Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.08.2022, Az. B 5 R 11/22 B

5. Senat | REWIS RS 2022, 5194

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - gerügter Besetzungsfehler - Geschäftsverteilungsplan - Divergenz - grundsätzliche Bedeutung - Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto - eigener Willensentschluss


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 26. August 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die [X.]lägerin begehrt im Wege eines [X.] die Gewährung einer Regelaltersrente unter Anerkennung fiktiver Beitragszeiten nach dem [X.].

2

Die im Jahr 1921 in der [X.] geborene [X.]lägerin ist [X.] und wurde aus diesem Grund Opfer [X.] Verfolgung. Mitte des Jahres 1944 flüchtete sie innerhalb der [X.] nach [X.] (heute: [X.]), wo sie verhaftet und in ein ehemaliges Schulgebäude gebracht wurde. Die [X.] verwendete die erste Etage des [X.] als Sammellager für [X.] und Regimegegner bis zu deren späterer Deportation in ein [X.]onzentrationslager. In der zweiten Etage lebten [X.], die Arbeiten für die [X.] verrichteten. Das Verlassen der Stockwerke war den dort lebenden Personen jeweils verboten. Die [X.]lägerin wurde zunächst in die erste Etage verbracht. Nachdem sie einem [X.]-Scharführer als Arbeitskraft vorgeschlagen worden war, lebte sie fortan in der zweiten Etage, wo sie Näh-, Wasch- und [X.]üchenarbeiten ausführte. Im Januar 1945 gelang ihr die Flucht.

3

Im Jahr 2006 beantragte sie erstmals die Gewährung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem [X.]. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 23.11.2007; Widerspruchsbescheid vom 5.8.2008). 2015 stellte die [X.]lägerin einen Überprüfungsantrag, den die Beklagte ebenfalls ablehnte (Bescheid vom 19.2.2015; Widerspruchsbescheid vom 16.2.2016). Nach Einreichung weiterer Unterlagen entschied die Beklagte von Amts wegen, den Widerspruchsbescheid vom 16.2.2016 nicht zurückzunehmen (Bescheid vom 26.4.2016). Das [X.] hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der [X.]lägerin eine Altersrente nach dem [X.] zu gewähren (Urteil vom [X.]). Sie erfülle aufgrund der [X.] für die Monate September 1944 bis Januar 1945 und weiterer verfolgungsbedingter Ersatzzeiten die allgemeine Wartezeit für eine Regelaltersrente. Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] das Urteil aufgehoben und die [X.]lage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Selbst unter Zugrundelegung eines weiten und entschädigungsrechtlich überformten Ghettobegriffs erfülle die von der [X.]lägerin im Schulgebäude von [X.] verbrachte [X.] nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.]. Die internierungsähnlichen Bedingungen ihrer Wohn- und Arbeitsverhältnisse entsprächen den [X.]riterien für einen Aufenthalt in einem Ghetto nicht. Selbst wenn der zwangsweise Aufenthalt in einem einzelnen Stockwerk eines Gebäudes als mit einem Ghetto vergleichbar zu bewerten wäre, handele es sich bei der von der [X.]lägerin ausgeübten Arbeit nicht um eine aus freiwilligem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung.

4

Die [X.]lägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des L[X.] Beschwerde zum B[X.] eingelegt. Sie macht Verfahrensmängel, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und hilfsweise eine Rechtsprechungsabweichung geltend.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.]lägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Beschwerdebegründung legt einen Revisionszulassungsgrund iS des § 160 Abs 2 [X.]G nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G gebotenen Weise dar. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 [X.]G zu verwerfen.

