Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.04.2012, Az. IV ZR 283/11

4. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7204

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Gegenstand

Flusskaskoversicherung: Anwendbarkeit der Schwesterschiffsklausel bei Führung der Schiffe als Schub- oder Koppelverband während des Schadensereignisses


Leitsatz

Die so genannte Schwesterschiffklausel in Besonderen Bedingungen für die Flusskaskoversicherung findet auch Anwendung, wenn die Schwesterschiffe bei dem Schadenereignis als Schub- oder Koppelverband geführt wurden.

Tenor

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 14. Januar 2011 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 5. Mai 2010 in der Fassung des Beschlusses vom 23. Juni 2010 zurückgewiesen.

Von den Kosten der Rechtsmittelverfahren tragen

die Beklagte zu   1 50%,

die Beklagte zu   2 25%,

die Beklagte zu   3 10% und

die Beklagte zu   4 15%.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die [X.] fordern von den beklagten Versicherern aus einer unter anderem für die [X.] ([X.]) "[X.]" und "[X.]" sowie die Schubleichter ([X.]) "[X.]1" und "[X.]1" abgeschlossenen Kaskoversicherung Entschädigung für den Nutzungsausfall der beiden Schubleichter.

2

In dem für die [X.] vom 2. Juni 2001 bis 1. Juni 2002 unter Führung der [X.] zu 1 geschlossenen Vertrag, dem die [X.] ([X.]) und Besondere Bedingungen für Flusskasko-Versicherungen ([X.]) zugrunde liegen, haben die [X.] zu 1 bis 4 in dieser Reihenfolge [X.] von 50, 25, 10 und 15% übernommen. In den [X.] heißt es unter anderem:

"2. Deckungsumfang

Die Versicherer tragen im Rahmen der Bestimmungen der [X.]. und dieser Police alle Gefahren, denen das Fahrzeug während der Dauer der Versicherung ausgesetzt ist, insbesondere Teilschäden, Totalverlust, [X.], Bergungskosten und Ersatz an Dritte durch nautisches Verschulden. …

6. Ersatz an Dritte

a) An die Stelle von § 78 [X.]. tritt folgende Regelung:

[X.]) Der Versicherer leistet Ersatz für Schäden, die der Versicherungsnehmer dadurch erleidet, dass er aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen die einem Dritten verursachten Schäden zu ersetzen hat, die bei der [X.] oder bei unmittelbar damit im Zusammenhang stehenden navigatorischen Maßnahmen entstanden sind.

b) Für die Ersatzleistung des Versicherers in Fällen von Bergung, Hilfeleistung und Ersatzansprüchen Dritter werden Schiffe und Gegenstände im Eigentum des Versicherungsnehmers wie fremdes Eigentum behandelt"

(so genannte Schwesterschiffklausel).

3

Jeweils durch Verschulden der Schiffsführer der [X.] sank am 16. November 2001 auf dem [X.] der im [X.] mit dem [X.] "[X.]" geführte [X.] "[X.]1" und kollidierte der Koppelverband [X.] "[X.]"/[X.] "[X.]1" am 3. Januar 2002 auf dem [X.] mit dem [X.] "W.  " sowie am 7. Januar 2002 auf dem [X.] mit dem Tankmotorschiff ([X.]) "A.   ". Die hierdurch entstandenen Kaskoschäden regulierten die [X.].

4

Mit der Klage verlangen die [X.] weitere Versicherungsleistungen wegen des infolge der Reparatur beider Schubleichter eingetretenen, der Höhe nach inzwischen unstreitigen [X.] von 57.981,36 €. Das [X.] hat der Klage insoweit - bis auf einen geringen Teil des Zinsanspruches - stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision erstreben die [X.] die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

