Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.12.2014, Az. VIII ZR 9/14

8. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 463

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) MIETWOHNUNG MIET- UND WEG-RECHT BETRIEBSKOSTEN (MIETRECHT)

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Gegenstand

Wohnraummiete: Umlage der Warmwasserkosten nach Verbrauch bei hohen Wohnungsleerständen; Absenkung der Kosten auf das gesetzliche Mindestmaß; Anspruchsbegrenzung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben


Leitsatz

1. Auch bei hohen Wohnungsleerständen (hier: im Hinblick auf einen im Rahmen der Stadtplanung vorgesehenen Abriss eines 28-Familienhauses) hat es grundsätzlich bei der in § 9 Abs. 4, § 8 Abs. 1 HeizkostenVO vorgeschriebenen anteiligen Umlage von Warmwasserkosten nach Verbrauch zu bleiben.

2. Im Einzelfall kann der Vermieter nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet sein, dem Verlangen des Mieters auf eine Vertragsänderung dahin gehend zuzustimmen, den nach Verbrauch zu berechnenden Teil der Warmwasserkosten auf das gesetzliche Mindestmaß von 50 % der Gesamtkosten abzusenken, um die Fixkosten bei hohen Leerständen angemessen zu verteilen.

3. Leerstandsbedingten Kostenverschiebungen zu Lasten des Mieters kann darüber hinaus im Einzelfall mit einer aus dem Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abzuleitenden Anspruchsbegrenzung Rechnung getragen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch der Vermieter durch den Leerstand beträchtliche Nachteile erleidet, weil er - ohne entsprechende Mieteinnahmen zu erhalten - bereits über den von ihm zu tragenden Wohnflächenanteil ebenfalls nicht unbeträchtliche Kosten zu tragen hat.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] (Oder) vom 17. Dezember 2013 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] (Oder) vom 7. Juni 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 86,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 506,67 € ab dem 27. September 2012 zu zahlen. Im Übrigen ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte war Mieterin einer 47,46 qm großen Wohnung der Klägerin in einem 28-Familien-Haus in [X.]         . Da das Haus im Rahmen der Stadtplanung abgerissen werden sollte, waren Ende 2011 von den im Haus befindlichen Wohnungen nur noch wenige Wohnungen belegt.

2

Unter dem Datum 15. September 2012 erteilte die Klägerin der Beklagten die Betriebskostenabrechnung für das Kalenderjahr 2011, die einen Saldo zugunsten der Klägerin in Höhe von 1.230,91 € ausweist. Die Parteien streiten um die in der Abrechnung umgelegten Warmwasserkosten.

3

Für die Erwärmung des Wassers im Zuge der Entnahme von Warmwasser fielen im [X.] für das gesamte Haus, das über eine verbundene Anlage mit Wärme und Warmwasser versorgt wird, bei einem Energieverbrauch von 61.130 kWh Kosten in Höhe von 7.848,61 € an. 50 % dieser Kosten legte die Klägerin nach [X.] um. Die restlichen 50 % der Kosten (3.924,31 €) berechnete sie nach Verbrauch, der im [X.] für das gesamte Haus 78,22 m³ betrug. Hiervon entfielen nach den Messungen der Einzelverbrauchszähler in der Wohnung der Beklagten 23,82 m³ auf diese. Daraus errechnete die Klägerin einen Verbrauchskostenanteil von 1.195,06 € (3.924,31 € : 78,22 m³ x 23,82 m³). Von diesem Betrag stellte die Klägerin der Beklagten "aus Kulanz" lediglich 50 % (597,53 €) in Rechnung.

4

Von dem Saldo aus der Betriebskostenabrechnung für das [X.] in Höhe von 1.230,91 € verlangt die Klägerin von der Beklagten nach Abzug des [X.] sowie eines weiteren Abzugs für Wasserverluste letztlich noch 565,94 €.

