Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.04.2022, Az. I ZR 107/21

1. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 4696

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Gegenstand

Urheberrechtsverletzung durch Verwendung von Musikkomposition im Rahmen der Übernahme einer Inszenierung am Schauspielhaus - Der Idiot


Leitsatz

Der Idiot

1. Musik, die im Rahmen der bühnenmäßigen Aufführung eines Sprechtheaterstücks erklingt, wird als mit dem Sprachwerk verbundenes Werk im Sinne des § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG bühnenmäßig aufgeführt, wenn sie integrierender, organischer Bestandteil des Spielgeschehens ist und nicht nur der bloßen Untermalung dient. Erforderlich ist ein enger innerer Zusammenhang zwischen Musik und Spielgeschehen, der vom Tatgericht im Einzelfall festgestellt werden muss. Fehlt es an diesem Zusammenhang, wird die Musik aus Anlass des Spielgeschehens im Sinne des § 19 Abs. 2 Fall 1 UrhG aufgeführt (Fortführung von BGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - I ZR 204/05, GRUR 2008, 1081 [juris Rn. 14] = WRP 2008, 1565 - Musical Starlights).

2. Der für die Einstufung einer im Rahmen der bühnenmäßigen Aufführung eines Sprechtheaterstücks erklingenden Musik als integrierender, organischer Bestandteil des Spielgeschehens erforderliche enge innere Zusammenhang ist nicht schon deshalb gegeben, weil die Musik eigens auf die spezielle Inszenierung des Stücks durch den Regisseur abgestimmt und ausschließlich hierfür komponiert worden ist und aufgrund ihrer Ausgestaltung nicht allein, also ohne die schauspielerische Darstellung der einzelnen Szenen, sinnvoll verwendbar ist.

3. Im Rahmen eines Sprechtheaterstücks erklingende Musik, der keine mit dem Sprachwerk gleichberechtigte Rolle zukommt, ist Bühnenmusik im Sinne des § 1 Buchst. a Satz 4 des Berechtigungsvertrags der GEMA.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 1. Juli 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Autor und Produzent von Bühnenmusik. Die Beklagte betreibt das [X.] Schauspielhaus.

2

Mit Vertrag vom 25. November 2015 beauftragte das [X.] den Kläger mit der Komposition der Bühnenmusik für die Inszenierung des Stücks "[X.]" von [X.] in [X.] von [X.] für die Spielzeit 2015/2016. Bei dem Stück handelt es sich um eine Koproduktion des [X.] und der [X.]. Dieser Umstand war dem Kläger im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung nicht bekannt.

3

Gemäß § 2 des Vertrags verpflichtete sich das [X.], dem Kläger für die Komposition, das Arrangement und die musikalische Einrichtung ein Honorar von 4.000 € zu zahlen. Gemäß dessen § 3 übertrug der Kläger dem [X.] die zeitlich und räumlich unbeschränkten Rechte, sein Werk in unveränderter, bearbeiteter oder umgestalteter Form zu nutzen und zu verwerten. Darin sollte insbesondere auch das Recht zur Aufnahme und Wiedergabe durch Bild- und Tonträger sowie Bildtonträger und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung enthalten sein. Das [X.] erhielt ferner das Recht, die Komposition für Trailer und Werbezwecke zu nutzen.