6

1. Die [X.]lägerin hat das Vorliegen von Verfahrensfehlern nicht ausreichend bezeichnet.

7

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), müssen zur Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) die den Mangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist darzulegen, dass und warum die Entscheidung des L[X.] auf dem Mangel beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

8

a) Die Verletzung einer Hinweispflicht des L[X.] nach § 106 [X.]G und damit zugleich im Rahmen einer Überraschungsentscheidung eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 [X.]G, Art 103 Abs 1 GG) legt die [X.]lägerin nicht hinreichend dar. Sie setzt sich bereits nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Umfang gerichtlicher Hinweispflichten auseinander. Danach gibt es keine allgemeine Verpflichtung des Gerichts, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Tatsachen- und Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Sie wird weder durch den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 62 [X.]G bzw Art 103 Abs 1 GG noch durch die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten (§ 106 Abs 1 bzw § 112 Abs 2 Satz 2 [X.]G) begründet, denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung (vgl zB B[X.] Beschluss vom 11.7.2022 - [X.] R 26/22 B - juris Rd[X.] 7; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 291/21 B - juris Rd[X.] 20; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 74/18 B - juris Rd[X.] 14 mwN).

9

Von einer Überraschungsentscheidung kann nur ausgegangen werden, wenn sich das Gericht ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr; vgl zB [X.] <[X.]ammer> Beschluss vom 3.5.2021 - 2 BvR 1176/20 - juris Rd[X.] 21 mwN). Der Verfahrensmangel einer Überraschungsentscheidung ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt. Daran fehlt es hier. Die [X.]lägerin trägt selbst vor, Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem L[X.] sei auch die Frage gewesen, ob die Voraussetzungen einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss iS von § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 Buchst a [X.] vorliegen. Dass dem Merkmal der Freiwilligkeit verrichteter Arbeit maßgebliche Bedeutung zukam, ergibt sich aus dem Urteil des B[X.] vom 20.5.2020 ([X.] R 9/19 R - B[X.]E 130, 171 = [X.] 4-5075 § 1 [X.] 10). Auch kann ein Beteiligter mit der Rüge einer Gehörsverletzung nur durchdringen, wenn er vor dem L[X.] alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen (stRspr; zB B[X.] Urteil vom 26.7.2016 - [X.] AS 47/15 R - B[X.]E 122, 25 = [X.] 4-1500 § 114 [X.] 2, Rd[X.]6; B[X.] Beschluss vom 23.2.2022 - [X.] V 35/21 B - juris Rd[X.] 17). Die [X.]lägerin gibt zwar an, sie selbst habe an der Verhandlung nicht teilnehmen und deshalb nicht zur weiteren Sachaufklärung beitragen können. Ihrem Vorbringen ist aber nicht zu entnehmen, dass ihre in der mündlichen Verhandlung anwesenden Prozessbevollmächtigten vom Berufungsgericht daran gehindert worden seien, die ihnen zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu nutzen, etwa einen Vertagungs- und/oder Beweisantrag zu stellen. Diesem Mangel wird nicht dadurch abgeholfen, dass die [X.]lägerin im Beschwerdeverfahren zu den tatsächlichen Umständen ihres Aufenthalts im zweiten Stock des [X.] in [X.] weiter vorträgt.

b) Eine fehlerhafte Besetzung des Berufungsgerichts ist ebenfalls nicht anforderungsgerecht dargelegt. Die [X.]lägerin stützt ihre "vorsorglich" erhobene Verfahrensrüge lediglich auf den Verdacht einer falschen Besetzung des L[X.], weil nach dem im Jahr 2020 geltenden Geschäftsverteilungsplan für sie nicht nachvollziehbar sei, auf welcher Grundlage die Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen L[X.] [X.] vertreten habe. Derzeit sei im [X.] nur der Geschäftsverteilungsplan für das [X.] abrufbar; zwischenzeitliche Änderungen seien auf der [X.]seite nicht zu erkennen. Damit ist ein Besetzungsfehler nicht hinreichend konkret vorgetragen. Die [X.]lägerin hätte zumindest angeben müssen, aus welchen Gründen ihr trotz eines entsprechenden Aufklärungsversuchs ein substantiierter Tatsachenvortrag nicht möglich ist (vgl [X.] Beschluss vom 14.9.2016 - 4 [X.] 540/16 - [X.], 1423 = juris Rd[X.] 4). Dies ist nicht deshalb entbehrlich, weil gerichtsinterne Vorgänge betroffen sind. Insoweit ist es nicht ausreichend, die ohne Weiteres im [X.] verfügbaren Informationsquellen zu nutzen, sondern regelmäßig zumutbar, ein Auskunftsersuchen an die Geschäftsstelle (vgl § 6 [X.]G iVm § 21e Abs 9 GVG) oder an die Leitung des L[X.] zu richten, um Verdachtsmomente zu klären (vgl B[X.] Beschluss vom 19.12.2017 - [X.] AS 316/17 B - juris Rd[X.] 7; s auch B[X.] Urteil vom [X.] - 5 RJ 62/93 - [X.] 3-1500 § 164 [X.] 5 S 7 = juris Rd[X.] 15). Dass die [X.]lägerin eine solche Aufklärung versucht hat, macht sie nicht geltend. Warum der Umstand einer Berichtigung des Protokolls der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Zusammensetzung der Richterbank zugleich den Verdacht einer fehlerhaften Besetzung nahelegen soll, ist schon im Ansatz nicht nachvollziehbar.