5

Die Beklagte weigert sich, Nachzahlungen zu erbringen, da die Klägerin die Warmwasserkosten aufgrund des hohen Leerstandes im Haus nicht nach Verbrauch, sondern ausschließlich nach der Wohnfläche habe umlegen dürfen.

6

Das Amtsgericht hat der Klage, mit der die Klägerin die Beklagte auf Zahlung des vorgenannten Betrags von 565,94 € nebst Zinsen in Anspruch nimmt, in Höhe von 506,67 € stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.

7

Während des [X.] hat die Klägerin den Rechtsstreit teilweise in Höhe von 446,45 € (hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe von 420,61 € sowie hinsichtlich des [X.] in Höhe von 25,84 €) im Hinblick auf eine von ihr nach Erlass des amtsgerichtlichen Urteils erklärte Aufrechnung mit einem Guthaben der Beklagten aus der Betriebskostenabrechnung 2012 schriftsätzlich für erledigt erklärt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Klägerin jedoch ihren ursprünglich angekündigten Antrag auf Berufungszurückweisung gestellt. Die Beklagte ist den zur Gegenforderung erklärten Tatsachen nicht entgegengetreten; sie hat aber der Teilerledigungserklärung der Klägerin widersprochen.

8

Das [X.] hat auf die Berufung der Beklagten das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie in erster Linie ihren Zahlungsanspruch weiterverfolgt und im Übrigen die Feststellung der Erledigung der Hauptsache begehrt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der [X.]lägerin stehe kein Nachzahlungsanspruch aus der Betriebskostenabrechnung für das [X.] zu, da die von der [X.]lägerin rechnerisch zutreffend vorgenommene Verteilung der Warmwasserkosten nach § 8 [X.] unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht sachgerecht sei, sondern zu unbilligen Ergebnissen führe, die der [X.]orrektur bedürften.

Der nach § 8 Abs. 1 [X.] vorgesehene [X.] führe in den Fällen, in denen eine für große Leistung und viele Wohnungen ausgelegte Heizungs- und Warmwasseranlage nur noch der Wärmebereitstellung für wenige Wohnungen diene, für die wenigen verbleibenden Mieter zu unzumutbaren Ergebnissen. Denn in diesen Fällen erhöhe sich zwangsläufig der prozentuale Anteil der unabhängig vom individuellen Verbrauch entstehenden Fixkosten für die Wärmebereitstellung gegenüber den Gesamtkosten. Dies könne bei hohen Leerständen dazu führen, dass der tatsächliche Fixkostenanteil den nach § 8 Abs. 1 [X.] mit maximal 50 % ansetzbaren Anteil an diesen [X.]osten deutlich übersteige. Im Extremfall trage der letzte in einem großen Haus verbleibende Mieter 50 % der Gesamtkosten der Heizungsanlage über seinen Verbrauchsanteil.

Im Streitfall könne aufgrund der hierzu erfolgten substantiierten Darlegung der Beklagten, der die [X.]lägerin nicht entgegengetreten sei, mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass aufgrund der dargelegten Verschiebung der [X.]ostenanteile die auf die Beklagte umgelegten verbrauchsabhängigen Warmwasserkosten nicht deren tatsächlichem [X.]ostenanteil entsprächen.

Derart unbilligen Ergebnissen wie im Streitfall könne mit der entsprechenden Anwendung des § 9a Abs. 1 [X.] begegnet werden, zu dem die [X.]lägerin trotz erfolgten Hinweises durch die [X.]ammer keine Berechnung vorgelegt habe, so dass ihr auch kein Anspruch zuerkannt werden könne.