4

Im Zeitraum von November 2015 bis zur Premiere in [X.] am 16. Januar 2016 arbeitete der Kläger mit dem Regisseur [X.] zur Erstellung szenischer Musik zusammen. In enger Abstimmung mit dem Regisseur komponierte er Lieder und Chöre, unter anderem auf Wunsch des Regisseurs den Song "[X.] Lied", der von der Schauspielerin [X.] in [X.] vertextet wurde. Wer die gesungene Melodie zu dem Lied komponierte, ist zwischen den Parteien streitig. Weiterhin arrangierte der Kläger die von ihm komponierte Musik, produzierte sie zur Verwendung in der Inszenierung und nahm sie mit seiner Studioausrüstung auf. Die Musik - insgesamt 19 musikalische Sequenzen mit einer Gesamtlänge von 32 Minuten - speicherte der Kläger auf einem [X.] und übergab diesen dem [X.]. Während der Aufführung des Stücks "[X.]" wurde die Musik passend zu den einzelnen Szenen vom Speichermedium abgespielt. Ein Orchester wirkte nicht mit. Die Texte der Schauspieler wurden gesprochen und - mit Ausnahme von "[X.] Lied", das von einer Schauspielerin in der [X.] gesungen wurde - nicht gesungen. Der Kläger erhielt vom [X.] die vertraglich vereinbarte Vergütung.

5

Der Kläger ist Mitglied bei der Verwertungsgesellschaft [X.] und hat mit dieser einen Berechtigungsvertrag geschlossen und ihr die Rechte an seinen bei ihr registrierten Werken im vertraglich benannten Umfang übertragen. Das [X.] meldete die vom Kläger komponierte und arrangierte Bühnenmusik mit dem Tarif "[X.]" "Kleines Recht" bei der [X.] an. Die Bühnenmusik ist bei der [X.] unter der Werknummer 0016741760-001 registriert worden.

6

In der Spielzeit 2016/2017 übernahm die Beklagte die [X.] Inszenierung zur Aufführung im [X.] Schauspielhaus und fertigte zu diesem Zweck eine Kopie des vom Kläger an das [X.] übergebenen [X.]s mit der Musik des [X.] an. Als der Kläger im Frühjahr 2017 erfuhr, dass die [X.] Inszenierung nunmehr vom [X.] Schauspielhaus aufgeführt wurde, nahm er Kontakt zum damaligen künstlerischen Betriebsdirektor bei der [X.] auf und bat um angemessene Vergütung der Nutzung der von ihm komponierten Bühnenmusik durch das [X.]. Der Kläger erklärte sich nach Verhandlungen mit einer pauschalen Vergütung in Höhe von 1.350 € für die Übernahme der musikalischen Rechte für die Spielzeit 2016/2017 einverstanden. Die Beklagte beglich eine in dieser Höhe zuzüglich Mehrwertsteuer gestellte Rechnung des [X.].

7

Mit Mitteilung vom 3. März 2016 meldete die Beklagte die Aufführung der vom Kläger komponierten Musiksequenzen bei der [X.] an. Die daraufhin von der [X.] im Zeitraum Oktober 2016 bis März 2018 gestellten Rechnungen in Höhe von insgesamt 1.228 € beglich die Beklagte.

8

Im November 2017 erfuhr der Kläger, dass die Beklagte die Inszenierung von "[X.]" unter Verwendung der vom Kläger komponierten und produzierten Musik auch in der Spielzeit 2017/2018 aufführte. Mit E-Mail vom 8. Dezember 2017 übersandte er daraufhin der [X.] eine Rechnung in Höhe von 1.350 € zuzüglich Mehrwertsteuer für die Nutzung seiner Musik in der Spielzeit 2017/2018. Die Beklagte lehnte eine weitere Zahlung mit der Begründung ab, dass sie bereits ordnungsgemäß mit der [X.] abrechne und für die Nutzung der vom Kläger geschaffenen Bühnenmusik für jede Aufführung des Stücks "[X.]" zahle und dem Kläger keine weitere Vergütung zustehe.

9

Der Kläger ließ die Beklagte vorgerichtlich ohne Erfolg zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Er stützt sein Begehren in erster Linie auf die Verletzung seiner Tonträgerrechte und in zweiter Linie auf die Verletzung seiner Urheberrechte als Komponist. Er hat die Beklagte im Wege der Stufenklage auf erster Stufe auf Unterlassung, Auskunft und Zahlung von vorgerichtlichen Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Das [X.] hat die Beklagte durch Teilurteil antragsgemäß unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt,

es zu unterlassen, die vom Kläger für die Inszenierung des Stücks "[X.]" im Jahre 2015 für das [X.] komponierte, arrangierte und produzierte Musik im Rahmen einer Übernahme dieser Inszenierung durch die Beklagte im [X.] Schauspielhaus oder an anderen Spielstätten öffentlich aufzuführen oder aufführen zu lassen.

