98 VwGO herangezogen werden. Denn § 412 ZPO regelt nur die Einholung eines weiteren Gutachtens, nachdem das Gericht in seinem eigenen gerichtlichen Verfahren selbst ein (erstes) Gutachten nach [X.]aßgabe der §§ 402 ff. ZPO eingeholt hat (vgl. [X.], [X.] vom 18. Januar 1990 - 2 [X.]vR 760/88 - [X.] 1990, 161 <164 f.> und vom 30. November 1993 - 2 [X.]vR 594/93 - [X.]ayV[X.]l 1994, 143 <144>); daneben ist § 412 ZPO nunmehr auch bei einem Vorgehen nach § 411a ZPO anwendbar. An der vom [X.] - so auch vom beschließenden Senat bis in jüngste [X.] - in ständiger Rechtsprechung auch für die vorliegende Fallkonstellation verwandten [X.]egründung, es stehe gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 404 Abs. 1 und § 412 ZPO im Ermessen des [X.]s, ob es ein weiteres (zur Verdeutlichung: erstes eigenes) Sachverständigengutachten einholt, kann daher, soweit dafür § 412 ZPO angeführt wurde, nicht mehr festgehalten werden; insoweit bedarf es einer [X.]odifizierung.

([X.]) Der beschließende Senat hat - allerdings ohne Verweis auf § 411a ZPO - bereits ausgesprochen, dass das [X.] sich auch auf ein nicht von ihm selbst in Auftrag gegebenes, sondern aus einem anderen Verfahren übernommenes Sachverständigengutachten stützen kann. Ein derartiges Gutachten kann in gleicher Weise wie ein vom Gericht selbst eingeholtes Gutachten verwertet werden, wenn es nach den Regeln des Sachverständigenbeweises unter Wahrung der prozessualen Rechte der [X.]eteiligten in das Verfahren eingeführt wird. Hierfür ist zumindest die rechtzeitige [X.]itteilung an die Verfahrensbeteiligten erforderlich, dass es die in Rede stehende [X.] ([X.]eweisfrage) aufgrund des anderweitig erstellten Gutachtens beantworten will (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 29. [X.]ai 2009 - 2 [X.] - [X.] 235.1 § 58 [X.] Nr. 5 Rn. 8 und vom 1. April 2011 - 2 [X.] 84.10 - juris Rn. 5, jeweils m.w.[X.]).

Der Sache nach entspricht dies der oben dargestellten Rechtsprechung der Zivilgerichte zu § 411a ZPO, weil auch hier entscheidend auf die Wahrung der prozessualen Rechte der Verfahrensbeteiligten abgestellt wird. Zu ergänzen ist, dass es einer ausdrücklichen [X.]itteilung an die Verfahrensbeteiligten gleichsteht und sich eine solche daher erübrigen kann, wenn es nach dem bisherigen Gang des Verfahrens offensichtlich ist oder ernsthaft in [X.]etracht kommt, dass das Gericht das anderweitig eingeholte Gutachten verwerten wird, z.[X.]. weil es bereits von der Vorinstanz herangezogen wurde, sodass offenkundig Anlass für die Annahme besteht, dass es auch im weiteren Instanzenweg [X.]edeutung erlangen kann.

([X.]) Im Übrigen gelten in beiden Fällen - bei einer Verwertungsanordnung gemäß § 411a ZPO wie bei einem Vorgehen nach ([X.]) - für die [X.]efugnis des Gerichts, den Antrag eines Verfahrensbeteiligten auf Einholung eines (ersten, eigenen) gerichtlichen Sachverständigengutachtens abzulehnen, die allgemeinen Grundsätze des [X.]eweisrechts.

Das aus dem anderen gerichtlichen Verfahren stammende Sachverständigengutachten ist - wenn der Weg über § 411a ZPO (aa) nicht gegangen wird - der Sache nach ein im Wege des [X.] in das eigene gerichtliche Verfahren eingeführter [X.] (vgl. [X.], [X.] vom 18. Januar 1990 - 2 [X.]vR 760/88 - [X.] 1990, 161 <164> und vom 30. November 1993 - 2 [X.]vR 594/93 - [X.]ayV[X.]l 1994, 143 <144>). Dem Gericht liegt lediglich ein von dem Sachverständigen als Privatperson erstelltes und unterzeichnetes Schriftstück - sei es im Original, sei es als Ablichtung - vor, mithin eine Privaturkunde [X.]. § 416 ZPO. Dieser kommt nur eine beschränkte (formelle) [X.]eweiskraft zu, nämlich dass der Sachverständige in dem anderen gerichtlichen Verfahren diese schriftliche fachliche Aussage zu dem [X.]eweisthema abgegeben hat. Die materielle [X.]eweiskraft dieser Urkunde, ihre inhaltliche Aussage, unterliegt dagegen den Grundsätzen der richterlichen Überzeugungsbildung und der freien [X.]eweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 286 ZPO). Deshalb kann auch in diesem Fall ein auf die Einholung eines (ersten, eigenen) gerichtlichen Sachverständigengutachtens gerichteter [X.]eweisantrag abgelehnt werden und braucht einer dahingehenden [X.]eweisanregung nicht gefolgt zu werden, wenn das Vorbringen des Verfahrensbeteiligten nicht geeignet ist, den fachlichen Inhalt des urkundlich vorliegenden Gutachtens ernsthaft zu erschüttern. Hierfür gelten die allgemeinen [X.]aßstäbe, die auch sonst an [X.]eweisanträge und -anregungen zu stellen sind.