2. Auch eine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G ist in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G dargetan.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer [X.]lärung durch das Revisionsgericht bedarf ([X.]lärungsbedürftigkeit) und fähig ([X.]lärungsfähigkeit) ist. In der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten revisiblen Norm iS des § 162 [X.]G stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren [X.]lärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (s etwa Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] R 291/21 B - juris Rd[X.] 7 mwN).

Die [X.]lägerin bezeichnet folgende Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam:

        

"Sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 1 [X.]. 1 lit. a [X.] - in maximal weitem Verständnis oder in analoger Anwendung aufgrund der für das Entschädigungsrecht entwickelten Auslegungsgrundsätze - in Fällen erfüllt, in denen es trotz Gefahr für Leib und Leben für die Verfolgten auch [X.] von Freiwilligkeit des Arbeitsverhältnisses gab?"

Sie trägt dazu vor, nach der Grundsatzentscheidung des 13. Senats (Urteil vom 20.5.2020 - [X.] R 9/19 R - B[X.]E 130, 171 = [X.] 4-5075 § 1 [X.] 10) zum weiten [X.] stelle sich die Frage, ob nicht auch der Freiwilligkeitsbegriff iS von § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 Buchst a [X.] entsprechend zu erweitern sei. Das L[X.] habe angenommen, dass die [X.]lägerin die Arbeitsaufnahme nur mit einer Gefahr für Leib und Leben hätte ablehnen können. Das sei tatsächlich falsch, wäre aber andernfalls nicht einmal von Bedeutung, weil nach den für das Entschädigungsrecht entwickelten Auslegungsgrundsätzen die Arbeitsaufnahme der [X.]lägerin unter den gegebenen Umständen noch immer (hinreichend) freiwillig gewesen wäre. Die Rechtsfrage sei abstrakt klärungsbedürftig. Der 13. Senat habe entschieden, dass der Begriff "Ghetto" iS des [X.] maximal weit auszulegen sei. Nicht entschieden habe er, wie die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] - und insbesondere der notwendige "eigene Willensentschluss" zur Beschäftigung - künftig auszulegen sei. Nach den für das Entschädigungsrecht entwickelten Auslegungsgrundsätzen müssten [X.] eines freiwilligen Arbeitsverhältnisses für Rentenansprüche genügen, selbst wenn Leib und Leben der Verfolgten zu einem bestimmten [X.]punkt der Beschäftigung gefährdet gewesen seien. Die Grundsatzentscheidungen des B[X.] hierzu aus dem [X.] (Urteile vom [X.] - [X.] R 81/08 R - B[X.]E 103, 190 = [X.] 4-5075 § 1 [X.] 7 und vom [X.] - [X.] R 26/08 R - B[X.]E 103, 220 = [X.] 4-5075 § 1 [X.] 8) könnten angesichts der zwischenzeitlichen Rechtsfortbildung nicht mehr maßgeblich sein. Eine Auslegung der Vorschrift anhand von Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Systematik rechtfertige einen weiten Freiwilligkeitsbegriff. Jedenfalls sei der Begriff analog zu erweitern.