Weiter hat das [X.] die Beklagte zur Auskunft über erfolgte Aufführungen sowie zur Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 745,20 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2018 verurteilt.

In der Berufungsinstanz hat der Kläger seinen Auskunftsantrag für in der Hauptsache erledigt erklärt; die Beklagte hat sich dieser Erklärung angeschlossen. Die Berufung der [X.] hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht für die Beklagte zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, möchte die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die geltend gemachten Ansprüche zwar nicht auf der Grundlage der [X.]e des [X.], jedoch wegen Verletzung seiner [X.]e für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

Das dem Kläger zustehende [X.] habe die Beklagte nicht verletzt, weil der Kläger die von der Beklagten vorgenommene Vervielfältigung genehmigt habe, indem er sich mit der Beklagten auf eine Vergütung in Höhe von 1.350 € für die Spielzeit 2016/2017 einverstanden erklärt habe. Eine erneute Vervielfältigung für die Spielzeit 2017/2018 habe der Kläger nicht behauptet. Die weitere Nutzung des [X.] stelle auch keine Verbreitung des Tonträgers dar, da die Beklagte den [X.] nicht beworben, zum Kauf angeboten oder veräußert, sondern ihn lediglich selbst genutzt habe. Ein öffentliches Zugänglichmachen des Inhalts des [X.] habe der Kläger nicht substantiiert behauptet.

Mit dem Abspielen der vom Kläger komponierten, arrangierten und produzierten Musik während der Aufführungen des Schauspiels "[X.]" habe die Beklagte jedoch das [X.] des [X.] verletzt. Bei diesen Aufführungen handele es sich um [X.]e Darstellungen im Sinne des § 19 Abs. 2 Halbsatz 2 [X.]. Die Aufführung der vom Kläger geschaffenen Musik werde vom [X.]-[X.] nicht erfasst und könne nur durch den Kläger selbst lizenziert werden.

Danach schulde die Beklagte auch Abmahnkostenersatz in der durch das [X.] zugesprochenen Höhe.

II. Die Revision hat Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 2 [X.] nicht bejaht werden, so dass auch die Zuerkennung des Anspruchs auf Abmahnkostenersatz (§ 97a Abs. 3 [X.]) keinen Bestand hat.

1. Soweit sich die Revision gegen die der Beurteilung des Berufungsgerichts zugrundeliegende Annahme wendet, bei den streitgegenständlichen Musikstücken handele es sich um persönliche geistige Schöpfungen in Gestalt von Werken der Musik im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 [X.], hat sie keinen Erfolg.

a) Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, bei dem Musikstück "[X.] Lied" handele es sich um ein Werk der Musik im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 [X.], wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

b) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, den übrigen Musikstücken fehle die urheberrechtliche Schutzfähigkeit.

aa) Die Parteien sind in der ersten und zweiten Instanz übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Musikstücke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 [X.] schutzfähig sind. Dies ergibt sich sowohl aus den entsprechenden Feststellungen im landgerichtlichen Urteil, die im angegriffenen Urteil in Bezug genommen sind, als auch aus den Feststellungen zum gehaltenen Parteivortrag im Tatbestand des angegriffenen Urteils, die sich mit der Frage der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit nicht befassen.

bb) Es ist der Revision verwehrt, erstmals in der Revisionsinstanz die Schutzfähigkeit der streitgegenständlichen Musikstücke in Zweifel zu ziehen.

Bei verständiger Auslegung des beiderseitigen Parteivortrags ist mit den Vorgerichten davon auszugehen, dass zwischen den Parteien die tatsächlichen Voraussetzungen der Schutzfähigkeit der Musikstücke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 [X.] in den Tatsacheninstanzen unstreitig waren. Ein erstmaliges Bestreiten dieser Tatsachen in der Revisionsinstanz kommt nicht in Betracht (§ 559 Abs. 1 ZPO).

2. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe das Aufführungsrecht des [X.] gemäß § 19 Abs. 2 [X.] verletzt, das von der zwischen dem Kläger und der [X.] im [X.] vereinbarten Rechtseinräumung zugunsten der [X.] nicht erfasst sei.

a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei den beanstandeten Aufführungen handele es sich um [X.]e Darstellungen im Sinne des § 19 Abs. 2 Halbsatz 2 [X.]. Die Aufführung der vom Kläger geschaffenen Musik werde vom [X.]-[X.] nicht erfasst, weil es sich um eine danach von der Rechtseinräumung nicht umfasste [X.]e Aufführung eines Werks der Tonkunst als integrierender Bestandteil eines dramatisch-musikalischen Bühnenstücks handele, die nur durch den Kläger selbst lizenziert werden könne.

Der Kläger habe die Musik in Abstimmung mit dem Regisseur komponiert und auf die inhaltliche Handlung auch im Zusammenspiel mit Lichteffekten abgestimmt. Es handele sich nicht lediglich um Hintergrundmusik, die unabhängig von den Dialogen und dem Inhalt der Szenen - zum Beispiel in den Umbaupausen oder zwischen den Szenen - abgespielt werde. Vielmehr setze die Musik die einzelnen [X.], zu denen sie abgespielt werde, "in Szene", weil sie die Geschehnisse auf der Bühne bzw. die durch die Handlung transportierten Emotionen illustriere und verstärke, indem sie zum Beispiel Spannung aufbaue, dramatische Wendungen ankündige oder eine nächtliche Zugfahrt lautmalerisch veranschauliche und den Zuschauern einen Eindruck von der Stimmung während dieser Zugfahrt vermittele. Die Musik sei auch integrierender Bestandteil des dramatisch-musikalischen Bühnenstücks, weil sie nicht nur der Untermalung diene. Zwar setze die Musik die Handlung nicht inhaltlich fort, sie sei jedoch in der Weise in das Bühnenstück integriert und dessen organischer Bestandteil, dass sie eigens auf die spezielle Inszenierung des Stücks durch den Regisseur abgestimmt sei und ausschließlich hierfür geschrieben worden sei. Für ihren Charakter als integrierender Bestandteil des Spielgeschehens spreche auch, dass die Musik aufgrund ihrer Ausgestaltung nicht allein, also ohne die schauspielerische Darstellung der einzelnen Szenen, sinnvoll verwendbar sei. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

b) Dies gilt zunächst für die Annahme des Berufungsgerichts, die Darbietungen der Musik verletzten das Recht des [X.] aus § 19 Abs. 2 [X.].

aa) Nach § 19 Abs. 2 [X.] ist das Aufführungsrecht das Recht, ein Werk der Musik durch persönliche Darbietung öffentlich zu Gehör zu bringen oder ein Werk öffentlich [X.] darzustellen. Eine [X.]e Darstellung im Sinne des § 19 Abs. 2 Fall 2 [X.] liegt jedenfalls in allen Fällen vor, in denen ein gedanklicher Inhalt durch ein für das Auge oder für Auge und Ohr bestimmtes bewegtes Spiel im Raum dargeboten wird ([X.], Urteil vom 3. Juli 2008 - [X.], [X.], 1081 [juris Rn. 12] = WRP 2008, 1565 - Musical [X.], mwN).