Die entsprechende Anwendung des § 9a Abs. 1 [X.] sei möglich, weil der Gesetzgeber der Heizkostenverordnung die genannten Extremfälle des "Leerwohnens" eines Gebäudes nicht bedacht habe. Der Anwendungsbereich des § 8 [X.] sei teleologisch zu reduzieren, da sein Zweck, eine angemessene Warmwasserkostenverteilung zu gewährleisten, in den genannten Fällen nicht mehr erreicht werden könne. Zwar seien die Vorschriften der [X.] gemäß § 2 dieser Verordnung durch Rechtsgeschäft nicht abdingbar; dies führe jedoch nicht dazu, dass Gerichte nicht über den Anwendungsbereich dieser Vorschriften befinden könnten. Der in § 8 [X.] enthaltene Grundsatz der verbrauchsabhängigen Abrechnung finde dort seine Grenze, wo die verbrauchsabhängige Umlage zu einer unzumutbaren Mehrbelastung der Mieter mit Fixkosten führe, die auf leerstehende Wohnungen nicht nach Verbrauch umgelegt werden könnten, weil dort kein Verbrauch stattfinde.

Die damit vorliegende planwidrige Gesetzeslücke sei durch die entsprechende Anwendung des § 9a Abs. 1 [X.] zu schließen. Diese Vorschrift erlaube eine angemessene Berechnung der Warmwasserkosten auf der Grundlage der Vorjahreswerte, bei der zugleich der konkrete [X.] im streitgegenständlichen Zeitraum einfließen könne und pauschale Abschläge zu Lasten des Vermieters, wie etwa in § 12 [X.], vermieden würden.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die von der [X.]lägerin vorgenommene Berechnung des [X.]s der Beklagten auf der Grundlage von § 9 Abs. 4 [X.] in Verbindung mit § 8 Abs. 1 [X.] aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, da die [X.]lägerin von der Beklagten "aus [X.]ulanz" lediglich 50 % (= 597,53 €) des auf die Beklagte entfallenden [X.]ostenanteils von 1.195,06 € verlangt; mit dieser freiwilligen Anspruchskürzung hat die [X.]lägerin dem berechtigten Interesse der Beklagten an einer angemessenen [X.]ostenverteilung in hinreichender Weise Rechnung getragen.

1. Nach §§ 6 ff. [X.] ist eine bestimmte (anteilige) Verbrauchserfassung der [X.]osten für Heizung und Warmwasser nach dem gemessenen Verbrauch gesetzlich vorgeschrieben. Ist die zentrale Anlage zur Versorgung mit Wärme mit der zentralen [X.] verbunden, so sind die einheitlich entstandenen [X.]osten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.] aufzuteilen. Der Anteil an den [X.]osten der Wärmeversorgung ist sodann nach § 7 Abs. 1 [X.], der Anteil an den [X.]osten der Versorgung mit Warmwasser nach § 8 Abs. 1 [X.] zu verteilen, soweit die Heizkostenverordnung nichts anderes bestimmt oder zulässt (§ 9 Abs. 4 [X.]). Gemäß § 8 Abs. 1 [X.] sind mindestens 50 %, höchstens 70 % nach dem erfassten [X.], die übrigen [X.]osten nach der Wohn- oder Nutzfläche zu verteilen. Wie der Verteilungsschlüssel innerhalb dieses Rahmens im konkreten Einzelfall zu bemessen ist, obliegt nach § 315 BGB dem billigen Ermessen des Vermieters. Zweck dieses vom Verordnungsgeber vorgeschriebenen Verteilungsschlüssels wie auch der gesamten Heizkostenverordnung ist es, das Verbrauchsverhalten der Nutzer nachhaltig zu beeinflussen und damit Energieeinspareffekte zu erzielen ([X.]. 570/08, [X.]; vgl. auch Senatsurteil vom 19. Juli 2006 - [X.], [X.], 652 Rn. 14).