5

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

6

I. Das Berufungsgericht meint, ein Anspruch der [X.] auf Erstattung ihres [X.] ergebe sich nicht aus der so genannten [X.] der [X.]. 6 b [X.]. Sie schütze nur vor den Folgen einer Kollision. Zu einem Zusammenstoß der Schiffe der [X.] untereinander sei es bei den drei Unfällen nicht gekommen. Die jeweils im [X.] geführten [X.]e und -leichter seien als "ein" Gegenstand zu betrachten. Anders als bei einer Kollision hätten sie sich nicht wie zwei von unterschiedlichen Schiffsführern selbständig geführte Schiffe gegenübergestanden. Es komme hinzu, dass das beschädigte Schwesterschiff nur dann Anspruch auf Schadensersatz gegen den Schädiger habe, wenn diesen ein Verschulden treffe, wobei ein Mitverschulden des [X.] anspruchsmindernd zu berücksichtigen sei. Fehle es an einem Verschulden des Schädigers, könne Ersatz nur aus der eigenen Kaskoversicherung verlangt werden. Erfolge in Fällen des Mitverschuldens keine Schadenquotelung, weil jeweils der gleiche Kaskoversicherer für beide Schiffe verpflichtet sei, sei dies allein Ausdruck der Kulanz des Versicherers.

7

Auch der Umstand, dass die Versicherungsprämie jeweils für den [X.] und [X.] berechnet sei, spreche dafür, dass beide Fahrzeuge regelmäßig gekoppelt geführt würden und einheitlich hätten versichert werden sollen.

8

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

9

Die Beklagten sind entsprechend den von ihnen gezeichneten [X.] aus den [X.]ern 2, 6 a, aa und 6 b [X.] verpflichtet, den [X.] den nach den vorgenannten drei Unfällen durch die Reparatur der beiden [X.] verursachten Nutzungsausfallschaden in Höhe von 57.981,36 € zu ersetzen.

1. Gemäß [X.]. 2 [X.] trägt der Versicherer nach Maßgabe der [X.] und der Police alle Gefahren, denen das versicherte Fahrzeug während der Dauer der Versicherung ausgesetzt ist. Die Klausel erläutert im Weiteren, dass zu diesen Gefahren auch der Ersatz an Dritte infolge nautischen Verschuldens zählt. Dieser Ersatz an Dritte wird unter [X.]. 6 [X.], welche die Klausel des § 78 [X.] ersetzt, näher geregelt. Nach [X.]. 6 a, aa [X.] leistet der Versicherer Ersatz für Vermögensschäden, die der Versicherungsnehmer dadurch erleidet, dass er aufgrund gesetzlicher Bestimmungen [X.] gegenüber Schäden zu ersetzen hat, die unter anderem bei der Bewegung des versicherten Schiffes entstanden sind.

2. [X.]. 6 b [X.] erweitert diesen Schutz dahingehend, dass für die Ersatzleistung des Versicherers unter anderem in Fällen von Ersatzansprüchen Dritter Schiffe und Gegenstände im Eigentum des Versicherungsnehmers wie fremdes Eigentum behandelt werden. Diese so genannte [X.] beruht - für den Versicherungsnehmer erkennbar - auf der Erwägung, dass über den Kaskoschaden hinausgehende Schäden, die eines der versicherten Schiffe an einem anderen seiner Schiffe verursacht, und die bei Schädigung fremden Eigentums zu gesetzlichen Schadensersatzansprüchen dieses Eigentümers geführt hätten, über [X.]. 6 a, aa [X.] nicht gedeckt wären, weil der Versicherungsnehmer insoweit nicht als zum Schadensersatz berechtigter Dritter angesehen werden könnte (vgl. für die [X.]: Senatsurteil vom 25. Juni 2008 - [X.], [X.], 372 Rn. 15). [X.]. 6 b [X.] bestimmt deshalb, das geschädigte Schiff werde so behandelt, als stehe es in fremdem Eigentum. Diese Fiktion gibt dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit, einen Eigenschaden vom Versicherer im gleichen Umfang ersetzt zu bekommen, wie ein geschädigter Dritter dies vom Versicherungsnehmer verlangen könnte. Dem Versicherungsnehmer soll kein Nachteil daraus entstehen, dass auch das geschädigte Schiff ihm selbst gehört ([X.], [X.], 293, 295). Zugleich dient die Klausel damit aber auch dem wirtschaftlichen Interesse des Versicherers; denn nur so können mehrere Schiffe eines Reeders im Rahmen eines Versicherungsvertrages versichert werden. Anderenfalls müsste der Reeder, wollte er umfassenden Versicherungsschutz erlangen, sein Unternehmen in rechtlich selbständige Ein-Schiff-Gesellschaften aufgliedern und die einzelnen Schiffe nach Möglichkeit bei unterschiedlichen Versicherungsunternehmen versichern.