Musik, die ein bewegtes Spiel begleitet, wird [X.] aufgeführt, wenn sie integrierender, organischer Bestandteil des Spielgeschehens ist und nicht nur der bloßen Untermalung dient (vgl. [X.], [X.], 1081 [juris Rn. 14] - Musical [X.], mwN; Dreier in Dreier/[X.], [X.]sgesetz, 7. Aufl., § 19 Rn. 10; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 19 Rn. 17; [X.] in Schricker/[X.], [X.], 6. Aufl., § 19 Rn. 40; Staats, Aufführungsrecht und kollektive Wahrnehmung bei Werken der Musik, 2004, [X.]; [X.], [X.] im [X.] der [X.], 2006, [X.]). Erforderlich ist ein enger innerer Zusammenhang zwischen Musik und Spielgeschehen (vgl. [X.] in Schricker/[X.] aaO § 19 Rn. 40; Staats aaO [X.]). Ein solcher enger innerer Zusammenhang besteht beispielsweise, wenn einzelne Lieder, die zu einem Spielgeschehen vorgetragen werden, aufgrund ihres Textes aus der jeweiligen Situation der Bühnenhandlung zu begreifen sind, auf den Handlungsablauf zugeschnitten sind und die gesprochenen Dialoge in gesungener Form fortführen (vgl. [X.], [X.], 1081 [juris Rn. 14] - Musical [X.], mwN). Für die hier vorzunehmende Abgrenzung kommt es mithin auf die Intensität und Enge des zwischen den dargebotenen verbundenen Werken bestehenden Zusammenhangs an, der vom Tatgericht im Einzelfall festgestellt werden muss. Deshalb ist die vom Berufungsgericht als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob die von einem Komponisten geschaffene Bühnenmusik auch dann integrierender Bestandteil des Spielgeschehens ist, wenn sie nicht der Fortführung der dramatischen Handlung des Bühnenstücks dient, nicht abstrakt klärungsfähig.

Auf welche Weise das jeweilige Werk dem Publikum akustisch vermittelt wird, etwa durch eine Lautsprecherübertragung vom Tonband, ist für die Beurteilung als [X.]e Aufführung ohne Bedeutung (vgl. [X.], Urteil vom 18. März 1960 - [X.], [X.], 606 [juris Rn. 33] - Eisrevue II).

Stellt die ein bewegtes Spiel begleitende Musik keinen integrierenden Bestandteil des Spielgeschehens dar, handelt es sich hingegen um eine aus Anlass des Spielgeschehens vorgenommene Aufführung des [X.] im Sinne des § 19 Abs. 2 Fall 1 [X.] (vgl. [X.] in Schricker/[X.] aaO § 19 Rn. 40).

Ob eine [X.]e Aufführung vorliegt, ist weitgehend eine Frage tatgerichtlicher Würdigung, die revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar ist, ob ein Verstoß gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegt, ein zutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde gelegt wurde und die getroffenen Feststellungen die Beurteilung tragen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Oktober 1999 - [X.], [X.]Z 142, 388 [juris Rn. 36] - [X.]; Urteil vom 9. September 2021 - [X.], [X.]Z 231, 116 [juris Rn. 23] - [X.], mwN).

bb) Die Revision macht mit Erfolg geltend, dass das Berufungsgericht seiner Beurteilung einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt hat.

(1) Ein unzutreffender rechtlicher Maßstab liegt der Beurteilung zunächst zugrunde, soweit das Berufungsgericht gemeint hat, die Aufführungen des Stücks "[X.]" unter Einspielung der Musik des [X.] sei eine [X.]e Darstellung der Musik im Sinne des § 19 Abs. 2 Fall 2 [X.], weil die Aufführung der Musik im Rahmen der schauspielerischen Darstellung des Stücks "[X.]" ein für Auge und Ohr bestimmtes bewegtes Spiel darstelle. Der Umstand, dass es sich bei der Darbietung des Stücks "[X.]" zweifelsohne um eine [X.]e Aufführung der Gattung des [X.] handelt, besagt noch nichts darüber, ob die hierzu dargebotene Musik - als mit dem Sprachwerk im Sinne des § 9 [X.] verbundenes Werk (vgl. [X.], [X.], 1081 [juris Rn. 10] - Musical [X.]; Dreier in Dreier/[X.] aaO § 19 Rn. 10) - gleichfalls im Sinne des § 19 Abs. 2 Fall 2 [X.] [X.] dargeboten wird. Hiervon kann nach dem Vorstehenden nur ausgegangen werden, wenn die Musik integrierender, organischer Bestandteil des Spielgeschehens ist und nicht nur der bloßen Untermalung dient.