2. Allerdings ist das Berufungsgericht - ähnlich einer in der Instanzrechtsprechung und in der Literatur vertretenen Meinung (Wall in [X.]/Wall, [X.], 3. Aufl., Rn. 3030 unter Hinweis auf [X.], [X.], 511) - der Auffassung, dass der Zweck der Heizkostenverordnung dann nicht mehr zum Tragen kommen könne, wenn die von der Heizkostenverordnung vorgeschriebene [X.]ostenverteilung zu unzumutbaren Belastungen der verbleibenden Mieter/Nutzer führe. Das Berufungsgericht führt aus, dass der in § 8 Abs. 1 [X.] enthaltene Grundsatz der verbrauchsabhängigen Abrechnung dort seine Grenze finden müsse, wo die verbrauchsabhängige Umlage zu einer unzumutbaren Mehrbelastung der Mieter mit Fixkosten führe, die auf leerstehende Wohnungen nicht nach Verbrauch umgelegt werden könnten, weil dort kein Verbrauch stattfinde.

3. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.

a) Auch wenn - wie der Streitfall zeigt - die allein auf den Vorschriften der Heizkostenverordnung beruhende verbrauchsbezogene Abrechnung im Einzelfall zu als unangemessen empfundenen Ergebnissen führen kann, wird dadurch der über die Einzelfallgerechtigkeit hinausreichende Zweck der Heizkostenverordnung, dem jeweiligen Nutzer den Zusammenhang zwischen dem individuellen Verbrauch und den daraus resultierenden [X.]osten bewusst zu machen und dadurch Energiespareffekte zu erzielen, nicht in Frage gestellt. Denn die Frage der Sinnhaftigkeit der Vorschriften der Heizkostenverordnung einerseits und die Frage, ob die von der Heizkostenverordnung vorgeschriebene verbrauchsbezogene Abrechnung im Einzelfall zu als billig und gerecht empfundenen Ergebnissen führt andererseits, liegen auf verschiedenen Beurteilungsebenen.

Es muss daher auch bei hohen Leerständen grundsätzlich bei der von der Heizkostenverordnung vorgegebenen verbrauchsabhängigen Abrechnung verbleiben. Insbesondere eine vom Berufungsgericht befürwortete (ähnlich auch Wall in [X.]/Wall, aaO, Rn. 3030; [X.]., [X.], 415, 418 [differenzierend und eine Lösung de lege ferenda fordernd]; [X.], [X.], 7. Aufl., [X.] Rn. 189) analoge Anwendung des § 9a [X.] kommt nicht in Betracht. Die analoge Anwendung einer Einzelnorm verlangt, dass der von dieser Vorschrift nicht geregelte Sachverhalt, der in den Anwendungsbereich der Norm gezogen werden soll, mit den von ihr erfassten Sachverhalten vergleichbar ist ([X.], Urteil vom 13. Juli 1988 - [X.], [X.]Z 105, 140, 143). Daran fehlt es hier. Die unter § 9a Abs. 1 [X.] zu subsumierenden Sachverhalte haben ersichtlich Fallgestaltungen zum Gegenstand, in denen aus zwingenden Gründen (namentlich eines Geräteausfalls) eine ordnungsgemäße Erfassung des Verbrauchs nicht möglich ist. Derartige Sachverhalte sind nicht mit den hier in Rede stehenden Fällen vergleichbar, die dadurch gekennzeichnet sind, dass eine Verbrauchserfassung sehr wohl möglich ist und auch erfolgt.

b) Unzuträglichkeiten in der Abrechnung aufgrund eines hohen Leerstands kann im Einzelfall in anderer Weise Rechnung getragen werden.

aa) Ist etwa im Mietvertrag ein Abrechnungsmaßstab vereinbart, der eine höhere Verbrauchsquote als 50 % bestimmt, kann der Vermieter im Einzelfall aus dem in § 241 Abs. 2 BGB verankerten Gebot der Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Vertragsteils verpflichtet sein, dem Verlangen des Mieters auf eine Vertragsänderung dahin gehend zuzustimmen, den nach Verbrauch zu berechnenden Teil der [X.]osten zukünftig auf das gesetzliche Mindestmaß von 50 % abzusenken, um die Fixkosten bei hohen Leerständen angemessen zu verteilen. Eine darüber hinausgehende Absenkung des verbrauchsabhängigen [X.]ostenanteils oder eine Berechnung der Warmwasserkosten ausschließlich auf der Grundlage des [X.]s sieht die Heizkostenverordnung dagegen nicht vor mit der Folge, dass eine völlige Abwälzung des [X.] auf den Vermieter nach der Heizkostenverordnung nicht möglich ist.