Inhalt eines Sachverständigengutachtens sind regelmäßig die Ausführungen des Sachverständigen zu den sich in dem Streitfall stellenden und in dem [X.]eweisthema formulierten Fragen des Gerichts, die nur aufgrund eines besonderen Fachwissens (z.[X.]. medizinischer oder naturwissenschaftlicher Art) zu beantworten sind und über das das Gericht selbst nicht verfügt (zur erforderlichen Einholung medizinischen Sachverstands vgl. etwa [X.]VerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 [X.] 22.13 - [X.]VerwGE 150, 1 Rn. 18; [X.]eschlüsse vom 24. Juli 2014 - 2 [X.] 85.13 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 382 Rn. 5 und vom 28. Februar 2017 - 2 [X.] 85.16 - [X.] LDisziplinarG Nr. 49 Rn. 8, jeweils m.w.[X.]). [X.] ein Verfahrensbeteiligter die inhaltliche Aussage eines solchen Gutachtens angreifen, bedarf es - wie bei jedem [X.]eweisantritt oder jeder [X.]eweisanregung - eines substanziierten Vortrags, der geeignet ist, die inhaltliche Aussage derart in Zweifel zu ziehen, dass diese ernsthaft erschüttert wird (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 26. Juni 1992 - 4 [X.] 1.92 u.a. - [X.] 407.4 § 17 [X.] Nr. 89 S. 97) und das [X.] dem deshalb im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht nachkommen muss. Dies setzt - wiederum wie auch sonst im [X.]eweisrecht - voraus, dass der Vortrag des Verfahrensbeteiligten eine hinreichend konkrete [X.]eweisbehauptung enthält, d.h. greifbare Anhaltspunkte (sog. Anknüpfungstatsachen) bezeichnet, an denen eine [X.]eweiserhebung ansetzen kann (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 6. Januar 2011 - 4 [X.] 51.10 - [X.]RS 78 Nr. 190 Rn. 14 und vom 25. Januar 2016 - 2 [X.] 34.14 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 75 Rn. 39 m.w.[X.]). Fehlt es hieran, etwa weil das Vorbringen im [X.]ereich der Vermutung und spekulativ bleibt oder weil eine [X.]ehauptung "ins [X.]laue hinein" aufgestellt oder ohne Auseinandersetzung mit plausibler oder (wie hier) sachverständiger Gegenargumentation aufrechterhalten wird (vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 23. Dezember 2015 - 2 [X.] 40.14 - [X.] 449 § 3 SG Nr. 82 Rn. 49 m.w.[X.]), kann dem [X.] schon deswegen kein Verfahrensfehler in Gestalt eines Verstoßes gegen seine Aufklärungspflicht vorgeworfen werden.

([X.]) Ausgehend von diesen [X.]aßstäben ist das Vorgehen des [X.]erufungsgerichts verfahrensrechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Das [X.]erufungsgericht hat das Gutachten des Sachverständigen [X.] im Wege des [X.] als [X.] gemäß § 98 VwGO i.V.m. §§ 416 ff. ZPO verwertet. Dies ist - wie dargelegt - verfahrensrechtlich unbedenklich, weil das Gutachten ordnungsgemäß in das disziplinargerichtliche Verfahren eingeführt worden ist und die Verfahrensbeteiligten in der Lage waren, ihre prozessualen Rechte und damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör wahrzunehmen. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen vorherigen [X.]itteilung des [X.]erufungsgerichts an die Verfahrensbeteiligten, es sei gewillt, das in Rede stehende Gutachten zu [X.]eweiszwecken heranzuziehen. Dies war im Streitfall aber entbehrlich. Das Gutachten von [X.] war bereits in der ursprünglichen [X.]schrift vom 15. Dezember 2015 (ebenso in der späteren inhaltsgleichen neuen [X.]schrift) in [X.]ezug genommen (dort [X.]) und ihr als Anlage beigefügt. Es war bereits vom Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil verwertet worden. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem [X.]erufungsgericht gehörte es zu den Unterlagen, die Grundlage der dortigen mündlichen Verhandlung waren. Hiernach war offensichtlich, dass das [X.]erufungsgericht für die [X.]eurteilung der Frage einer verminderten Schuldfähigkeit des [X.]n (auch) dieses Gutachten heranziehen werde.