(2) Rechtlich unzutreffend ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Musik sei integrierender Bestandteil des Bühnenstücks, weil sie zwar die Handlung nicht inhaltlich fortsetze, jedoch in der Weise in das Bühnenstück integriert und organischer Bestandteil sei, dass sie eigens auf die spezielle Inszenierung des Stücks durch den Regisseur abgestimmt und ausschließlich hierfür geschrieben worden sei. Die Abstimmung auf das Bühnenstück und der Charakter als Auftragskomposition reichen für sich genommen nicht aus, um den für die Annahme einer [X.]en Darstellung erforderlichen engen inneren Zusammenhang zwischen der Musik und dem Bühnenstück herzustellen; auch die für die Annahme einer [X.]en Darstellung nicht hinreichende bloße klangliche Untermalung des Spielgeschehens bedarf der Abstimmung und kann Gegenstand eines Kompositionsauftrags sein. Ob die Musik aufgrund ihrer Ausgestaltung nicht allein, also ohne die schauspielerische Darstellung der einzelnen Szenen, sinnvoll verwendbar wäre, stellt ebenfalls für sich genommen kein brauchbares Abgrenzungskriterium dar, weil dies in gleicher Weise für die bloße klangliche Untermalung eines Spielgeschehens gelten kann.

cc) Die Revision macht weiter mit Erfolg geltend, dass die Beurteilung des Berufungsgerichts, es handele sich um eine [X.]e Aufführung, von den getroffenen Feststellungen nicht getragen wird. Es fehlt an einer für das Revisionsgericht überprüfbaren Begründung, ob und aufgrund welcher Umstände der hierfür erforderliche enge innere Zusammenhang zwischen Sprach- und Musikwerken bestehen soll.

c) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Aufführung der vom Kläger geschaffenen Musik werde vom [X.]-[X.] nicht erfasst, weil es sich um eine danach von der Rechtseinräumung nicht umfasste [X.]e Aufführung eines Werks der Tonkunst als integrierender Bestandteil eines dramatisch-musikalischen Bühnenstücks handele, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.

aa) Nach § 1 Buchst. a des zwischen dem Kläger und der [X.] geschlossenen [X.]s hat der Kläger der [X.] folgende Rechte zur Wahrnehmung übertragen:

Die Aufführungsrechte an Werken der Tonkunst mit oder ohne Text, jedoch unter Ausschluss des Rechts zur [X.]en Aufführung dramatisch-musikalischer Werke (vollständig, als Querschnitt oder in größeren Teilen). Der Ausschluss umfasst auch die [X.]e Aufführung sonstiger Werke der Tonkunst (mit oder ohne Text) als integrierende Bestandteile dramatisch-musikalischer Bühnenstücke, z.B. im Rahmen von Balletten oder Hit-Musicals. Unerheblich ist, ob die Werke eigens für die Umsetzung auf der Bühne geschaffen worden sind.

[X.], soweit sie nicht integrierender Bestandteil des Bühnenwerkes sind, Bühnenschauen, Filmbegleitmusik, Einlagen in Revuen, Einlagen in Operetten, Possen und Lustspielen, melodramatische und Kabarettaufführungen sind Gegenstand dieses Vertrags, soweit es sich nicht um die Aufführung von Bestandteilen dramatisch-musikalischer Werke in anderen Bühnenwerken handelt.