3. Der Versicherungsvertrag deckt mit den genannten Klauseln Haftpflichtschäden ab, zu denen der Ersatz für den Nutzungsausfall eines Schiffes zählt ([X.], 29, 30; [X.], Erläuterungen zu den [X.] 1978, 1980 [X.]). Eine Beschränkung der Versicherungsschutzes auf den Ersatz reiner Sachschäden kann dem [X.] nicht entnommen werden, der deshalb auch in der Literatur einhellig als vertragliches Element des Haftpflichtversicherungsschutzes verstanden wird ([X.] in [X.]/de la Motte/[X.], [X.]. 2011, Teil 6 AVB-Kaskoversicherung Rn. 302; [X.] aaO [X.]; [X.] aaO; vgl. auch [X.] aaO).

Soweit die Beklagten in einer Gegenrüge der Fiktion der [X.]. 6 b [X.], das geschädigte Schiff "wie fremdes Eigentum" zu behandeln, eine der "grundlegenden Struktur der Kasko-Versicherung" angeblich entsprechende Begrenzung der Ersatzpflicht auf Sachschäden entnehmen wollen, weil die Klausel anderenfalls habe lauten müssen, dass der Versicherungsnehmer "wie ein fremder Eigentümer" behandelt werde, vermag der Senat dies schon vor dem dargestellten wirtschaftlichen Hintergrund nicht nachzuvollziehen. Die Beklagten meinen, die Bedeutung der [X.] beschränke sich im Ergebnis darauf, bei Beschädigung eines Schiffes des Versicherungsnehmers durch ein Schwesterschiff die vereinbarte Selbstbeteiligung (Franchise) entfallen zu lassen. Das kommt in [X.]. 6 a, aa i.V.m. [X.]. 6 b [X.] aber nicht ansatzweise zum Ausdruck. Ginge es allein um eine solche Begrenzung der Selbstbeteiligung, hätte dies deutlich geregelt werden müssen und auch wesentlich einfacher geregelt werden können.

4. Die Voraussetzungen der [X.]. 6 a, aa und b [X.] sind bei den drei in Rede stehenden Vorfällen erfüllt, weil beide [X.] der [X.] jeweils bei der [X.] verursachenden Motorschiffe beschädigt wurden (a) und ein anderer Eigentümer der beschädigten [X.] aufgrund gesetzlicher Bestimmungen vom Eigner der Motorschiffe Nutzungsausfallersatz hätte fordern können (b).

a) Soweit das Berufungsgericht vorwiegend darauf abstellt, bei keinem der Unfälle habe eine Kollision zwischen Motorschiff und [X.] stattgefunden, weil beide jeweils im [X.] geführt worden seien und sich insoweit nicht selbständig gegenübergestanden hätten, findet dies im [X.] keine Stütze.

aa) Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann (Senatsurteile vom 23. Juni 1993 - [X.], [X.], 83, 85; vom 17. Dezember 2008 - [X.], [X.], 341 Rn. 16 m.w.N.). Da der Versicherungsnehmer die Entstehungsgeschichte einer Klausel in der Regel ebenso wenig kennt wie die Motive des Verwenders, wird er in erster Linie vom [X.] und dem systematischen Zusammenhang ausgehen, in den eine Klausel gestellt ist.