Auch die [X.]egründung des [X.]erufungsgerichts, weshalb die vorgelegte weitere Stellungnahme des [X.] keinen tragfähigen Ansatzpunkt für eine weitere Sachaufklärung gebe ([X.] f.), ist nicht zu beanstanden. Denn in dieser wird lediglich eine "Vermutung" geäußert (nämlich dass der [X.] aufgrund seiner Suchtproblematik und depressiven Symptomatik kaum in der Lage sei, Tätigkeiten korrekt auszuführen und richtige Entscheidungen zu treffen); eine derart spekulative Äußerung musste das [X.]erufungsgericht nicht zu weiteren Ermittlungen veranlassen. Auch die weitere [X.]egründung, dass das vermutete Defizit gerade keine Schuldunfähigkeit belege und dass diese [X.]escheinigung deshalb nicht geeignet sei, die Ausführungen des Sachverständigen [X.] in dessen im vorangegangenen strafgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten zu erschüttern, trägt das Absehen von weiteren Ermittlungen in dieser Richtung. Dies gilt umso mehr angesichts des bereits erwähnten Umstandes, dass der Prozessbevollmächtigte des [X.]n - im erst- wie im zweitinstanzlichen Verfahren - keinen (förmlichen) [X.]eweisantrag gestellt hat, mit dem er auf die nunmehr gerügte unterbliebene (weitere) [X.]eweiserhebung hätte hinwirken können.

(2) Ein weiterer Verstoß gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) sowie zur fehlerfreien richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht im Unterlassen der Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens zu der [X.]ehauptung, dass der [X.] zu einer ordnungsgemäßen Aktenführung gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen sei. Die [X.]eschwerde rügt, das [X.]erufungsgericht habe, indem es sowohl hinsichtlich der Frage der Schuld als auch der des Vorsatzes auf das Gutachten des Sachverständigen [X.] verweise, verkannt, dass das Strafverfahren, in dem es eingeholt worden sei, nicht den Vorwurf der unzureichenden Aktenführung, sondern den der Veruntreuung zum Gegenstand gehabt habe ([X.]eschwerdebegründung [X.]1 b).

Diese Kritik geht fehl. Das Gutachten des Sachverständigen [X.] ist zwar in einem Strafverfahren mit dem strafrechtlichen Vorwurf der Untreue (§ 266 StG[X.]) erstellt worden. Gegenstand war indes ein und derselbe Lebenssachverhalt, der nunmehr Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ist (wenngleich dort nur noch in beschränktem Umfang). Zu diesem Lebenssachverhalt gehören untrennbar sowohl die (mangels ordnungsgemäßer Aktenführung nicht nachvollziehbaren) Auszahlungen des [X.]n, die zu der Anklage wegen Untreue führten, als auch eben diese (disziplinarrechtlich zu ahnende) gravierend mangelhafte Aktenführung. Dies verkennt die [X.]eschwerde. Der Sachverständige [X.] hat sich mit diesem einheitlichen Lebenssachverhalt befasst. Sein Gutachten vom 15. Oktober 2014 äußert sich aus fachmedizinischer Sicht dazu, ob beim [X.]n Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit und Einsichtsfähigkeit in die Rechtswidrigkeit seines Tuns vorliegen. Einen Rechtsverstoß in diesem Sinne stellt aber auch der Verstoß des [X.]n gegen seine Dienstpflichten dar (§ 57 Satz 1 L[X.]G [X.], § 34 Satz 1 und 3, § 35 Abs. 1 Satz 2 [X.]eamtStG). Die Ausführungen des Gutachters lassen auch nicht ansatzweise erkennen, dass aus medizinischer Sicht Unterschiede in der straf- und disziplinarrechtlichen Verantwortlichkeit des [X.] bestehen könnten.

(3) Ein Verstoß erneut gegen die Pflicht zur fehlerfreien richterlichen Überzeugungsbildung liegt nicht darin ([X.]eschwerdebegründung [X.]1.c), dass das Oberverwaltungsgericht zur Frage des Vorliegens einer erheblichen verminderten Schuldfähigkeit [X.]. § 21 StG[X.] "auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen" des erstinstanzlichen Urteils [X.]ezug genommen hat ([X.] 29).