Diese Bestimmung kann der Senat als Revisionsgericht selbst auslegen (vgl. [X.]Z 142, 388 [juris Rn. 26] - [X.]; [X.], [X.], 1081 [juris Rn. 25] - Musical [X.], jeweils mwN). Der Begriff der [X.]en Aufführung in § 1 Buchst. a Satz 1 des [X.]s hat denselben Inhalt wie der Begriff der [X.]en Darstellung in § 19 Abs. 2 [X.] ([X.], [X.], 1081 [juris Rn. 26] - Musical [X.], mwN). Ein dramatisch-musikalisches Werk im Sinne dieser Vertragsbestimmung ist die Verbindung von Musikwerken mit Sprachwerken oder mit pantomimischen oder choreografischen Werken, bei denen - wie im Falle von Opern, Musicals oder [X.] - die Musik integrierender Bestandteil und gleichberechtigter Faktor ist (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.], Recht und Praxis der [X.], 3. Aufl., [X.]. 7 Rn. 57; Staats aaO [X.]). Unter den Begriff der Bühnenmusik fällt jedenfalls Musik im Sprechtheater, also Schauspielmusik (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.] aaO [X.]. 7 Rn. 66; Staats aaO S. 102).

bb) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Musik des [X.] werde [X.] aufgeführt, hält - wie bereits dargelegt - der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (dazu vorstehend Rn. 27 bis 36).

cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Bühnenstück "[X.]" mit der Musik des [X.] auch nicht um ein dramatisch-musikalisches Werk im Sinne von § 1 Buchst. a Satz 1 des [X.]s. Die insoweit ausreichenden Feststellungen des Berufungsgerichts erlauben die Beurteilung, dass den 19 musikalischen Sequenzen im Rahmen des abendfüllenden [X.]tücks keine mit dem Sprachwerk gleichberechtigte Rolle zukommt. Es handelt sich vielmehr um Bühnenmusik im Sinne des § 1 Buchst. a Satz 4 des [X.]s, weil sie als Schauspielmusik im Sprechtheater erklingt.

Ob diese Bühnenmusik integrierender Bestandteil des Bühnenwerks ist und deshalb der in § 1 Buchst. a Satz 2 des [X.]s vorgesehenen Ausnahme von der Rechtseinräumung zugunsten der [X.] unterfällt, kann allerdings auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilt werden (dazu bereits Rn. 33 bis 36).

3. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung erweist sich das angegriffene Urteil nicht im Sinne des § 561 ZPO aus anderen Gründen - wegen der vom Berufungsgericht verneinten Verletzung der [X.]e des [X.] - als richtig. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf den von ihm zuerkannten Anspruch wegen [X.]sverletzung beschränkt. Die vom Kläger vorrangig geltend gemachte Verletzung seiner [X.]e ist ein eigenständiger, von dieser Revisionszulassung nicht erfasster Streitgegenstand. Die insoweit erfolgte Klageabweisung durch das Berufungsgericht ist mithin nicht in die Revisionsinstanz gelangt, sondern rechtskräftig geworden.

III. Das angegriffene Urteil ist danach im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Koch     

      

Feddersen     

      

Pohl   

      

Schmaltz     

      

Odörfer     

      

[X.] vom 22. August 2022

Tenor:

Das Senatsurteil vom 7. April 2022 wird wegen offensichtlicher Unrichtigkeit (§ 319 Abs. 1 ZPO) dahingehend berichtigt, dass es auf Seite 14 im dritten Absatz (Rn. 42) statt "§ 1 Buchst. a Satz 2" heißt "§ 1 Buchst. a Satz 4".

Koch     

      

Feddersen     

      

Pohl   

      

Schmaltz     

      

Odörfer     

      

Meta

I ZR 107/21

07.04.2022

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 1. Juli 2021, Az: I-20 U 73/19

§ 2 Abs 1 Nr 2 UrhG, § 2 Abs 2 UrhG, § 19 Abs 2 Alt 2 UrhG, § 97 Abs 1 S 1 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.04.2022, Az. I ZR 107/21 (REWIS RS 2022, 4696)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4696 NJW 2022, 3220 REWIS RS 2022, 4696 GRUR 2022, 1441 REWIS RS 2022, 4696 MDR 2022, 1359-1360 REWIS RS 2022, 4696

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