bb) Dem Versicherungsvertrag liegen die [X.] und die [X.] zugrunde. Deren [X.]. 6 a bestimmt, dass ihre nachfolgenden Regelungen die Klausel des § 78 [X.] ersetzen. Vergleicht ein aufmerksamer Versicherungsnehmer beide Klauseln, so erkennt er, dass [X.]. 6 a [X.] die Haftung des Versicherers gegenüber § 78 [X.] erweitert (vgl. auch [X.] aaO). Während § 78 [X.] für den Ersatz des [X.] einen Zusammenstoß von Schiffen voraussetzt, genügt nach [X.]. 6 a, aa [X.], dass die Drittschäden "bei der [X.]" entstanden sind. Die Klausel stellt mithin allein darauf ab, dass das versicherte Schiff in Bewegung ist und dabei Beschädigungen an einem anderen Schiff oder sonstigem Gegenstand verursacht. Dass es dabei zu einer Kollision, insbesondere einem Zusammenstoß selbständig bewegter Einheiten kommen muss, lässt sich dem [X.] nicht entnehmen. Ohne Erfolg verweist die Revisionserwiderung insoweit auf die anderslautenden Kommentierungen von [X.] (aaO) und [X.] (Erläuterungen zu den [X.] 1978 [X.] f.), denen zufolge auch die der [X.]. 6 a, aa [X.] wortgleiche Klausel Nr. 34.1 der [X.] eine Kollision - wenn auch nicht notwendigerweise mit einem anderen Schiff - voraussetzt. Sie enthalten zu diesem Punkt keine nähere Begründung und zeigen insbesondere nicht auf, wo dies im [X.] zum Ausdruck kommt. Ein in Bewegung befindliches Schiff kann Schäden an anderen Sachen auch ohne direkte Kollision verursachen, etwa durch Sog oder Wellenschlag oder dadurch, dass wegen eines verkehrsordnungswidrigen Fahrmanövers andere Schiffsführer zu Ausweichbewegungen veranlasst werden, die ihrerseits zu Schäden führen (weitere Beispiele bei [X.] aaO Rn. 302). Der Wortlaut der [X.]. 6 a, aa [X.] lässt nicht erkennen, dass solche Schäden vom Versicherungsschutz ausgenommen sein sollen.

cc) Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Anwendung der [X.] aus [X.]. 6 b [X.] nicht entgegen, dass die beschädigten [X.] bei allen Unfällen im [X.] mit [X.] der [X.] geführt wurden (vgl. auch [X.] aaO).

(1) Zwar werden Schub- oder Koppelungsverbände in gesetzlichen Bestimmungen zur Regelung des Verkehrs auf Wasserstraßen, etwa in § 3.01 Nr. 3 a Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, als nautische Einheit betrachtet (vgl. [X.], 276). Darauf kommt es für den hier in Rede stehenden Anspruch der [X.] aber deshalb nicht an, weil die allein maßgeblichen Versicherungsbedingungen darauf nicht zurückgreifen.

(2) Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, demzufolge Schub- oder Koppelungsverbände in jeder - auch haftungsrechtlicher - Hinsicht stets eine untrennbare Risikogemeinschaft oder Rechtseinheit bilden, besteht nicht (vgl. [X.], Urteil vom 19. Dezember 1977 - [X.], [X.]Z 70, 127, 129; [X.] aaO). Das zeigt sich unter anderem daran, dass das [X.], welches seit 1963 in wechselnden Fassungen das Innenverhältnis zwischen [X.]eignern und den Eignern von [X.]n regelt, zwar ursprünglich von einer solchen Risikogemeinschaft ausging, seit 1968 jedoch eine verschuldensabhängige Haftung des [X.] auch gegenüber dem Eigner eines mitgeführten [X.]s entsprechend den gesetzlichen Haftungsbestimmungen vorsieht (vgl. dazu [X.], Urteil vom 12. Juni 1989 - [X.], [X.], 934 unter 4 b).

(3) Die Anwendung der [X.] wird auch nicht durch den Umstand ausgeschlossen, dass die Versicherungsprämie ausweislich der Police jeweils "pro Verband (1 x GMS + 1 x SL)" auf 25.000 DM berechnet wurde. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer Flusskaskoversicherung kann allein dieser Prämienberechnung nicht entnehmen, dass damit ein selbständiger Versicherungsschutz für versicherte [X.] im Innenverhältnis gegenüber dem dazu gehörigen Gütermotorschiff entfallen soll. Dagegen spricht, dass Motorschiffe und [X.] der [X.] in der "Anlage zur Cover Note" gesondert als versicherte Gegenstände aufgeführt und für [X.]e einerseits und [X.] andererseits unterschiedliche Selbstbeteiligungen ("Franchisen") vereinbart sind. Für einen selbständigen Versicherungsschutz zugunsten der [X.] spricht im Übrigen, dass sich die [X.] ohne Einschränkung auf alle "Schiffe und Gegenstände im Eigentum des Versicherungsnehmers" erstreckt. Wollten die Beklagten dessen ungeachtet eine Beschränkung für im Schub- oder [X.] mitgeführte [X.] vornehmen und diese Verbände lediglich wie ein Schiff als Einheit versichern, so hätten sie dies im Versicherungsvertrag in transparenter Weise zum Ausdruck bringen müssen.