bb) Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend herausgearbeitet, dass die strikte Anwendung der Vorgaben der Heizkostenverordnung bei hohen Leerständen in Einzelfällen auch unter - wie hier - Zugrundelegung des nach § 8 Abs. 1 [X.] für den Mieter günstigsten Verteilungsmaßstabs (50 % nach Verbrauch, 50 % nach Wohnfläche) zu Ergebnissen führen kann, die nicht mehr als billig und gerecht empfunden werden.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die im [X.] (laut Wärmezähler) aufgewendete Energiemenge von 61.130 kWh ein Vielfaches der Energiemenge beträgt, die nach der Berechnungsformel des § 9 Abs. 2 Satz 2 [X.] für die Erwärmung des im gesamten Haus verbrauchten Wassers (78,22 m³) zu erwarten gewesen wäre (8.800 kWh). Der tatsächliche Energieverbrauch beträgt im Streitfall etwa das Siebenfache des an sich für die Erwärmung von 78,22 m³ zu erwartenden Energieverbrauchs.

cc) Derartigen leerstandsbedingten [X.]ostenverschiebungen zu Lasten des Nutzers kann mit einer aus dem Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abzuleitenden Anspruchsbegrenzung Rechnung getragen werden.

Das Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung und setzt der (auch gesetzlich zulässigen) Rechtsausübung dort Schranken, wo sie zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit offensichtlich unvereinbaren Ergebnissen führt (vgl. [X.], Urteil vom 16. Februar 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 619 unter [X.]). Insbesondere muss § 242 BGB dann in Betracht gezogen werden, wenn die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften einen im Einzelfall bestehenden Interessenkonflikt nicht hinreichend zu erfassen vermag und für einen der Beteiligten ein unzumutbar unbilliges Ergebnis zur Folge hätte ([X.], Urteil vom 27. April 1977 - [X.], [X.]Z 68, 299, 304). So liegt es hier.

Eine allgemeine Aussage dazu, in welcher Fallkonstellation sich eine nach den Vorschriften der Heizkostenverordnung zutreffend berechnete Forderung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben für den betroffenen Mieter als unzumutbare Belastung darstellt, so dass eine Begrenzung des Anspruchs des Vermieters der Höhe nach angezeigt ist, verbietet sich. Ob eine Anspruchskürzung geboten ist und gegebenenfalls in welchem Umfang, obliegt der Beurteilung des Tatrichters, der hierbei alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat. Dabei hat der Tatrichter auch in seine Betrachtung einzubeziehen, dass eine absolute Verteilungsgerechtigkeit bei der Umlage von Betriebskosten vom Gesetz nicht gefordert wird (Senatsurteil vom 6. Oktober 2010 - [X.], NJW 2010, 3645 Rn. 17). Es geht vielmehr darum, die bei[X.]eitigen Interessen in der Gesamtschau zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen.