Zwar ist richtig, dass auch das [X.]erufungsgericht als zweite Tatsacheninstanz wegen der ihm übertragenen vollumfänglichen Disziplinarbefugnis verpflichtet ist, sich selbst eine eigene Überzeugung vom Nachweis des Dienstvergehens und der bemessungsrelevanten Umstände zu bilden. Ein Verweis auf die [X.]eweiswürdigung des [X.] genügt nicht (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 [X.] 3.12 - [X.]VerwGE 146, 98 Rn. 24). [X.]ezugnahmen von begrenztem Umfang auf Tatsachenfeststellungen oder rechtliche Ausführungen der Vorinstanz, erst Recht auf bindende strafgerichtliche Feststellungen, sind dabei allerdings unschädlich. [X.] zu beanstanden ist dagegen, wenn sich das [X.]erufungsgericht darauf beschränkt, Vorbringen im Tatbestand des [X.]erufungsurteils kursorisch zu erwähnen und in den Entscheidungsgründen auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils zu verweisen, obwohl gerade dessen Erwägungen angegriffen werden (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. Oktober 2011 - 2 [X.] 86.11 - juris Rn. 9 f.).

Diesen Grundsätzen wird das Urteil des [X.]erufungsgerichts gerecht. Die von der [X.]eschwerde kritisierte teilweise (begrenzte) [X.]ezugnahme auf das Urteil des [X.] belegt nicht, dass das [X.]erufungsgericht es im vorstehenden Sinne versäumt hätte, sich eine eigene richterliche Überzeugung zu bilden. [X.]it der beanstandeten [X.]ezugnahme macht sich das Oberverwaltungsgericht Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils im Umfang von zwei Seiten (dort [X.] 38 [X.]itte bis [X.]) zu eigen; es handelt sich also um eine lediglich punktuelle [X.]ezugnahme. Diese ist auch deshalb unschädlich, weil auch die eigenen Ausführungen des [X.] zum Vorsatz und zur Schuldfähigkeit des [X.]n mit in den [X.]lick zu nehmen sind, einschließlich der dortigen Würdigung des Sachverständigengutachtens von [X.] und der Stellungnahmen von [X.] ([X.] 22 unten bis 24 oben). Angesichts dessen - und der sorgsamen Würdigung aller be- und entlastenden Aspekte der [X.]aßnahmebemessung - kann dem Oberverwaltungsgericht nicht abgesprochen werden, dass es mit seinem 39 Seiten umfassenden Urteil der Pflicht zur eigenen richterlichen Überzeugungsbildung nachgekommen ist.

(4) Schließlich liegt ein Verfahrensmangel, wiederum in Gestalt eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung und zur fehlerfreien richterlichen Überzeugungsbildung, nicht darin, dass das [X.]erufungsgericht die Aussage in der Stellungnahme des [X.] vom 24. Februar 2017 nicht gewürdigt habe, wonach sich die Symptomatik des [X.]n "unter der [X.]ehandlung deutlich gebessert" habe (so [X.]eschwerdebegründung [X.]2.).

Richtig ist, dass es zu den nach § 13 [X.] [X.] bemessungsrelevanten - und für den [X.]eamten sprechenden - Umständen gehört, wenn dieser sich im Hinblick auf sein Dienstvergehen einer Therapie unterzogen hat; insbesondere kann eine nachträgliche erfolgreiche Therapiemaßnahme maßnahmemildernd zu berücksichtigen sein, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine günstige Zukunftsprognose gestellt werden kann ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 8. Juni 2017 - 2 [X.] 5.17 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 43 Rn. 33 m.w.[X.]). Diesen Anforderungen ist das [X.]erufungsgericht jedoch gerecht geworden. Es hat die erwähnte Stellungnahme - wie bereits erwähnt - in anderem Zusammenhang (Vermutung der alkoholbedingten Unfähigkeit zu korrekter Dienstausübung) erwähnt und gewürdigt; daher verbietet sich die Annahme, dass es die darin ebenfalls bescheinigte behandlungsbedingte [X.]esserung nicht zur Kenntnis genommen habe. Vielmehr ist auch dies vom [X.]erufungsgericht gewürdigt worden, indem es die [X.]ehauptung des [X.]n, er habe seine Probleme zwischenzeitlich überwunden ([X.] 30), für nicht ausreichend angesehen hat, um unter dem Gesichtspunkt einer negativen Lebensphase zu einer [X.]ilderung der Disziplinarmaßnahme zu gelangen. Dies hält sich im den Disziplinartatsachengerichten bei der [X.]aßnahmebemessung zukommenden Wertungsrahmen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 [X.] [X.] i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Werts des Streitgegenstands bedarf es nicht, weil für das [X.]eschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 [X.] [X.] erhoben werden.

Meta

2 B 30/19

15.06.2020

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 8. Mai 2019, Az: 3d A 288/17.O, Urteil

§ 54 Abs 3 DG NW, § 62 Abs 1 DG NW, § 98 VwGO, § 402 ZPO, § 411a ZPO, § 412 ZPO, § 402ff ZPO, § 402 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.06.2020, Az. 2 B 30/19 (REWIS RS 2020, 3944)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3944

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