b) [X.] die beschädigten [X.] im Eigentum Dritter, so könnten diese von der Eignerin der versicherten schadenverursachenden Motorschiffe aufgrund gesetzlicher Bestimmungen Ersatz für Nutzungsausfall fordern und damit den von [X.]. 6 a, aa [X.] vorausgesetzten Haftungsschaden herbeiführen. Die dazu erhobene Gegenrüge der Beklagten hat keinen Erfolg.

aa) Dem Anspruch eines [X.] auf Ersatz des [X.] könnte nicht entgegen gehalten werden, dass die unfallverursachenden Schiffsführer der [X.] in allen drei Fällen sowohl die beteiligten Motorschiffe als auch - wegen der Koppelung - die jeweils beschädigten Schiffsleichter führten. Zwar wäre bei einer Kollision zweier von jeweils eigenen Besatzungen geführter Schiffe unterschiedlicher Schiffseigner im Rahmen der Haftung des Unfallverursachers danach zu fragen, inwieweit ein Mitverschulden der Schiffsführung des geschädigten Schiffes zum Schaden beigetragen hat. Auch wäre bei der Beschädigung des gesamten [X.] durch ein anderes Schiff ein Mitverschulden der Besatzung des [X.]es zugleich dem im [X.] mitgeführten [X.] zuzurechnen (vgl. [X.], Urteil vom 19. Dezember 1977 aaO [X.]Z 70, 127, 129 f.; [X.] aaO). Im Innenverhältnis zwischen [X.] und [X.] gilt dies aber nicht. Vielmehr hätte der Eigner eines im Verband mitgeführten und durch Verschulden der Besatzung des [X.] beschädigten [X.] gegen den Eigentümer des [X.]es neben möglichen Ansprüchen aus dem [X.] (vgl. dazu [X.], Urteil vom 12. Juni 1989 - [X.], [X.], 934 unter 4) oder aus §§ 280, 278 BGB deliktische Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 831 BGB und § 3 Abs. 1 [X.] (zur Rechtsnatur dieser Bestimmung vgl. von Waldstein, [X.] 5. Aufl. § 3 [X.] Rn. 4 ff., 11 ff.). Darauf, dass seine eigene Besatzung zugleich Besatzung des [X.] gewesen und deshalb der Schadensersatzanspruch wegen Mitverschuldens zu mindern sei, könnte sich der Eigner des [X.]es nicht berufen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 17. Oktober 1983 - [X.], [X.]Z 88, 309 unter 3, wo sogar bei der Außenhaftung eine Verantwortlichkeit des Leichtereigners für Fehler der Besatzung des [X.]es verneint wird; a.A. [X.] aaO).