Bereits das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass in Gebäuden mit sehr hohen Leerständen sowohl der Vermieter als auch die verbleibenden Mieter erhebliche Nachteile erleiden. Die verbleibenden Mieter können von hohen Verbrauchskostenumlagen betroffen sein, während der Vermieter, ohne Mieteinnahmen zu haben, über den von ihm zu tragenden [X.] von 50 % ebenfalls nicht unbeträchtliche [X.]osten zu tragen hat. Dies trifft zu. Deshalb erscheint es auch nicht unbillig, wenn die verbleibenden Mieter einen angemessenen Teil der leerstandsbedingten Mehrkosten zu tragen haben.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

1. Die [X.]lägerin hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den auf die Beklagte entfallenden Anteil an den Warmwasserkosten in Anwendung der Vorgaben aus § 8 Abs. 1 [X.] nach dem für die Beklagte günstigsten Verteilungsmaßstab (50 % nach Wohnfläche, 50 % nach Verbrauch) rechnerisch zutreffend mit 1.195,06 € ermittelt. Von diesem Betrag stellte die [X.]lägerin der Beklagten zudem "aus [X.]ulanz" lediglich 50 % in Rechnung. Mit dieser freiwilligen Anspruchskürzung ist sie - nimmt man insbesondere sämtliche auf die Beklagte umgelegten [X.]osten für Wärme und Warmwasser in den Blick - im Ergebnis den berechtigten Interessen der Beklagten an einer den hohen Leerstand angemessen berücksichtigenden [X.]ostenverteilung unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben in jedenfalls hinreichender Weise entgegengekommen. Nach der Abrechnung vom 15. September 2012 hat die Beklagte von den [X.]osten für Wärme (reine Heizkosten) 738,32 € (140,27 € nach [X.], 598,05 € nach Verbrauch) zu tragen. Von den Warmwasserkosten hat die Beklagte insgesamt 728,55 € (131,02 € nach [X.], 597,53 € unter Berücksichtigung des [X.]ulanzabzugs nach Verbrauch) zu tragen. Die auf die Beklagte entfallenden Gesamtkosten für Heizung und Warmwasser in Höhe von 1.466,87 € pro Jahr, mithin von rund 120 € pro Monat, sind für eine knapp 50 m² große Wohnung zwar hoch, erscheinen aber unter Berücksichtigung der bei[X.]eitigen Interessen nicht untragbar. Der [X.]lägerin steht mithin die geltend gemachte Forderung in dem vom Amtsgericht zugesprochenen Umfang zu.

2. Bei der vom Senat zu treffenden Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass die [X.]lägerin die bereits im Berufungsrechtszug schriftsätzlich erklärte, jedoch in der Antragstellung vor dem Berufungsgericht prozessual nicht umgesetzte teilweise Erledigungserklärung nunmehr in der Revisionsinstanz wiederholt und beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 86,05 € nebst Zinsen zu verurteilen und im Übrigen die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen.

Die von der [X.]lägerin erklärte einseitige Erledigungserklärung ist auch im Revisionsverfahren zulässig, wenn das erledigende Ereignis als solches außer Streit steht (vgl. [X.], Urteil vom 5. März 2014 - [X.], juris Rn. 12 mwN). So liegt es hier, denn die Beklagte hat weder die von der [X.]lägerin erklärte Aufrechnung mit dem Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das [X.] als solche noch die von der [X.]lägerin vorgetragenen Tatsachen zum Bestand oder der Höhe der Gegenforderung bestritten.

Da die ursprüngliche [X.]lage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und in dem vom Amtsgericht festgestellten Umfang (506,67 €) begründet war sowie durch die Aufrechnung in Höhe von 446,45 € unbegründet geworden ist, wobei die [X.]lägerin 420,61 € auf die Hauptforderung und 25,84 € auf die Zinsforderung verrechnet hat, ist zu entscheiden wie aus dem Tenor ersichtlich.

Dr. Milger                       Dr. [X.]                           Dr. Schneider

                  Dr. Fetzer                           Dr. Bünger

Meta

VIII ZR 9/14

10.12.2014

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Frankfurt (Oder), 17. Dezember 2013, Az: 16 S 138/13, Urteil

§ 241 Abs 2 BGB, § 242 BGB, § 8 Abs 1 HeizkostenV, § 9 Abs 4 HeizkostenV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.12.2014, Az. VIII ZR 9/14 (REWIS RS 2014, 463)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 463

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