Die [X.]lägerin legt damit die [X.]lärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht anforderungsgerecht dar. Wie sie selbst vorbringt, hat sich das B[X.] insbesondere in den Entscheidungen vom 2. und [X.] ([X.] R 81/08 R und [X.] R 26/08 R) mit den Voraussetzungen einer aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 Buchst a [X.] auseinandergesetzt. Es hat befunden, dass eine Beschäftigung in einem Ghetto auch dann aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, wenn für die [X.] bestand, der Betroffene aber nicht zu einer bestimmten Arbeit gezwungen wurde, sondern das "Ob" und "Wie" der Arbeit bestimmen konnte (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] R 81/08 R - B[X.]E 103, 190 = [X.] 4-5075 § 1 [X.] 7, Rd[X.] 17 ff und Urteil vom [X.] - [X.] R 26/08 R - B[X.]E 103, 220 = [X.] 4-5075 § 1 [X.] 8, Rd[X.] 19 ff). Der 13. Senat des B[X.] hat in seiner Entscheidung vom 20.5.2020 ausdrücklich auf diese Rechtsprechung verwiesen ([X.] R 9/19 R - B[X.]E 130, 171 = [X.] 4-5075 § 1 [X.] 10, Rd[X.] 79) und in dem von ihm zu entscheidenden Fall die Voraussetzungen einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss auf der Grundlage dieser Rechtsprechung bejaht. Er hat insbesondere zur Beschreibung der Grenzen eines maximal weiten [X.]s darauf abgestellt, dass in einem Ghetto eine entgeltliche Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss iS von § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 [X.] "gleichwohl noch möglich" gewesen sein müsse und die Abgrenzung gegenüber Arbeits- und [X.]onzentrationslagern dem Gesetzeszweck entsprechend anhand des Merkmals der Freiwilligkeit verrichteter Arbeiten erfolge (aaO Rd[X.] 56). Zudem hat er betont, dass im Falle vergleichbarer Zwangssituationen außerhalb eines Ghettos diese dadurch geprägt gewesen seien, dass die Verfolgten in ihrem räumlichen Lebensbereich einem Aufenthaltszwang unterlagen, der es gleichwohl zugelassen habe, eine von ihnen ausgeübte Tätigkeit noch als freiwillige Beschäftigung zu qualifizieren (aaO Rd[X.] 73). Er hat weiter ausgeführt, dass im Mittelpunkt des [X.] die rentenrechtliche Berücksichtigung einer aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung stehe (und nicht der über das [X.] entschädigungsfähige Freiheitsschaden - aaO Rd[X.] 73). Damit setzt sich die Beschwerdebegründung in keiner Weise auseinander, sodass es an einer hinreichenden inhaltlichen Durchdringung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der dortigen tragenden Argumentation fehlt (vgl zu diesem Erfordernis B[X.] Beschluss vom 14.8.2006 - [X.] [X.]/05 B - juris Rd[X.] 7; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] ÜG 8/20 B - juris Rd[X.] 6).

Auch ein erneut entstandener [X.]lärungsbedarf wird in der Beschwerdebegründung nicht anforderungsgerecht dargetan. Um die erneute [X.]lärungsbedürftigkeit einer höchstrichterlich bereits geklärten Rechtsfrage darzulegen, muss aufgezeigt werden, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsauffassung in der Rechtsprechung oder in der Literatur widersprochen worden ist oder dass sich völlig neue, bislang nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] 1500 § 160a [X.] 13 = juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom 2.8.2018 - [X.] ÜG 7/18 B - juris Rd[X.] 8; Beschluss vom [X.] - [X.] R 7/21 B - juris Rd[X.] 8). Daran richtet die [X.]lägerin ihr Vorbringen nicht aus. Sie legt insbesondere nicht dar, dass und mit welchen Gründen den bisherigen Entscheidungen des B[X.] im Schrifttum oder in der Rechtsprechung überhaupt substanziell widersprochen worden ist. Allein die Darstellung einer bestimmten (eigenen) Gesetzesinterpretation reicht zur Darlegung einer weiteren [X.]lärungsbedürftigkeit einer vom B[X.] bereits entschiedenen Rechtsfrage nicht aus (vgl B[X.] Beschluss vom 2.8.2018 - [X.] ÜG 7/18 B - juris Rd[X.] 8; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] ÜG 8/20 B - juris Rd[X.] 6). Im [X.] stellt die [X.]lägerin mit ihren Ausführungen ihre eigene Rechtsauffassung derjenigen des L[X.] und letztlich auch derjenigen des B[X.] gegenüber. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vermag dies nicht zu begründen.