bb) Die Frage des Mitverschuldens der [X.]besatzung in ihrer gleichzeitigen Eigenschaft als Besatzung des [X.]s stellt sich bei Anwendung der [X.] aber auch aus einem weiteren Grunde nicht. Der Versicherungsvertrag gewährt gerade auch Schutz gegen Schäden, die durch ein Verschulden der jeweiligen Schiffsbesatzungen herbeigeführt worden sind. Nach § 33 Abs. 1 [X.] hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer - ungeachtet seiner Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer selbst - den durch eine fehlerhafte Führung des Schiffes (nautisches Verschulden) verursachten Schaden zu ersetzen. Das Verhalten der Schiffsführung als solcher muss sich der Versicherungsnehmer dabei nach § 33 Abs. 3 [X.] nicht zurechnen lassen. Ergänzend dazu bestimmt § 17 [X.], die "Haftung dieser Versicherung" werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Schaden auf eine Nachlässigkeit "der Schiffbesatzung oder des Vizen" zurückzuführen ist. Aus der Zusammenschau dieser Klauseln ergibt sich für den Versicherungsnehmer, dass er sich ein Fehlverhalten seiner Schiffsbesatzungen auch dann nicht entgegenhalten lassen muss, wenn er gestützt auf die [X.] Ansprüche wie ein geschädigter Dritter erhebt. Insofern kann - anders als das Berufungsgericht meint - keine Rede davon sein, dass Versicherer bei Anwendung der [X.] allein aus Kulanz darauf verzichteten, ein Mitverschulden der Schiffsbesatzung des geschädigten Schiffes anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Vielmehr höhlte eine solche Anrechnung den mit der [X.] versprochenen Versicherungsschutz jedenfalls bei der Beschädigung von in Schub- oder Koppelungsverbänden mitgeführten Schiffen teilweise aus, weil ein Verschulden der Schiffsbesatzung gleiche Bedeutung für die [X.] beider versicherter Fahrzeuge hätte und so regelmäßig zu einer Halbierung der Versicherungsleistung führen müsste.

III. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig.

1. Wie bereits das [X.] zutreffend dargelegt hat, sind die mit der Klage erhobenen Ansprüche nicht nach § 42 Abs. 2 [X.] wegen verspäteter Geltendmachung erloschen. Hiergegen erinnert die Revisionserwiderung nichts.

2. Verjährung ist nicht eingetreten. Die [X.] fordern vertragliche Versicherungsleistungen. Für diese bestimmt § 48 [X.] eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, die mit Ablauf des Jahres zu laufen beginnt, in welchem die Versicherung endet; das war hier das Jahr 2002. Die am 27. Dezember 2007 bei Gericht eingereichte und alsbald, am 10. Januar 2008, zugestellte Klage hat gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 253, 167 ZPO die Verjährungsfrist noch vor deren Ablauf am 31. Dezember 2007 gehemmt.

Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten mit einer Gegenrüge darauf, die Verjährung sei bereits nach Ablauf der kürzeren Verjährungsfristen aus den §§ 117, 118 [X.] eingetreten. Diese Vorschriften wären nur dann maßgeblich, wenn sich auch die Verjährung von Ansprüchen auf Versicherungsleistung wegen Ersatzes an Dritte gemäß [X.]. 6 a, aa [X.] nach der Verjährung desjenigen gesetzlichen Anspruches richtete, aus dem der Dritte gegen den Versicherungsnehmer vorgeht. Das ist nicht der Fall.

Allerdings kann es bei der Schädigung eines [X.] an einem Haftungsschaden des Versicherungsnehmers i.S. von [X.]. 6 a, aa [X.] fehlen, wenn der Geschädigte seine Schadensersatzansprüche gegenüber dem Versicherungsnehmer verjähren lässt. Das lässt sich jedoch auf die Anwendung der [X.] nicht übertragen. Sie fingiert einen solchen Schadenersatzanspruch lediglich für die Ermittlung der Versicherungsleistung. Damit entnimmt der Versicherungsnehmer der Klausel zwar, dass er rechtlich so gestellt werden solle, als sei er ein geschädigter Dritter; gleichzeitig enthebt ihn die bloße Fiktion des entsprechenden Schadensersatzanspruches aber davon, diesen gegen sich selbst geltend zu machen. Wegen der rechtlichen Unwirksamkeit eines solchen Vorgehens hätte der Versicherungsnehmer keine Möglichkeit, einer Verjährung des lediglich fingierten Anspruches entgegenzutreten. Er wird daraus den Schluss ziehen, dass sich die Frist für die Geltendmachung seiner Versicherungsleistung allein nach den für seinen vertraglichen Leistungsanspruch geltenden Bestimmungen richtet.

IV. Die Verzinsung der Klagforderung folgt aus §§ 291, 288 BGB.

Mayen                                                       Wendt                                                     Felsch

                        [X.]                                         [X.]

Meta

IV ZR 283/11

18.04.2012

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Rostock, 14. Januar 2011, Az: 5 U 90/10

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.04.2012, Az. IV ZR 283/11 (REWIS RS 2012, 7204)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7204

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