Auf den dem Vorbringen der [X.]lägerin zugrunde liegenden Vorwurf, das angegriffene Urteil sei inhaltlich unrichtig, kann die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ebenfalls nicht gestützt werden (stRspr; vgl etwa B[X.] Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 [X.]R 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 22 Rd[X.] 4; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 7/21 B - juris Rd[X.] 8; B[X.] Beschluss vom 1.9.2021 - [X.] R 155/21 B - juris Rd[X.] 5). Das gilt auch, soweit die [X.]lägerin die L[X.]-Entscheidung aus sozial- oder rechtspolitischen Gründen für falsch hält (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 291/21 B - juris Rd[X.] 13).

Auch die [X.]lärungsfähigkeit der Rechtsfrage ist nicht ausreichend dargetan. [X.]lärungsfähigkeit ist gegeben, wenn das Revisionsgericht nach und aufgrund der Zulassung der Revision in der Lage ist, über die klärungsbedürftige Rechtsfrage auch sachlich zu entscheiden. Warum dies der Fall sein sollte, obwohl das L[X.] - unter Würdigung des Sachverhalts nach § 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen - ausgeführt hat, dass eine "Restfreiheit" in Bezug auf das "Ob" der Annahme der Arbeit nicht verblieben sei, legt die Beschwerdebegründung nicht dar.

3. Ebenso erfüllt die Beschwerdebegründung die Darlegungserfordernisse für den hilfsweise geltend gemachten Zulassungsgrund einer Divergenz nicht.

Divergenz iS von § 160 Abs 2 [X.] 2 [X.]G liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das L[X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des B[X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des L[X.] nicht den [X.]riterien entspricht, die das B[X.] aufgestellt hat, sondern erst, wenn das L[X.] diesen [X.]riterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Beschwerdebegründung muss daher zugleich erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des L[X.] enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl zB Beschluss vom 12.5.2022 - [X.] R 3/22 B - juris Rd[X.] 6).

Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die [X.]lägerin trägt vor, die Entscheidung des L[X.] weiche von dem Urteil des B[X.] vom 20.5.2020 - [X.] R 9/19 R (B[X.]E 130, 171 = [X.] 4-5075 § 1 [X.] 10) ab. Das B[X.] habe mit seiner Grundsatzentscheidung bezweckt, das [X.] auch auf Fälle zu erstrecken, "in denen Betroffene unter einem Ghetto vergleichbaren Freiheitsbeschränkungen lebten und eine solche Beschäftigung ausübten". Der 13. Senat habe damit Rentenansprüche bis an die Grenze des "juristischen Sprachgebrauchs" und "geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisse" ermöglichen wollen. Ungeachtet des Umstands, dass diese Beschreibung keinen Rechtssatz enthält, stellt sie dem auch keinen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil gegenüber, mit dem das L[X.] von der Rechtsprechung des B[X.] abgewichen wäre. Dass sich das L[X.] dem genannten Urteil des B[X.] ausdrücklich angeschlossen hat (vgl [X.] S 16 f), bleibt unerwähnt. Der Vortrag, das L[X.] habe "diese Entwicklung allerdings wieder 'eingefangen' und die Grundsatzentscheidung des 13. Senats des [X.] mithilfe des Merkmals der Freiwilligkeit konterkariert", bewertet lediglich das angefochtene Urteil, das die [X.]lägerin für unzutreffend hält.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

4. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

[X.]

Meta

B 5 R 11/22 B

25.08.2022

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Lübeck, 5. Februar 2019, Az: S 6 R 244/16, Urteil

§ 6 SGG, § 62 SGG, § 106 Abs 1 SGG, § 112 Abs 2 S 2 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 21e Abs 9 GVG, § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a ZRBG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.08.2022, Az. B 5 R 11/22 B (REWIS RS 2022, 5194)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5194

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2 BvR 1176/20

4 AZN 540/16

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